Argumente für die Vernünftigkeit des religiösen Glaubens. Gott als die Gesamterfahrung bei Pannenberg und als transzendentale Erfahrung bei Rahner


Hausarbeit, 2014

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Wolfhart Pannenberg: Gott als die „alles bestimmende Wirklichkeit“
1.1 Die alles bestimmende Wirklichkeit
1.2 Gottes Offenbarung in der Geschichte
1.3 Offenbarung in Jesus Christus

2. Karl Rahner: „Der Vorgriff auf das Sein“ und die „transzendentale Erfahrung“
2.1 Menschliche Erfahrung als Ausgangspunkt der Gotteserfahrung
2.2 Die „transzendentale Erfahrung“ und der „Vorgriff auf das Sein“

Schluss

Literatur

Internetquellen:

Einleitung

„Der Christ von morgen wird ein Mystiker sein oder er wird nicht mehr sein.“[1] Diese Worte Karl Rahners verdeutlichen, wie wichtig Gotteserfahrungen in unserer heutigen Zeit sind, einer Zeit, in der Traditionen ihre Selbstverständlichkeit verloren haben und somit persönliche religiöse Erfahrungen besonders wichtig sind, den Glauben zu erhalten. Glauben kann nur noch derjenige, der die Gegenwart Gottes spürt, der sich von ihm berührt fühlt, dem er sich offenbart hat. Die Gotteserfahrung wird damit zur Prämisse des Glaubens überhaupt.[2] Gott ist empirisch nicht nachweisbar, umso wichtiger sind demnach andere Wahrnehmungsmöglichkeiten, um ihm zu begegnen, ihn zu erfahren. Zudem müssen sich Gläubige heute oftmals für ihren Glauben rechtfertigen. Es wird ihnen vorgeworfen, dass ihr Glaube gegen die Vernunft sei angesichts des hohen Stellenwerts der Naturwissenschaften. Es stellt sich also die Frage, welche Argumente dagegen gehalten werden können, die die Vernünftigkeit des religiösen Glaubens zumindest nahe legen könnten. Dabei lässt sich zwischen Argumenten unterscheiden, die sich auf die theoretische z. B. der Bezug auf Tradition und Autorität oder auf die praktische Vernunft z. B. der Verweis auf die Nützlichkeit der Religion beziehen. Zu den Begründungen der theoretischen Vernunft gehören auch erkenntnistheoretische Argumente aus der Erfahrung, mit denen sich Wolfhart Pannenberg und Karl Rahner in ihren Arbeiten beschäftigt haben.

Um zum Glauben zu gelangen oder um ihn zu stärken sind Erfahrungen ein wichtiges Mittel. Immer wieder berichten Menschen von intensiven Erlebnissen, die sie mit Gott in Verbindung bringen und religiös deuten. Im Christentum werden solche Menschen als Mystiker bezeichnet. Allerdings wird nicht allen Menschen ein solches außergewöhnliches Erlebnis zu teil. Jedoch können auch alltägliche und banale Erfahrungen religiös interpretiert werden. Auch die Gesamtheit der Erfahrungen können auf diese Weise mit Gott in Verbindung gebracht werden. Hier setzt Wolfhart Pannenberg mit seiner Theorie an, die im ersten Teil der Arbeit erläutert wird. In Anlehnung an Bultmann definiert er Gott als die „alles bestimmende Wirklichkeit“, die sich dem Menschen im Verlauf der Geschichte offenbart. Eine Sonderform stellt die transzendentale Erfahrung Karl Rahners dar, die Gegenstand des zweiten Teils ist. Rahner hat in seinen Werken immer wieder betont, welch große Bedeutung Gotteserfahrungen für den Glauben, speziell auch für die Glaubensinhalte, haben. Glaubensaussagen werden erst in Verbindung mit Erfahrung „wirklich verstehbar“[3], andernfalls bleibt sie „sinnlos“[4]: Seine Idee der transzendentalen Erfahrung wird im zweiten Teil dargelegt werden.

Die Ansätze beider Theologen sind recht voraussetzungsreich, z.B. da die Existenz Gottes von vornherein als gegeben erachtet wird und ihre Argumentation stellenweise noch näher präzisiert werden muss. Die daraus resultierenden Kritiken können aufgrund des Umfangs der Arbeit allerdings nicht näher erörtert werden. Auch können die Thesen zur Gotteserfahrung nur in begrenztem Rahmen widergegeben werden.

