Sprachen und Stereotypen. Bilinguale Sprecher über ihr Verhältnis zum Deutschen und zum Spanischen


Dossier / Travail de Séminaire, 2013

19 Pages, Note: 1,0

Sandra S. (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Einstellung/attitude
2.1 Definition
2.2 Spracheinstellungen
2.3 Ursprung und Veränderung der attitudes
2.4 Unterschiede zwischen attitude und behaviour
2.5 Funktionen der attitudes

3 Einstellungen der bilingualen Sprecher
3.1 Einstellungen zum Deutschen
3.2 Einstellungen zum Spanischen

4 Bezug zwischen Sprachbiographie und attitude

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Sekundärliteratur

1 Einleitung

Alle Deutschen tragen Lederhosen und essen Weißwurst, alle Franzosen trinken Wein und essen Baguette und alle Spanier tanzen Flamenco und trinken Sangria. Stereotype zu verschiedenen Staaten und ihren Einwohnern sind weitgehend bekannt. Doch wie sieht es mit Sprachen aus? Haben wir auch eine vorbestimmte Einstellung zu einzelnen Sprachen? Gibt es auch hier Stereotype, die ebenso wie Lederhose und Flamenco in der Gesellschaft verankert sind? Oder ist jeder individuell durch seine Sprachbiographie in seiner Einstellung geprägt? In der folgenden Arbeit sollen diese Fragen anhand der Analyse von Interviews mit bilingualen Sprechern geklärt werden. Der Arbeit liegen daher zwei Interviewreihen zugrunde. Zum einen bezieht sich die Ausarbeitung auf Interviews von Bochumer Studenten unter dem Titel „Tage der Sprachen im Ruhrgebiet“ und zum anderen werden die im Seminar Bilinguismus entstandenen Interviews mit Bonner Bilinguisten untersucht. Beide Interviewreihen entstanden unter Leitung von Professor Doktor Franz Lebsanft und folgten einem nahezu identischen Fragebogen. Die im Folgenden relevanten Fragen sind vor allem „Welche deiner beiden Sprachen magst du lieber?“ und „Welche Unterschiede gibt es für dich zwischen deinen Sprachen?“. Zusätzlich werden Antworten auf die Fragen „Welche deiner beiden Sprachen würdest du als deine Muttersprache bezeichnen?“ und „Was gefällt dir besonders am Spanischen/Deutschen?“ sowie biographische Angaben der Sprecher einbezogen.

Um die Einstellungen der Sprecher möglichst genau analysieren zu können, sollen zunächst einige Begrifflichkeiten geklärt werden. Die Einstellung an sich wird in der Fachliteratur häufig als „attitude“ beschrieben und soll so auch in der vorliegenden Arbeit definiert und betitelt werden. Dabei soll auch untersucht werden, woher attitudes stammen und wie sie sich mit der Zeit verändern können. Die Besonderheit der Spracheinstellungen wird dabei ebenso behandelt wie die Differenz zwischen Einstellung/ attitude und Verhalten/ behaviour.

2 Einstellung/ attitude

2.1 Definition

Im Allgemeinen versteht man unter einer attitude die Einstellung, die eine Person gegenüber einer anderen Person, einer Sache oder einem Sachverhalt hat. Dabei kann diese attitude sowohl positiv als auch negativ geartet sein oder beide Positionen gegeneinander abwägen. So heißt es bei Allport, attitude sei „a mental and neural state of readiness, organized through experience, exerting a directive or dynamic influence upon the individual's response to all objects and situations with which it is related‎“.[1]

Attitudes sind ein soziopsychologisches Konzept, das nicht wie Gewicht oder Schuhgröße objektiv oder direkt gemessen oder erkannt werden kann. Es ist viel mehr eine „interference that one makes from behaviour.“[2] Attitudes bewegen sich also in einem sehr individuellen Feld. Es ist nicht klar festgeschrieben, wer zu welchen Gegenständen oder Sachverhalten welche attitude hat oder woher diese stammt. Sicher ist nur, dass attitudes sich häufig in einem bestimmten Verhalten widerspiegeln. Exakter erklärt Brigitte Schlieben-Lange drei Komponenten, aus denen sich attitude zusammensetzt. Zum einen gibt es die affektive Komponente, die Bewertung, als nächstes die kognitive Komponente, das Wissen, und zuletzt die konative Komponente, das Verhalten.[3] Peter Garrett spezifizierte dieses Konzept wie folgt:

„Attitudes are cognitive insofar as they contain or comprise beliefs about the world, and the relationships between objects of social significance: e.g. judgements of standard language varieties tending to be associated with high-status jobs. Attitudes are affective in that they involve feelings about the attitude object. This affective aspect of attitudes is a barometer of favourability and unfavourability, or the extent to which we approve or disapprove of the attitude object. This positive-to-negative directionality of attitudes is usually augmented by an assessment of intensity: for example, whether we mildly disapprove of something or we well and truly detest it. Thirdly, the behavioural component of attitudes concerns the predisposition to act in certain ways, and perhaps in ways that are consistent with our cognitive and affective judgements.”[4]

„That is, one knows or believes something, has some emotional reaction on it and, therefore, may be assumed to act on this basis“.[5] Dabei können attitudes sowohl als “input” als auch als „output“ einer sozialen Handlung funktionieren.[6]

Schlussendlich lässt sich feststellen, dass die Definition von attitude „complex and multidimensional“[7] ist.

2.2 Spracheinstellungen

„Speech is a powerful factor of identification, and social, cultural and ethnic categorizations and value judgements based upon them can be expressed about individuals and generalized to whole groups.“[8]

Sprecher identifizieren sich über ihre Sprachen mit Ländern, Kulturen und anderen Sprechern, man kann sogar sagen, dass Sprache zu den “stärksten Identitätsträgern überhaupt”[9] gehört und vor allem durch das Erleben von Mehrsprachigkeit auch „Alteritätserfahrungen“[10] begründet. Einige Gruppen identifizieren sich sogar ausschließlich mittels ihrer Sprache, wodurch diese einen hohen Symbolwert hat.[11]

Durch diesen hohen Einfluss von Sprache auf gesellschaftliche Faktoren rücken auch die attitudes gegenüber Sprache immer mehr in den Mittelpunkt der Forschung der Soziolinguistik, da vermutet wird, dass die Affinität eines Menschen zu einer bestimmten Sprache auch Aufschluss über seine Meinung gegenüber den jeweiligen Sprechern geben kann.[12] Eine Besonderheit bildet dabei die Mehrsprachigkeit oder genauer der Bilinguismus. Während Mehrsprachigkeit in Deutschland längst zur „gesellschaftlichen Realität“[13] gehört, sind die verschiedenen Sprachen nach wie vor „mit einem unterschiedlichen Prestige ausgestattet“[14], das die attitudes gegenüber der jeweiligen Sprache mit Sicherheit beeinflusst. Wo auch immer zwei Sprachen miteinander in Kontakt treten, gibt es eine „majority language“[15], die der anderen vorgezogen wird, weil sie beispielsweise einen besseren sozialen Stand hat, von der Politik genutzt wird oder wirtschaftliche Macht hält.[16] Das Prestige der einzelnen Sprachen hängt allerdings auch mit den Erfahrungen des Sprechers zusammen, die automatisch mit der Sprache verbunden werden.

„Touristische Kontakte führen, weil sie meist in positiver Stimmung stattfinden und weil die mit ihnen verbundene Mehrsprachigkeit für das eigene Lebensalltagsgerüst gewissermaßen neutral ist und somit keine Gefahr darstellt, üblicherweise zu positiveren Affekten (bei Fernreisen kommt der Reiz des Exotischen dazu).“[17]

Im Falle unserer bilingualen Sprecher gelten noch weitere Faktoren wie Familieneinfluss oder Sprecherstereotype. Dennoch gibt es kaum einen, der in den Interviews auf die Frage „Welcher deiner beiden Sprachen magst du lieber?“ keine Antwort geben konnte. Denn Sprachen an sich haben keine meinungsbildenden Faktoren, die sie „superior“[18] oder „inferior“[19] machen könnten, die attitude eines Sprechers gegenüber einer bestimmten Sprache wird vor allem durch soziale Gruppen, persönliche Erfahrungen und Stereotypen beeinflusst.[20] Daher soll im Folgenden auch der Einfluss der Sprachbiographien unserer Sprecher auf ihre attitude gegenüber ihrer Sprachen untersucht werden.

