Bis die Europäische Gemeinschaft durch die 4. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Rechnungslegung in deren Mitgliedstaaten auch Einfluss auf die deutsche Gesetzgebung nahm, war die Bilanzierung ausschließlich durch die kaufmännischen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) geprägt. Diese waren nur unzureichend oder gar nicht im Handelsgesetzbuch (HGB) verankert. Die Bilanzposition Rückstellungen war allein in § 152 VII AktG kodiert. Die Voraussetzungen, unter denen sie gebildet werden durften, waren in Artikel 20 der 4. EG-Richtlinie weiter gefasst als in der bisher geltenden deutschen Vorschrift, wurden jedoch vom Gesetzgeber im Rahmen des Bi-lanzrichtliniengesetzes durch Einführung des § 249 HGB weitgehend übernommen.
Schon damals waren zumindest Teile dieser Regelung umstritten, insbesondere die Zulässigkeit von Aufwandsrückstellungen. Dies ist nur eine von vielen Kontroversen um die Rückstellungsbilanzierung, an denen sich bis heute Literatur, Rechtsprechung und Finanzverwaltung mit Wonne beteiligen. Es sei an dieser Stelle nur auf die fortwährende Diskussion um den Maßgeblichkeitsgrundsatz hingewiesen, der sich die Fachwelt mit Inbrunst, gar unter Mitwirkung von „Gunst und Hass“ annimmt. Die handelsrecht-lichen GoB und somit auch der § 249 HGB sind über dieses Prinzip des § 5 I 1, 2 EStG Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung. Fokussiert hat sich der Streit mittlerweile auf die Frage, ob die Funktion der handelsrechtlichen Rechnungslegung mit den Zielen des Besteuerungsverfahrens inkompatibel sind. Die Handelsbilanz verfolgt den Gläubigerschutz und will das Unternehmen vor überzogenen Ausschüttungsbegehrlichkeiten bewahren. Steuerbilanzen dienen dagegen der gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen, ausgerichtet am Postulat der steuerlichen Leistungsfähigkeit.
Neue Nahrung erhielt diese an den Grundfesten des deutschen Bilanzverständnisses rüttelnde Debatte durch das Verbot der sog. Drohverlustrückstellungen in der Steuerbilanz. Dasselbe gilt für das Verbot und die eingeschränkte Wiederzulassung von Jubiläumsrückstellungen. Die u.U. signifikante Ertrags- und Finanzierungswirkung, die eine passivierte Rückstellung auslösen kann, lassen vor dem Hintergrund handelsrechtlicher Wahlrechte und Ermessenspielräume nicht nur das Maßgeblichkeitsprinzip im Zwielicht erscheinen. Es macht auch den Problembereich deutlich, in dem sich die Rückstellungsthematik bewegt.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Problemstellung, Zielsetzung und Gang der Untersuchung
- 2 Charakter und Bilanzierungsgrundsätze von Rückstellungen
- 2.1 Wesen, Bedeutung und Wirkung von Rückstellungen
- 2.1.1 Charakter, Abgrenzung und Arten von Rückstellungen
- 2.1.2 Ertrags- und Finanzierungswirkung von Rückstellungen
- 2.2 Grundsätze zur Bilanzierung von Rückstellungen
- 2.2.1 Prinzip der Maßgeblichkeit handelsrechtlicher GoB für die steuerliche Gewinnermittlung und Bilanzierungsvorbehalte des Steuerrechts
- 2.2.2 Ansatzvoraussetzungen für Rückstellungen in Handels- und Steuerbilanz
- 2.2.3 Auflösung und Nachholung von Rückstellungen
- 2.2.4 Bewertung von Rückstellungen in Handels- und Steuerbilanz
- 2.1 Wesen, Bedeutung und Wirkung von Rückstellungen
- 3 Ansatz und Bewertung zentraler Rückstellungsarten in der Steuerbilanz
- 3.1 Rückstellungen für Prozesskosten
- 3.2 Rückstellungen für Schadensersatz wegen Verletzung fremder Schutzrechte
- 3.3 Rückstellungen für Garantieverpflichtungen
- 3.4 Rückstellungen für Zuwendungen aufgrund von Dienstjubiläen
- 3.5 Rückstellungen für Umweltschutzmaßnahmen
- 3.6 Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften
- 3.7 Aufwandsrückstellungen
- 3.8 Pensionsrückstellungen
- 3.8.1 Betriebliche Altersvorsorge in der steuerlichen Gewinnermittlung
- 3.8.2 Wesen und Problemfelder von Direktzusagen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge
- 3.8.3 Voraussetzungen für die Bildung von Pensionsrückstellungen
- 3.8.4 Zeitpunkt der Bildung
- 3.8.5 Besonderheiten für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH
- 3.8.6 Bewertung von Pensionsrückstellungen
- 3.8.7 Vergleich der Bewertung nach Handels- und Steuerrecht
- 4 Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit untersucht vergleichend den Ansatz von Rückstellungen in Handels- und Steuerbilanzen. Ziel ist es, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der bilanzrechtlichen Behandlung von Rückstellungen aufzuzeigen und die damit verbundenen Probleme zu analysieren.
