Supply Chain und Produktmanager. Anforderungen an Ausbildung und Tätigkeiten in einer Reverse Economy


Studienarbeit, 2013

37 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Reverse Economy
2.1 Push-Prinzip
2.2 Pull-Prinzip
2.3 3P-Organisation
2.4 Supply Chain Strategien
2.4.1 Lean-Strategie
2.4.2 Agile-Strategie
2.4.3 Leagile-Strategie
2.4.4 Lean, Agile oder Leagile?

3. Supply Chain Manager
3.1 Tätigkeiten in einer Reverse Economy
3.2 Anforderungsprofil
3.2.1 Kompetenzen
3.3 Ausbildung/ Weiterbildung
3.4 Perspektiven

4. Produktmanager
4.1 Tätigkeiten in einer Reverse Economy
4.1.1 Wettbewerbs- und Konkurrenzanalyse
4.1.2 Product-Shaping
4.1.3 Cover Margin II-Analyse
4.2 Anforderungsprofil
4.2.1 Fachliche Kompetenzen
4.2.2 Persönliche Kompetenzen
4.3 Ausbildung/ Weiterbildung
4.4 Perspektiven

5. Fazit

6. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Diese Studienarbeit befasst sich mit dem Thema „Supply Chain und Produktmanager: Anforderungen an Ausbildung und Tätigkeiten in einer Reverse Economy“. Im ersten Teil wird näher auf den Begriff der Reverse Economy eingegangen. Es wird versucht dem Leser einige der wichtigsten Elemente dieser Wirtschaftsform näherzubringen. Hierzu werden zuerst die Push- und Pull-Prinzipien erläutert, dann die 3P-Organisation dargestellt und zuletzt mögliche Supply Chain Strategien, die Unternehmensführer anwenden können um die Wertschöpfung entlang der Lieferkette effizienter zu machen, mit ihren Vor- und Nachteilen, angeführt.

Im Anschluss daran werden die Tätigkeiten eines Supply Chain Managers sowie die eines Produktmanagers beschrieben. Dies ist notwendig um anschließend näher auf die besonderen Anforderungsprofile dieser beiden Berufsbilder in einer Reverse Economy einzugehen. Mögliche Aus- und Weiterbildungen sowie die spezifischen Zukunftsperspektiven helfen weiterhin, diese Anforderungen deutlich zu machen und die Eigenschaften der beiden Berufe Supply Chain Manager und Produktmanager näher zu erläutern.

2. Reverse Economy

Der Begriff „Reverse Economy“ steht nah im Zusammenhang mit dem Wechsel vom „Push“- zum „Pull“-Prinzip. Die Charakteristika dieser rückwärtsgerichteten Wirtschaft werden nun näher erläutert.1

2.1 Push-Prinzip

In der Industrie wurde bisher vor allem nach der Make-to-Stock-Strategie, bzw. dem Push-Prinzip gearbeitet. Ziel dieser Strategie ist es, Mitarbeiter und Produktionsanlagen möglichst optimal auszulasten.2 Prozesse wie z.B. die Beschaffung, Produktion oder Warenverteilung werden noch vor Eintreffen eines Kundenauftrages angestoßen.

Unternehmensberater Dr. Peter Acél, Schweizer Partner der ROI Management Consulting AG, beschreibt die Push-Strategie wie folgt: „Das Push-Prinzip steht für eine Logistikstrategie, die davon ausgeht, dass alles planbar ist, sowie dass Mitarbeiter und Maschinen die größten Kostenfaktoren darstellen und somit deren optimale Auslastung gleichbedeutend ist mit einer optimalen Produktion“.3 Demnach geht man im Push-System von folgenden Annahmen aus: Die Nachfrage ist planbar, die Mitarbeiter und Maschinen stellen die höchsten Kostenfaktoren dar und die optimale Auslastung ist gleichzusetzen mit optimaler Produktion.

