Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Theoretischer Teil
1.1. Professioneller Online-Journalismus
1.2. Partizipativer Online-Journalismus
2. Stand der Wissenschaft zum Verhältnis von professionellen Online-Journalismus und partizipativen Online-Journalismus
2.1. Publizistische Qualität im Internet
2.1.1. Qualität im professionellen Online-Journalismus
2.1.2. Qualität im partizipativen Online-Journalismus
2.1.3. Qualitätsbewertung des partizipativen Online-Journalismus
2.2. Partizipativer Online-Journalismus vs. professioneller Online-Journalismus – Konkurrenz und Kooperation
2.2.1. Treffpunkt Internet – Die Profession im Umgang mit der Partizipation
2.2.2. Selbst- und Fremdbild
2.2.3. Konkurrenz zwischen Profession und Partizipation
2.2.4. Chancen durch Kooperation
3. Resümee
4. Literaturverzeichnis & Quellenverzeichnis
Einleitung
Thema und Intention
Der professionelle Journalismus befindet sich im „Umbruch“, so der Kommunikationswissenschaftler Sven Engesser (vgl. 2013: 1). Diesen „Umbruch“ verbindet Engesser vor allem mit der Entwicklung des Internets der letzten zwei Jahrzehnte. Er postuliert, dass aufgrund äußerer Kräfte der Journalismus gezwungen sein wird sich zu verändern. (Vgl. 2013: 1) Fakt ist, im Jahr 2001 lag der Anteil der Internetnutzer in Deutschland noch bei 37 Prozent (vgl. statista 2014: o.S.). 2013 nutzten bereits 76,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland ab 14 Jahren das Internet (vgl. statista 2014: o.S.) und seit 2014 gibt es 79,1 Prozent Onliner in Deutschland (vgl. van Eimeren, Birgit/Frees, Beate 2014: o.S.). Ferner sind die Barrieren zur Partizipation von Rezipienten an politischer Kommunikation gesunken. Digital-affine Leser beteiligen sich zunehmend mit eigenen Artikeln, Bildern und Videos am Pressewesen. Infolgedessen verlieren die professionellen Medien mehr und mehr ihre Alleinstellung als Schleusenwärter im Nachrichtensektor. (Vgl. Schröder 2011: 20) Spätestens seit 2010, als über das investigative Webangebot WikiLeaks ungefähr 250.000 vertrauliche Dokumente von „Laien“ veröffentlicht wurden, scheint der von Engesser postulierte Umbruch des professionellen Journalismus seinen Weg zu nehmen (vgl. Witte 2010: o.S.). Der bekannteste deutsche Blogger Sascha Lobo behauptet sogar: „WikiLeaks ist eine Art Verlängerung der freien Presse in das Internetzeitalter – als Quelle für investigativen Journalismus.“ (Witte 2010: o.S.) Doch wo führen die Veränderung des Journalismus hin, wenn sich in Zukunft alle am Journalismus beteiligen können? Ist die Partizipation eine Bedrohung für den professionellen Online-Journalismus oder soll sie als Bereicherung verstanden werden? Um diese Fragen zu klären, werden in dieser Bachelorarbeit Definitionen und Qualitätsansätze für den Journalismus erläutert und mithilfe der Literaturanalyse das Verhältnis des professionellen und partizipativen Online-Journalismus eruiert als auch Zukunftsaussichten für den Journalismus detektiert.
Entwurf der Bachelorarbeit
Kapitel 1. & 2.
Im ersten Abschnitt der Arbeit steht die Klärung der Begriffe, des Gegenstandes und der Definitionen. Das Verhältnis zwischen der Profession und der Partizipation hängt unweigerlich mit der Definition und der Qualität des Journalismus zusammen. Insofern wird im zweiten Teil dieser Bachelorarbeit die Qualität des professionellen als auch des partizipativen Online-Journalismus geprüft. Ziel ist es, zu erörtern, über welchen Grad von Qualität der partizipative im Verhältnis zum professionellen Online-Journalismus verfügt. Mithilfe einer Literaturanalyse wird das Verhältnis zwischen dem professionellen und partizipativen Online-Journalismus eruiert und mögliche Entwicklungsaussichten des Journalismus erläutert.