- Vergleich der Bilanzierungsgrundsätze für Rückstellungen im Handels- und Steuerrecht
- Analyse der Ansatzvoraussetzungen für verschiedene Rückstellungsarten
- Bewertung von Rückstellungen nach Handels- und Steuerrecht
- Diskussion des Maßgeblichkeitsgrundsatzes und seiner Auswirkungen
- Untersuchung der Ertrags- und Finanzierungswirkung von Rückstellungen
Zusammenfassung der Kapitel
1 Problemstellung, Zielsetzung und Gang der Untersuchung: Die Arbeit untersucht die Unterschiede in der Bilanzierung von Rückstellungen zwischen Handels- und Steuerrecht, insbesondere im Hinblick auf die Einführung des § 249 HGB und die damit verbundenen Kontroversen. Der Fokus liegt auf der Diskussion um den Maßgeblichkeitsgrundsatz und der Inkompatibilität zwischen den Zielen der Handels- und Steuerbilanzierung (Gläubigerschutz vs. gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen). Das Verbot von Drohverlust- und eingeschränkt Jubiläumsrückstellungen in der Steuerbilanz wird als wichtiger Aspekt der Problematik herausgestellt.
2 Charakter und Bilanzierungsgrundsätze von Rückstellungen: Dieses Kapitel befasst sich umfassend mit dem Wesen, der Bedeutung und der Wirkung von Rückstellungen. Es differenziert zwischen verschiedenen Arten von Rückstellungen und erläutert die Grundsätze ihrer Bilanzierung, sowohl im Handels- als auch im Steuerrecht. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Prinzip der Maßgeblichkeit handelsrechtlicher Grundsätze für die steuerliche Gewinnermittlung und den damit verbundenen Bilanzierungsvorbehalten des Steuerrechts. Die Ansatzvoraussetzungen, die Auflösung und Nachholung sowie die Bewertung von Rückstellungen werden detailliert dargestellt und verglichen.
3 Ansatz und Bewertung zentraler Rückstellungsarten in der Steuerbilanz: Dieser Abschnitt analysiert die Ansatz- und Bewertungsmethoden verschiedener wichtiger Rückstellungsarten in der Steuerbilanz. Es werden detaillierte Ausführungen zu Rückstellungen für Prozesskosten, Schadensersatz, Garantieverpflichtungen, Dienstjubiläen, Umweltschutzmaßnahmen, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, Aufwandsrückstellungen und insbesondere Pensionsrückstellungen geliefert. Die jeweiligen Besonderheiten und Problemfelder werden im Kontext des Handels- und Steuerrechts beleuchtet. Die Kapitel untersuchen die verschiedenen Methoden zur Bewertung und vergleichen diese im Kontext von Handels- und Steuerrecht. Die Problematik der Bewertung von Pensionsrückstellungen wird ausführlich behandelt.
Schlüsselwörter
Rückstellungen, Handelsbilanz, Steuerbilanz, Maßgeblichkeitsgrundsatz, Bilanzierung, Bewertung, Gewinnermittlung, Pensionsrückstellungen, GoB, § 249 HGB, Steuerrecht, Handelsrecht.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Diplomarbeit: Ansatz von Rückstellungen in Handels- und Steuerbilanzen
Was ist der Gegenstand dieser Diplomarbeit?