Voraussetzung für eine optimale Auslastung ist, dass zu jeder Zeit eine ausreichende Menge an Material verfügbar ist. Daher werden in Unternehmen oder Industrien, die nach dem Push-Prinzip arbeiten, alle für die Produktion nötigen Materialien in großen Mengen gelagert. Um eine ausreichende Verfügbarkeit am Markt zu erhalten, werden selbst Fertigprodukte anhand von Prognosen erst einmal für das Lager produziert.4 Ein Problem, welches hier aufkommt, ist, dass die Unternehmen sich voll und ganz auf solche Prognosen verlassen müssen. Im Push-Prinzip wird also davon ausgegangen, dass man die Bedarfe, trotz des sich stetig verändernden Marktes, verlässlich prognostizieren kann. Kommt es auf dem Markt jedoch zu Veränderungen in der Nachfrage, kann dies zu großen Produktionsschwankungen führen. Dieser Effekt wird Bullwhip-Effekt genannt. Weitere Folgen sind eine teure Kapitalbindung in den Lagern, eine unnötige Reservenbildung und die Tatsache, dass Lieferengpässe zu Überstunden führen. Es resultieren Terminverzögerungen, was bedeutet, dass der Servicegrad ebenfalls sinkt.5

Die Bedeutung des Push-Prinzips lässt sich wie folgt erklären: Das Push-Prinzip schiebt Erzeugnisse ins Lager, daher auch der Begriff „Make-to-Stock-Policy“. Wenn ein logistisches Segment seine ihm zugeteilte Aufgabe erledigt, gibt es die Objekte an das, laut Ablaufplan anschließend zuständige logistische Segment, weiter. Die Objekte werden von einer Aufgabenerfüllung zur nächsten weiter ge“pusht“,6 also durch den Logistikkanal „gedrückt“. Es wird jedoch nicht berücksichtigt, ob der nachfolgende Prozess diese Waren oder Objekte zu diesem Zeitpunkt schon zur Weiterverarbeitung benötigt, oder ob diese erst eingelagert werden müssen.7 Ohne dass ein Kunde feststeht oder Einfluss auf einen Auftrag nimmt, wird dieser Auftrag in Richtung der Wertschöpfung geschoben.8

Neben den weiter oben angesprochenen eher nachteiligen Folgen der Push-Systeme, gibt es auch einige Vorteile hervorzuheben, die jedoch bei genauerer Betrachtung abgeschwächt werden. Wenn z.B. Angestellte in einer Fabrik oder einem Büro zu einem gewissen Zeitpunkt einen Leerlauf haben, erscheint es als eine gute Idee, ihnen Aufträge zu geben, auch wenn es gerade keine bestimmten Aufträge zu bewältigen gibt. Die Annahme ist, dass die produzierten Waren irgendwann in der Zukunft verkauft werden können. Eine ähnliche Vermutung ist, dass ein großer Lagerbestand aus fertiggestellten Gütern dazu beiträgt, den Kunden zufriedenzustellen. So können Kundenaufträge häufig aus bestehenden Lagerbeständen erfüllt werden. Oft gibt es jedoch zu viele Produktbestände, die sich nicht mehr verkaufen lassen und die dann den gesamten Lagerplatz einnehmen. Dies führt dann immer wieder zu horrenden Kosten und trägt in keiner Weise dazu bei, Prozesse zu verbessern.9

2.2 Pull-Prinzip

Genau wegen dieser, beim Push-Prinzip angesprochenen Folgen, reagieren immer mehr Unternehmen und wechseln, um erfolgreich zu sein und um auf Anforderungen eines Käufermarktes reagieren zu können, zur Make-to-Order oder Pull-Strategie. Da ein Käufermarkt nach diesem Prinzip funktioniert, ist es naheliegend, dieses Prinzip in den betrieblichen Ablauf zu integrieren.10 Es lässt sich sagen, dass die Nachfrage die Produktion der Waren bestimmt. Es werden nur Teile gefertigt, die auch bestellt wurden. Folgender Satz beschreibt das Pull-Prinzip in seiner ganzen Form: „Don’t make anything until it is needed; then make it very quickly“.11 (Frei übersetzt: „Fertige nichts an, bevor es benötigt wird, aber wenn es benötigt wird, fertige es sehr schnell an“).

