Der illegale Schulunterricht im KZ Theresienstadt - Die Jugendfürsorge und ihr Einfluss auf das kindliche Erleben des KZ-Alltags


Dossier / Travail, 2002

17 Pages, Note: 1,4

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das KZ Theresienstadt
2.1 Funktionen des Konzentrationslagers
2.2 Kinder im KZ Theresienstadt

3. Strukturen und versteckte soziale Organisationsformen
3.1 Die jüdische Selbstverwaltung
3.2 Die Jugendfürsorge und ihre Aufgaben

4. Das Schulverbot
4.1 Der illegale Schulunterricht im KZ Theresienstadt
4.2 Schulunterricht als eine Form von Widerstand
4.3 Die Aufhebung des Schulverbots

5. Autobiographische Quelle
5.1 Selbstzeugnis von Ruth Klüger
5.2 Interpretation von Quellenausschnitten über den illegalen Unterricht in Theresienstadt aus dem autobiografischen Roman Ruth Klügers „Weiter leben. Eine Jugend“

6. Schlussbetrachtung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 30. Juni 1942 wurden im gesamten Deutschen Reich alle jüdischen Schulen geschlossen. Auch im KZ Theresienstadt, gelegen im Protektorat Böhmen – Mähren, durfte kein Schulunterricht erteilt werden.

An dieses Schulverbot erinnerte aktuell der Studienkreis Deutscher Widerstand an der Universität Hamburg mit der Ausstellung “Kinder im KZ Theresienstadt- Zeichnungen, Gedichte, Texte”. Im Mittelpunkt dieser Ausstellung standen in Theresienstadt angefertigte Kinderzeichnungen, Gedichte und Aussagen von Kindern über ihr Leben im KZ.

Diese Zeichnungen, Texte und Gedichte sind vor allem in einem illegalen Unterricht entstanden, der eine der vielen Maßnahmen der Jugendfürsorge in Theresienstadt war um die erschwerten Lebensbedingungen der Kinder zu erleichtern.

Animiert durch diese Ausstellung begann ich mich zu fragen: Wie konnte in einem KZ überhaupt so etwas wie der illegale Unterricht stattfinden? Und was bedeutete der Unterricht für die Kinder?

In meiner Hausarbeit beschreibe ich zunächst das Konzentrationslager Theresienstadt und die dortigen Lebensumstände. Ich gehe näher auf die Strukturen und versteckten sozialen Organisationsformen, insbesondere die jüdische Selbstverwaltung ein. Darauf aufbauend folgen die Aufzeichnungen über die Jugendfürsorge.

Welche Aufgaben hatte die Jugendfürsorge und welche Ziele verfolgte sie?

In diesem Kapitel stütze ich mich vor allem auf die Aussagen von Egon Redlich, des damaligen Leiters der Jugendfürsorge. Im Weiteren werde ich den illegalen Unterricht vorstellen.

Bezugnehmend auf die Thematik des Seminars „Geschichte studieren in der Postmoderne. Der Nationalsozialismus in autobiographischen Quellen" werde ich weiterhin aus dem autobiografischen Roman „Weiter leben. Eine Jugend“ von Ruth Klüger Ausschnitte über den illegal praktizierten Unterricht der Jugendfürsorge vorstellen und auswerten.

Dieses Selbstzeugnis stellt das Erleben des illegalen Unterrichts aus der Perspektive eines einzelnen Kindes dar. Ruth Klüger war 11 Jahre alt, als sie 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert wurde.

2. Das KZ Theresienstadt

Theresienstadt, tschechisch Térezin, ist eine Festung im Nordböhmischen Gebiet der Tschechischen Republik. Sie wurde Ende des 18. Jahrhunderts von Kaiser Joseph II. als Garnisonsstadt gegründet und nach seiner Mutter, der Kaiserin Maria Theresia, benannt. Im Zweiten Weltkrieg funktionierten die Nationalsozialisten die Stadt in ein Ghetto um, in dem sie Tausende Juden internierten. Die Mehrzahl waren assimilierte Juden, aber es gab auch orthodoxe Juden und Zionisten sowie Gruppen von Protestanten und Katholiken, die nach den "Rassengesetzen" als jüdisch klassifiziert worden waren. Die Aufsicht über das Ghetto hatte die Zentralstelle für Jüdische Auswanderung[1] im Protektorat Böhmen und Mähren, die ihrerseits dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA) unterstand.