1. Theoretischer Teil
Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Klaus Beck definiert den Journalismus wie folgt:
„Journalismus ist ein Berufsfeld und zugleich ein Funktionsbereich öffentlicher Kommunikation, der sich historisch im Laufe von mehreren Jahrhunderten entwickelt hat. Die Auswahl (Selektion), Herstellung und Bereitstellung sowie die Präsentation von Themen mit Faktizitätsanspruch für die öffentliche Kommunikation wird als Aufgabe oder Leistung des Journalismus verstanden.“ (Beck 2007: 135)
Doch was macht die Profession aus und wer ist Journalist? Welche Leitlinien muss jemand erfüllen, damit er sich als Journalist verstehen kann? Dürfen Personen, die sich ausschließlich nach den Leitlinien eines Unternehmens richten, wie Mitarbeiter im Public Relations, als Journalisten verstehen oder gar jemand, der einen Blog schreibt? Diese Fragen werden im folgenden Teil der Bachelorarbeit geklärt.
1.1. Professioneller Online-Journalismus
In der Forschung gibt es viele Definitionen zum Journalismus. Grund für die Definitionsvielfalt sind eine Vielzahl an verschiedenen Theorien. Auf Grund der Kompaktheit dieser Arbeit findet hier jedoch keine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Journalismus-Theorien statt. Die Definition des professionellen Online-Journalismus in dieser Bachelorarbeit basiert auf einer Theorie, auf der viele wichtige Definitionen aufbauen. Sie stammt vom Bielefelder Soziologen Niklas Luhmann (1996)1, der die Systemtheorie begründete. Neuberger und Kapern fassen Luhmanns Systemtheorie, bezogen auf den Journalismus, wie folgt zusammen:
„[Er] unterschied verschiedene gesellschaftliche Teilsysteme, die sich auf eine Funktion spezialisiert haben, die sie für die Gesellschaft erbringen. (…) Die besondere Funktion des Journalismus besteht deshalb in der Selbstbeobachtung der Gesellschaft. Das heißt: Der Journalismus verschafft den Gesamtüberblick über das relevante und reale Geschehen. (…) Der Journalismus erbringt für Teilsysteme wie Politik (…) spezifische Leistungen, indem er innerhalb dieser Teilsysteme zwischen Bürgern und Politikern (…) vermittelt.“ (Neuberger/Kapern 2013: 26)
Luhmann sagt: „So hat man mit jedem Teilsystem die ganze Welt im Blick, jedoch immer gespalten durch die Differenz von System und Umwelt.“ (Materielle Staatstheorie der Universität Konstanz 2013: 1:20-1:27) Auch die Kommunikationswissenschaftler Siegfried Weischenberg, Maja Malik und Armin Scholl fassen den Journalismus aufbauend auf der Systemtheorie zusammen. Der professionelle Journalismus wird als ein Teilsystem mit drei verschiedenen Ebenen verstanden, der gesellschaftlichen, organisatorischen und professionellen Ebene. Auf der gesellschaftlichen Ebene wird der Journalismus als eine soziale Ebene gesehen, mit der er eine Funktion für die Gesellschaft erfüllt. (Vgl. Weischenberg et al. 2006: 346-347; Scholl/Weischenberg 1998: 75 ff.) Auch Kommunikationswissenschaftler Christoph Neuberger und Journalist Peter Kapern betonen, dass die soziale Relevanz, d.h. die Bedeutung des Ereignisses für die Gesellschaft von hoher Wichtigkeit sei (vgl. Neuberger/Kapern 2013: 27). Der Journalist beobachtet verschiedene neue und relevante Gesellschaftsbereiche und stellt diese der öffentlichen Kommunikation zur Verfügung. Mit dieser Ebene kann man andere gesellschaftlich relevante Teilbereiche, wie Public Relations, Werbung oder Literatur, vom professionellen Journalismus ausschließen. (Vgl. Weischenberg et al. 2006: 346; Scholl/Weischenberg 1998: 63 ff.) So arbeiten PR-Medien im Auftrag von Unternehmen, Vereinen, Parteien oder Verbänden und legen ihr Hauptaugenmerk auf die Selbstdarstellung, die den Auftraggebern dient. Ebenso können Laienmedien aus dem Ehrenamt vom professionellen Journalismus ausgeschlossen werden, da sie von Seiten eigener Interessengruppen organisiert werden. (Vgl. Weischenberg et al. 2006: 347; Scholl/Weischenberg 1998: 63 ff.; Scholl 1997: 471 ff.) Weischenberg, Malik und Scholl gehen davon aus, dass Aktualität ein übergeordneter Auswahlgesichtspunkt für den Journalismus ist. Ihrer Ansicht nach gehören auf der organisatorischen Ebene formale und inhaltliche Kriterien wie Aktualität, Faktizität und Relevanz zur Journalismus-Definition. Medien mit geringer Periodizität oder Faktizität werden aus der Journalismus-Definition deswegen ausgeschlossen. (Vgl. Weischenberg et al. 2006: 346; Scholl/Weischenberg 1998: 75; Scholl 1997: 471 ff.) Möchte man sich jedoch der Antwort auf die Frage „Was ist Journalismus?“ nähern, muss man erst einmal klären, wer Journalist ist. Sowohl in Weischenbergs, Maliks und Scholls Auseinandersetzung mit dem Journalismus als auch bei Neuberger und Kapern werden auf der Ebene der professionellen Akteure, diejenigen als professionelle Journalisten bezeichnet, die der Deutsche Journalisten-Verband in seiner Definitionsausarbeitung bestimmt hat. So heißt es:
„Journalistin/Journalist ist, wer (…) hauptberuflich an der Erarbeitung bzw. Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Medien mittels Wort, Bild, Ton oder Kombinationen dieser Darstellungsmittel beteiligt ist (…).“ (Deutscher Journalisten-Verband 2009: 3)
Gleichwohl sollte die Definition des DJV (Deutscher Journalisten-Verband) kritisch gesehen werden, da er die PR-Mitarbeiter als auch Redakteure von Mitarbeiterzeitschriften zu professionellen Journalisten zählt. Doch während der Journalismus Gesellschaftsbereiche für Menschen vorbereitet, ist der PR-Mitarbeiter den Interessen des Arbeitgebers verpflichtet. (Vgl. Neuberger/Kapern 2013: 29) Im Einzelnen gehören Tätigkeiten, wie das Recherchieren, Editieren und medienspezifische Aufarbeiten zum Berufsbild des Journalisten als auch disponierende Tätigkeiten aus dem organisatorischen, personellen oder technischen Bereich. Zudem werden Angestellte und Freiberufliche als auch Journalisten elektronischer Medien sowie des Rundfunks und des Bildjournalismus zur Definitionsgrundlage des professionellen Journalismus gezählt. Ein Journalist soll zudem eine Allgemeinbildung, ein Sach- und Fachwissen besitzen, sowie Vermittlungskompetenz und persönliche Eigenschaften mitbringen. (Vgl. Deutscher Journalisten-Verband 2009: 3-7)2 Kommunikationswissenschaftler Armin Scholl sagt: „Bezieht ein Journalist mehr als die Hälfte seiner Einkünfte aus journalistischer Arbeit, ist er hauptberuflicher Journalist.“ (Scholl 1997: 478) In seiner Funktion des Beobachters, so Neuberger und Kapern, fungiert der Journalist als Frühwarnsystem, Moderator, Taktgeber und Agenda-Setter. Seine Themen müssen immer aktuell sein und einen Realitätsbezug herstellen. (Vgl. Neuberger/Kapern 2013: 28) „Seine Kommunikation kennzeichnen Publizität (Öffentlichmachen) und Kontinuität (fortlaufende Berichterstattung).“ (Neuberger/Kapern 2013: 28) Ferner muss die Autonomie des Journalisten gewährleistet sein, damit er ohne politische, ökonomische und andere Zwänge agieren kann (vgl. Neuberger/Kapern 2013: 28). Aus diesen Erkenntnissen heraus fassen Neuberger und Kapern den Journalismus wie folgt zusammen:
„Der Journalismus ist ein gesellschaftliches Teilsystem mit der Funktion der Selbstbeobachtung der Gesellschaft. Dafür stellt er Öffentlichkeit her, indem er Themen aktuell und universell ausgewählt, objektiv über sie berichtet, Beiträge veröffentlicht und kontinuierlich mit Hilfe von Massenmedien an das Publikum verbreitet. Autonomie ist eine notwendige Voraussetzung für die Erfüllung dieser Funktion. (Neuberger/Kapern 2013: 29)
Für diese Arbeit stellt sich die Frage, gibt es Unterschiede zwischen dem professionellen Printjournalismus und dem professionellen Online-Journalismus? Der deutsche Medienjournalist Stephan Niggemeier meint, dass es in Deutschland nur wenig gibt, „das man wirklich als „Online-Journalismus" bezeichnen könnte. Was es stattdessen im Überfluss gibt: Übernahmen aus Printmedien, ergänzt durch Bildergalerien, hinter denen erkennbar weniger ein publizistisches Interesse steht als der Versuch, möglichst viele Klicks zu generieren. Automatisch oder halbautomatisch übernommene Agenturmeldungen, illustriert mit dem erstbesten Symbolfoto aus dem Archiv. Und hastig ab- und zusammengeschriebene Textchen mit Klatsch und Tratsch.“ (Niggemeier 2010: 2) Wird beim Online-Journalismus lediglich Copy & Paste betrieben? Fakt ist, der Journalismus verändert sich mit den technischen Errungenschaften. Meiner Meinung nach muss aus diesem Grund über technische und soziale Grundlagen nachgedacht werden. 