Das deutsche Substantiv „Ansehen“ lässt sich leicht vom gleichlautenden Verb „ansehen“ ableiten. Die Bedeutung hat sich bei der Entwicklung vom Verb zum Substantiv jedoch bedeutend erweitert. So kann man das „Ansehen“ nicht mit dem ähnlich klingenden Wort „Aussehen“ gleichsetzen, denn das Ansehen einer Person meint eigentlich nicht ihre äußere Erscheinung. Ganz im Gegenteil das „Ansehen“ einer Person referiert eher auf ihre inneren Werte. Im Duden heißt es hierzu: „Achtung, Wertschätzung, hohe Meinung (…)“ . Wie jedoch kann ein Nomen, das sich aus einem Verb entwickelt hat, dessen Bedeutung sich so eindeutig auf Äußerlichkeit und Oberflächenbeschaffenheit bezieht sich in der Ableitung so verändern?
Die Antwort darauf könnte in der Entwicklung dieses Wortes vom Mittelalter hin zur Neuzeit liegen, oder besser gesagt im Zusammenspiel von „Ansehen“ und der Bedeutung von Visualität für die mittelalterliche Gesellschaft. In dem mittelhochdeutschen Wörterbuch herausgegeben von Mathias Lexer findet sich zum Wort „ansehen“ noch keine große Veränderung zum Verb, jedoch weist das Substantiv im Wörterbuch der Gebrüder Grimm bereits große Nähe zur heutigen Bedeutung auf. Außerdem wird hier noch auf ein mittelhochdeutsches Wort „anesehen“ verwiesen, das sich jedoch bei Lexer nicht finden lässt. Abgesehen von der exakten lexikalischen Bedeutung lässt sich durchaus eine Verbindung von Ansehen im Sinne von Ehre, Macht, Einfluss und der feudalen Gesellschaft des Mittelalters ziehen. Die äußere Erscheinung einer Person, denn nur in Bezug auf Personen oder personalisierte Gegenstände wird das Wort „Ansehen“ gebraucht, lässt im Mittelalter häufig auf die soziale Stellung schließen. Bestimmte Stoffe oder Schmuck durften beispielsweise nur von Angehörigen des Adels verwendet werden.
In der Literatur wird das Aussehen schließlich mit Tugenden verbunden - in der Figur des klassischen Helden. Wer gut aussieht ist somit auch innerlich gut, im Umkehrschluss sieht man den Widersachern ihren schlechten Charakter auch an ihrer Hässlichkeit an. Natürlich wird dieses Konzept in der Literatur auch häufig durchbrochen oder umgekehrt, dennoch bestätigt es einen in der Literatur überspitzten Kult der Öffentlichkeit im Mittelalter. Abstammung und Charakter sollen immer öffentlich zur Schau getragen werden, das wortwörtliche „ansehen“ einer Person kann also durchaus zu Rückschlüssen auf ihren Charakter führen.
Inhaltsverzeichnis
- Das Wort „Ansehen“ und seine Bedeutung im Mittelalter
- Ansehen bei Eneas
- Ansehen bei Fortunatus
- Analyse der Unterschiede bei der Zusammensetzung des Ansehens von Eneas und Fortunatus
- Glücksmetaphorik
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieses Thesenpapier untersucht die Bedeutungswandel des Begriffs „Ansehen“ in der Literatur des Mittelalters, indem es die beiden Werke „Eneasroman“ von Heinrich von Veldeke und „Fortunatus“ analysiert.
- Die Entwicklung des Wortes „Ansehen“ vom Verb zum Substantiv
- Der Einfluss der mittelalterlichen Gesellschaft auf die Bedeutung von „Ansehen“
- Die Rolle von Abstammung und göttlicher Macht im „Eneasroman“
- Die Verbindung von Aussehen und Charakter im „Eneasroman“
- Die Darstellung von Ansehen im „Fortunatus“ und die Unterschiede zu „Eneasroman“
Zusammenfassung der Kapitel
1. Das Wort „Ansehen“ und seine Bedeutung im Mittelalter
Dieses Kapitel befasst sich mit der Entwicklung des Begriffs „Ansehen“ vom Verb zum Substantiv im Mittelalter. Es untersucht die Bedeutungswandel des Wortes und stellt fest, dass sich „Ansehen“ im Laufe der Zeit von der äußeren Erscheinung auf innere Werte und gesellschaftliche Stellung verlagert hat.
2. Ansehen bei Eneas
Dieses Kapitel analysiert die Darstellung von „Ansehen“ im „Eneasroman“ von Heinrich von Veldeke. Es zeigt auf, wie Eneas' Ansehen durch seine Abstammung als Sohn des Halbgottes Anchises und der Göttin Venus geprägt ist. Seine göttliche Herkunft und die Unterstützung der Götter spielen eine entscheidende Rolle für seine Erfolge und sein Ansehen.
3. Ansehen bei Fortunatus
Dieses Kapitel untersucht die Rolle von „Ansehen“ im „Fortunatus“. Es analysiert, wie der Protagonist Fortunatus durch seine außergewöhnlichen Fähigkeiten und seinen Reichtum ein hohes Ansehen genießt. Es wird gezeigt, wie sich das Ansehen von Fortunatus von dem von Eneas unterscheidet.
Schlüsselwörter
Ansehen, Bedeutungswandel, Mittelalter, Literatur, Eneasroman, Fortunatus, Abstammung, Göttliche Macht, Aussehen, Charakter, Gesellschaft, Visuelle Kultur, Ehre, Macht, Einfluss.
- Quote paper
- Sophie Strohmeier (Author), 2014, Untersuchung der Bedeutungsveränderung des Begriffs "Ansehen" in der Literatur des deutschen Mittelalters. Im „Eneasroman“ von Heinrich von Veldeke und dem „Fortunatus“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287855