Genau wie das Push-Prinzip, ist es ein ursprünglich aus dem produktionswirtschaftlichen Bereich kommendes Konzept, zur Steuerung von Prozessabläufen. Allgemeine Zielsetzung ist, die Flexibilität der Werkstattproduktion mit der Effizienz der Fließproduktion zu verbinden.12 Die Teile werden durch die Supply Chain gezogen, jedoch erst, wenn entweder der Endkunde, oder ein weiter hinten in der Lieferkette angesiedelter Arbeitsschritt, Bedarf signalisiert. Das benötigte Material wird ausschließlich in Reaktion auf ein solches Signal weitergeschickt.13

In der Produktion kommt es, bedingt durch die Umstellung vom Push- zum Pull-Prinzip, zu Veränderungen: Die Losgrößen werden nicht mehr aufgrund von Prognosen gesteuert, sondern müssen so definiert werden, dass sie möglichst genau den Umfängen der Kundenbestellung entsprechen.

Vorteile der Pull-Strategie sind lt. Dr. Peter Acél vor allem, dass der Nachplanungsaufwand in der Produktionssteuerung signifikant sinkt, eine Steigerung der verfügbaren Produkte und eine Verringerung des gesamten Bestands, da eine höhere Flexibilität in der Produktion vorhanden ist.14 Weitere Vorteile sind, dass Lagerhaltungskosten minimiert, innerbetriebliche Transportkosten reduziert, unnötige Mehrarbeit vermieden werden und es durch eine höhere Flexibilität möglich ist, auf Kundenwünsche einzugehen.

Aber auch beim Pull-Prinzip treten Nachteile auf. So kann z.B. ein Leerlauf bei Mitarbeitern oder maschinellen Anlagen entstehen. Außerdem ist eine Verringerung der Rüstzeiten aufgrund der gesunkenen Losgrößen notwendig.15

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Quelle: Slack/ Chambers/ Johnston (2004), S.348ßNDC Slack, SH Chambers and Johnston R. (2004) Operations Management

2.3 3P-Organisation

Um nun etwas näher auf die Struktur von Unternehmen einzugehen, wird diese anhand der sogenannten 3P-Organisation erläutert. In erfolgreichen Unternehmen, die in einer Reverse Economy arbeiten, kann man diese Dreiteilung zwischen Products, Operations und Technology häufig vorfinden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Quelle: Skript „Reverse Economy und Produktmanagement“, Prof. Dr. Rudolf Lödige

Dem CEO untergeordnet sind insgesamt 6 weitere Officer. Auf der einen Seite der CHO, der CFO und der CCO, auf die nicht weiter eingegangen wird, und auf der anderen Seite der CPO, der COO und der CTO, die hier von größerer Relevanz sind und die der sogenannten 3P-Organisation auch ihren Namen geben.

An dieser Stelle wird jedoch nur grob die allgemeine Organisation dargestellt, auf spezielle Aufgaben, Verantwortlichkeiten oder Eigenschaften der 3 Manager wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit eingegangen.

Zuständig für alle produktbezogenen Themen eines Unternehmens ist der Chief Product Officer. Produktmanager tragen unter anderem Verantwortung für Produktinnovationen, Produktverbesserungen und Produktdifferenzierungen.16 Hauptaugenmerk beim Produktmanagement wird auf die folgenden 5 Unterpunkte gelegt: Benchmarking, Product-Shaping, Value Chain & Design, Ops Enablement und CMII Analysis.

Der Chief Operating Officer ist der Manager, der das operative Geschäft leitet, bzw. betreut. Das Project –und Supply Chain Management steht hier im Vordergrund.

Zuletzt kommt der Chief Technical Officer, welcher für die technische Entwicklung innerhalb des Unternehmens verantwortlich ist. Die Produktion, inklusive Intralogistik, Verkauf und Warenerzeugung, zählt zu seinen Aufgaben.17

2.4 Supply Chain Strategien

Die Lieferketten umfassen den Fluss von Informationen, Material, Produkten und Geld. Aus diesem Grund beeinflusst die Art und Weise, wie sie gesteuert werden, die Konkurrenzfähigkeit des einzelnen Unternehmens, in Bezug auf Produktkosten, das benötigte Umlaufvermögen und die Umsetzungsgeschwindigkeit hin zur Marktreife eines Produktes, stark.