2008 beklagte Thorsten Quandt, Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, die geringe Anzahl an Studien, die sich mit den Veränderungen der Leistung des Online-Journalismus auseinandersetzen (vgl. Quandt 2008: 132). Dies hat sich meiner Ansicht nach in den letzten sechs Jahren nicht geändert. Der Frage, was Journalismus im Internet ist und welche Angebote als journalistisch angesehen werden können, sind die Kommunikationswissenschaftler Neuberger, Nuernbergk und Rischke 2009 nachgegangen. Mit einer quantitativen Inhaltsanalyse von Internetangeboten wurde eine Definition für den Online-Journalismus gesucht. (Vgl. Neuberger et al. 2009d: 197 ff.) Sie griffen auf Wesensmerkmale des Journalismus wie Autonomie, Aktualität, Universalität, Periodizität und Publizität zurück und untersuchten sie. Laut einer Erfassung der Grundgesamtheit journalistischer Angebote, zeigte sich, dass der Kernbereich des Online-Journalismus nach wie vor im Wesentlichen aus den Internetablegern traditioneller Printmedien besteht. (Vgl. Neuberger et al. 2009d: 226) So lagen „Nur-Internetangebote“ bei 23 Prozent (vgl. Neuberger et al. 2009d: 226/227). Die Wissenschaftler beziehen sich auf Axel Bruns (2005), der sagt, dass das klassische Konzept eines Gatekeepers nicht in Verbindung mit dem Online-Journalisten gebracht werden kann, denn der Online-Journalist hat sich zu einem Gatewatcher abgewandelt (vgl. Bruns 2005: 17 ff.). Neuberger und seine Kollegen folgern, dass der Online-Journalist beobachtet, was über das Internet an die Öffentlichkeit strömt (vgl. Neuberger et al. 2009a: 13). Struktur-technisch ähneln sich Print- und Online-Angebote zwar noch sehr, doch Onlinebeiträge sind meist länger als Beiträge in den Printmedien. Auch in der Angebotsvielfalt gibt es erhebliche Unterschiede. Online-Medien bieten mehr Reportagen, Interviews und Hintergrundmaterial als Print-Medien. Trotzdem schöpfen noch immer Online-Medien ihre multimedialen Möglichkeiten nicht aus. Die Beiträge werden mehrheitlich lediglich durch Bilder bzw. Bildergalerien bestückt. (Vgl. Quandt 2008: 151) Online-Angebote verweisen oft auf Agenturen sowie andere Netz-Quellen. Daneben unterscheiden sich auch die inhaltlichen Schwerpunkte der Print- und Online-Angebote. Der Printjournalismus ist stark ausgerichtet auf Inlandsberichte, während das Online-Angebot weiter gestreut ist. Dies liegt an den angeteaserten Berichten aus vielen Ressorts, die auf der Homepage angepriesen werden. (Vgl. Quandt 2008: 152) Ein weiterer Unterschied besteht in der Fokussierung der Hauptakteure der Berichte. Der Online-Journalismus zeigt häufig normale/unbekannte Menschen, während sich der Printjournalismus auf politische Personen konzentriert. Zudem unterscheiden sich die Tonalitäten. In den Online-Medien werden politische Geschehnisse weitaus negativer dargestellt als im Printbereich. (Vgl. Quandt 2008: 152) „Im Online-Bereich bekommt der Leser ein deutlich anders akzentuiertes Nachrichtenrepertoire zu sehen, und auch die Tonalität der Berichterstattung weicht von Print ab.“ (Quandt 2008: 152) Auf diese Art und Weise bilden Online-Nachrichten eigenständige, medienspezifische Themenstrukturen und Sichtweisen und finden langsam eine eigene Identität und Sprache (vgl. Quandt 2008: 152).
1.2. Partizipativer Online-Journalismus
Während sich der Begriff des professionellen Journalismus mit den Merkmalen (Beruf, Profession, Redaktion) assoziieren lässt, (vgl. Neuberger 2008: 19) stellt sich die Frage nach den Merkmalen des partizipativen Online-Journalismus, die Beruf und Redaktion ausschließen. Der deutsche Journalist Volker Lilienthal sieht im partizipativen Mediengebrauch, den online-affine, technikgewandte Menschen machen können, einen medialen Zuwachs an Demokratie (vgl. Lilienthal 2011: 54). Denn als es noch ausschließlich die traditionellen Massenmedien gab, war der Zugang zur Öffentlichkeit aus technischen, ökonomischen und anderen Gründen beschränkt. Solange der Journalismus nur über Presse und Rundfunk als Verbreitungsmedium verfügte, konnten sich nur wenige Anbieter und Sprecher an der öffentlichen Kommunikation beteiligen. (Vgl. Neuberger et al. 2011: 11) Die einseitige Feedback-Möglichkeit des passiven Publikums, verlieh den traditionellen Medien eine erhabene Rolle und Meinungsmacht. So hatten die traditionellen Medien eine Verantwortung der gesellschaftlichen Erwartungen zu erfüllen. (Vgl. Neuberger et al. 2011: 11) Das digitale Zeitalter veränderte die Stellung und Rolle des professionellen Journalismus. Das Internet ermöglicht allen Menschen den Zugang zur Öffentlichkeit und zur Partizipation.
