Von der Retusche zum Fake. Entwicklung, Methoden und Aspekte der Bildbearbeitung in der Pressefotografie


Diploma Thesis, 2003

121 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Einführung in die Thematik
1.2 Methodisches Vorgehen

2. Die Geschichte der Bildbearbeitung
2.1 Die Geschichte der analogen Bildbearbeitung
2.2 Die Geschichte der digitalen Bildbearbeitung

3. Methoden und Techniken der Bildbearbeitung
3.1 Analoge Bildbearbeitung
3.1.1 Retusche
3.1.1.1 Retusche am Negativ
3.1.1.2 Retusche am Positiv
3.1.2 Abschwächen und Verstärken
3.1.3 Abwedeln und Nachbelichten
3.1.4 Kolorieren
3.1.5 Ausschnitt
3.1.6 Fotomontage
3.1.6.1 Positivmontage
3.1.6.2 Lichtmontage
3.2 Digitale Bildbearbeitung
3.2.1 Grundlagen der digitalen Bildbearbeitung
3.2.2 Die Bildbearbeitungssoftware „Adobe Photoshop“
3.2.2.1 Möglichkeiten der Werkzeugleiste
3.2.2.2 Werkzeug-Optionen
3.2.2.3 Möglichkeiten der Menüleiste
3.2.3 Die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung exemplarisch dargestellt
3.2.4 Bildbearbeitung heute

4. Das Foto in der Presse
4.1 Funktionen des Fotos in der Presse
4.2 Eigenschaften von Pressefotos
4.3 Wirkung von Pressefotos
4.4 Stellenwert des Fotos in der Presse

5. Manipulation
5.1 Etymologie des Begriffes „Manipulation“
5.2 Bedeutung des Begriffes im Kontext der Fotografie
5.2.1 Manipulation im Sinne eines Handgriffes
5.2.2 Manipulation im Sinne einer Beeinflussung
5.3 Möglichkeiten der Beeinflussung von Fotos
5.4 Motive für die Bildmanipulation
5.6 Konsequenzen und Auswirkungen der Bildmanipulation

6. Kennzeichnung manipulierter Fotos
6.1 Die Notwendigkeit einer Kennzeichnung
6.2 Pressekodex
6.3 Kennzeichnungsmodelle für Bildmanipulationen
6.3.1 DOK-Verband
6.3.2 Memorandum zur Kennzeichnungspflicht manipulierter Fotos
6.3.3 Vorschlag von Rechtsanwalt David Seiler
6.4 Status Quo
6.5 Gründe für das Scheitern der Kennzeichnungsinitiativen

7. Ethische Aspekte der Bildbearbeitung
7.1 Wo die Bildbearbeitung aufhört und die Bildmanipulation beginnt
7.2 Arbeitskodex und Praxis in Redaktionen und Agenturen
7.3 Medienethik und Bildmanipulation
7.3.1 Die Medienmacher
7.3.2 Die Mediennutzer

8. Resümee und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang
Anhang A: Fragebogen Bildbearbeitung/Bildmanipulation
Anhang B: Fragebogen Kennzeichnung
Anhang C: Interviewpartner/Anfragen

Abstract

Gegenstand dieser Diplomarbeit ist die Bildbearbeitung in der Pressefotografie.

Nach einem historischen Abriss werden gängige Methoden und Techniken der Bildbearbeitung, welche in diesem Kontext von Bedeutung sind, erläutert. Weiter steht das Foto in seinen Funktionen, Eigenschaften, Wirkungen und in seinem Stellenwert in der Presse im Vordergrund. Auch das Thema Manipulation wird in dieser Arbeit erörtert. Nach einer etymologischen Annäherung an den Begriff selbst, wird dessen Bedeutung im Rahmen der Fotografie dargestellt. Außerdem werden Motive für die Bildmanipulation gegeben und Konsequenzen und Auswirkungen behandelt. Nachdem somit die Problematik eines Missbrauchs der Bildbearbeitung zur Bildmanipulation im Kontext der Pressefotografie erörtert wurde, folgt eine Darstellung bisheriger Lösungsansätze. Es werden dazu Kennzeichnungsmodelle und -Initiativen sowie der gegenwärtige Umgang mit manipuliertem Bildmaterial im Hinblick auf eine Kennzeichnung erläutert. Gründe für das Scheitern bisheriger Kennzeichnungsversuche werden thematisiert. Den Schluss dieser Arbeit bilden ethische Überlegungen im Hinblick auf die Bildbearbeitung in der Presse. Insbesondere werden dabei Medienmacher und Mediennutzer berücksichtigt.

Schlagwörter:

Pressefotografie, Bildmanipulation, Manipulation, Fälschung, Fotos, Fotografie, Presse, Kennzeichnungspflicht, Bildbearbeitung, Ethik, Medienethik

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Die Rede Lenins im Original (Quelle: Jaubert 1989, S. 32)

Abb. 2: Die Rede Lenins ohne Trotzki und Kamenew (Quelle: Jaubert 1989, S. 32)

Abb. 3: Die Originalaufnahme aus dem Jahre 1922 (Quelle: Jaubert 1989, S. 38)

Abb. 4: Die Montage der Nähe zischen Lenin und Stalin (Quelle: Jaubert 1989, S. 38)

Abb. 5: Originalversion der Vertragsunterzeichnung (Quelle: Jaubert 1989, S. 73)

Abb. 6: Die Zigarette Stalins (Quelle: Jaubert 1989, S. 73)

Abb. 7: Die von Hoffmann retuschierte Vertragsunterzeichnung (Quelle: Jaubert 1989, S. 73)

Abb. 8: Die retuschierte Zigarette Stalins (Quelle: Jaubert 1989, S. 73)

Abb. 9: Die Originalaufnahme der Prager Führungsspitze (Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 16)

Abb. 10: Das manipulierte Foto ohne Dubcek (Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 16)

Abb. 11: Der vergessene Schuh (Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 16)

Abb. 12: Das Treffen in lockerer Atmosphäre (Quelle: Jaubert 1989, S. 173)

Abb. 13: Das Treffen als würdiges, freundliches Ereignis (Quelle: Jaubert 1989, S. 173)

Abb. 14: Die manipulierte Natinonal Geographic-Ausgabe vom Februar 1982 (Quelle: Andrews 2003)

Abb. 15: Fotomontagen von Prinzessin Stephanie mit Baby (Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 78)

Abb. 16: Das Urlaubsfoto im Original (Quelle: Andrews 2003)

Abb. 17: Das manipulierte Urlaubsfoto (Quelle: Andrews 2003)

Abb. 18: Originalfoto des Massakers (Quelle: Andrews 2003)

