Insbesondere seit Ausbruch der letzten Wirtschaftskrise wurden verstärkt wieder Forderungen nach einer international koordinierten Wirtschaftspolitik laut. In renommierten Zeitungen und Zeitschriften regten Ökonomen und Politiker eine bessere, weltweite Abstimmung an, um zukünftige Krisen zu vermeiden.
Doch so einig, wie die Fachwelt auf den ersten Blick scheint, ist sie nicht. Viele Ökonomen bezweifeln Sinn und Durchsetzbarkeit koordinierter Wirtschaftspolitik zur Stabilisierung auf internationaler Ebene.
I. Die Kontroverse um Sinn und Durchsetzbarkeit von internationaler Koordination stabilitätspolitischer Maßnahmen – eine Einführung. 2
II. Theoretische Grundlage und Argumentation der Befürworter internationaler Koordinierung. 5
III. Theoretische Grundlage und Argumentation der Kritiker internationaler Koordinierung. 9
IV. Zusammenfassung und Bewertung der Kontroverse. 13
V. Literaturverzeichnis. 16
I. Die Kontroverse um Sinn und Durchsetzbarkeit von internationaler Koordination stabilitätspolitischer Maßnahmen – eine Einführung
„In guten Zeiten wird sie nicht gebraucht, in schlechten ist sie nur schwer herzustellen. Die internationale Kooperation der Wirtschaftspolitik ist ein schwieriges Geschäft.“ (Grass 1989: 76). In den vergangenen Jahren, insbesondere seit Ausbruch der letzten Wirtschaftskrise, werden verstärkt wieder Forderungen nach einer international koordinierten Wirtschaftspolitik laut. In renommierten Zeitungen und Zeitschriften regen Ökonomen und Politiker eine bessere, weltweite Abstimmung an, um zukünftige Krisen zu vermeiden. „Währungsfonds will Koordination der Wirtschaftspolitik.“ (Anon. F.A.Z. Net 2006) und „Ökonomen drängen Politik zu mehr Koordination.“ (Häring N. Handelsblatt 2008) sind nur einige der zahlreichen Beispiele dafür. Aufgrund der massiven Schäden, die die Finanzkrise in vielen Teilen der Erde angerichtet hat, schreibt die internationale Staatengemeinschaft einer Vermeidungsstrategie hohe Priorität zu.
Hauptsächlich werden dafür Forderungen nach einer globalen Neuregulierung des Finanzsystems laut (Pohl 2009), denn die Wirtschaftskrise habe gezeigt, „welche große Bedeutung der Geld- und Finanzsektor für ein funktionsfähiges Wirtschaften hat […] dabei wurde aber auch deutlich, wie vernetzt die Volkswirtschaften auch in den verschiedenen Spielarten des Finanzsektors inzwischen sind.“ (Weeber 2011: 191). Seit Ende des 2. Weltkriegs hat die ökonomische Interdependenz zwischen den Staaten[1] stark zugenommen, wodurch Schocks erheblich zügiger und direkter von einem Land ins andere Land übertragen werden können. Hinzu kommt, dass „der technische Fortschritt, der grundlegende Erleichterungen und Verbesserungen im internationalen Transport und in der Kommunikation mit sich brachte [und] durch finanzielle Innovationen, die einzelnen nationalen und internationalen Finanzmärkte stärker miteinander verbunden hat.“ (Wagner 2009: 362).
Es mangelt kaum an Reformvorschlägen, wobei dem IWF[2] eine große Rolle als stabilitätspolitischem „Watchdog“ zugedacht wird: Ausbau zu einer Art Weltzentralbank, die die internationale Finanzaufsicht inne hat und mit umfangreichen Analysetools ausgestattet ist, um künftige gefährliche Entwicklungen antizipieren und gegensteuern zu können, sind nur einige der Ideen (vgl. u.a. Häring Handelsblatt 2008, Anon. FAZ Net 2006, Weeber 2011 und Pohl 2009).
Doch so einig, wie die Fachwelt auf den ersten Blick scheint, ist sie nicht. Viele Ökonomen bezweifeln Sinn und Durchsetzbarkeit koordinierter Wirtschaftspolitik zur Stabilisierung auf internationaler Ebene. Es besteht z.B. politisch und wissenschaftlich kein Konsens darüber, was konkret mit den Forderungen nach internationaler Koordination gemeint ist. Grundsätzlich werden 3 Koordinationsstufen unterschieden:
1) Austausch von Informationen über beabsichtigte Maßnahmen, damit durch diese Aktionen kein anderes Land überrascht bzw. geschockt werden kann.
2) Koordination von Zielen, um sicherzustellen, dass das eigene Ziel nicht mit denen anderer Länder kollidiert.
3) Koordination der Instrumente, um das Ziel zu erreichen. Hierbei handelt es sich um die weitreichendste Vorstellung von internationaler Koordination, da dies nicht nur eine gemeinsame Zielsetzung voraussetzt, sondern auch Klarheit über die wirtschaftspolitischen Instrumente und Aufgabenverteilung innerhalb der Koordination vorsieht (Wagner 2009, Scheide/Sinn 1987). Stufe 1 würde bereits durch „lose“ Zusammentreffen zwischen den Staaten, wie u.a. die G8- und G20-Runden, genüge getan sein, während eine formelle (institutionelle) Verankerung, die Stufe 3 bedingt, schwierig zu implementieren ist.