Doch obwohl die Partizipation keine Erfindung der letzten 20 Jahre ist, fehlt es an Definitionen und Einigkeit. Bereits im 18. und 19. Jahrhundert gab es schon eine rege Leserbeteiligung in den Printmedien. Im digitalen Zeitalter ist die Partizipation schnell expandiert. (Vgl. Schönhagen 2005: 34 ff.) Der Geschwindigkeit der Technik kam jedoch die Forschung nicht nach. Es entstanden verschiedene Begrifflichkeiten, jedoch keine Einigkeit in der Definition und im Gebrauch. Weswegen die Formen der Partizipation im Internet noch heute unter verschiedenen Begriffen diskutiert werden. (Vgl. Engesser 2013: 30) „Daher erscheint es hier gerechtfertigt, nicht nur von der klassischen Begriffsinflation, sondern sogar von einer Begriffshyperinflation bei gleichzeitiger Definitionsarmut zu sprechen.“ (Engesser 2008a: 50) Um der Definitionsarmut entgegenzuwirken, wurden vor allem Unterschiede zwischen Profession und Partizipation eruiert. Ein Unterschied besteht darin, dass im professionellen Online-Journalismus das Top-Down und im partizipativen Online-Journalismus das Bottom-Up-Prinzip3 angewendet wird (vgl. Bowman/Willis 2003a: 9). Außerdem werden Artikel unterschiedlich kontrolliert. Während in der professionellen Redaktion der Artikel vor dem Publizieren redigiert wird, wird das Geschriebene im partizipativen Online-Journalismus in der Regel erst im Nachhinein von Rezipienten auf Fehler kontrolliert. Auch die Themenverarbeitung zeigt Unterschiede auf. Themen werden im professionellen Journalismus beispielsweise mithilfe von Nachrichtenfaktoren4 entschieden. Im partizipativen Online-Journalismus jedoch erscheinen Artikel zu Themen, die weniger relevant und informativ für die Bevölkerung sind, weil sie zum Beispiel aus dem Privatleben derer stammen, die die Artikel verfassen. (Vgl. Becht et al. 2010: 188) Neben den Unterschieden im Journalismus selbst, ist der Zugang zum Journalismus unterschiedlich. Professionelle Journalisten haben zumeist ein journalistisches Studium oder/und ein redaktionelles Volontariat abgeschlossen (vgl. Malik/ Scholl 2009: 182). Im Gegensatz dazu haben „Laien“ oft keine professionell-journalistische Ausbildung (vgl. Schenk et al. 2014: 11). Anders als im professionellen Journalismus, werden im partizipativen starre Strukturen aufgebrochen. Hier wird das Publikum innerhalb des Produktions- als auch des Vermittlungsprozesses gesucht, das sich aktiv beteiligen soll. (Vgl. Harrison/Barthel 2009: 161) Diese aktive Beteiligung erklären die amerikanischen Journalisten und Blogger Bowman und Willis wie folgt:
“The act of a citizen, or group of citizens, playing an active role in the process of collecting, reporting, analyzing and disseminating news and information. The intent of this participation is to provide independent, reliable, accurate, wide-ranging and relevant information that a democracy requires.” (Bowman/ Willis 2003a: 9)
Trotz dieser Auseinandersetzungen mit den Unterschieden zwischen dem professionellen und partizipativen Online-Journalismus fehlte es bis zuletzt an detaillierten Begriffsdefinitionen. Erst der Kommunikationswissenschaftler Sven Engesser wandte sich der Begriffsbestimmung zu. Eine Begründung zur Nutzung des Begriffes „partizipativer Journalismus“ liegt in seiner Internationalität. So hat er sich sowohl in der deutschen als auch in der englischen Wissenschaft durchgesetzt. (Vgl. Engesser 2013: 37) Engesser benennt drei semantische Felder, die den partizipativen Journalismus umfassen: Prozess, Profession und Partizipation (vgl. Engesser 2008a: 66). Diese erlauben ihm die folgende Definitionen abzuleiten. „Partizipativer Journalismus beteiligt die Nutzer zumindest am Prozess der Inhaltsproduktion, wird außerhalb der Berufstätigkeit ausgeübt und ermöglicht die aktive Teilnahme an der Medienöffentlichkeit.“ (Engesser 2008a: 66) Diese Arbeit orientiert sich an den Begriffsdefinitionen von Sven Engesser, der zum ersten Mal die Begrifflichkeiten analytisch voneinander trennt.5 Er sieht vier bedeutende partizipative Plattformen, Weblogs, Kollektivformate/Nutzerbeteiligung, professionell-partizipative Nachrichtensites und Lesereporter (vgl. Engesser 2008a: 57). In seiner Analyse stellt er vier Begriffsgruppen vor, die den Gegenstand aus einer ähnlichen Perspektive behandeln (vgl. Engesser 2013: 36). 6