Abb. 19: Das eingefärbte Foto des Massakers (Quelle: Andrews 2003)

Abb. 20: Das Originalfoto von Trittin (Quelle: Andrews 2003)

Abb. 21: Das veränderte Bild von Trittin (Quelle: Andrews 2003)

Abb. 22: Originalfoto Nr. 1 aus dem Irak-Krieg (Quelle: Rötzer 2003)

Abb. 23: Originalfoto Nr. 2 aus dem Irak-Krieg (Quelle: Rötzer 2003)

Abb. 24: Das kombinierte Foto aus dem Irak-Krieg (Quelle: Rötzer 2003)

Abb. 25: Photoshop Anwendungsfenster (Quelle: RRZN 2001, S. 13)

Abb. 26: Vor der Retusche (Quelle: Eigene Fotografie)

Abb. 27: Nach der Retusche (Quelle: Eigene Fotografie und Bearbeitung)

Abb. 28: Vor der Fotomontage (Quelle: Eigene Fotografie)

Abb. 29: Nach der Fotomontage (Quelle: Eigene Fotografie und Bearbeitung)

Abb. 30: Vor der Spiegelung einer Person (Quelle: Eigene Fotografie)

Abb. 31: Nach der Spiegelung einer Person (Quelle: Eigene Fotografie und Bearbeitung) Abb. 32: Nach der Spiegelung des gesamten Fotos (Quelle: Eigene Fotografie und Bearbeitung)

Abb. 33: Vor der Tonwertkorrektur (Quelle: Eigene Fotografie)

Abb. 34: Nach der Tonwertkorrektur (Quelle: Eigene Fotografie und Bearbeitung)

Abb. 35: Vor der Farbkorrektur (Quelle: Eigene Fotografie)

Abb. 36: Nach der Farbkorrektur (Quelle: Eigene Fotografie und Bearbeitung)

Abb. 37: Paprika vor der Farbänderung (Quelle: Eigene Fotografie)

Abb. 38: Paprika nach der Farbänderung (Quelle: Eigene Fotografie und Bearbeitung)

Abb. 39: Vor dem Freistellen (Quelle: Eigene Fotografie)

Abb. 40: Nach dem Freistellen (Quelle: Eigene Fotografie und Bearbeitung)

Abb. 41: Star-Fake von Anke Engelke (Quelle: Nacktestars.de 2001)

Abb. 42: Morphing von Dieter Bohlen und Mutter Theresa (Quelle: Holthusen 2003)

Abb. 43: Morphing von Gerhard Schröder und Edmund Stoiber (Quelle: Holthusen 2003)

Abb. 44: Aufmerksamkeits-Trichter (Quelle: Haller 1999, S.10)

1. Einleitung

1.1 Einführung in die Thematik

Für die Medien waren Bilder schon immer von großer Bedeutung. Heute sind Medien wie Tageszeitungen und Zeitschriften ohne Bilder gar nicht mehr denkbar. Dabei haben insbesondere Fotos in der Presse einen hohen Stellenwert. Ihre Aufgabe besteht einerseits vor allem darin, die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen oder aber zu generieren und auf diese Weise den Verkauf von Publikationen voranzutreiben. Andererseits haben Fotos die Aufgabe, zu informieren, was eine wahrheitsgetreue Berichterstattung impliziert.

Überdies hinaus wird das Pressefoto aufgrund seines Abbildungspotentials allgemein als Dokument betrachtet. Aus diesen Gründen sind Bildbearbeitungen von Pressefotografien ein problematisches Thema.

Ziel dieser Arbeit ist es, dieses vielschichtige Thema aus verschieden Perspektiven zu beleuchten und die damit verbundene Problematik darzustellen. Schließlich sind die Möglichkeiten der Bildbearbeitung, welche gleichzeitig auch zur Bildmanipulation missbraucht werden können, infolge der Digitalisierung in der heutigen Zeit schier unendlich. Deshalb sind derartige Überlegungen von großer Bedeutung.

Dazu werden zunächst von der Retusche bis zum Fake, die Entwicklung wie auch die Methoden und Techniken der Bildbearbeitung dargestellt.

Im Anschluss daran stehen die gegenwärtige Situation, die Problematik der Bildmanipulation sowie ethische Überlegungen diesbezüglich im Vordergrund. Im Folgenden wird nicht beabsichtigt, das Verhalten von Medienschaffenden zu verurteilen und bestimmte Sachverhalte anzuprangern. Vielmehr soll eine beschreibende Annäherung an das Thema Bildbearbeitung im Rahmen des Pressewesens stattfinden. Als Pressefotos werden dabei lediglich Fotos aus dem redaktionellen Teil von Zeitungen und Zeitschriften berücksichtigt, Werbe- oder Modefotos finden keine Berücksichtigung. Ferner umfasst der Begriff „Bildbearbeitung“ ausschließlich Veränderungen von Fotos, welche nach der Belichtung des Negativs stattfinden.

Die vorliegende Arbeit ist in sechs sich ergänzende Kapiteln eingeteilt.

Das zweite Kapitel dieser Arbeit gibt zunächst anhand von Beispielen aus der Presse einen historischen Abriss über die Entwicklung der Bildbearbeitung. Im dritten Kapitel stehen die Grundlagen dieser Arbeit, die Methoden und Techniken der Bildbearbeitung, im Vordergrund. Dabei sollen die gängigsten analogen wie auch digitalen Methoden und Techniken vorgestellt werden. Um die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung zu veranschaulichen, werden diese im Anschluss daran exemplarisch demonstriert.

Kapitel vier beschäftigt sich mit dem Foto in der Presse. Es stellt zunächst dessen Funktionen, Eigenschaften und Wirkung dar, um schließlich den Stellenwert des Fotos in der Presse zu erläutern.

Das darauf folgende Kapitel fünf befasst sich mit der Manipulation. Nach einer etymologischen Erläuterung des Begriffes „Manipulation“ wird eine Begriffsbestimmung für den Kontext der Fotografie vorgenommen. Anhand von Expertenaussagen werden Motive für Bildmanipulationen erläutert und Konsequenzen diskutiert.

Der Kennzeichnung von Bildmanipulationen widmet sich Kapitel sechs. Nach einem Plädoyer für die Notwendigkeit einer Kennzeichnung werden bisherige Modelle und Initiativen vorgestellt. Es folgt eine Beschreibung der gegenwärtigen Situation im Hinblick auf eine Kennzeichnung in Redaktionen und Agenturen. Im Anschluss daran werden Gründe für das Scheitern der Kennzeichnungsinitiativen erörtert.