1. Wolfhart Pannenberg: Gott als die „alles bestimmende Wirklichkeit“

1.1 Die alles bestimmende Wirklichkeit

Im Kontext der Frage, ob Theologie von Gott oder von religiösen Erfahrungen handelt, stellt Pannenberg in Anlehnung an Rudolf Bultmann[5] eine Arbeitsdefinition für Gott auf als die „alles bestimmende Wirklichkeit“[6]. Doch was soll das bedeuten? Pannenberg geht davon aus, dass dem Menschen die Gegenstände der erfahrbaren Welt nicht gänzlich unverständlich sind. Dieses Verständnis setzt voraus, dass Gegenstände untereinander in einer Beziehung stehen, sodass man sie einordnen kann. Stehen die Gegenstände in einem Zusammenhang, müssen sie auch unter einem allgemeinen Kriterium übereinkommen, weshalb es etwas wie die Totalität der Wirklichkeit geben muss. Diese bedarf wiederum einer Instanz, die für sie verantwortlich ist, die alles bestimmende Wirklichkeit, die der Totalität ihren Sinn verleiht, die sie zur Sinntotalität macht. Was dieser letzte Sinn konkret ist, kann nur vermutet werden. Die unterschiedlichen Religionen versuchen jedoch Antworten darauf zu finden. Im Christentum sind dies die Aussagen über Gott, sein Wesen und Handeln. Diese Annahmen müssen sich „an der erfahrenen Wirklichkeit von Welt und Mensch“[7] wie auch in weiteren Sinn der Geschichte bewähren[8]. „Behauptungen über göttliche Wirklichkeit […] lassen sich [also] überprüfen an ihren Implikationen für das Verständnis der endlichen Wirklichkeit“[9].

1.2 Gottes Offenbarung in der Geschichte

Damit der Mensch die Offenbarung annehmen kann, muss sie ihm gewissermaßen ihre Wahrheit beweisen, indem er sie mit Hilfe seines Verstandes, seiner Vernunft, erfassen kann. Für Pannenberg stellt die Erkenntnis der Geschichte die höchste Tätigkeit der menschlichen Vernunft da, da diese die Gesamtheit der Erkenntnis erfasst und in sich vereint.[10] Folglich offenbart sich Gott den Menschen in der Geschichte, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind:

Den Umstand, dass viele Menschen nicht sehen „bedeutet nicht, daß die Wahrheit ihnen zu hoch ist, so daß ihrer Vernunft noch andere Erkenntnishilfen beigegeben werden müßten, sondern es bedeutet gerade umgekehrt, daß sie zur Vernunft gebracht werden müssen, damit sie recht hinsehen.[11]

Dabei ist für Pannenberg wichtig festzuhalten, dass die Selbstoffenbarung die einzige Chance der Gotteserkenntnis für den Menschen darstellt. Die Initiative liegt dabei bei Gott, nicht beim Menschen:

Offenbarung ist nur als Selbstoffenbarung Gottes angemessen zu denken. Denn wie sollte Gott vom Menschen erkannt, ihm offenbar werden können, wenn das nicht durch Gottes eigene Initiative geschieht? Jede Vorstellung von einer Gotteserkenntnis, die Gott gleichsam wider Willen, wie einem toten Objekt, widerführe, würde den Gottesgedanken selber zerstören, wäre also niemals Gotteserkenntnis. Gotteserkenntnis ist nur daraufhin möglich, daß Gott sich selbst zu erkennen gibt. Wenn Gott seine Wirklichkeit nicht nur in mehr oder weniger rätselhafter und andeutender Weise bekundet, sondern sich zu erkennen gibt als der, der er wahrhaft und in Ewigkeit ist, dann sprechen wir von Selbstoffenbarung[12]

Im Alten Testament findet sich nirgends eine Selbstoffenbarung Gottes. Jedoch offenbart sich JHWH durch geschichtliches Handeln seinem Volk, wobei beispielsweise an den Exodus oder die Landnahme zu denken ist.[13] Die Offenbarung erfolgt quasi indirekt. Die indirekte Offenbarung teilt nach Pannenberg etwas über Gott selbst mit, indem sie auf ihn als den Urheber des Offenbarungsereignisses zurückweist:

Die Begebenheiten werfen als Taten Gottes ein Licht auf Gott selbst zurück, teilen indirekt etwas über Gott selbst mit. Das bedeutet freilich noch nicht, daß sie Gott offenbaren, bzw. daß Gott als ihr Urheber in ihnen sich selbst offenbart. Jedes einzelne Geschehen, als Tat Gottes genommen, beleuchtet das Wesen Gottes doch nur partiell, Gott vollbringt immer noch unabsehbar viele andere Taten, die in anderer Weise auf ihn als ihren Täter zurückweisen. Von daher scheint keine einzelne Wirkung ihn offenbaren zu können.

Für Pannenberg ist die indirekte Selbstoffenbarung Gottes jedoch noch unvollständig. Obwohl sie bereits auf ihr Subjekt verweist, kann sie nicht die „volle Offenbarung des Einen Gottes sein“[14], sondern wird durch spätere Ereignisse ergänzt und erneuert:

Auf dem Wege vom Jahwisten zur Apokalyptik wird nicht nur der Umfang der Gottes Gottheit erweisenden Ereignisfolge immer mehr ausgeweitet. Indem das geschieht, wird vielmehr der Offenbarungsinhalt selbst immer wieder revidiert: Was vorher bereits als endgültiger Selbsterweis Jahwes gegolten hatte, ist das nun nicht mehr; es ist nur noch Moment eines umfassenderen Offenbarungszusammenhanges.[15]

Indirekte Selbstoffenbarungen sind also provisorisch und bedürfen der Vervollkommnung. Pannenberg erachtet die Geschichte damit als unabgeschlossenen, da nur so eine spätere Vervollkommnung überhaupt möglich ist. Vollendet wird die Geschichte schließlich durch das letzte Offenbarungsereignis Gottes am Ende der Geschichte.[16] Die direkte Selbstoffenbarung Gottes fällt demnach mit dem Armageddon zusammen. Bis zu diesem Zeitpunkt dauert die Offenbarung Gottes in den vielen Einzelnen indirekten Offenbarungen noch an.[17]

1.3 Offenbarung in Jesus Christus

Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, wie Gottes Offenbarung in Form Jesu Christi zu bewerten ist. Die Auferstehung Christi ist als Vorweggriff auf das Jüngste Gericht zu verstehen. In Jesus Christus offenbart sich Gott als der einzig wahre Gott aller Menschen und nicht wie in den vorangegangen Offenbarungen JHWHs lediglich als Gott des Volkes Israel. Die Heilsgeschichte wird durch die Auferstehung Jesu universalisiert.[18]

Nur insofern also, als die Vollendung der Geschichte in Jesus Christus bereits eingetreten ist, nur insofern ist Gott an seinem Geschick endgültig und vollständig offenbar. Das Ende der Geschichte aber ist mit der Aufweckung Jesu an ihm schon geschehen, obwohl es für uns andere noch aussteht. Darum – und nur unter dieser Voraussetzung – hat der Gott Israels im Geschick Jesu endgültig seine Gottheit erwiesen und ist nun auch als der eine Gott aller Menschen offenbar. Nur der eschatologische Charakter des Christusgeschehens begründet es, daß es keinen weiteren Selbsterweis Gottes über dieses Geschehen hinaus geben wird: Auch das Weltende wird lediglich in kosmischem Maßstab das vollziehen, was an Jesus bereits geschehen ist. Nur der eschatologische Charakter des Christusgeschehens als Vorwegnahme des Endes aller Dinge begründet es aber auch, daß nunmehr – im Unterschied zum Selbsterweis Jahwes durch die Landverleihung an Israel – auch Nichtjuden den Gott Israels als den einen, wahren Gott erkennen können, nach dem die griechische Philosophie fragte und der allein seitdem noch Gott heißen kann.[19]

Gott offenbart sich nach Pannenberg den Menschen also in konkreten geschichtlichen Taten. Daraus folgt, dass die „Offenbarungserkenntnis nicht übernatürlich ist"[20] und damit mit der menschlichen Vernunft zu erfassen.

