Von Anomalien zur Preisbildung: Noise Trading Modelle


Academic Paper, 2005

60 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

Einleitung

1 Quasi-rationales Noise Trading
1.1 Gruppen-interaktives Verhalten
1.1.1 Unbestimmtes Noise Trading Verhalten
1.1.2 Positive Feedback Trading
1.1.3 Overconfidence
1.2 Individuell anomales Verhalten
1.2.1 Von Röckemann eingeordnete Ansätze
1.2.2 Neu zugeordnete Ansätze

2 Absichtliches (rationales?) Noise Trading

Literaturverzeichnis (inklusive weiterführender Literatur)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Noise Trading-Modelle stellen einen Erklärungsansatz dar, mit dem versucht wird, den Einfluss von Verhaltensanomalien auf die Preisbildung auf Kapitalmärkten zu modellieren. Prinzipiell werden in der vorliegenden Arbeit zwei Erscheinungsformen des Noise Tradings unterschieden. Zum einen wird das rein verhaltens-wissenschaftlich definierte Noise Trading in Anlehnung an die Systematisierung von Menkhoff/Röckemann (1994) sowie Röckemann (1995) vorgestellt.[1] Dieses wird hier als quasi-rationales Noise Trading bezeichnet, und im ersten Kapitel erläutert. Im darauf folgenden Schwerpunkt wird das Noise Trading im Sinne der Definition von Black (1986) diskutiert.[2] Innerhalb der dortigen Betrachtungen wird allerdings nicht von einer Quasi-Rationalität der Anleger ausgegangen.[3] Doch bevor die speziellen Ausprägungen diskutiert werden, folgen einige einführende Vorbemerkungen zu grundsätzlichen Begrifflichkeiten.

Noise ist ein Begriff, der in Anlehnung an einen Störterm aus der Nachrichtentechnik, in die Kapitalmarkttheorie „importiert“ wurde. Noise kann auch als Grundrauschen des Marktes interpretiert werden. Maßgeblichen Anteil an der Begriffsverwendung und Forcierung der Beschäftigung mit Noise innerhalb der Kapitalmarkttheorie hatte Black (1986) mit seiner klassischen Presidential Adress im Journal of Finance. (vgl. Röckemann, 1995, S. 50)

Stadtmann (2002) führt verschiedenen Bedeutungen des Begriffes Noise auf, die bis dato in der Literatur diskutiert wurden. Zum einen wird Noise als Gegenstück zum Begriff der Information aufgefasst, des Weiteren als nicht-diversifizierbare Risikokomponente und letztlich auch als Abweichung des Kurses von seinem Fundamentalwert. (vgl. Stadtmann, 2002, S. 26)

Am Bedeutendsten dürfte jedoch die als erste genannte Anschauung (die auf Black, 1986, S. 529 zurückgeht) sein. Black legt allerdings nicht eindeutig fest, welche Gründe Anleger dazu bewegen könnten, auf Noise anstatt auf Information zu handeln. (vgl. Black, 1986, S. 529ff.)[4]

Stadtmann (2002) entwickelt ferner eine strikte Abgrenzung des Begriffs Noise zum Begriff der Information: Aus einer Gesamtmenge an Daten werden die Daten, die den fundamentalen Wert eines Assets beeinflussen, als Informationen bezeichnet. Bei den (restlichen) Daten, die den fundamentalen Wert eines Assets nicht beeinflussen, handelt es sich um Noise. (vgl. Stadtmann, 2002, S. 27)

In der folgenden Abbildung 1 ist eine grundsätzliche Idee dargestellt, nach der Noise sowohl als Input als auch als Output eines Noise Trading Prozesses angesehen werden kann. (in Anlehnung an Stadtmann, 2002, S. 26f.)[5]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Noise als In- bzw. Output des Handelsprozesses

(Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Stadtmann, 2002, S. 26f.)

Das Schaubild zeigt, wie Noise im Sinne von Daten, die den fundamentalen Wert eines Anlagegegenstandes nicht beeinflussen als Input in den Handelsprozess (Noise Trading-Prozess) eingehen. Gleichzeitig ergibt sich aber durch den Handel eine Manifestation des Noise im Kurswert, definiert als das Delta zwischen Fundamentalwert und dem durch Noise verzerrten Kurs. (in Anlehnung an Stadtmann, 2002, S. 26f.)

Nach diesen einführenden Erläuterungen wird übergegangen zur Diskussion des Quasi-rationalen Noise Tradings.