Im siebten und letzten Kapitel dieser Arbeit werden schließlich ethische Aspekte der Bildbearbeitung bzw. der Bildmanipulation diskutiert. Nachdem zunächst die Grenzen zwischen Bildbearbeitung und Bildmanipulation gezogen werden, soll anschließend die Handhabung der Bildbearbeitung in den Redaktionen und Agenturen erläutert werden. Des Weiteren werden in diesem Kapitel ethische Überlegungen im Hinblick auf die Medienmacher wie auch auf die Mediennutzer angestellt.

1.2 Methodisches Vorgehen

Ein Großteil der verwendeten Literatur stammt aus der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg und dem Hans-Bredow-Institut für Medienforschung. Einige Publikationen waren in den Hamburger Bibliotheken leider nicht vorhanden, konnten aber per Fernleihe beschafft werden. Neuere Publikationen habe ich selbst erworben.

Mit Hilfe des Internets wurde außerdem Literatur über Zeitschriftenarchive, Informationsdatenbanken sowie Suchmaschinen bezogen. Auch die Seiten von Verbänden und Institutionen lieferten aufschlussreiche Informationen. Vor allem in Hinblick auf fototechnische Angelegenheiten erwies sich die Suche im Internet als sehr ergiebig.

Schwieriger hingegen gestaltete sich die Suche nach Beispielen der Bildmanipulation in der Presse. Vor allem der Kontakt zu Klaus Andrews, Fotojournalist und Beiratsmitglied des Vereins der Fotojournalisten und Fotojournalistinnen „FreeLens“, war diesbezüglich sehr hilfreich, da dieser über eine umfangreiche Sammlung von Bildmanipulationen in der Presse verfügt, welche er mir freundlicherweise für meine Arbeit zu Verfügung gestellt hat.

Von besonderem Interesse waren im Rahmen dieser Arbeit außerdem spezielle Informationen über die alltägliche Arbeitspraxis in Redaktionen und Agenturen. Da zu diesen Aspekten keine oder nur veraltete Literatur verfügbar war, habe ich das Gespräch zu Experten aus der Praxis gesucht. Dazu habe ich mich an kompetente, engagierte und meist höher positionierte Ansprechpartner aus den jeweiligen Bereichen gewandt. Bei der Auswahl der befragten Personen wurde versucht, einen möglichst repräsentativen Querschnitt durch die verschiedenen Pressepublikationen von Satiremagazin über Männerzeitschrift bis hin zur Tageszeitung zusammenzustellen (siehe Anhang C: Interviewpartner/Anfragen). Zur Vorbereitung auf die Befragung habe ich mich zunächst viel mit einschlägiger Literatur zum Thema Bildbearbeitung und Bildmanipulation im Allgemeinen befasst. Im Anschluss daran erarbeitete ich einen an der Zielstellung dieser Arbeit orientierten Fragebogen (siehe Anhang A: Fragebogen Bildbearbeitung/Bildmanipulation).

Darüber hinaus ergab sich während der Erarbeitung des Aspektes „Kennzeichnung manipulierter Fotos“ die Notwendigkeit, einen weiteren Fragebogen zu der Entwicklung und Problematik der Kennzeichnungsinitiativen von manipulierten Fotos zu erstellen (siehe Anhang B: Fragebogen Kennzeichnung). Mittels dieses Fragebogens wurden schließlich Initiatoren und Verbände zur Kennzeichnung befragt.

Eine Vielzahl der im Folgenden verwerteten Informationen stammt demzufolge aus Interviews mit Experten und Ansprechpartnern aus der Praxis wie Bildredakteuren, Bildbearbeitern und Fotografen sowie Vertretern von wichtigen Verbänden und Initiativen.

2. Die Geschichte der Bildbearbeitung

Dieses Kapitel stellt exemplarisch die Entwicklung der Bildbearbeitung von den Anfängen bis hin zur digitalen Bildbearbeitung anhand von Beispielen aus der Presse dar.

Die Geschichte der Bildbearbeitung ist gleichzeitig auch die Geschichte der Bildmanipulation, da die angewandten Methoden und Techniken die gleichen sind. Allerdings bestehen bei der Manipulation von Bildern in der Regel andere Absichten (siehe Kapitel 5.4: Motive für die Bildmanipulation) als bei der Bearbeitung von Bildern (siehe Kapitel 7.1: Wo die Bildbearbeitung aufhört und die Bildmanipulation beginnt).

Aus diesem Grund finden im Folgenden überwiegend Fälle der Bildmanipulation Erwähnung, da diese aufgedeckt und dementsprechend der Öffentlichkeit als solche bekannt wurden.

2.1 Die Geschichte der analogen Bildbearbeitung

Im Zuge der Digitalisierung der Bildbearbeitung entbrannten heftige Diskussionen um die Gefahren, Folgen sowie um die unkalkulierbaren Möglichkeiten der neuen Technik. Allerdings ist die Bildbearbeitung kein neues Phänomen, sondern etwa genauso alt wie die Fotografie selbst.1

Die ersten Fotografen waren verhinderte Maler, die bei dem Versuch, Aufnahmemängel wie Staubkörner oder Gelatinestückchen zu beseitigen, schnell bemerkten, dass Pinsel und Farbe wahre Wunder bewirken können. Von Anfang an wurde die Fotografie von der Bemühung um eine Schönung der Realität begleitet.2

Ein Mittel dazu war die Retusche. Sie wurde 1855 von dem Münchner Fotografen Hanfstaengl erfunden.3 Der Begriff „Retusche“ stammt vom französischen Begriff „Retouche“ und bedeutet Nachbesserung.4

Schon lange vor der Entwicklung computerbasierter Bildbearbeitungsprogramme erfreute sich die Retusche großer Beliebtheit. Erbrachten Fotografien nicht das gewünschte Ergebnis, wurden sie mittels Retusche nachgebessert.5

In den Zeitungen war bis 1910 die Mehrzahl der Fotos stark retuschiert, diese Fotos können im Grunde lediglich als eine Art Mischung aus Zeichnung und Foto betrachtet werden.6

Vor allem in totalitären Systemen versuchten politische Machthaber nicht selten mit Hilfe der Retusche die durch Fotografien dokumentierte Geschichte nachträglich zu korrigieren.

Zahlreiche Beispiele dafür lassen sich aus der Zeit des Stalinismus nachweisen.

Eines der bekanntesten darunter ist die „Auslöschung der Erinnerung“ an Leo Trotzki. Dieses Beispiel wurde nicht nur wegen seiner gelungenen Ausführung bekannt, sondern auch, weil es in gewisser Weise das spätere Schicksal Trotzkis vorwegnahm.

Abb. 1 zeigt eine Aufnahme des Fotografen G.P. Goldstein, welcher Wladimir Iljitsch Lenin während seiner Rede vor Einheiten der Roten Armee am 05. April 1920 auf dem Swerdlow-Platz in Moskau fotografierte. Auf der Treppe zum Podium stehen Trotzki und Leo Kamenew.