2. Karl Rahner: „Der Vorgriff auf das Sein“ und die „transzendentale Erfahrung“

2.1 Menschliche Erfahrung als Ausgangspunkt der Gotteserfahrung

„Am Anfang steht der Mensch, nicht die Glaubensaussage.“[21] Mit diesen Worten bringt Karl Heinz Weger Karl Rahners Konzept von Gottesoffenbarung auf den Punkt. Als Vertreter der anthropologischen Wende nimmt Rahner die menschliche Erfahrung als Ausgangspunkt. Er versucht die Frage zu beantworten, wie aus der menschlichen Erfahrung heraus Gott und seine Offenbarung erkannt werden können. Die Antwort, die er darauf findet, lautet, dass dem Menschen (un)bewusst etwas zu eigen ist, von dem er auf die Wahrheit und Wirklichkeit Gottes schließen kann. In seiner Dynamik ist es dem menschlichen Geist möglich, zu Gott aufzusteigen[22], was er als transzendentale[23] Erfahrung bezeichnet. In ihr ist es dem Menschen möglich, Gott zu begegnen. Rahner definiert die Transzendentalerfahrung folgendermaßen:

[...]


[1] Karl Rahner zitiert nach: http://www.bistumerfurt.de/front_content.php?client=2 lang=3 idcat=1878idart=10262 (zuletzt eingesehen am 7.8.14).

[2] Eberhard Jüngel sagt über die Verbindung von Glaube und Erfahrung: „Ist doch der Glaube nicht einfach eine fixierbare Erfahrung unter anderen, sondern die verwirklichte Bereitschaft, mit der Erfahrung selber neue Erfahrungen zu machen, so daß man ihn regelrecht als eine Erfahrung mit der Erfahrung zu definieren hat“ (Éberhard Jüngel: Gott als Geheimnis der Welt, Tübingen 1976, S. 225).

[3] Karl Rahner: Schriften zur Theologie, Bd. 10, Zürich u.a. 1972, S. 107f.

[4] Ebd.

[5] „Wo überhaupt der Gedanke ‚Gott’ gedacht ist, besagt er, dass Gott der Allmächtige, d. h. die Alles bestimmende Wirklichkeit sei“ (Rudolf Bultmann: Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden? (1925), in: GuV Bd. 1, Tübingen 1933, S. 26).

[6] Wolfram Pannenberg: Wissenschaftstheorie und Theologie, Frankfurt/Main 1977, S. 304.

[7] Ebd., S. 311.

[8] Vgl. Winfried Löffler: Einführung in die Religionsphilosophie, Darmstadt 2013, S. 98f.

[9] Pannenberg: Wissenschaftstheorie und Theologie, S. 335.

[10] Vgl. Wolfhart Pannenberg: Glaube und Vernunft, in: Grundfragen systematischer Theologie. Gesammelte Aufsätze, Göttingen 1971, S. 237 – 251, hier: S. 244-251.

[11] Wolfhart Pannenberg: Offenbarung als Geschichte, Göttingen 1982, S. 100.

[12] Ebd., S. 14f.

[13] Vgl. ebd., S. 91.

[14] Ebd., S. 20.

[15] Ebd., S. 96.

[16] Vgl. ebd., S. 18ff.

[17] Vgl. ebd., S. 104f.

[18] Vgl. ebd.

[19] Ebd., 104f.

[20] Ebd., S. 101.

[21] Karl-Heinz Weger: Karl Rahner. Eine Einführung in sein theologisches Denken, Freiburg 1978, S. 23.

[22] Vgl. Matthias Fischer: Was ist Offenbarung. Analyse und Diskussion der Konzepte von Karl Barth und Karl Rahner, Marburg 2003, S. 64.

[23] Transcendere lat. Überschreiten.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Argumente für die Vernünftigkeit des religiösen Glaubens. Gott als die Gesamterfahrung bei Pannenberg und als transzendentale Erfahrung bei Rahner
Hochschule
Universität des Saarlandes
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
17
Katalognummer
V288336
ISBN (eBook)
9783656885122
ISBN (Buch)
9783656885139
Dateigröße
466 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
argumente, vernünftigkeit, glaubens, gott, gesamterfahrung, pannenberg, erfahrung, rahner
Arbeit zitieren
Jennifer Stockum (Autor:in), 2014, Argumente für die Vernünftigkeit des religiösen Glaubens. Gott als die Gesamterfahrung bei Pannenberg und als transzendentale Erfahrung bei Rahner, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/288336

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