Der Kategorie A gehört der Amateurjournalismus, Laienjournalismus und Parajournalismus mit einem Leitkonzept der Professionalität der Akteure und einer Bottom-Up Prozessrichtung an. Diese Kategorie grenzt sich vom professionellen Journalismus ab. Kategorie B beinhaltet den Kollaborativen Journalismus, Netzwerkjournalismus Open-Source-Journalismus, Peer-to-Peer Journalismus und User-Generated Content. Sie entstammt dem Kontext der Informatik. Der partizipative Journalismus steht am ehesten in der Verbindung zum Bürgerjournalismus und Graswurzeljournalismus. Die Gruppe C hat eine gesellschaftliche Aufgabe in einer Bottom-Up Prozessrichtung. (Vgl. Engesser 2013: 36) Neu hinzu kommt die Gruppe D des Civic Journalism, Community Journalism und Public Journalism mit einer Top-Down Prozessrichtung. (Vgl. Engesser 2013: 37) Auch sie ist gesellschaftlich orientiert. Die Forschung hat sich bislang der letzten Gruppe kaum genähert, zudem haben Botom-Up-Prozesse einen viel höheren Auftrieb erhalten. (Vgl. Engesser 2013: 37) Während Bürgerjournalismus und Graswurzeljournalismus im politikwissenschaftlichen Kontext verankert sind, kann der partizipative Journalismus im Sinn von öffentlicher Teilhabe mit größerem Bedeutungszusammenhang und Kontext verstanden werden (vgl. Engesser 2008a: 63). Ferner hat sich, wie bereits erwähnt, der partizipative Journalismus im deutsch- als auch englischsprachigem Raum verbreitet (vgl. Engesser 2013: 38). So hat sich der partizipative Journalismus durch seine „...gesellschaftliche Relevanz, theoretische Fruchtbarkeit, fachliche Einschlägigkeit, technische Unabhängigkeit und interkulturelle Anwendbarkeit...“ (Engesser 2013: 38) ausgezeichnet.
Engesser fasst den partizipativen Journalismus wie folgt zusammen:
„Insgesamt ist unter Partizipativen Journalismus ein Typ des Journalismus zu verstehen, der Beteiligung an der medialen Öffentlichkeit zur gesellschaftlichen Aufgabe hat und sich durch `Aktivität`, `Freiwilligkeit` und `Publizität` auszeichnet. Er lässt sich auf bestimmten Plattformen im Web nachweisen, ist jedoch teilweise weit von seinem theoretischen Ideal entfernt.“ (Engesser 2013: 340/341)
Zugehörig zu den Plattformen des partizipativen Online-Journalismus sind laut Engesser die Weblogs, das Mikroblogging wie Twitter, kollektive Webangebote wie Indymedia, Wikis, Soziale Nachrichtenangebote und professionell-redaktionelle Webangebote, Leserreporter-Angebote wie bei Bild-Leserreporter und professionell-partizipative Webangebote wie OhmyNews sowie die Sublokalen Webangebote, die sich auf eine lokale Einbindung von Personen beziehen. (Vgl. Engesser 2013: 61-92) So können die Plattformen als partizipativ angesehen werden, die den Nutzern die Möglichkeit eröffnen, aktiv und freiwillig an der Medienöffentlichkeit teilzunehmen (vgl. Engesser 2013: 86).
2. Stand der Wissenschaft zum Verhältnis von professionellen Online-Journalismus und partizipativen Online-Journalismus
Im folgenden Abschnitt wird unter Einbezug der generierten Definitionen, eine Literaturanalyse, in Bezug auf die Qualität und das Verhältnis zwischen dem professionellen und dem partizipativen Online-Journalismus durchgeführt. Das Verhältnis zwischen der Profession und Partizipation hängt unweigerlich mit der Qualität des Journalismus zusammen. Engesser meint, je höher die journalistische Qualität, desto hochwertiger der Journalismus (vgl. Engesser 2013: 49). Um das Verhältnis erfassen und analysieren zu können, bedarf es zunächst der Qualitätsprüfung des partizipativen und professionellen Online-Journalismus.