1927 schloss die Führung der Kommunistischen Partei Trotzki aus dem Zentralkomitee aus. Dieses Jahr war gleichzeitig das letzte Jahr, in dem diese Version des Fotos publiziert wurde.

In späteren Veröffentlichungen wurden nur noch Ausschnitte oder die Fälschung (siehe Abb. 2) wiedergegeben.7

In der gefälschten Version fehlen Trotzki und Kamenew und sind durch Treppenstufen ersetzt. Sie wurden auf Anweisung des späteren sowjetischen Staatschefs Josef Wissarionowitsch Stalin aus dem Bild eliminiert. 1929 wurde Trotzki wegen angeblicher „konterrevolutionärer Handlungen“ aus der Sowjetunion ausgewiesen. Die physische Eliminierung Trotzkis folgte schließlich Jahre später im mexikanischen Exil ebenfalls im Auftrag Stalins. Mit dieser Bildmanipulation verfolgte Stalin zu seiner eigenen Herrschaftssicherung das Ziel, die Erinnerung an Trotzki und dessen politische Bedeutung zu vernichten. Trotzki war eine der Schlüsselfiguren der Oktoberrevolution gewesen. Er hatte die Rote Armee organisiert und war demzufolge im allgemeinen Gedächtnis des Volkes vorhanden. Jedoch widersprachen Trotzkis politische Zielsetzungen den Absichten Stalins, weshalb dieser ihn aus dem Bild entfernen lies.8

Abb. 1: Die Rede Lenins im Original

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jaubert 1989, S. 32

Abb. 2: Die Rede Lenins ohne Trotzki und Kamenew

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jaubert 1989, S. 32

Auch die Fotomontage war und ist noch heute ein beliebtes Mittel, fotografische Abbildungen nachträglich zu verändern.

Ihre Ursprünge liegen im Kubismus, wo bereits Picasso Fragmente der Malerei, der Fotografie und der Typografie zusammensetzte. Die ersten offiziellen Akteure, die ausschließlich Fotomaterial für ihre Montagen verwendeten, waren die Dadaisten.9

Den Erfinder oder den Initiator der Fotomontage auszumachen ist schwierig, da es ein Problem darstellt, eine Trennungslinie zwischen den Ursprungsformen wie

alten fotografischen Späßen oder Tricks und den heutigen Arbeitsweisen der modernen Fotomontage zu ziehen.

Somit kann die Erfindung der Fotomontage nicht eindeutig einer einzelnen Person zugewiesen werden. In der Literatur werden jedoch häufig Namen wie John Heartfield, Hannah Höch und Raoul Haussmann genannt, allesamt Anhänger der Dada-Bewegung in Berlin zu Beginn der 20 Jahre des vergangenen Jahrhunderts.10

Fotowissenschaftler Otto Croy wiederum ist der Meinung:

„Sie wurde von niemandem erfunden. Sie entstand aus sich selbst. Sie ist weder etwas Modernes noch etwas Altes“…“Sie ist bloß Mittel zum Zweck. Sie wird verwendet, um die Möglichkeiten der Fotografie zu erweitern.“11

Schon früh wussten auch totalitäre Machthaber, die Fotomontage und ihre Möglichkeiten in ihrem Interesse zu nutzen. Auch der stalinistische Propagandaapparat gehörte zu den Nutznießern dieser Technik. Zwischen 1920 und 1930 erlebte die Fotomontage in der Sowjetunion sowohl im künstlerischen wie auch im politischen Bereich einen großen Aufschwung.12 Zu dieser Zeit gab es ein Motiv, welches sich in den unterschiedlichsten Darstellungsformen wie Denkmälern, Gemälden und auch Fotografien stets wiederholte:

Stalin neben Lenin als eine Art gelehriger Schüler oder als scheinbar nahe stehender Freund.

Doch diese Fotos dokumentierten vielfach keine Tatsachen, sondern waren Bestandteil der Propaganda, welche die Macht Stalins legitimieren sollte, welche dieser aus der imaginären Nähe zur Kultfigur Lenin für sich beanspruchte.13 In einer Beilage der Moskauer Zeitung „Prawda“, deren Name übersetzt ironischerweise: „die Wahrheit“ bedeutet, erschien am 24. September 1922 das in Abb. 3 dargestellte Foto. Lenin war zu dieser Zeit schwer krank, empfing aber trotz dieses Umstandes Stalin und seine Schwester, welche für diese Aufnahme verantwortlich ist.

Stalin schienen diese Aufnahmen allerdings nicht zu genügen, da Anfang der dreißiger Jahre eine völlig zusammenmontierte Version des Bildes erschien (siehe Abb. 4). Lenin sitzt auf diesem Bild tief in einem Lehnstuhl, wohingegen Stalin väterlich und leicht erhöht auf einem kaum angedeuteten Stuhl positioniert wurde. Diese Manipulation hatte die Funktion, Aussagen aus Lenins Testament, welche Misstrauen und Zweifel an Stalin und seiner Herrschaft ausdrückten, zu begegnen. Mit diesen Aufnahmen sollte der Eindruck enger Freundschaft entstehen.14

Abb. 3: Die Originalaufnahme aus dem Jahre 1922

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jaubert 1989, S. 38

Abb. 4: Die Montage der Nähe zischen Lenin und Stalin

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jaubert 1989, S. 38

Auch im dritten Reich wurde die Fotografie systematisch als Propagandamittel eingesetzt. Dabei wusste man auch die Möglichkeiten der Bildbearbeitung einzusetzen.

Am 23. August 1939 entstand das in Abb. 5 dargestellte Foto. Es zeigt Johann von Ribbentrop, den Außenminister des dritten Reichs, wie er die Hand Stalins schüttelt. Unmittelbar zuvor hatten beide den Nichtangriffspakt unterzeichnet. Das Foto wurde von Hitlers persönlichem Fotografen Heinrich Hoffmann angefertigt.

Als Hitler jedoch Hoffmanns Fotografien von der Vertragsbesiegelung zu Gesicht bekam, stellte er fest, dass Stalin offensichtlich während der ganzen Feierlichkeit geraucht hatte, was ihn sehr verärgerte. Die Vertragsunterzeichnung sei schließlich ein feierlicher Akt, den man nicht mit einer Zigarette im Mund zelebriere. Aus diesem Grund bat er Hoffmann, die Zigarette in Stalins Hand wegzuretuschieren, bevor die Fotos der Presse überlassen würden.

Bei dieser Gelegenheit überarbeitete Hoffmann außerdem noch den Hintergrund.