Profitables Wachstum und gleichzeitig eine schnellere Reaktion auf Kundenwünsche und Marktveränderungen, um derartige Unternehmensziele zu unterstützen, gibt es verschiedene Supply Chain Strategien.18

In einer Wirtschaft, die von einem immer stärker werdenden Wettbewerb gekennzeichnet ist, bietet eine Verbesserung der Effizienz der Lieferkette einen signifikanten Wettbewerbsvorteil. Wenn volatile, fragmentierte Märkte vorliegen, die Tendenzen immer globaler werden und Individualisierung und Interaktivität zwischen Unternehmen vorherrschen, stellen sich Unternehmensführer oder Supply Chain Manager die Frage, welche Strategien sie verfolgen wollen. Mögliche Supply Chain Strategien sind die Lean-Strategie, die Agile-Strategie, oder eine Art Zusammenschluss dieser, die Leagile-Strategie.19

2.4.1 Lean-Strategie

Bei der Recherche bezüglich der Lean-Strategie stößt man immer wieder auf das Wort „Waste“, zu Deutsch: Verschwendung. James P. Womack und Daniel T. Jones drücken es noch deutlicher aus. Sie schreiben in ihrem Buch „Lean Thinking – Banish Waste and create Wealth in your Corporation“, dass es ein Wort im Japanischen gebe, welches jeder, der an innerbetrieblichen Abläufen interessiert ist, kennen müsse, nämlich das Wort Muda, welches so viel wie Verschwendung bedeutet. Gemeint ist hiermit jegliche menschliche Aktivität, die Ressourcen verbraucht ohne jedoch einen Nutzen zu kreieren. Die Produktion von Gütern, die keinen Absatz finden, sodass sich Lager –und Restbestände stapeln, einzelne Prozessschritte, die eigentlich nicht gebraucht werden, der Transport von Waren ohne ein genaues Ziel oder eine Absicht und zuletzt Goods and Services, die nicht den Kundenwünschen entsprechen, lassen sich unter dem japanischen Wort Muda zusammenfassen.20

Als nächstes gewinnt die Lean-Strategie an Bedeutung. Wie schon genannt geht es bei diesem Ansatz hauptsächlich um die Eliminierung nicht wertschöpfender Tätigkeiten. Voraussetzung bei Unternehmen, die diese Strategie verfolgen wollen, ist eine geringe Produktvielfalt sowie eine stabile und prognostizierbare Nachfrage. Man könnte hier den japanischen Automobilhersteller Toyota als Beispiel anführen. Als Hersteller von nicht-individualisierbaren Massengütern verfolgt Toyota die Lean-Strategie.21 Ein wichtiges Instrument dieser Strategie ist das Just-In-Time Prinzip. Im Folgenden wird dieses noch ausführlicher erläutert.

2.4.1.1 Just-In-Time

Just-In-Time ist ein Managementansatz, der ursprünglich aus Japan stammt und dort in den 1950er Jahren entwickelt wurde. Anschließend wurde dieses Prinzip vom derzeit größten Automobilhersteller Toyota und vielen weiteren japanischen Herstellungsbetrieben mit beträchtlichem Erfolg adaptiert.22

Just-In-Time ist eine Produktionsstrategie, mit der Manager versuchen, den Return On Investment des Unternehmens zu verbessern. Es ist eine Philosophie zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.23 Die Reduzierung von prozessinternen Vorräten oder Lagermaterial und damit verbundene Lagerhaltungskosten, sind hier die maßgeblichen Handlungsweisen.