2.1. Publizistische Qualität im Internet
Die Forschung hat sich lange schwer getan publizistische Qualität, insbesondere im Internet, zu erfassen und zu definieren. Neben den gesellschaftlichen, bereiten die technischen Veränderungen und Entwicklungen der Wissenschaft immense Probleme, die Qualität zu erfassen, so dass nur allzu häufig in wissenschaftlichen Ausarbeitungen die Aussage vom Publizisten Stephan Ruß-Mohl „Qualität im Journalismus definieren zu wollen, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln“ (Ruß-Mohl 1992: 85) vorangestellt wird. Doch trotz dieser Behauptung, hält sogar Ruß-Mohl die Definition nicht für unmöglich und stellt fest, dass, um die unterschiedlichen Akteure, Interessen und Perspektiven zusammenzuführen, ohne sich in Widersprüche zu verstricken, der Forschungszweig Qualitätsmodelle in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren sehen muss. Neben Produkt- und Rezipientenfunktionen (Medium, Genre, Periodizität, Zielgruppe) hält er auch gesellschaftliche Funktionen und ein journalistisches Selbstverständnis für essentiell. (Vgl. Ruß-Mohl 1992: 85) Da die Kommunikationswissenschaftler Heribert Schatz und Winfried Schulz sehen, dass die Kommerzialisierung des Fernsehens Einfluss auf die Qualität nehmen könnte, erstellen sie 1992 den ersten deutschsprachigen Qualitätskatalog zur Medienqualität. Dieser enthält die Kriterien Vielfalt, Relevanz, Professionalität, Akzeptanz und Rechtmäßigkeit. (Vgl. Schatz/Schulz 1992: 690-912)7 Den Politikwissenschaftler Hans Heinz Fabris lässt dies zum Schluss kommen, dass es sich „bei der Qualitätsforschung in der Regel um den Versuch handelt bestimmte Merkmale, Eigenschaften, Werte eines Medienprodukts, eines Medienakteurs, Medienunternehmens oder Mediensystems zu untersuchen und spezifische Standards herauszufinden.“ (Fabris 2001: 56) Der Medienwissenschaftler Hans-Jürgen Bucher fügt hinzu: „Qualitätsurteile können auf ganz unterschiedliche Aspekte der Medienkommunikation Bezug nehmen: im Falle des Journalismus auf die Produkte, ihre gattungsspezifische Realisierung, ihre möglichen Folgen in ganz verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, ihre Vorgeschichte, beispielsweise die Recherche, die Kosten, die Reichweite, die Strukturen einer Redaktion eines Verlages, einer Anstalt, die Kompetenz und die Ausbildung der Akteure.“ (Bucher 2003: 13)8 Zudem hält er fest, dass Qualität nicht nur einmalig bestimmt oder nachgewiesen, sondern auch gesichert werden muss (vgl. Bucher 2003: 14/15). So entsteht ein neuer Blick auf die Qualitätssicherung. Diesen Gedankenansatz führt der Kommunikationswissenschaftler Klaus-Dieter Altmeppen fort. Neben den journalistischen Qualitätskriterien, sowie den journalismusinternen und -externen Strukturen, die in Diskussionen über die journalistische Qualität geführt werden, muss auch die Ökonomie zur Qualitätssicherung miteinbezogen werden. (Vgl. Altmeppen 2003: 113/114) Die Abhängigkeit gegenüber dem Werbemarkt als Finanzierungsgrundlage stellt sich als eine schwierige Dimension der Qualität heraus. So kann die Kommerzialisierung der Medien zum Qualitätsproblem des Journalismus führen. (Vgl. Altmeppen 2003: 122) „Da die Medien oft kommerzorientiert handeln, dominieren die wirtschaftlichen Ziele der Medien die publizistischen Ziele des Journalismus.“ (Altmeppen 2003: 116) Bilkes Antwort darauf, man darf die Qualität des Journalismus nicht als einen starren Ansatz verstehen, weil sich ein derartiges Modell nur kommunikativ und kontextbezogen behandeln lässt (vgl. Bilke 2008: 84). All diese einzelnen Schwerpunkte und Hypothesen stellen beim Definieren und Prüfen der Qualität im Journalismus einen hohen Schwierigkeitsgrad dar. Die Frage nach der Qualität erfordert, wie bereits erwähnt, den Einbezug verschiedener Aspekte und Perspektiven. So werden Qualitätsdebatten dadurch komplex, dass in Widerspruch stehende Prinzipien, Maßstäbe, Normen und Regelungen ins Spiel kommen (vgl. Bucher 2003: 13). Eine Weiterentwicklung in der Auseinandersetzung mit der Qualität kommt erst mit dem Kommunikationswissenschaftler Sven Engesser zustande. Für ihn hängt der Zusammenhang zwischen der Definition von Journalismus und Qualität unweigerlich zusammen, denn je höher die journalistische Qualität, d.h. je vollkommener eine Aussage, Plattform, Organisation, ein Prozess und Akteur erfüllt wird, desto hochwertiger der Journalismus, der sich aus gesellschaftlichen Aufgaben mit Kriterien ableiten und empirisch messen lässt. (Vgl. Engesser 2013: 49) So stellt „die 'journalistische Qualität' das empirische Bindeglied zwischen dem Journalismus und seiner gesellschaftlichen Aufgabe dar und der Journalismus den theoretischen Ankerpunkt für die journalistische Qualität.