Abb. 5: Originalversion der Abb. 6: Die Zigarette Stalins Vertragsunterzeichnung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jaubert 1989, S. 73 Quelle: Jaubert 1989, S. 73

Abb. 7: Die von Hoffmann retuschierte Abb. 8: Die retuschierte Zigarette Stalins Vertragsunterzeichnung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jaubert 1989, S. 73 Quelle: Jaubert 1989, S. 73

Nicht immer blieben Veränderungen von Fotos unentdeckt.

Eine große Blamage gab es im März 1969, als nach der Zerschlagung des Prager Frühlings aus einem Gruppenfoto der tschechoslowakischen Führungsspitze Alexander Dubcek entfernt wurde. Dabei vergaß der Retuscheur aufgrund mangelnder Sorgfalt einen einzelnen Schuh im Bild. Er hatte zwar die übrigen Männer etwas näher aneinandergerückt, das Haus im Hintergrund ein wenig verschoben, jedoch vergaß er Dubceks Schuh zu entfernen.15

Abb. 9: Die Originalaufnahme der Prager Führungsspitze

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 16

Abb. 10: Das manipulierte Foto ohne Dubcek

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 16

Abb. 11: Der vergessene Schuh

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 16

Im September 1971 traf Bundeskanzler Willy Brandt den sowjetischen Generalsekretär der kommunistischen Partei, Leonid Breschnjew, auf der Krim. Bei dieser Zusammenkunft wurde so viel geraucht, dass die Aschenbecher überfüllt waren, außerdem wurde viel getrunken, es herrschte eine herzliche, lockere Stimmung.

Als zu später Stunde den Fotografen Zugang gewährt wurde, stellte sich ihnen die Situation wie beschrieben dar. In den Veröffentlichungen der deutschen Presse wurde sie exakt so wieder gegeben. Das in der Zeitung „Prawda“ abgedruckte Foto hingegen machte einen wesentlich aufgeräumteren Eindruck, da dort sämtliche Flaschen und Zigarettenpackungen fehlten. Man hatte das Treffen zu einem würdigen Ereignis umgestaltet.16

Abb. 12: Das Treffen in lockerer Atmosphäre

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jaubert 1989, S. 173

Abb. 13: Das Treffen als würdiges, freundliches Ereignis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Jaubert 1989, S. 173

2.2 Die Geschichte der digitalen Bildbearbeitung

Die Geschichte der digitalen Bildbearbeitung begann bereits um das Jahr 1960, als große Firmen und Forschungszentren anfingen, den Computer zur Berechnung von Graphiken zu nutzen. Jedoch dauerte es seitdem noch sehr lange, bis die digitale Bildbearbeitung mehr zu leisten vermochte, als mittels herkömmlicher Technik möglich war.

Die siebziger Jahre waren eine Zeit intensiver Forschungen und viele entscheidende Lösungen zu technischen Problemen wurden in dieser Zeit gefunden. In den achtziger Jahren gelangten die Erfindungen aus den Forschungslabors schließlich in die Industrie. Zu dieser Zeit benötigte der Computer teilweise Stunden, um einfachste Befehle auszuführen, außerdem waren die Benutzeroberflächen der damaligen Systeme zunächst von Informatikern für Informatiker geschaffen, was die Bedienung für normale Benutzer erheblich erschwerte.17

Das erste digital manipulierte Foto, welches in großem Maße Aufsehen erregte, wurde im Februar 1982 auf der Titelseite der Zeitschrift „National Geographic“ veröffentlicht. Es zeigte die Pyramiden von Gizeh, welche allerdings per Computer etwas näher aneinander gerückt worden waren. Der Fotograf hatte die Pyramiden im Querformat fotografiert, für das Titelfoto war allerdings ein Foto im Hochformat benötigt worden, weshalb sich die Redaktion entschloss, das Bild per Computer passend zu gestalten. Die Veränderung des Fotos wurde entdeckt, da ein weiteres Bild, vom gleichen Standort aus fotografiert, im Inneren der Zeitschrift abgedruckt war.

Diese Bildmanipulation löste erstmals eine große Diskussion um die Möglichkeiten und Gefahren der digitalen Bildbearbeitung aus.18

Abb. 14: Die manipulierte National Geographic-Ausgabe vom Februar 1982

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Andrews 2003

Im Frühjahr 1992 war das Dauerthema in sämtlichen Boulevardzeitschriften die Schwangerschaft von Prinzessin Stephanie von Monaco. Es ging dabei vor allem um familiäre Schwierigkeiten, da Stephanie unverheiratet ein Kind erwartete. Offenbar waren die Geschichten um und über die Schwangerschaft Stephanies eine Garantie für hohe Auflagen. Das führte sogar dazu, dass zahlreiche Zeitschriften ihre Titelseiten bereits vor der Entbindung am 26. November 1992 mit der jungen Mutter samt einem Kind im Arm illustrierten. Es handelte sich dabei um eine Fotomontage von der man sich versprach, die Verkaufschancen zu verbessern.19

Abb. 15: Fotomontagen von Prinzessin Stephanie mit Baby

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 78

Am 09. August 1997 erregte die Gemüter Großbritanniens ein manipuliertes Titelfoto der britischen Zeitschrift „The Mirror“. Die Aufnahme mit der Bildüberschrift „The picture they all wanted“ zeigte Lady Diana mit ihrem Freund Dodi al-Fayed während eines Urlaubes auf einem Boot. Auf dem Bild ist zu erkennen, dass die beiden unmittelbar vor oder nach einem Kuss fotografiert wurden. Qualitativ war das Foto eher schlecht, es war grobkörnig und unscharf.

Es handelte sich dabei um eine Manipulation, wie später enthüllt wurde. Mit Hilfe eines digitalen Eingriffes wurde der Kopf von Dodi al-Fayed ein wenig gedreht und die Illusion eines Kusses war perfekt.20

Abb. 16: Das Urlaubsfoto im Original Abb. 17: Das manipulierte Urlaubsfoto

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Andrews 2003 Quelle: Andrews 2003

Die Schweizer Boulevardzeitung „Blick“ veröffentlichte im November 1997 unter der Schlagzeile „Ein Land wie im Krieg“ einen Bericht über das Bombenattentat am Tempel von Hatschepsut im ägyptischen Luxor. Der Artikel wurde durch ein Foto vom Ort des Geschehens illustriert, auf dem eine lange Blutspur bis hin zum Tempel zu sehen war, welche die Grausamkeit des Ereignisses veranschaulichte. Vier Tage nach der Veröffentlichung dieses Fotos wurde „Blick“ von der konkurrierenden „Sonntagszeitung“ beschuldigt, das Bildmaterial manipuliert zu haben. Diese Beschuldigung wurde schnell bestätigt. Schon bald stellt sich heraus, dass die Blutspur, welche im Original lediglich eine Pfütze war, mit Hilfe der digitalen Bildbearbeitung zu ihrer roten Farbe gekommen war.21