Weiterhin ist es ein Ansatz zur Materialsteuerung, basierend auf der Ansicht, dass ein Prozess nur dann in Betrieb genommen werden sollte, wenn ein Kunde Bedarf signalisiert. Wenn ein Prozess hinsichtlich des Just-In-Time Prinzips optimiert wurde, wird folglich also nur so viel Material produziert und zu einem bestimmten Zeitpunkt geliefert, wie es auch tatsächlich in dem Kundenauftrag festgelegt wurde.24

Der Servicegrad nimmt in Unternehmen einen immer größer werdenden Stellenwert ein, da dieser, bedingt durch die Wandlung der Absatzmärkte hin zu Käufermärkten, neben einem differenzierten Angebot an Produkten und einer hoher Qualität dieser Produkte, zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden ist. Die Reduzierung der Durchlaufzeiten trägt, genau wie die oben schon erwähnte Verringerung der Lagerbestände, dazu bei, Kosten zu senken. Als entscheidendes Prinzip der Just-In-Time Philosophie könnte also gesagt werden, dass nur so viel produziert werden sollte, wie bereits verkauft ist.25

2.4.2 Agile-Strategie

Der Fokus der Agile-Strategie liegt bei einer flexiblen, effizienten Reaktion auf Kundennachfrage. Hiermit ist gemeint, dass die Supply Chain in der Lage ist, den Bedarf des Endkunden zu deuten und darauf zu reagieren. Dies steht im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen, die sich eher auf langfristige Prognosen stützen und daher im Falle von Nachfrageschwankungen nicht schnell genug reagieren können.26

Die Agile-Strategie wird hauptsächlich in Märkten eingesetzt, die Produkte mit einem hohen Individualisierungsbedarf anbieten. Schwankende Nachfrage ist hier ebenfalls eine Voraussetzung. Demnach wird diese Strategie z.B. in Branchen mit Trendprodukten, Mode und Lifestyle, also im Allgemeinen in Unternehmen, die individualisierbare Güter produzieren, eingesetzt.27

Weiterhin werden agile Systeme häufig in Unternehmen implementiert, in denen es nur sehr kurze Produktlebenszyklen, wie z.B. in der Elektronikindustrie, oder eine sehr unregelmäßige Nachfrage, gibt. Dementsprechend sind auch die Losgrößen im Vergleich zur Lean-Strategie eher klein.

Wie oben erläutert, ist die agile Supply Chain marktsensibel. Vor allem durch Veränderungen und Fortschritte in der Informationstechnologie ist es vielen Unternehmen in den letzten Jahren gelungen, besser auf die Marktnachfrage einzugehen und sie so zu „lesen“. Die Einbindung von IT in die Lieferketten hat viele Vorteile: So wird z.B. die Informationsteilung zwischen Käufern und Lieferanten erleichtert, was unnötige Lagerbildungen verhindern kann.28 Die unten gezeigte Abbildung beschreibt ein integriertes Modell der agilen Lieferkette mit seinen vier Elementen, die hier als eine Art Kreislauf dargestellt sind: Die Marktsensitivität wird hier als Startpunkt genommen. Weiterhin wird die Supply Chain als Netzwerk von Partnern angesehen, die ein gemeinsames Ziel haben und gemeinsam arbeiten, um auf die Bedürfnisse des Endkunden einzugehen. An dritter Stelle der agilen Lieferkette steht der Begriff „Prozess Integration“. Prozesse, die nicht richtig in die Arbeitsprozesse integriert sind, und die den Materialfluss nicht optimal unterstützen, resultieren in Beschränkungen in Bezug auf Zeit, Kosten und Qualität. Folglich gefährden sie das gesamte Netzwerk. Das letzte Element des integrierten Modells der agilen Supply Chain ist der Gebrauch von Informationstechnologien. Wie schon weiter oben erläutert, erschaffen diese Technologien, mit denen Daten zwischen Käufern und Lieferanten effektiv geteilt werden können, eine Art virtuelle Supply Chain.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Quelle: Harrison/ van Hoek (2008), S.205

2.4.3 Leagile-Strategie

In Zeiten der heutigen Wirtschaft, die von einer sich schnell verändernden Nachfrage bestimmt wird, müssen die Wertschöpfungsketten nicht nur lean, sondern auch agile ausgerichtet sein, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können und um diese Veränderungen schon zu erkennen, bevor sie überhaupt stattfinden.29 Moderne Lieferketten kombinieren Elemente dieser beiden Techniken.