1 Quasi-rationales Noise Trading

Die Definition des Noise Tradings explizit über die eingeschränkte Rationalität der Anleger schlägt Röckemann (1995)[6] in Anlehnung an Shleifer und Summers (1990) vor. (vgl. Röckemann, 1995, S. 50f.; vgl. dazu Shleifer/Summers, 1990, S. 19-33) So führt Röckemann (1995) aus: „Unter Noise Trading sollen hier Anlageentscheidungen verstanden werden, die darauf beruhen, daß der Entscheider nicht rational agiert.“ (Röckemann, 1995, S. 50) Solches Anlegerverhalten bezeichnet Röckemann als quasi-rational. (vgl. Röckemann, 1995, S. 51)[7] Seine Definition, so Röckemann, sei enger als die von Black (1986) gegebene. (vgl. Röckemann, 1995, S. 50)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Noise als In- bzw. Output des Handelsprozesses

(Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Stadtmann, 2002, S. 26f.)

Das in Abbildung 2 präsentierte Schaubild lässt sich prinzipiell auch auf ein verhaltenswissenschaftlich definiertes Noise Trading anwenden. Der Noise, den die Anleger in ihre Anlageentscheidung einfließen lassen, resultiert aus der Tatsache, dass sie Informationen verzerrt wahrnehmen und verarbeiten. Mithin würde sich ein Information-Noise-Gemisch ergeben, auf das letztendlich gehandelt wird. (ähnlich bei Röckemann, 1995, S. 51) Der Noise-Anteil könnte schließlich für Kursverzerrungen sorgen.

Dies entspricht auch üblichen Anschauungen in der Literatur, dass sich Anleger in der Regel an fundamentaler Information orientieren und darüber hinaus Noise einfließen lassen. (vgl. Röckemann, 1995, S. 51; vgl. Stadtmann, 2002, S. 27)

Es werden für diese Arbeit vier Kriterien festgelegt, denen Noise Trading-Modelle genügen müssen. Dabei werden die von Röckemann (1995) vorgeschlagenen Kriterien (vgl. Röckemann, 1995, S. 51f.) leicht verändert und angepasst. Die zeitlichen Entwicklungen im Bereich des quasi-rationalen Noise Tradings machen diese Modifikation notwendig.

Die Kriterien lauten:

1. Es muss die nicht-fundamentale Kursbildung erklärt werden. [Dabei darf sich vor allem kein Widerspruch zur fundamentalen Kursbildung ergeben, d. h. die Modelle könnten ohne die zusätzlichen Verhaltensannahmen prinzipiell auch die fundamentale Kursbildung erklären]
2. Es wird explizit Quasi-Rationalität in die Betrachtung einbezogen.
3. Es wird entweder mit heterogenen Anlegergruppen argumentiert, von denen mindestens eine quasi-rational ist oder es wird mit einem repräsentativen quasi-rationalen Investor argumentiert.
4. Die Modelle sollen sich mit empirisch beobachteten Marktanomalien bzw. Anlegerverhaltensweisen befassen.

(ähnlich bei Röckemann, 1995, S. 51)

Nachdem die neuen Kriterien vorgestellt wurden, wird kurz auf die Unterschiede zu Röckemanns Kriterien eingegangen. Röckemann fordert in seinem dritten Kriterium eine Heterogenität der Anlegergruppen. (vgl. Röckemann, 1995, S. 51) Daher sieht er prinzipiell keine Modelle mit einem repräsentativen Investor in seinem Schema vor. Da aber in den letzen 10 Jahren verstärkt Modelle mit nur einem repräsentativen quasi-rationalen Investor entwickelt wurden (vgl. DHS (1998), vgl. BSV (1998)) scheint es gerechtfertigt, dieses Kriterium aufzulockern, wie weiter oben geschehen, und diese Modelle zuzulassen. Mit diesem dritten Kriterium ist bereits der Hauptunterschied zu Röckemann deutlich geworden. Die anderen Kriterien (1, 2, 4) wurden lediglich etwas umformuliert und marginal verändert.

Es ist ferner zu beachten, dass alle von Röckemann (1995) in sein Schema eingeordneten Ansätze (vgl. Röckemann, 1995, S. 62-81) ebenso in das aktuell in dieser Arbeit gegebene Schema eingeordnet werden können, da wie bereits angedeutet, keine Verschärfung der Kriterien vorgenommen wurde. Somit werden alle bereits durch Röckemann eingeordneten Modelle übernommen.