Abb. 18: Originalfoto des Massakers

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Andrews 2003

Abb. 19: Das eingefärbte Foto des Massakers

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Andrews 2003

Die „Bild“-Zeitung veröffentlichte im Januar 2001 ein Foto von Umweltminister Jürgen Trittin aus dem Jahre 1994, welches ihn auf einer Demonstration inmitten von vermummten Demonstranten darstellte, die laut „Bild“ angeblich mit Schlagstock und Bolzenschneider bewaffnet waren. Rote, entsprechend beschriftete Pfeile im Foto wiesen auf die gefährlichen Gerätschaften hin. „Was macht Minister Trittin auf dieser Gewaltdemo?“ lautete die Schlagzeile zu diesem Foto. „Bild“ hatte einen Ausschnitt des Originalfotos genommen, es anstatt wie ursprünglich in Farbe in Schwarzweiß und zudem in wesentlich schlechterer Qualität als das Original abgedruckt. Wie sich herausstellte, war der Schlagstock ein Seil und der angebliche Bolzenschneider der Handschuh eines Demonstranten an einem Dachgepäckträger eines Autos. Die Bearbeitung des Bildes in Kombination mit den Pfeilen hatte einen völlig falschen Eindruck vermittelt. Die Bildfälschung war Teil einer Kampagne gegen die Rot-Grüne Regierung, welche den Minister offensichtlich in Misskredit bringen sollte.

Abb. 20: Das Originalfoto von Trittin Abb. 21: Das veränderte Foto von Trittin

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Andrews 2003 Quelle: Andrews 2003

Auch aus dem jüngsten Irak-Krieg wurde ein Fall der Bildmanipulation bekannt.

Auf der Titelseite der „Los Angeles Times“ vom 31.03.2003 wurde das in Abb. 24 dargestellte Foto veröffentlicht. Darauf ist ein britischer Soldat zu sehen, welcher, so die Zeitung, irakischen Zivilisten mit der Hand ein Zeichen gibt, in Deckung zu gehen, um sich vor dem Beschuss des irakischen Militärs zu schützen. Nach der Publikation dieses Fotos bemerkte unter anderen die Zeitung „New York Post“, dass einige der abgelichteten Personen zweimal in dem Bild erscheinen. Auf eine Nachfrage beim Fotografen im Irak gab dieser schließlich zu, das Foto per Computer aus zwei unmittelbar hintereinander entstandenen Aufnahmen (Abb. 22 und Abb. 23) kombiniert zu haben. In einem Editorial informierte die „Los Angeles Times“ daraufhin ihre Leser über diesen Vorfall. Da das Manipulieren von Nachrichtenfotos bei der „Los Angeles Times“ untersagt ist, wurde der Fotograf sofort entlassen.22

Abb. 22: Originalfoto Nr. 1 aus dem Irak-Krieg

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Rötzer 2003

Abb. 23: Originalfoto Nr. 2 aus dem Irak-Krieg

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Rötzer 2003

Abb. 24: Das kombinierte Foto aus dem Irak-Krieg

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Rötzer 2003

3. Methoden und Techniken der Bildbearbeitung

In diesem Kapitel sollen die Grundlagen der Bildbearbeitung und somit die Grundlagen dieser Arbeit erläutert werden.

Dazu werden die gängigsten Methoden und Techniken der analogen wie auch der digitalen Bildbearbeitung vorgestellt und ihr Anwendungsbereich kurz erörtert. Im Anschluss daran folgt eine exemplarische Darstellung digitaler Bildbearbeitungsmöglichkeiten.

3.1 Analoge Bildbearbeitung

Anfänglich standen den Fotografen relativ eingeschränkte Möglichkeiten der fotografischen Komposition zur Verfügung. Die Fotografie steckte technisch noch in den Kinderschuhen und stieß aus diesem Grund schnell an ihre Grenzen. Aus dieser Situation heraus trat der Wunsch nach mehr fotografischer Freiheit hervor. Im weitesten Sinne sind die Folgen dieses Wunsches Bildbearbeitungsmethoden wie die Retusche und die Fotomontage.23

3.1.1 Retusche

Laut Brockhaus ist die Retusche

„die Durchführung von Korrekturen an fotograf. Positiven und Negativen zur Beseitigung von fehlerhaften Stellen, zur Hervorhebung von Einzelheiten, zur Entfernung unerwünschter Bildteile und zur Verbesserung der Bildwirkung“.24

Die Retusche ist somit eine Nachbehandlung von Positiven und Negativen.

Man unterscheidet zwischen Retuschen am Negativ und Retuschen am Positiv.

3.1.1.1 Retusche am Negativ

Ausflecken

Als Ausflecken bezeichnet man die Beseitigung kleiner Unreinheiten und Verarbeitungsfehler durch Stift- oder Pinselretusche.25 Dabei wird die Oberfläche des Negativs verändert, indem spezielle Retuschefarben oder Chemikalien aufgetragen werden.

Das Ausflecken wird sowohl in der Schwarzweiß- als auch in der Farbfotografie angewandt.26

Schabretusche

Durch die Schabretusche soll eine Verringerung der Schwärzung bzw. eine Verringerung der Deckkraft erreicht werden. Dabei wird versucht, bestimmte Stellen durch Schaben mit einem Skalpell aufzuhellen.27 Die Schabretusche findet ausschließlich in der Schwarzweiß-Fotografie Anwendung. Bei der Bearbeitung von Farbfotos wird sie nicht angewandt, da auf diese Weise die einzelnen Farben nicht aufgehellt würden, sondern lediglich die drei Farbschichten, aus denen ein Farbfoto besteht, nämlich Cyan, Magenta und Gelb, zum Vorschein kommen würden.28

3.1.1.2 Retusche am Positiv

Neben der im Folgenden erläuterten Spritzretusche wendet man beim Retuschieren von Positiven außerdem noch das oben beschriebene Ausflecken sowie die Schabretusche an.29

Die Positivretusche hinterlässt häufig deutlich sichtbare Spuren. Aus diesem Grund wird ein retuschiertes Positiv in der Regel noch einmal reproduziert. Das bedeutet, dass es noch einmal abfotografiert wird, da kleine farbliche Unstimmigkeiten auf der Reproduktion in der Regel nicht mehr zu erkennen sind.30

Spritzretusche (Airbrush)

