Sozialstaatlicher Konsens und Generationenvertrag


Dossier / Travail de Séminaire, 2003

31 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Sozialstaatlicher Konsens und Generationenvertrag
1.1 Erosion des sozialstaatlichen Konsens?
1.2 Generationenvertrag und Rentenver(un)sicherung

2. Einstellungen der Bürger zum Wohlfahrtsstaat
2.1 Entstehung des Wohlfahrtsstaats
2.2 Theorien zum Zusammenhang von Wohlfahrtsstaat und Stabilität der Demokratie
2.3 Einstellung zum Wohlfahrtsstaat und zum Sozialstaat insgesamt

3. Soziale Indikatoren – theoretische und methodische Probleme

4. Zwischenbetrachtung

5. Die Generationenstudie 2001
5.1 Stimmungsindikatoren
5.1.1 Die Sicht der Gegenwart und Zukunftserwartungen
5.1.2 Einschätzung der wirtschaftlichen Lage
5.2 Politische Einstellungen
5.2.1 Einstellungen zum politischen System
5.2.2 Wichtigste bundespolitische Aufgaben
5.3 Staatliche und private Sicherung
5.3.1 Das Sozialsystem in Deutschland
5.3.2 Solidargemeinschaft Familie
5.4 Grundlegende Orientierungen
5.4.1 Werte und Tugenden

6. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Seit ungefähr der Mitte der 70er Jahre wird auf Seiten der politischen, wissenschaftlichen und öffentlichen Meinung darüber diskutiert, ob sich der allgemeine Konsens, getragen von den Bürgern dieses Landes, bezüglich des Wohlfahrtsstaates der Bundesrepublik Deutschland im Zerfall befindet. Was sich Anfangs als zu einem gewissen Grad politisch instrumentalisiert erwies, zeigt sich heute, knapp 30 Jahre später, als reale Herausforderung an Politik, Wissenschaft und Gesellschaft. Mittlerweile kann man diese Diskussion noch um eine weitere wichtige Komponente erweitert betrachten, die sich zwar nicht konkret auf die Einstellung der Bürger zum Wohlfahrtsstaat bezieht, aber doch eine Thematik ist, die letztlich auch vom sozialstaatlichen Konsens getragen wird. Gerade in den neunziger Jahren ging es nun nicht mehr allein darum, wo sich die Bürger gegenüber dem wohlfahrtsstaatlichen Modell der Bundesrepublik Deutschland positionieren, vielfach ist in der heutigen Diskussion auch die Rede von einem möglichen Konflikt oder Krieg der Generationen, der letztlich in der Kündigung des Generationenvertrages durch die junge Bevölkerung enden soll. Beide Aspekte hängen zusammen, so dass es m.E. sinnvoll ist, beide Positionen in diese Hausarbeit einfließen zu lassen. Einerseits werde ich mich also darum bemühen, in die Thematik des Generationenvertrages/-konfliktes einzuführen, andererseits aber auch die Einstellung der Bürger zum Wohlfahrtsstaat zu beleuchten. Auch wenn ich in dieser Hausarbeit nicht die Beweisführung antreten kann, dass Wohlfahrtsstaat und Generationenvertrag sich wechselseitig bedingen, so gehe ich doch stillschweigend davon aus, dass das Eine ohne das Andere auf Dauer nicht praktikabel ist.

Bereits die mit der Einführung der Bismarckschen Sozialversicherung in Deutschland 1883-1889 beabsichtigte Generierung und Sicherung von Loyalität gegenüber der Nation war von Anfang an durch vielfältige Diskussionsebenen gekennzeichnet, wie z.B. durch politische und wirtschaftliche Interessenkonflikte, Konfliktlinien zwischen den Bürgern, Diskussionen um die „richtige“ Form der Finanzierung, Dauer, Umfang und Zugang zu den Leistungen oder wieviel Einflussnahme das politische System über den Bereich der Sozialversicherung hinaus wahrnehmen sollte. Auch das nach dem zweiten Weltkrieg etablierte demokratische und wohlfahrtsstaatliche Modell der Bundesrepublik Deutschland, dass sich für uns als legitimes politisches System darstellt, bleibt von solchen Fragen nicht verschont. Letztlich sieht man sich dem Umstand gegenüber, dass das was Anfangs als Garant für Loyalität und Legitimität angesehen und eingeführt wurde, nämlich die Leistungen vom Staat für den Bürger im Falle von Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Alter, immer mehr in Frage gestellt wird. Seit dem Ende der Nachkriegsprosperität ist der Wohlfahrtsstaat wachsender Kritik ausgesetzt, die sich vor allem auf die Finanzierbarkeit und Effizienz wohlfahrtsstaatlicher Leistungen bezieht und somit die Legitimität desselbigen in Frage stellt.