Begründung für den Ruf nach internationaler Politikkoordination ist die sogenannte strukturelle Interdependenz, weil die jeweiligen „ökonomischen Ereignisse in einem Land die ökonomischen Ereignisse in anderen Ländern beeinflussen“ (Wagner 2009: 362). Weder könne ein großes, offenes Land davon ausgehen, dass seine Aktionen keinen Einfluss auf andere Staaten haben, noch könne es erwarten, dass seine Handlung nicht ebenfalls Reaktionen der anderen Länder auslöse. „Umgekehrt bleibt ein solches Land von den Aktionen der anderen „größeren“ Länder nicht unbeeinflusst“ (Wagner 2009: 362f). Vor allem geldpolitische Maßnahmen wirken sich demnach auf andere Volkswirtschaften aus (Wohltmann 1991).
Für den sich nun anschließenden theoretischen und argumentativen Teil der Hausarbeit werde ich mich insbesondere auf den Aufsatz von Scheide/Sinn aus dem Jahre 1987 bzw. auf das Kapitel 6 „Ökonomische Interdependenzen und internationale Koordinierung von Stabilitätspolitik“ im Buch Wagners beziehen. Beispiele für und gegen internationale Koordination von Wirtschaftspolitik sollen anhand der Finanzkrise und der Entwicklung der EU verdeutlicht werden. Abschließend ist ein Resumee zu ziehen, das eine Bewertung der Argumente bzw. Kontroverse vorsieht.
[...]
[1] Die klassischen Stabilisierungsinstrumente der Staaten sind die Fiskalpolitik und insbesondere die Geldpolitik, also die Steuerung der Geld- und Kreditversorgung (Lachmann 2006).
[2] Ziel der Koordination: u.a. Abbau der weltweiten Ungleichgewichte bzgl. der Leistungsbilanzdefizite; Verringerung der solchen. IWF überwacht zwar in 184 Ländern die jeweilige Wirtschafts- und Finanzpolitik, aber die Gespräche werden auf bilateraler Ebene geführt (Anon. FAZ Net 2006).
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dieser Hausarbeit?
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Kontroverse um die Sinnhaftigkeit und Durchsetzbarkeit internationaler Koordination stabilitätspolitischer Maßnahmen. Es werden Argumente für und gegen eine solche Koordination untersucht, insbesondere im Kontext zunehmender ökonomischer Interdependenz zwischen Staaten.
Was sind die Hauptforderungen im Zusammenhang mit internationaler Koordination der Wirtschaftspolitik?
Hauptsächlich werden Forderungen nach einer globalen Neuregulierung des Finanzsystems laut, wobei dem IWF eine wichtige Rolle als stabilitätspolitischer "Watchdog" zugedacht wird. Ideen umfassen den Ausbau des IWF zu einer Art Weltzentralbank mit internationaler Finanzaufsicht.
Welche Koordinationsstufen werden unterschieden?
Grundsätzlich werden drei Koordinationsstufen unterschieden:
- Austausch von Informationen über beabsichtigte Maßnahmen.
- Koordination von Zielen.
- Koordination der Instrumente.
Was ist die Begründung für den Ruf nach internationaler Politikkoordination?
Die Begründung ist die sogenannte strukturelle Interdependenz, wonach ökonomische Ereignisse in einem Land die ökonomischen Ereignisse in anderen Ländern beeinflussen. Geldpolitische Maßnahmen wirken sich demnach auf andere Volkswirtschaften aus.
Welche Beispiele werden für und gegen internationale Koordination von Wirtschaftspolitik angeführt?
Die Finanzkrise und die Entwicklung der EU werden als Beispiele herangezogen, um die Argumente für und gegen internationale Koordination von Wirtschaftspolitik zu veranschaulichen.
Welche Rolle spielt die Geldpolitik im Kontext internationaler Koordination?
Die Geldpolitik wird als ein wichtiger Bereich betrachtet, in dem Maßnahmen eines Landes Auswirkungen auf andere Volkswirtschaften haben können. Daher ist die Koordination geldpolitischer Maßnahmen ein zentraler Aspekt der internationalen Wirtschaftspolitik.
Was sind die klassischen Stabilisierungsinstrumente der Staaten?
Die klassischen Stabilisierungsinstrumente der Staaten sind die Fiskalpolitik und insbesondere die Geldpolitik, also die Steuerung der Geld- und Kreditversorgung.
Was ist das Ziel der Koordination laut IWF?
Ziel der Koordination ist u.a. der Abbau der weltweiten Ungleichgewichte bzgl. der Leistungsbilanzdefizite und die Verringerung solcher Defizite. Der IWF überwacht die Wirtschafts- und Finanzpolitik in 184 Ländern.
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- Anke Seifert (Author), 2013, Internationale Koordinierung von Stabilitätspolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/287926