Bei diesem Verfahren wird mittels einer druckluftbetriebenen Spritzpistole Retuschefarbe auf die einzelnen Bildpartien aufgesprüht. Die Farbe tritt dabei in einer Art Sprühnebel aus und sorgt auf diese Weise für ein gleichmäßiges Farbergebnis. Die Spritzretusche hat den Vorteil, dass man damit größere Bildflächen gleichmäßig decken und man sogar Verläufe erzeugen kann.31

Für das Auge bleibt die Spritzretusche fast unsichtbar.32 Sie findet sowohl in der Schwarzweiß- als auch in der Farbfotografie Verwendung.33

Anwendung

Die wohl häufigste Anwendung in der Praxis findet die Retusche zur Beseitigung von Staubteilchen, Fusseln, Kratzern und Flecken (Ausflecken).34 In den meisten Fällen handelt es sich dabei um unvermeidlichen Staub oder Schmutz auf dem Negativ, der sich nach dem Abziehen in Form von hellen Flecken oder Linien auf dem Positiv abbildet. Oder aber es handelt sich um Kratzer und Verletzungen der Negativoberfläche, die als dunkle Linien oder Punkte auf dem Abzug sichtbar werden.35

In der Schwarzweiß-Fotografie verwendet man die Schabretusche, um dunkle Flecken aufzuhellen. Sollen helle Flecken dunkler gefärbt werden, kommen Pinsel, Retuschierstifte und Retuschefarben zum Einsatz.36

Die Anwendung der Retusche zur Beseitigung von Verarbeitungsfehlern ist zwar die häufigste Art der Anwendung, jedoch nicht die einzige. In der Fotografie ergibt sich aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder die Notwendigkeit einer gestalterisch wirksamen Korrektur am Motiv.37 Auch die Retusche kann zu diesem Zweck verwendet, aber auch missbraucht werden. Sie ist ein Instrument, mit dem man Bildinhalte schlichtweg „übermalen“ kann. Aus diesem Grund kann sie ebenfalls zur Freistellung von Motivdetails benutzt werden. Sie findet außerdem häufig Verwendung, um kleine Schönheitsfehler wie Hautunreinheiten oder Falten zu beseitigen. Störende oder hässliche Bildinhalte wie beispielweise ein Mülleimer oder ein ins Bild ragender Ast können ebenfalls mit Hilfe der Retusche leicht verschwinden. Aus diesen Gründen hat die Retusche ein großes Potential das fotografische Abbild der Realität nachträglich zu verfälschen.38

3.1.2 Abschwächen und Verstärken

Das Abschwächen ist ein chemisches Verfahren, mit dem man zu stark gedeckte oder zu kontrastarme Schwarzweiß-Negative verbessern kann. Negative mit einer übermäßigen Schwärzung des Bildes entstehen meist durch Überbelichtung oder Überentwicklung des Films.39 Durch eine Behandlung mit einer speziellen Abschwächer-Lösung kann die Dichte aller Tonwerte verringert oder aber der Kontrast verbessert werden.40

Zu schwach gedeckte Negative hingegen sind häufig das Ergebnis einer Unterbelichtung oder Unterentwicklung des Filmes.41 Die Dichte solcher Negative kann durch das so genannte „Verstärken“ erhöht werden. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein chemisches Verfahren, das sowohl am ganzen Negativ als auch partiell angewendet wird. Zur Erhöhung der Dichte des Negativs werden mangelhaft gedeckte Stellen mit einer chemischen Lösung behandelt.42

3.1.3 Abwedeln und Nachbelichten

Sind Teile eines Positivs zu hell oder zu dunkel geraten, besteht die Möglichkeit, die Dichte eines Fotos partiell zu beeinflussen.43

Eine übermäßige Schwärzung des Positivs tritt immer dann ein, wenn einzelne Bildpartien während der Aufnahme unterbelichtet bleiben und diese dann vergrößert werden.44 Die unterbelichteten Bildpartien erscheinen auf dem Positiv schwarz. Um eine zu starke Schwärzung dieser Bildpartien zu verhindern, kann das Abwedeln angewandt werden.

Dabei handelt sich um ein Verfahren, bei dem während der Bildbelichtung unter dem Vergrößerungsgerät versucht wird, Licht mit der Hand oder speziellen Blenden und Masken vom Fotopapier fernzuhalten. Dabei sollen durch ständiges Wedeln scharfe Übergänge zwischen unterschiedlich stark belichteten Bildteilen vermieden werden.45 Durch das Abwedeln kann man unterbelichtete Bildteile nachträglich zur Geltung kommen lassen.

Im Gegensatz zum Abwedeln wendet man die Nachbelichtung immer dann an, wenn Bildpartien überbelichtet wurden.46 Überbelichtet Bildpartien werden auf dem Positiv hell dargestellt. Um diese Bildpartien dunkler zu gestalten, werden die betreffenden Stellen nach der Bildbelichtung noch einmal belichtet. Die somit insgesamt längere Belichtungszeit lässt sie schließlich dunkler erscheinen. Auch hier müssen durch ständige Bewegungen während der Nachbelichtung scharfe Übergänge zwischen den unterschiedlich lange belichteten Bildpartien vermieden werden47 Das Nachbelichten und das Abwedeln werden in der Regel nur partiell angewandt.48

3.1.4 Kolorieren

Durch das Kolorieren können Schwarzweiß-Fotos per Hand nachträglich eingefärbt werden.

Dabei wird ein Schwarzweiß-Foto in der Regel mit Lasurfarben übermalt, welche mit einem Pinsel oder einem Wattebausch aufgetragen werden.49 Es ist nicht zwingend erforderlich, das ganze Foto einzufärben.50

Heute hat das Kolorieren fast nur noch in der künstlerischen Fotografie Bedeutung.51

In den Anfängen der Fotografie erfreute es sich jedoch großer Beliebtheit.52

3.1.5 Ausschnitt

Genauso wie der Fotograf bei seiner Aufnahme nur einen Teil der Wirklichkeit abbildet, indem er einen Ausschnitt aus dem Zusammenhang reißt, ist es ebenfalls möglich, einen Ausschnitt von der fertigen Aufnahme auszuwählen. Dieser Bildausschnitt kann beliebig gewählt und vergrößert werden. Dabei ist es möglich, überflüssige Bilddetails wegzulassen bzw. auszuschneiden, Proportionen

zu verändern oder zum Beispiel aus einer Hochformataufnahme eine Querformataufnahme herzustellen.53

Anwendung

Die wohl häufigste Art der Bearbeitung eines Fotos ist die Wahl eines Ausschnittes.54 Da jedes Pressefoto aus layouttechnischen Gründen bestimmte Vorgaben erfüllen muss, ist diese Art der Bildbearbeitung meistens unumgänglich.55 Durch einen Ausschnitt können Details ausgeblendet werden und andere Details, welche sonst wenig Beachtung finden würden, gezielt hervorgehoben werden. Ausschnitte haben das Potential, die Bildwirkung erheblich zu steigern. Dies können sie, indem sie störende, unschöne oder belanglose Details eliminieren und die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche lenken. In der Regel dient das Verfahren des Ausschnittes zwar ästhetischen Überlegungen, allerdings kann es auch den Wahrheitsgehalt eines Bildes völlig verändern und sogar eine Fälschung bewirken.56

Die Ausschnittvergrößerung wird beispielsweise dann angewandt, wenn man den Akzent eines Fotos auf die handelnden Personen legen möchte und weniger auf ihren Hintergrund. Gelegentlich wird sie auch dazu benutzt, ganze Personen oder Personengruppen aus Fotos verschwinden zu lassen.