Ein anderer Aspekt dieser Hausarbeit liegt in der Betrachtung der Aktualität und Legitimität des Generationenvertrages, der ebenso wie der sozialstaatliche Konsens zu einem nicht unwesentlichen Anteil auf der Grundlage der Solidarität und Subsidiarität innerhalb der Bevölkerung basiert und im Begriff ist zu bröckeln. So wird dies zumindest verschiedentlich in Politik, Wissensschaft und den Medien diskutiert. Ausgangspunkt für die Diskussion um den Generationenvertrag, ist neben der wirtschaftlichen Talfahrt, den steigenden Arbeitslosenzahlen und den Folgekosten der Wiedervereinigung vor allem die demographische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, die zu einem Finanzierungsproblem bei den Renten führen kann. Prognosen wonach bis zum Jahr 2050 die deutsche Bevölkerung um ca. 10 Millionen Bundesbürger schrumpfen wird und sich dadurch ein Übergewicht an älteren und hochaltrigen Menschen ergibt, da gleichzeitig die Lebenserwartung immer weiter steigt, stellt sich einerseits zwangsläufig die Frage nach der Finanzierbarkeit der Renten durch immer weniger jüngere und erwerbstätige für immer mehr ältere und im Ruhestand befindliche Personen, und andererseits die Frage nach der Gerechtigkeit und Verbindlichkeit des Generationenvertrages, in solch einem Zahlenverhältnis zwischen jung und alt. Anhand solch einer Skizzierung lässt sich dann auch verstehen, was heute unter Schlagzeilen wie „Krieg der Generationen“ oder „Konflikt zwischen den Generationen“ thematisiert wird.

Ziel dieser Hausarbeit soll es dann auch sein, dieses mögliche Konfliktpotential sowohl von der Seite der Einstellung der Bundesbürger zum Wohlfahrtsstaat als auch von der Seite der Einstellung der Generationen zueinander zu durchleuchten und mögliche Perspektiven bzw. Dimensionen aufzuzeigen.

Im ersten Abschnitt meiner Hausarbeit werde ich vorab einige einführende Bemerkungen zu den unterschiedlichen Bereichen ausführen, die sich auf den sozialstaatlichen Konsens und den Generationenvertrag im allgemeinen beziehen lassen. Im zweiten Abschnitt werde ich mich konkret der Frage zuwenden, die sich mit der Einstellung der Bundesbürger zum Wohlfahrtsstaat beschäftigt. Im Mittelpunkt der Ausführungen stehen hierbei sowohl die Bedeutung der Legitimation des Wohlfahrtsstaates für das politische System, als auch die dafür notwendigen theoretischen Konzepte, die als Grundlage für die Bearbeitung solch eines Themenkomplexes erst nötig sind. Im Anschluss an diesen Teil möchte ich nur kurz auf die Problematik von Indikatoren eingehen, die im Zusammenhang mit der Erhebung von Daten benutzt werden. Der dritte Abschnitt wird sich mit den Einstellungen der Generationen zueinander beschäftigen. Inhaltlich werde ich mich dabei an die Generationsstudie 2001 halten, die sich ausschließlich mit dem Verhältnis zwischen Jung und Alt beschäftigt und der Frage nach einen möglichen Generationenkonflikt nachgeht. Zum Ende dieser Hausarbeit folgt eine Schlussbetrachtung.

1. Sozialstaatlicher Konsens und Generationenvertrag

Im ersten Abschnitt meiner Hausarbeit möchte ich einige Perspektiven bezüglich des Untersuchungsgegenstandes entfalten. Dabei versuche ich zwei Problemlagen einfließen zu lassen. Zunächst soll es darum gehen, die verschiedenen Einflussfaktoren zu beschreiben, die in der bisherigen Geschichte des Wohlfahrtsstaates zur Erosion des gesellschaftlichen Konsens geführt haben könnten und im Anschluß daran möchte ich mich der Frage widmen, inwieweit es so etwas wie eine rechtliche Grundlage eines Generationenvertrages gibt und im welchen Zusammenhang dies mit der heutigen Variante der Finanzierung der Renten zu betrachten ist. Ein Themenbereich, der in der öffentlichen Diskussion für mehr Aufsehens sorgt, als andere Problembereiche die sich anhand der demographischen Entwicklung ergeben könnten.