2.1 Funktionen des Konzentrationslagers

Das Theresienstädter Ghetto sollte als das “Vorzeigeghetto“ und “Altersghetto” einen besonderen Stellenwert unter den Konzentrationslagern haben. Seine Funktion für die Nationalsozialisten lag darin der Weltöffentlichkeit ein normales städtisches Gemeinwesen vorzutäuschen, welches die systematische Ausrottung des jüdischen Volkes verdecken sollte. Bereits in einer Besprechung am 10.Oktober 1941 zwischen dem Reichsprotektor Reinhard Heydrich, Adolf Eichmann und anderen Offizieren der SS war bei dem Beschluss in Theresienstadt ein Ghetto zu errichten , die Möglichkeit erwogen worden „das gesamte Gebäude zu einer vorbildlichen deutschen Siedlung aus[zubauen].“[2]

Als Ende 1943 in der Welt bekannt wurde, was in den Todeslagern geschah, erlaubte die NS-Führung einer Delegation des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) den Besuch Theresienstadts. In Vorbereitung auf den Besuch wurden Häftlinge nach Auschwitz deportiert, um die Überbelegung des Ghettos zu reduzieren.

Eine Stadtverschönerung fand statt: Scheinläden wurden eingerichtet, desgleichen ein Café, eine Bank, Kindergärten, eine Schule, sogar Blumengärten wurden angelegt.

Das KZ in Theresienstadt sollte als Beweis dienen „wie die... umgesiedelten Juden lebten und arbeiteten, wie für ihre Familien, besonders für ihre Kinder gesorgt würde.“[3]

Der erste Besuch[4] der Rot- Kreuz- Delegation fand am 23. Juli 1944 statt.

Im Anschluss an die "Inspektion" drehten die Nationalsozialisten einen Film mit dem Titel "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“.

„Wer sich nicht freiwillig für die Dreharbeiten zur Verfügung stellte, wurde mit Drohungen dazu gezwungen. Der Film sollte ein besonders infames Propagandastück werden und Theresienstadt als 'Judenparadies' vorführen, in dem Juden frei von Sorgen flanierten , tanzten und Theater besuchten, während die 'Arier' im Krieg ihr Leben lassen mußten.“[5]

Nach Fertigstellung des Films wurden die meisten seiner "Darsteller", einschließlich der ghettointernen Führungsgruppe und fast aller Kinder, nach Auschwitz deportiert und in den Gaskammern ermordet.

„Abgesehen von [seiner]spezifischen Aufgabe [als Vorzeigeghetto] war [Theresienstadt] allerdings...wie jedes Konzentrationslager zur 'Endlösung' vorgesehen. Die sogenannte natürliche Sterblichkeit, Selbstmorde und Osttransporte hatten zur Folge, daß Theresienstadt ... im ganzen System der 'Endlösung der Judenfrage' vollkommen ausreichend war.“[6]

Von 1941 bis 1945 kamen 141.162 Menschen ins Ghetto Theresienstadt. 88.196 Personen wurden von dort aus weiter in die Vernichtungslager, überwiegend nach Auschwitz- Birkenau, deportiert. 33.456 starben vor dem 9. Mai 1945 im Ghetto. 16.832 Häftlinge erlebten in Theresienstadt die Befreiung.[7] Von den nach Osten Deportierten haben nur etwa 3.500 Menschen überlebt.[8] Neben seiner Funktion als

“Vorzeigeghetto“ war das KZ Theresienstadt ein reines Sammel– und Durchgangslager. Bis zum Ende des Ghettos hielten die Deportationen die Bewohner ständig in Angst und Schrecken.

2.2 Kinder im KZ Theresienstadt

Besonders für die inhaftierten Kinder stellten die Deportationen eine hohe psychische Belastung dar.

Die Schicksale der Kinder von Theresienstadt nahmen meistens ein tragisches Ende. Wenn sie mit den Transporten nach Osten deportiert wurden, endete ihr Leben bis auf wenige Ausnahmen in den Gaskammern, durch zu Tode erschöpfender Arbeit, Hunger und auf Todesmärschen.