Die sogenannte leagile-Strategie ist sozusagen also eine hybride Form dieser beiden Supply Chain Strategien und wird hauptsächlich eingesetzt, wenn das lean –oder agile-Prinzip alleine nicht funktioniert. Es ist vorausgesetzt, dass es sowohl standardisierte, als auch individualisierte Prozessteile gibt.

Ein gutes Beispiel, um die leagile-Strategie zu erläutern, ist der Sportartikel Adidas. Als weltweit agierendes Unternehmen, das stark von kurzweiligen Trend –und Nachfrageschwankungen beeinflusst wird, befassen sich die Manager viel mit dieser Mischung aus lean- und agile-Prinzipien. Wird die Schuhsparte näher in Betracht gezogen, kann festgestellt werden, dass es möglich ist, einen individuellen Schuh zu konfigurieren. Auf der anderen Seite stehen natürlich die standardisierten Produkte, die weltweit millionenfach produziert werden.

Auch hier wird deutlich, dass der Servicegrad im Vordergrund steht. Die Endkundenorientierung mit dem Ziel, alle Kundenbedürfnisse zu befriedigen, ist Teil der Philosophie jedes Unternehmens, das ähnlich arbeitet.30

Ein zentrales Element der leagile-Strategie ist der „Decoupling Point“, der Punkt, an dem zwei logistische Steuerkreise, nämlich einmal die Vorratsproduktion, meist in Serie gefertigter Standartkomponenten (push), und die, durch Kundenauftrag ausgelöste Auftragsfertigung (pull), aufeinandertreffen. Laut Martin Christopher und Dennis R. Towill sollte der Entkopplungspunkt des Materials so weit unten wie möglich in der Lieferkette angesiedelt sein, während der Informations-Entkopplungspunkt möglichst weit oben, also flussaufwärts, in der Supply Chain liegen sollte. Das läge daran, dass Vorräte, wie z.B. noch ungefärbte oder unbeschriftete T-Shirts, so lange gelagert werden können, bis sie eine individualisierte Konfiguration erhalten. Der Informations-Entkopplungspunkt sollte möglichst weit oben angesiedelt sein, weil Bestände so nach der aktuellen Nachfrage gesteuert werden könnten, was folglich eine zutreffendere Versorgung des Marktes mit sich bringe.31

2.4.4 Lean, Agile oder Leagile?

Ohne das Unternehmen, deren Produktportfolio und die derzeitige Nachfrage, beziehungsweise Marktsituation, zu kennen, kann man nicht sagen, welche dieser drei Strategien die am besten geeignete ist. Jede Einzelne hat Vor –und Nachteile, die hier noch kurz hervorgehoben werden. Um die Eigenschaften der verschiedenen Lieferketten-Techniken noch einmal zu präsentieren kann die folgende Grafik helfen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Quelle: Jones/ Naylor/ Towill (2000), S.4065 ßRachel Mason-Jones, Ben Naylor, Dennis R. Towill: Lean, agile or Leagile? Matching your Supply Chain to the Marketplace (http://de.slideshare.net/TheSupplychainniche/lean-agile-or-leagile-matching-your-supply-chain-to-the)

Die Lean-Strategie, bei der es vor Allem um die Vermeidung oder Eliminierung von Verschwendung geht, weiß besonders im Aspekt Kostenminimierung zu überzeugen. Dies resultiert hauptsächlich aus einer optimalen Auslastung der Produktionsanlagen, der Reduzierung von Lagerkosten und zuletzt auch daraus, dass Personal zum Teil eingespart werden kann. Nachteil dieses Ansatzes ist eine geringere Flexibilität und ein niedrigeres Servicelevel, als bei den anderen Strategien.32

Der wichtigste Vorteil der Lean-Strategie ist zugleich der größte Nachteil der Agile-Strategie. Durch die hohe Nachfrageorientierung und die individualisierbaren Produkte, entstehen zum Teil sehr hohe Kosten. Weiterhin sind eine anspruchsvolle Vernetzung von Marktforschern, Lieferanten und Käufern, sowie ein hoher Informationsbedarf, von Nöten. Die positiven Aspekte dieser Supply Chain Strategie liegen in der guten Produkt –und Kundenorientierung, im Service, der Flexibilität und Vielfalt der angebotenen Produkte. Durch eine agile Produktion kann das Produkt den Kundenbedürfnissen besser und auch schneller angepasst werden.33

Es gibt Anlässe, an denen entweder eine reine Lean oder eine reine Agile Strategie die angebrachte Art und Weise, die Lieferkette zu steuern, darstellen. Nichtsdestotrotz wird es oft zu Situationen kommen, in der eine Kombination dieser beiden Wege die angemessene Lösung ist.