1.1 Erosion des sozialstaatlichen Konsens?

Edeltraut Roller beschreibt in einem Essay aus dem Jahr 2002 kurz und knapp die wichtigsten Entwicklungen, die sie zu Ihrer These von der Erosion des sozialstaatlichen Konsens und einer neuen Konfliktlinie in Deutschland veranlaßt haben.

Erste Anzeichen für ein Aufbrechen des sozialstaatlichen Konsens sieht Roller seit Mitte der 70er Jahre. Bis dahin wurde der Sozialstaat in Deutschland lange Zeit von einem hohen gesellschaftlichen Konsens getragen, der sich mitunter aus dem enormen Wirtschaftswachstum nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland ergab und an dem die gesamte Bevölkerung Teilhabe hatte. Die Bürger sprachen sich zu dieser Zeit mit überwiegender Mehrheit für einen Staat aus, „der für jeden einzelnen bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Alter sorgt“.[1]Als es dann zum Wirtschaftseinbruch 1973/74 kam, ergaben sich im Zuge dieser ersten schweren wirtschaftlichen Rezession in Deutschland erhebliche Finanzierungsprobleme. Dies war dann auch erstmals der Anlass dafür, dass auf politischer und wissenschaftlicher Ebene der erreichte Umfang des Sozialstaats in Frage gestellt und eine Stärkung des Engagements der Bürger sowie marktwirtschaftlicher Mechanismen gefordert wurde.[2]

Als einen zweiten wesentlichen Aspekt in ihrer Argumentation führt Roller die Deutsche Einheit an, in Folge derer, die Auseinandersetzung um den Sozialstaat einen neuen Höhepunkt erreicht hatte. Die Deutsche Einheit führte zu einem im Vorfeld nicht diskutierten Finanzierungsproblem.

Die Wirtschaft in den neuen Bundesländern lag am Boden und Versuche sie zu durch Aufbauprogramme effizienter und rentabler zu gestalten, bleiben bis heute nur zum Teil von Erfolg gekrönt. Der erhoffte „Aufschwung Ost“ bleibt aus. Der damit einhergehende massive Abbau von Arbeitsplätzen im Osten führte zu bislang ungeahnter hoher und lang andauernder Arbeitslosigkeit. Erschwerend für den gesellschaftlichen Konsens kommt in diesem Zusammenhang hinzu, dass seit den neunziger Jahren noch der Konflikt zwischen den alten und den neuen Bundesländern hinzugekommen sein dürfte, so Roller. Die schon angesprochene desolate Lage der neuen Ländern gegenüber den alten impliziert geradezu sozialen Sprengstoff zwischen den Bundesbürgern. Aufgrund der Erfahrungen, die die Bürger der ehemaligen DDR mit dem sozialistischen Wohlfahrtsstaat gewonnen hatten, und da dies einer der wenigen Aspekte bei den Bürger der ehemaligen DDR ist, wo sie eine klare Überlegenheit des sozialistischen gegenüber dem westlichen Gesellschaftssystem sehen, schneidet natürlich das neue Wohlfahrtsmodell in ihren Augen schlechter ab. Zum anderen ist nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Ökonomie und den anhaltenden „Aufbauschwierigkeiten“ ein überdurchschnittlicher Anteil der Bevölkerung der ehemaligen DDR von den Leistungen des Sozialstaats abhängig geworden.[3]

Weitere Brennpunkte sind die lang andauernde Arbeitslosigkeit und die daraus resultierenden Finanzierungsprobleme und die im Zuge der Globalisierung auftretenden Hemmnisse für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft durch die hohen Lohnnebenkosten, die zur Finanzierung des Sozialstaats beitragen.

Aus diesem Zusammenspiel verschiedener Faktoren ergibt sich für Roller, „dass die zunehmend konflikthafte politische Auseinandersetzung und die restriktive Sozialpolitik auch auf der Bürgerebene zu einer Erosion des sozialstaatlichen Konsenses“[4]führt, womit auch die Konflikte um das angemessene wohlfahrtsstaatliche Arrangement zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zugenommen habe. Dadurch verliert der Sozialstaat, und mit ihm das politische System, einerseits an Legitimität und andererseits werden die Erfolge, die mit der Einführung der Sozialversicherung verbunden sind, unsicher, siehe die heutigen Diskussionen um den Kündigungsschutz oder die Tarif- oder Mantelverträge.

Ein wesentlicher Aspekt, der mit der Einführung der Sozialversicherung beabsichtigt war, geht sicherlich durch die Entwicklungen und Debatten der letzten Jahrzehnte verloren. Die Einigung der Bevölkerung in einer Nation, getragen durch den Zuspruch der Bevölkerung, beeinflusst durch Leistungen des Wohlfahrtsstaates, war sicherlich ein Ziel, das Bismarck mit der Einführung der Sozialversicherung verfolgt hat. Dies ist auf die heutige Situation zwar nur bedingt anwendbar. Doch kann man Parallelen ziehen.

