Frauenfiguren bei Georg Büchner. Die Darstellung der Lucile in "Dantons Tod"


Term Paper (Advanced seminar), 2013

15 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Allgemeine Charakterisierung der Lucile

3. Charakterisierung der Lucile anhand ihrer Szenen
3.1. Szene II,3
3.2. Szene IV,4
3.3. Szene IV,8 und IV,9

4. Die Funktion der Figur „Lucile“

5. Zusammenfassung und abschließender Gedanke

6. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„Dantons Tod“: ein Geschichtsdrama über Revolution, Politik und Gewalt. Mit diesen Schlagwörtern beschrieben ist es kaum verwunderlich, dass Büchners Stück häufig als „Männerstück“ bezeichnet wird. Und schon im Personenverzeichnis scheint sich dieses Bild zu bestätigen: unter 30 namentlich genannten Personen, sind lediglich sechs davon weiblich. In 32 Szenen spielen in nur 12 davon Frauen eine Rolle. Auch die Positionen der Frauen, drei von Ihnen sind Ehefrauen der Hauptpersonen und drei sind Prostituierte, lassen schnell zu dem Schluss kommen, die Frauen seien nicht ernst zu nehmende Charaktere sondern lediglich die hübsche Begleitung der Männer.

Demnach stellt man sich die Frage: „Sind in „Dantons Tod“ die Frauen für Büchner nur Dekoration?“

Um bei dieser Frage zu einer Antwort zu gelangen muss man die Frauen genauer betrachten. Doch da Grisetten, wie Marion eine ist, kaum zur Handlung des Stückes beitragen, ist es wohl besser nur eine Dame unter die Lupe zu nehmen: Lucile. Die Gattin von Camille erscheint in immerhin 3 Szenen. Genug um einen Einblick zu bekommen, welche Rolle Büchner den Frauen, und vor allem Lucile, in dem Stück „Dantons Tod“ zuschreibt.

2. Allgemeine Charakterisierung der Lucile

Die beiden Ehefrauen, Lucile und Julie, treten im gesamten Stück als Gegensätze auf. Während Julie „[...] stärker [und] gefasster [...]“ auftritt, ist Lucile „[...] weicher [und] gefühlvoller [...]“1. „Für Lucile ist Sprechen nichts Rationales, sondern unmittelbar Ausdruck der Seele, auch noch im Wahnsinn“2. Um ihren Gefühlen und Gedanken mehr Ausdruck zu verleihen, neigt sie in jeder ihrer Szenen dazu, in Bildern zu sprechen oder ein Lied zu singen.

Aufgrund dieser offenen Emotionen wirkt sie jedoch schnell nicht nur verliebt und treu, sondern auch naiv und, kurz gesagt, wie „[...] ein kleines Dummchen, das vor lauter Bewunderung für seinen Mann schon mal vergisst, das Gehirn in Betrieb zu nehmen - ohne jede intellektuelle Substanz“3. Doch ob sich dieser erste Eindruck bestätigt oder ob in Lucile noch mehr steckt, lässt sich nur durch die Analyse der Szenen herausfinden, in welchen sie vorkommt.

3. Charakterisierung der Lucile anhand ihrer Szenen

3.1. Szene II,3

Zum ersten Mal tritt Lucile in Szene II,3 auf. Lucile selbst, ihr Mann Camille und Danton befinden sich in einem Zimmer. Zunächst wird sie außer Acht gelassen, als die beiden Männer über Theater und das zu leicht zufriedenstellende Publikum „schwadronieren“4. Doch als Danton hinausgerufen wird und das Ehepaar sich alleine im Raum aufhält muss sich Danton wohl an Lucile richten:

CAMILLE. Was sagst du, Lucile?

LUCILE. Nichts, ich seh dich so gern sprechen.

CAMILLE. Hörst du mich auch?

LUCILE. Ei freilich!

CAMILLE. Hab ich recht? Weißt du auch, was ich gesagt habe?

LUCILE. Nein, wahrhaftig nicht.

Wenn man an Lucile denkt, ist diese „Konversationen, wenn man es so nennen kann, zwischen den beiden oft das erste, was genannt wird. In nur 6 Zeilen soll die Einfältigkeit Luciles verdeutlicht werden. Es macht den Eindruck, als hätte sie keine Meinung, würde nur die ihres Mannes annehmen. „Im Grunde ist Camilles Tun ihr fremd, sie begreift den Sinn seiner Worte nicht“5.

Da es Luciles erste Worte im gesamtem Drama sind, muss man es zunächst einmal so hinnehmen, dass Büchner hier die bedingungslose Liebe der beiden aufzeigt. Was jedoch ihre Klugheit betrifft, so lässt er sie jedoch in einem recht schmählichem Licht zurück.

Auch die folgenden Zeilen scheinen dies nicht zu ändern. Da Danton den Raum wieder betritt gibt es vorerst keinen Grund für Camille weiter mit seiner Gattin zu sprechen. Danton berichtet, dass der Wohlfahrtsausschuss seine Verhaftung beschlossen hat. In dem Zeitraum, wenn beide Männer sich im selben Raum aufhalten, befolgt Lucile die klassische Frauenrolle und zeigt sich still. Doch sobald Danton sie und Camille wieder verlässt, meldet sie sich erstmals von selbst zu Wort. „Ach, Camille!“ platzt sie heraus. Die Angst um ihren Mann lässt sie nicht logisch nachdenken. Es wirkt, als wäre der Ausruf wirklich das Erste, was sie gedacht hat. Selbst als Camille ihr aufträgt ruhig zu sein, kann sie sich kaum beruhigen:

CAMILLE. Sei ruhig, lieb Kind!

LUCILE. Wenn ich denke, daß sie dies Haupt -! Mein Camille! das ist Unsinn, gelt, ich bin wahnsinnig?