2.3 Ursprung und Veränderung der attitudes

Es besteht kein Zweifel darüber, dass attitudes stark von der Umwelt der einzelnen Personen abhängen. Familie, Arbeit, Religion oder Bildung sind nur einige der Punkte, die auf die attitudes eines Menschen einwirken können. Teilweise verändern Menschen ihre attitude sogar, „to conform with those that are most prevalent in the social groups they belong to“.[21] Lasagabaster nennt drei Faktoren, die hauptsächlich auf die Einstellungen einwirken: nationale Kultur, soziale Gruppen, die auf Individuen treffen und der Charakter des Individuums bei Flexibiliät und Anpassungsfähigkeit.[22]

Doch neben diesen „motivos sentimentales“[23] gibt es auch „motivos instrumentales“[24], die dazu führen, dass der Sprecher sich in seiner Schullaufbahn oder seinem Studium von einer seiner Sprachen leiten lässt und beispielsweise Romanistik studiert, da er ohnehin Spanisch spricht.[25] So erhält seine attitude gegenüber dem Spanischen einen zusätzlichen institutionellen Aspekt und wird dadurch aufgewertet, dass das Beherrschen der Sprache spätere Jobperspektiven verbessert.[26] Hinzu kommen die „motivos comunicativos“[27], durch den kommunikativen Wert der Sprache wird zum einen die Zweisprachigkeit und zum anderen die einzelne Sprache aufgewertet.

Zusätzlich sind attitudes erlernt, weshalb Eltern und Bildung einen wichtigen Anteil bei der Bildung von Einstellungen haben. Weitere wichtige Faktoren sind Freunde, Kollegen und Massenmedien. Dennoch ist es unabdingbar, einen Sachverhalt, einen Gegenstand oder eine Person zu kennen, um eine attitude ihr gegenüber zu entwickeln.

2.4 Unterschiede zwischen attitude und behaviour

Menschen drücken ihre attitudes häufig in ihrem Verhalten aus. Wenn etwas nicht gefällt, lehnt man es ab, man distanziert sich davon oder man protestiert dagegen. „ Attitudes sind eben gerade das, was sich in sozialen Situationen am Verhalten offen beobachten lässt“.[28]

Es gibt jedoch häufig auch Unterschiede zwischen attitude und behaviour. „There seems to be a gab between what people say and what they do“ heißt es auch bei Lasagabaster.[29] Während wir das Verhalten anderer studieren, ziehen wir meistens Rückschlüsse auf ihre attitude. Doch so einfach kann die Beziehung zwischen attitude und behaviour nicht gesehen werden. Denn es gibt häufig Unterschiede zwischen beiden. Diese Unterschiede rühren unter anderem auch daher, dass Menschen häufig eine Einstellung zu Gegenständen oder Sachverhalten entwickeln, zu denen sie kaum Informationen haben.[30] Brigitte Schlieben-Langer definiert das Phänomen wie folgt: „Diskrepanzen zwischen geäußertem Wissen (belief), geäußerter Bewertung (evaluation) und tatsächlichem Verhalten (behaviour)“.[31]

2.5 Funktionen der attitudes

Laut Daniel Katz[32] gibt es vier Hauptfunktionen von attitudes: Die erste Funktion ist die Verständnis- oder Wissensfunktion: Attitudes helfen dabei, zu verstehen, was in unserem Umfeld oder auf individueller Ebene geschieht. Die zweite Funktion ist die Funktion der Nützlichkeit: Attitudes lassen Menschen in bestimmten Situationen besser zu reagieren als in vorangegangener Zeit und sind Unterstützer beim Erreichen von Zielen. Als dritte Funktion der attitudes gilt die Wert ausdrückende Funktion. Die attitude eines Menschen hilft ihm bei Identitätsfindung und Selbstbewusstsein. Er erhält durch die attitude „a positive expression of the type of person he conceives to be”[33]. Und die letzte Funktion laut Katz ist die Selbstverteidigungsfunktion der attitudes. Sie sollen Individuen vor inneren und äußeren Konflikten oder Gefahren schützen.