Heute wie damals ging es um den Zuspruch der Bevölkerung zum politischen System und somit um dessen Legitimation. Die Rahmenbedingungen haben sich zwar verändert, doch die Erwartungen der Bevölkerung an den Staat sind dieselben.

1.2 Generationenvertrag und Rentenver(un)sicherung

Wie in der Einleitung angedeutet wird seit den neunziger Jahren, vor allem im Zusammenhang mit der Rentenversicherung, noch ein zusätzlicher Konflikt diskutiert, der in diesem Falle nun zwischen den Generationen gesehen wird. Thematisch aufgearbeitet wird dies heutzutage vor allem aufgrund der prognostizierten Überalterung der deutschen Gesellschaft, demzufolge immer weniger jüngere Erwerbspersonen, aber dafür mit immer höheren Beiträgen, die Renten der älteren Generationen finanzieren müssen.

Die gesetzliche Rentenversicherung in ihrer jetzigen Form wird nach dem Umlageverfahren finanziert. Das bedeutet, der jeweils erwerbstätige Teil der Bevölkerung finanziert die Altersvorsorge des aus der Erwerbstätigkeit ausgeschiedenen Teils der Bevölkerung. Bei einem Umlageverfahren sind die Höhe der Beiträge und der Umfang des Versicherungsschutzes gesetzlich geregelt und orientieren sich am Durchschnittseinkommen.

Als alternative Variante bzw. als zusätzliche Option der privaten Rentenvorsorge wird heutzutage das Kapitaldeckungsverfahren wieder in die Diskussion gebracht. Als Finanzierungsprinzip eines Rentensystems zeichnet es sich dadurch aus, dass Versicherte in ihrer Erwerbsphase Ersparnisse zu einem Marktzins anlegen. Dadurch werden für jeden einzelnen Versicherten während der gesamten Laufzeit Kapitalbeträge angesammelt. Die dazu notwendige Versicherungssumme ergibt sich anhand von versicherungsmathematischer Berechnung, die letztlich eine ausreichende Sicherung der zukünftigen Versicherungsleistungen gewährleisten soll. Ein Kapitaldeckungsverfahren lässt sich auf rein privater oder auf staatlicher Basis praktizieren.

Die Verbindung zwischen Umlageverfahren und Generationenvertrag kommt dadurch zustande, dass das Umlageverfahren als Ausdruck eines Generationenvertrages interpretiert wird. „Mit dem Begriff des Generationenvertrages ist einerseits die mit dem Umlageverfahren verbundene intertemporale Verteilungswirkung zwischen Generationen und andererseits die Vorstellung eines fairen Gesellschaftsvertrages angedeutet“.[5]

[...]


[1]vgl. Roller, 2002, S.1

[2]vgl. Roller, 2002, S.1

[3]vgl. Roller, 2002, S.2

[4]vgl. Roller, 2002, S.2

[5]Herfeld, 2001, S.21

Fin de l'extrait de 31 pages

Résumé des informations

Titre
Sozialstaatlicher Konsens und Generationenvertrag
Université
Free University of Berlin  (Institut für Soziologie)
Note
1,7
Auteur
Année
2003
Pages
31
N° de catalogue
V29259
ISBN (ebook)
9783638308182
ISBN (Livre)
9783638702539
Taille d'un fichier
535 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Hausarbeit besteht aus drei Teilen. Hintergrund und Einstellung gegenüber dem Generationenvertrag. Legitimation des Wohlfahrtsstaat. Verschiedene Indikatoren aus der Generationenstudie 2001. Überprüft wird die Einstellung der Bürger und welchen Einfluß diese auf den sozialstaatlichen Konsens bzw. auf den Generationenvertrag hat.
Mots clés
Sozialstaatlicher, Konsens, Generationenvertrag
Citation du texte
Manuel Simon (Auteur), 2003, Sozialstaatlicher Konsens und Generationenvertrag, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29259

Commentaires

  • Pas encore de commentaires.
Lire l'ebook
Titre: Sozialstaatlicher Konsens und Generationenvertrag



Télécharger textes

Votre devoir / mémoire:

- Publication en tant qu'eBook et livre
- Honoraires élevés sur les ventes
- Pour vous complètement gratuit - avec ISBN
- Cela dure que 5 minutes
- Chaque œuvre trouve des lecteurs

Devenir un auteur