Die hybride Form, also die Mischung aus diesen beiden Strategien, ist die Leagile-Strategie, die erkennt, dass es in einer gemischten Produktpalette sowohl Produkte mit stabiler und vorhersagbarer Nachfrage, als auch Produkte, wo das Gegenteil der Fall ist, gibt.34 Unter der Voraussetzung, dass es sowohl standardisierbare, als auch individualisierbare Prozessteile gibt, kombiniert diese Strategie die Vorteile von lean und agile, die sich in einer Kostenminimierung und gleichzeitig in einer Servicemaximierung wiederspiegeln. Von größter Wichtigkeit bei der Leagile-Strategie ist jedoch die richtige oder effektive Positionierung des sogenannten Decoupling-Points.35

Welche dieser drei Strategien nun die geeignete für das individuelle Unternehmen ist, lässt sich erst nach genauer Betrachtung der Produkte, der gewählten Positionierung und einer abschließenden Bewertung der Risiken, entscheiden. Im Allgemeinen kann man sagen, dass jede einzelne Strategie den Ertrag der Lieferkette erhöht.36

3. Supply Chain Manager

„Die unternehmensübergreifende Planung, Steuerung und Kontrolle aller logistischen Aufgaben in einer Wertschöpfungskette.“37 So definiert Michael Leitl im Magazin „Harvard Business Manager“ den Begriff Supply Chain Management.

Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich die Logistik in großen Unternehmen jedoch stark verändert. Führungskräfte standen, bedingt durch sich ständig verändernde Umweltbedingungen, die Globalisierung der Märkte und neue Informations- und Kommunikationssysteme, vor großen Herausforderungen und unter einem erhöhten Wettbewerbsdruck.38

Eine noch detailiertere Definition von Supply Chain Management, als sie uns Leitl beschreibt, liefern Kuhn und Hellingrath in ihrem Werk „Supply Chain Management – Optimierte Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette“: „Supply Chain Management ist die integrierte prozessorientierte Planung und Steuerung der Waren-, Informations- und Geldflüsse entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Kunden bis zum Rohstofflieferanten.“39 Die Integration von verschiedenen Prozessen ist hier als besonders wichtig anzusehen, denn nur so lassen sich Informationen oder Wissen aus unterschiedlichen, unternehmensübergreifenden Bereichen zusammenbringen und infolgedessen die Erträge entlang der Lieferkette erhöhen.40

Auch am Beispiel von Vertrieb und Produktion kann man sehen, dass die Integration beim Supply Chain Management eine wichtige Rolle einnimmt. Durch die neuen Informationssysteme, die auf Marktveränderungen und somit auch auf den Bedarf des Endkunden eingehen, wird den Managern extrem geholfen. Sie wissen genauer, was und wie viel sie produzieren lassen müssen.41

Den heutigen Supply Chain Managern kommt dabei natürlich eine neue Aufgabe mit steigender Verantwortung zu teil. Im Zuge weitreichender wirtschaftlicher Veränderungen, wie z.B. dem verschärften Wettbewerb oder gestiegenen Kundenanforderungen, haben viele Unternehmen erkannt, dass sie ihre Logistiksysteme, hinweg vom traditionellen Denken, neu ausrichten müssen.

So stiegen auch die Anforderungen an die Kompetenzen eines modernen Supply Chain Managers, die, genau wie seine Tätigkeiten in einer rückwärts gerichteten Wirtschaft, im Folgenden näher erläutert werden.

[...]