„[...] Schon [der] Dialog […] in dieser Szene hat Passagen, in denen [sie] in ein säuselndes Selbstgespräch [rutscht]“6. Sie unterbricht sich selbst, führt Gedanken nicht zu Ende - sie denkt nicht klar nach, sondern lässt ihren Gefühlen freien lauf. Das Motiv des Wahnsinns taucht hier erstmalig auf und wird sich im vierten Akt noch wiederholen. Aber auffallend ist an diesem Punkt auch, dass sie Camille fragt, ob sie nun wahnsinnig geworden sei und nicht ausruft „ich bin wahnsinnig geworden“. Anstatt ihrer eigenen Meinung braucht sie die Bestätigung ihres Gatten über ihren Geisteszustand. Lieber scheint sie nicht zurechnungsfähig zu sein, als dass sich die Annahme, ihr Geliebter könnte sterben, bewahrheiten könnte. Auch dies soll erneut „die unbedingte seelische Bindung zweier Menschen“7 zeigen.

Camille verlässt das Zimmer, nachdem seine Frau ihn dazu auffordert, Robespierre aufzusuchen, um mit ihm zu verhandeln.

„Nach seinem Fortgehen kommt ihr zuerst, aus dem Unterbewusstsein heraus, ein Abschiedslied auf die Lippen; dann flieht sie aus dem Zimmer, weil es ihr scheint, […] als hätte ein Toter drin gelegen [...]“8. Das Abschiedslied ist ein hessisches Volkslied mit dem Namen „Mülrad“. Es handelt von einer beendeten Liebe, welche eben anhand eines zerbrochenen Mühlrads bildlich dargestellt wird9. In Dantons Tod endet aber nicht nur die Liebe der Beiden, sondern auch ihr Leben.

Dieser Monolog, oder eher Verzweiflungsmonolog, vereint alle offensichtlichen Charakterzüge Luciles. Ihre Art, Gefühle darzulegen, oder auch die Sprunghaftigkeit ihrer Gedanken. Mit dem Satz „wie kommt mir grad das in Kopf? Das ist nicht gut, daß es den Weg so von selbst findet“ wird noch einmal gezeigt, dass sie sehr impulsiv und intuitiv ist und nicht durchdacht und in sich selbst schlüssig. In der ersten Szene von Lucile bleibt für den Leser der Eindruck des liebenden, aber naiven Weibes. Der einzige Zeitpunkt, in dem sie klar ihre Meinung äußert ist der Appell an Camille mit Robespierre zu sprechen. Doch der Beigeschmack eines kleinen Dummchens, wie Hauschild sie nennt, bleibt vorerst.

3.2. Szene IV,4

Erst in der vierten Szene tritt Lucile erneut auf. Das politische Geschehen ist fast vorüber, die Entscheidungen sind gefallen. Die Männer Dantons, darunter Camille, sind zum Tode durch die Guillotine verurteilt. Ein Schließer, zwei Fuhrleute und Frauen sind laut der Personenaufzählung nun auf dem Platz vor der Conciergerie. Der erste Teil der Szene „ist mit derber Komik gestaltet […]: ein Geplänkel zwischen den Fuhrleuten, dem Gefängniswärter und schaulustigen Weibern. Der zweite Teil der Szene bringt - in der von Büchner wiederholt angewandten Technik - einen krassen Stimmungsumschlag, vom Grotesken zum Ergreifenden“10. Denn auf dem Platz erscheint Lucile. Und auch in dieser Szene ist der Wahnsinn ihr Begleiter. Sie setzt sich auf einen Stein unter das Fenster der Gefangenen und ruft nach ihrem liebsten Camille. „Die Nachricht von der Verhaftung und Verurteilung ihres Mannes bringt Lucile um den Rest ihres dürftigen Verstandes“11. Sie fängt an zu phantasieren und sieht Camille in einem langen Steinrock und mit eiserner Maske. Ihre Wahnvorstellungen und Einbildungen zeigen dem Leser deutlich, dass Lucile gerade nicht ernst zu nehmen ist.

Neben ihren Halluzinationen wird es jedoch noch verrückter. Mit einem Volkslied will sie ihren Mann „locken“ wie einen „Vogel“:

[...]


1 Vgl. H. Popp, 2013, S. 67.

2 Vgl. Ebd. S. 67.

3 Vgl. J. Hauschild, 2013, S. 129-130.

4 Vgl. Vgl. J. Hauschild, 2013, S. 130.

5 Vgl. G. P. Knapp, 2000, S. 119.

6 Vgl. J. Hauschild, 2013, S. 131.

7 Vgl. H. Popp, 2013, S. 26.

8 Vgl. Ebd. S. 26.

9 Vgl. F. L. Mittler, 1856, S. 557.

10 Vgl. H. Popp, 2013, S. 43.

11 Vgl. J. Hauschild, 2013, S. 132.

Excerpt out of 15 pages

Details

Title
Frauenfiguren bei Georg Büchner. Die Darstellung der Lucile in "Dantons Tod"
College
LMU Munich
Course
Forschungsfragen der Neueren deutschen Literatur: Georg Büchner. Literatur, Politik, Religion.
Grade
2,0
Author
Year
2013
Pages
15
Catalog Number
V292711
ISBN (eBook)
9783668283008
ISBN (Book)
9783668283015
File size
471 KB
Language
German
Keywords
Danton, Tod, Lucile, Literaturwissenschaft, Germanistik, Ndl, Figur, Sprache, Büchner, Georg, Literatur, Politik, Religion, Forschung
Quote paper
Lisa Demmel (Author), 2013, Frauenfiguren bei Georg Büchner. Die Darstellung der Lucile in "Dantons Tod", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292711

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