Von insgesamt 10.220 Kinderhäftlingen unter 15 Jahren erlebten nur 1632 am 8. bzw. am 9. Mai 1945 die Befreiung im KZ Theresienstadt.[9]

3. Strukturen und versteckte soziale Organisationsformen

3.1 Die jüdische Selbstverwaltung

Die Befehlsgewalt über Theresienstadt oblag der SS- Kommandantur. Offiziell wurde diese als “ Dienststelle” bezeichnet.

Sie orderte im Dezember 1941 eine jüdische Selbstverwaltung an. Alle Befehle und Verordnungen ergingen von nun an im Namen dieser Verwaltung. Ursprünglich kamen sie jedoch weiterhin von der SS. Diese versuchte damit, nach außen den Eindruck eines “ normalen”, von den Juden selbstständig verwalteten Gemeinwesens zu erwecken. An der Spitze dieser Selbstverwaltung stand der Ältestenrat. Den Vorsitz im Ältestenrat hatte Jakob Edelstein, dem zuerst Paul Eppstein und dann Benjamin Murmelstein im Amt folgten. „Dem Judenältesten zur Seite stand der 'Judenrat', dessen Mitglieder den verschiedenen Abteilungen der Selbstverwaltung vorstanden.“[10]

Die Repräsentanten der jüdischen Selbstverwaltung waren zuständig für die Verteilung der Arbeit im Ghetto, die Zuteilung von Lebensmitteln, die Zuweisung von Wohnungen an die Neuankömmlinge, die Aufsicht über sanitäre Einrichtungen und medizinische Versorgung, die Versorgung von Alten und Kindern, kulturelle Aktivitäten sowie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung.

Sie mussten sich aber auch bei der „Zusammenstellung der Transportlisten oder bei den Reklamationen aktiv beteiligen. Diese Tatsache,...stellte sie in einen ständigen Konflikt mit den Insassen.“[11] 1944 wurde die Selbstverwaltung durch die Herbsttransporte praktisch ausgelöscht. Die meisten Mitglieder der jüdischen Selbstverwaltung wurden nach Auschwitz deportiert und dort in die Gaskammern geschickt.

[...]


[1] Ab 1943 Zentralamt für die Regelung der Judenfrage.

[2] Dokumentationen zur Errichtung des Theresienstädter Ghettos 1941. - In: Theresienstädter Studien und Dokumente. S. 270

[3] Kárn´y, Miroslav: Theresienstadt 1941-1945- In: Theresienstädter Gedenkbuch, S. 30

[4] Es folgten auf diesen Besuch noch weitere.

[5] Dettmer, Frauke: Theresienstadt - In: KZ Transit Theresienstadt, S.27

[6] Kárn´y, Miroslav: Theresienstadt 1941-1945 - In: Theresienstädter Gedenkbuch, S. 17

[7] Vgl. Adler, Hans Günther: Theresienstadt 1941-1945, 2. Aufl., S. 48

[8] Ebd. S. 59

[9] Vgl. Kárny, Miroslav; Kárna, Margita, Kinder in Theresienstadt - In: Dachauer Hefte, S. 17

[10] Drori, Hana; Huppert, Jehuda, S. 14

[11] Rothkirchen, Livia: Die Repräsentanten der Theresienstädter Selbstverwaltung.- In: Theresienstädter Studien und Dokumente, S. 119

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Der illegale Schulunterricht im KZ Theresienstadt - Die Jugendfürsorge und ihr Einfluss auf das kindliche Erleben des KZ-Alltags
Université
University of Hamburg
Note
1,4
Année
2002
Pages
17
N° de catalogue
V28815
ISBN (ebook)
9783638304955
Taille d'un fichier
498 KB
Langue
allemand
Mots clés
Schulunterricht, Theresienstadt, Jugendfürsorge, Einfluss, Erleben, KZ-Alltags
Citation du texte
Anonyme, 2002, Der illegale Schulunterricht im KZ Theresienstadt - Die Jugendfürsorge und ihr Einfluss auf das kindliche Erleben des KZ-Alltags, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28815

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