Die Diplomarbeit untersucht vergleichend den Ansatz von Rückstellungen in Handels- und Steuerbilanzen. Ziel ist es, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der bilanzrechtlichen Behandlung von Rückstellungen aufzuzeigen und die damit verbundenen Probleme zu analysieren. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Maßgeblichkeitsgrundsatz und der Inkompatibilität zwischen den Zielen der Handels- und Steuerbilanzierung.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Schwerpunkte: Vergleich der Bilanzierungsgrundsätze für Rückstellungen im Handels- und Steuerrecht, Analyse der Ansatzvoraussetzungen für verschiedene Rückstellungsarten, Bewertung von Rückstellungen nach Handels- und Steuerrecht, Diskussion des Maßgeblichkeitsgrundsatzes und seiner Auswirkungen sowie die Untersuchung der Ertrags- und Finanzierungswirkung von Rückstellungen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Kapitel 1 behandelt die Problemstellung, Zielsetzung und den Gang der Untersuchung. Kapitel 2 befasst sich mit dem Charakter und den Bilanzierungsgrundsätzen von Rückstellungen. Kapitel 3 analysiert den Ansatz und die Bewertung zentraler Rückstellungsarten in der Steuerbilanz. Kapitel 4 bietet eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
Was wird im Kapitel "Charakter und Bilanzierungsgrundsätze von Rückstellungen" behandelt?
Dieses Kapitel beschreibt das Wesen, die Bedeutung und die Wirkung von Rückstellungen. Es differenziert zwischen verschiedenen Arten von Rückstellungen und erläutert die Grundsätze ihrer Bilanzierung im Handels- und Steuerrecht. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Prinzip der Maßgeblichkeit handelsrechtlicher Grundsätze für die steuerliche Gewinnermittlung und den damit verbundenen Bilanzierungsvorbehalten des Steuerrechts. Ansatzvoraussetzungen, Auflösung, Nachholung und Bewertung von Rückstellungen werden detailliert dargestellt und verglichen.
Welche Rückstellungsarten werden im Detail untersucht?
Kapitel 3 analysiert detailliert folgende Rückstellungsarten in der Steuerbilanz: Rückstellungen für Prozesskosten, Schadensersatz wegen Verletzung fremder Schutzrechte, Garantieverpflichtungen, Zuwendungen aufgrund von Dienstjubiläen, Umweltschutzmaßnahmen, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, Aufwandsrückstellungen und insbesondere Pensionsrückstellungen. Die jeweiligen Besonderheiten und Problemfelder werden im Kontext des Handels- und Steuerrechts beleuchtet.
Welche Rolle spielt der Maßgeblichkeitsgrundsatz?
Der Maßgeblichkeitsgrundsatz und seine Auswirkungen auf die Bilanzierung von Rückstellungen sind ein zentraler Aspekt der Arbeit. Die Arbeit diskutiert die Inkompatibilität zwischen den Zielen der Handels- und Steuerbilanzierung (Gläubigerschutz vs. gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen) im Kontext des Maßgeblichkeitsgrundsatzes.
Wie werden Pensionsrückstellungen behandelt?
Die Problematik der Pensionsrückstellungen wird ausführlich behandelt, inklusive betrieblicher Altersvorsorge in der steuerlichen Gewinnermittlung, Direktzusagen, Voraussetzungen für die Bildung, Zeitpunkt der Bildung, Besonderheiten für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, Bewertung und Vergleich der Bewertung nach Handels- und Steuerrecht.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Rückstellungen, Handelsbilanz, Steuerbilanz, Maßgeblichkeitsgrundsatz, Bilanzierung, Bewertung, Gewinnermittlung, Pensionsrückstellungen, GoB, § 249 HGB, Steuerrecht, Handelsrecht.
- Citation du texte
- Volker Rux (Auteur), 2003, Vergleichende Analyse des Ansatzes von Rückstellungen in Handels- und Steuerbilanz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28785