Dass man nur glaubt und weiß was man sieht, ist für uns heute nichts neues. Doch auch die Dichter und Autoren im Mittelalter wussten dies schon lange. Nicht umsonst bedeutet die schlechte Sicht im Wald Gefahr und Abenteuer. Nicht umsonst brauchen Helden feste Wege, die sie beschreiten können. Und nicht umsonst bleibt einiges in Geschichten unklar, weil der Erzähler es im Dunkeln lässt. Im Dunkeln? Ja, denn Licht und die richtige Perspektive sind Grundvoraussetzungen für ein vollständiges Erzählen. Dunkelheit erschwert es dem Erzähler alles wahrzunehmen und dies auch schildern zu können. Auch der Blickwinkel ist entscheidend. Lässt der Erzähler seinen Helden einmal aus den Augen, kann es passieren, dass er ihn verliert. Das würde bedeuten etwas nicht wiedergeben zu können. Die Geschichte würde abrupt enden. Doch ist die simpelste und wichtigste Voraussetzung, dass der Erzähler vor Ort ist. Alles, was der Narrator selbst nicht sieht, kann er auch dem Leser nicht weitergeben. Somit ist die triviale Definition von Sichtbarkeit: „Erkennbarkeit; sichtbare, deutliche Beschaffenheit“.
Wirnt von Grafenberg war kein Neuling auf diesem Gebiet als er „Wigalois“ schrieb. Anhand einiger ausgewählten Passagen möchte ich nun aber überprüfen, ob er sich immer an de Leitsatz „Sichtbarkeit impliziert Erzählbarkeit“ gehalten hat.
Inhaltsverzeichnis
- I. Was ist Sichtbarkeit?
- II. Die Sichtbarkeit bei Wirnts Wigalois
- 1. Die Umgebung
- 1.1. Der Wald
- 1.2. Der Weg
- 2. Der Tugendstein
- 3. Der Saal von Roaz
- 4. Die Mutter Florie
- 5. Der magische Gürtel
- 1. Die Umgebung
- III. Ist Wigalois ein sichtbarer Held?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage der Sichtbarkeit im Kontext des Artusromans „Wigalois“ von Wirnt von Grafenberg. Es wird untersucht, wie der Erzähler die Sichtbarkeit von Objekten und Ereignissen als Mittel zur Gestaltung der Erzählung einsetzt und inwiefern dies die Sichtbarkeit des Helden Wigalois beeinflusst.
- Die Rolle der Sichtbarkeit in der mittelalterlichen Literatur
- Die Bedeutung von Licht und Dunkelheit als erzählerische Elemente
- Die Darstellung der Umgebung und ihrer Bedeutung für die Sichtbarkeit
- Die Verbindung von Sichtbarkeit und Erzählbarkeit
- Die Frage der Sichtbarkeit des Helden im Kontext des Artusromans
Zusammenfassung der Kapitel
I. Was ist Sichtbarkeit?
Das Kapitel eröffnet mit dem arabischen Sprichwort „Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in der Wahrnehmung wäre.“ Der Autor stellt die Bedeutung der Sichtbarkeit für die mittelalterliche Literatur dar und verweist auf die enge Verbindung von Sichtbarkeit und Erzählbarkeit. Er definiert Sichtbarkeit als „Erkennbarkeit; sichtbare, deutliche Beschaffenheit“ und kündigt die Untersuchung von „Wigalois“ im Hinblick auf diese Thematik an.
II. Die Sichtbarkeit bei Wirnts Wigalois
1. Die Umgebung
1.1. Der Wald
Der Wald wird als wichtiger Bestandteil des Artusromans und der Geschichte von Wigalois dargestellt. Der Autor beschreibt die Schutzfunktion und die Grenzen des Waldes, sowie seine Bedeutung für Abenteuer und Grenzübergänge. Am Beispiel der Rettung einer Jungfrau vor zwei Riesen wird deutlich, wie die Sichtbarkeit im Wald die Erzählung beeinflusst. Der Erzähler kann nur das schildern, was er im Mondlicht sehen kann, und muss den Kampf zwischen Wigalois und dem Riesen im Dornengebüsch ausblenden.
1.2. Der Weg
Der Weg wird als Verbindung zwischen dem Artufhof und dem Wald dargestellt. Der Autor beschreibt verschiedene Bezeichnungen für den Weg und die Bedeutung des Weges für die Spannungssteigerung in der Erzählung. Er betont, dass der Weg erst dann sichtbar wird, wenn der Held ihn betritt und die Handlung dadurch beeinflusst wird.
2. Der Tugendstein
Das Kapitel beschreibt den Einzug Wigalois' am Artushof und die Beschreibung des Tugendsteins in der Mitte des Hofes.
- Citar trabajo
- Lisa Demmel (Autor), 2013, Wigalois. Ein sichtbarer Held?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292705