1 vgl. Prof. Dr. Lödige

2 vgl. Dr. Peter Acél (2004), S.1

3 Dr. Peter Acél (2004), S.1

4 vgl. Dr. Peter Acél (2004), S.1

5 vgl. Dipl.-Ing. Völker/ Dipl.-Ing. Binner (AWF Arbeitsgemeinschaft „Pull-Systeme“, Ruhr-Universität Bochum), Folie 7

6 vgl. Klaus/ Krieger/ Krupp (2012), S.479

7 vgl. Harrison/ van Hoek (2008), S.184

8 vgl. Schönsleben (2007), S.164

9 vgl. Harrison/ van Hoek (2008), S.185

10 vgl. Dr. Peter Acél (2004), S.3

11 Womack/ Jones (2003), S.71 Lean Thinking – Banish waste and create wealth in your corporation

12 vgl. Klaus/ Krieger/ Krupp (2012), S.477

13 vgl. Harrison/ van Hoek (2008), S.184

14 vgl. Dr. Peter Acél (2004), S.3

15 vgl. Dipl.-Ing. Völker/ Dipl.-Ing. Binner, Folie 20

16 vgl. Thomas Ammon (2009), S.11

17 vgl. Abbildung 1, Prof. Dr. Rudolf Lödige

18 vgl. Lawrenz/ Hildebrand/ Nenninger/ Hillek (2001), S.19

19 vgl. Prof. Dr. Rudolf Lödige, Skript: Reverse Economy und Produktmanagement, S.12

20 vgl. Womack/ Jones (2003), S.15

21 vgl. Prof. Dr. Rudolf Lödige

22 vgl. Kee-Hung Lai/ T.C.E Cheng (2009), S.2

23 vgl. Joachim Ihme (2006), S.284

24 vgl. Harrison/ van Hoek (2008), S.184. f

25 vgl. Joachim Ihme (2006), S.284

26 vgl. Harrison/ van Hoek (2008), S.204

27 vgl. Prof. Dr. Rudolf Lödige, Skript: Reverse Economy und Produktmanagement, Folie 14

28 vgl. Christopher/ Towill (2000), S.208 f.

29 vgl. Sabri/ Shaikh (2010), S.7

30 vgl. Prof. Dr. Rudolf Lödige, Skript: Reverse Economy und Produktmanagement, Folie 15

31 vgl. Christopher/ Towill (2000), S.210

32 vgl. Prof. Dr. Rudolf Lödige, Skript: Reverse Economy und Produktmanagement, Folien 13, 21

33 vgl. Prof. Dr. Rudolf Lödige, Skript: Reverse Economy und Produktmanagement, Folien 14, 21

34 vgl. Christopher (2000), The Agile Supply Chain : Competing in Volatile Markets (https://dspace.lib.cranfield.ac.uk/bitstream/1826/2658/1/Agile%20supply%20chain-2000.pdf)

35 vgl. Prof. Dr. Rudolf Lödige, Skript: Reverse Economy und Produktmanagement, Folien 15, 21

36 vgl. Prof. Dr. Rudolf Lödige, Skript: Reverse Economy und Produktmanagement, Folie 21

37 Leitl, Michael (2005) http://www.harvardbusinessmanager.de/heft/artikel/a-621606.html

38 vgl. Rudolph/ Drenth/ Meise (2007), S.4

39 Kuhn/ Hellingrath (2002), S.10

40 vgl. Kuhn/ Hellingrath (2002), S.10

41 vgl. Kuhn/ Hellingrath (2002), S.10

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Supply Chain und Produktmanager. Anforderungen an Ausbildung und Tätigkeiten in einer Reverse Economy
Hochschule
Fachhochschule der Wirtschaft Paderborn  (International Business)
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
37
Katalognummer
V289178
ISBN (eBook)
9783656894445
ISBN (Buch)
9783656894452
Dateigröße
902 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Supply Chain, Produktmanager, Ausbildung eines Produktmanagers, Reverse Economy, Produkt Management, Supply Chain Strategien, 3P-Organisation, Supply Chain Manager, Anforderungsprofil
Arbeit zitieren
Marius Kaup (Autor:in), 2013, Supply Chain und Produktmanager. Anforderungen an Ausbildung und Tätigkeiten in einer Reverse Economy, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/289178

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