[...]


[1] Allport, Gordon (1935): Attitudes. – zitiert nach: Ajzen, Icek (2005): Attitudes, Personality and Behavior. S. 28.

[2] Lasagabaster (2005): Attitude/Einstellung. S. 399.

[3] Vgl.: Schlieben-Lange, Brigitte (1973): Soziolinguistik. Eine Einführung. S. 94.

[4] Garrett, Peter (2010): Attitudes to language. S.23.

[5] Edwards, John (1994): Multilingualism. S.97.

[6] Garrett, Peter (2010): Attitudes to language. S.21.

[7] Romaine, Suzanne: Bilingualism. 2. Ausgabe. Oxford 1995. S.319.

[8] Hamers, Josiane; Blanc, Michel (1990): Bilinguality and Bilingualism. S.129.

[9] Vgl.: Plewnia, Albrecht (2011): Spracheinstellungen und Mehrsprachigkeit. S.215.

[10] Vgl.: ebd. S.215.

[11] Vgl.: Schlieben-Lange, Brigitte (1973): Soziolinguistik. Eine Einführung. S.96.

[12] Vgl.: Lasagabaster (2005): Attitude/Einstellung. S. 399.

[13] Vgl.: Plewnia, Albrecht (2011): Spracheinstellungen und Mehrsprachigkeit. S.215.

[14] Vgl.: ebd. S.215.

[15] Grosjean, François (2011): Life with two languages. S.120.

[16] Ebd. S.120.

[17] Plewnia, Albrecht (2011): Spracheinstellungen und Mehrsprachigkeit. S. 216-217.

[18] vgl.: Hamers, Josiane; Blanc, Michel (2000): Bilinguality and Bilingualism. S.222.

[19] vgl.: ebd. S.222.

[20] vgl.: Hamers, Josiane; Blanc, Michel (2000): Bilinguality and Bilingualism. S.222.

[21] Lasagabaster (2005): Attitude/Einstellung. S. 399.

[22] vgl.: ebd. S. 399.

[23] Jiménez Ramírez, Félix (2001): El Español en la Suiza alemana. S. 143.

[24] ebd. S. 143.

[25] Vgl.: ebd. S. 143.

[26] Vgl.: Lasagabaster, David (2002) : The role of instrumental and integrative attitudes in a multilingual context. S.1694.

[27] Jiménez Ramírez, Félix (2001): El Español en la Suiza alemana. S. 143.

[28] Schlieben-Lange, Brigitte (1973): Soziolinguistik. Eine Einführung. S.95.

[29] Lasagabaster (2005): Attitude/Einstellung. S.401.

[30] Vgl.: Romaine, Suzanne (1995): Bilingualism. S.317.

[31] Schlieben-Lange, Brigitte (1973): Soziolinguistik. Eine Einführung. S.96.

[32] Katz, Daniel (1960): The functional approach to the study of attitudes. – zitiert nach: Lasagabaster (2005): Attitude/Einstellung. S.401.

[33] Ebd. S.401.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Sprachen und Stereotypen. Bilinguale Sprecher über ihr Verhältnis zum Deutschen und zum Spanischen
Université
University of Bonn
Note
1,0
Auteur
Année
2013
Pages
19
N° de catalogue
V287259
ISBN (ebook)
9783668564015
ISBN (Livre)
9783668564022
Taille d'un fichier
578 KB
Langue
allemand
Mots clés
sprachen, stereotypen, bilinguale, sprecher, verhältnis, deutschen, spanischen
Citation du texte
Sandra S. (Auteur), 2013, Sprachen und Stereotypen. Bilinguale Sprecher über ihr Verhältnis zum Deutschen und zum Spanischen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287259

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