“ (Engesser 2013: 48)9 Professor und Wissenschaftler Christoph Neuberger fügt hinzu, dass Qualität etwas Relatives und Dynamisches ist. Für ihn hält der den Maßstab über Qualität hoch, der sie definiert. (Vgl. Neuberger 2011: 16) Publizistische Qualität setzt voraus, dass vorher bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Jede Nichterfüllung der Anforderung führt somit zu Qualitätsmängeln. Doch erst durch die Bestimmung der „Aufgabe“ oder der „Erfordernisse“ sowie die empirische Messung der Qualität wird diese Qualitätsdefinition vervollständigt. (Vgl. Engesser 2013: 44)
[...]
1. „Wir halten uns an den Ausgangspunkt, daß die Massenmedien als beobachtende Systeme genötigt sind, zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz zu unterscheiden.“ (Luhmann 1996: 15)
2. „Journalistinnen und Journalisten haben die Aufgabe, Sachverhalte oder Vorgänge öffentlich zu machen, deren Kenntnis für die Gesellschaft von allgemeiner, politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung ist. Durch ein umfassendes Informationsangebot in allen publizistischen Medien schaffen Journalistinnen und Journalisten die Grundlage dafür, dass jede Bürgerin und jeder Bürger die in der Gesellschaft wirkenden Kräfte erkennen und am Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen kann. Dies sind Voraussetzungen für das Funktionieren des demokratischen Staates.“ (Deutscher Journalisten-Verband 2009: 2)
3. „Participatory journalism is a bottom-up, emergent phenomenon in which there is little or no editorial oversight or formal journalistic workflow dictating the decisions of a staff. Instead, it is the result of many simultaneous, distributed conversations that either blossom or quickly atrophy in the Web´s social network.“ (Bowman/Willis 2003a: 9)
4. „Je stärker ausgeprägt diese Faktoren und je mehr von ihnen erfüllt werden, umso wahrscheinlicher ist es, dass über das Ereignis in den Medien berichtet wird.“ (Beck 2007: 167)
5. „Ebenso werden manche Formen als Partizipativer Journalismus bezeichnet, die Wissenschaftler einst als Bürgerjournalismus oder Laienjournalismus betitelt haben.“ (Engesser 2008a, 66)
6. (vgl. Engesser 2013: 36)
7. Später benennt der Medienforscher Michael Schröder Kriterien wie Aktualität, Relevanz, Vielfalt, Ausgewogenheit und Unabhängigkeit, Richtigkeit, Transparenz, Verständlichkeit und Unterhaltsamkeit auf , die sich vielerorts in der Forschung wiederfinden. (vgl. Schröder 2011: 21)
8. „Wer die Mechanismen seiner journalistischen Arbeit kennt, sie reflektiert und im Redaktionsalltag von Kolleginnen und Kollegen unterstützt wird, der kann auch in Zeiten, die geprägt sind von wirtschaftlichem Druck, Informationsverdichtung und gewachsenen Anforderungen durch multimediale Produktion journalistische Qualität abliefern. Wer jedoch auf Seiten der Verleger, Shareholder und Medienunternehmer Journalisten nur mehr als Kostenfaktor sieht und glaubt, gute Inhalte produzierten sich von alleine, der braucht sich nicht wundern, wenn die Qualität seines Produktes sinkt und die Nutzer wegbleiben. “(Pitzer 2011: 177)
9. „Gründe für die derzeitige Forschungslage liegen aber auch im Qualitätsbegriff selbst, dessen Komplexität ein wesentlicher Faktor für die Unabgeschlossenheit der wissenschaftlichen Fundierung darstellt. Qualitäten sind keine Eigenschaften der Gegenstände denen sie zugesprochen werden, sondern (...) Jeder Beobachter fällt zunächst sein eigenes Qualitätsurteil auf der Basis seiner Position, seiner Perspektive, seiner Interessen und seiner Standards.“ (Bucher 2003: 12)