Durch die Tatsache, dass bei der Ausschnittsvergrößerung schlichtweg Bildinhalte „ausgeschnitten“ werden und Bildinhalte, die eigentlich im ursprünglichen Foto keine weitere Bedeutung hatten, hervorgehoben werden können, bietet auch die Methode der Ausschnittvergrößerung die Möglichkeit, die fotografische Aufnahme der Wirklichkeit im Nachhinein zu verfälschen.57

3.1.6 Fotomontage

Der Begriff „Fotomontage“ setzt sich aus dem griechischen Wort „Photos“ - „Licht“58, und dem französischen Begriff „Montage“- „Aufstellen“, „Zusammenbauen“59 zusammen. Demzufolge bedeutet der Begriff genau genommen „mit Licht zusammenbauen“ oder „mit Licht montieren“. Eine Fotomontage ist das gestalterische Zusammenfügen von fotografischen Ausschnitten oder anderen fotografischen Kopien zu einer neuartigen Bildkonstruktion.60

Fotowissenschaftler Otto Croy unterscheidet zwei Arten von Fotomontagen: Fotomontagen im Aufnahme- oder Negativprozess und Fotomontagen im Abzug- oder Positivprozess.61 Da die vorliegende Arbeit das Thema Bildbearbeitung zum Gegenstand hat, sind nur Bearbeitungen am vorhandenen Bild und somit nur Fotomontagen im Abzug- bzw. Positivprozess relevant. Um schließlich ein Bild bearbeiten zu können, muss dieses zuerst einmal in irgendeiner Form vorhanden sein. Grundlage dafür ist eine Belichtung des Filmes. Somit ist das Vorhandensein von Negativen Grundlage der im Folgenden erwähnten Fotomontagetechniken.

Man kann Fotomontagen nach ihrer Herstellungsart in zwei verschiedene Kategorien einteilen: Zum einen gibt es die Positivmontagen, bei denen manuell mit fertigen Abzügen montiert wird.

Zum anderen gibt es die sogenannten Lichtmontagen, bei denen man optisch mit Hilfe von Licht bzw. Belichtung des Fotopapiers montiert. Lichtmontage ist ein Oberbegriff für verschiedene kreative Techniken, denen die Kombination von zwei oder mehr fotografischen Vorlagen zu einem einzigen Bild gemeinsam ist. Da bei Lichtmontagen mittels Licht bzw. Belichtung montiert wird, finden diese ausschließlich in der Dunkelkammer statt.62

3.1.6.1 Positivmontage

Klebemontage

Die Klebemontage ist eine der einfachsten Montagearten.63 Sie ist eine sogenannte Positivmontage, da manuell mit dem Positiv montiert wird.

[...]


1 Foster 2003, S. 68

2 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 7

3 Macias 1990, S. 4 f.

4 Strauss 1993, S. 130

5 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 14 f.

6 Barret 1979, S. 6

7 Jaubert 1989, S. 33

8 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 30 f.

9 Teige, 1989, S. 61-64

10 Teige 1989 S. 64; sowie Koßmann 1989 S. 12

11 Croy 1974, S. 7

12 Jaubert 1989, S. 83

13 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1989, S. 32

14 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1989, S. 32; sowie Jaubert 1989, S. 39

15 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 16

16 Jaubert 1989, S. 173

17 Vgl. Bildungsserver.at 2003

18 Wheeler 2002, S. 44 f.

19 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 78

20 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 79

21 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1998, S. 22

22 Vgl. Rötzer 2003

23 Croy 1974, S. 7

24 Brockhaus 1998 b, S. 307

25 Langford 1980, S. 214

26 Langford 1980, S. 119

27 Graeb 1970, S. 53

28 Langford 1980, S. 176

29 Schoettle 1979, S. 238 f.; sowie Langford 1980, S. 88

30 Schoettle 1978, S. 239

31 Vgl. New York Camera Lexikon 2003 a

32 Schoettle 1979, S. 239

33 Vgl. Fotofenster.de 2003

34 Vgl. Westermann 2003

35 Langford 1980, S. 88

36 Graeb 1970, S. 53

37 Schoettle 1979, S. 237 f.

38 Vgl. Westermann 2003

39 Schoettle 1979, S. 16 f.

40 Langford 1980, S. 128

41 Langford 1983 b, S. 168

42 Langford 1983 b, S. 168

43 Langford 1980, S. 86

44 Schoettle 1979, S. 16

45 Langford 1980, S. 86

46 Langford 1980, S. 86

47 Langford 1980, S. 86

48 Schoettle 1979, S. 16

49 Vgl. New York Camera Lexikon 2003 b

50 Langford 1980, S. 86

51 Vgl. New York Camera Lexikon 2003 b

52 Vgl. Westermann 2003

53 Langford 1980, S. 83

54 Waller 1982, S. 71

55 Vgl. Blume 2003

56 Time Life Books 1971, S. 114

57 Vgl. Westermann 2003

58 Wahrig 1999, S. 716

59 Wahrig 1999, S. 609

60 Strauss 1993, S. 584

61 Croy 1974, S. 16, sowie S. 46

62 Schoettle 1979, S. 166 f.

63 Croy 1974, S. 79

Excerpt out of 121 pages

Details

Title
Von der Retusche zum Fake. Entwicklung, Methoden und Aspekte der Bildbearbeitung in der Pressefotografie
College
Hamburg University of Applied Sciences
Grade
2,0
Author
Year
2003
Pages
121
Catalog Number
V28907
ISBN (eBook)
9783638305600
File size
2074 KB
Language
German
Keywords
Retusche, Fake, Entwicklung, Methoden, Aspekte, Bildbearbeitung, Pressefotografie
Quote paper
Esther Rosendahl (Author), 2003, Von der Retusche zum Fake. Entwicklung, Methoden und Aspekte der Bildbearbeitung in der Pressefotografie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28907

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