Nach Campbell (2000) zeichnen sich Behavioral Finance Modelle durch folgende zwei Schlüsselkriterien (key ingredients) aus: Erstens, wird ein vom Standard abweichendes Verhalten, ausgelöst durch Irrationalität oder nicht-standardmäßige Präferenzen, postuliert, dem wenigstens einige Investoren unterliegen. Zweitens, kann oder möchte die Gruppe der rationalen Investoren mit Standardpräferenzen die Nachfrage nach Assets der ersten Anlegergruppe nicht neutralisieren - es kommt zu Preisbeeinflussungen durch die nicht-rationalen Investoren. (vgl. Campbell, 2000, S. 1551)

Ähnlich argumentieren auch Barberis/Thaler (2003), die in der Psychologie den ersten Standpfeiler der Behavioral Finance sehen und in den limits to arbitrage den zweiten. (vgl. Barberis/Thaler, 2003, S. 1053f.)

Die Noise Trading Modelle, die in diesem Kapitel diskutiert werden fallen unter die oben gegebene Definition von Behavioral Finance Modellen. (vgl. auch Campbell, 2000, S. 1551-1556) Menkhoff/Röckemann (1994) legen besonderen Wert auf die Legitimation der Noise Trading Modelle über die Sicherstellung, dass Arbitrageure nicht jederzeit die korrekten Kurse durchsetzen können. (vgl. Menkhoff/Röckemann, 1994, S. 281)

Der gerade angesprochene und imminent wichtige Sachverhalt der Limitierung der Arbitrage, wird im Folgenden noch etwas genauer ausgeführt.

Lange Zeit galt Friedmans These, dass etwaige nicht-rational agierende Anleger keinen Einfluss auf die fundamental gerechtfertigten Wertpapierpreise haben können, als unantastbar. Friedman (1953) argumentierte damit, dass rationale Arbitrageure gegen die nicht-rational Handelnden spekulieren. Dadurch kehren die Kurse stets schnell auf den fundamental gerechten Wert zurück und Noise Trader werden gezwungen, vom Markt abzuwandern, da sie Geld an die Arbitrageure verlieren. (vgl. Friedman, 1953/1959, S. 175)[8]

Diese These gilt heute als widerlegt. (vgl. z. B. Shleifer/Summers, 1990 sowie De Long/Shleifer/Summers/Waldmann[9], 1990a sowie Shleifer/Vishny, 1997 als auch Barberis/Thaler, 2003, S. 1054-1063)

Grund ist, dass Arbitrage in ihrer idealisierten Form in der Realität kaum durchführbar ist. Zum einen sehen sich Arbitrageure stets einem fundamentalen Risiko ausgesetzt und zum anderen müssen sie zusätzlich das Risiko tragen, dass sich durch Noise Trader die Kurse noch weiter von ihrem fundamentalen Wert entfernen. Beides kann dazu führen, dass Arbitrageure Geld verlieren. (vgl. DSSW, 1990a, S. 705)

Des Weiteren führen Arbitrageure in der Regel ihre Transaktionen mit geliehenem Geld durch und unterliegen regelmäßigen Performancebewertungen. Daraus ergeben sich Opportunitätskosten und Agencyprobleme. Diese Merkmale sprechen für einen kurzen Anlagehorizont der Arbitrageure. Dadurch haben diese kaum die Möglichkeit bei Fehleinschätzungen der Kursentwicklung so lange abzuwarten, bis sich die Kurse erholt haben. (vgl. Shleifer, 2000, S. 29)

Ferner lässt sich auch nicht zu jeder Anlageform ein Portfolio, welches dieselben Zahlungsströme generiert (Hedgeportfolio), bilden. (vgl. Shleifer/Summers, 1990, S. 20f.)

Damit ist festzuhalten, dass Arbitrageure nicht in der Lage sind, jederzeit die fundamental gerechtfertigten Kurse durchzusetzen und Noise Trader Verhalten damit zu eliminieren.

Menkhoff und Röckemann (1994) sowie Röckemann (1995) versuchen die Komplexität, die sich aus der Vielzahl unterschiedlicher Noise Trading Ansätze ergibt, zu reduzieren, indem sie diese zunächst in zwei Hauptströmungen unterteilen. Die erste Gruppe bilden die Ansätze zum gruppen-interaktiven Verhalten. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass heterogene Anlegergruppen sich gegenseitig beeinflussen - es kommt zu Rückkopplungen. Die zweite Gruppe enthält die Ansätze zum individuell anormalen Verhalten. Diese Modelle sind durch Noise Trader charakterisiert, die einer bestimmten Verhaltensanomalie unterliegen. Ferner treten keine gegenseitigen Beeinflussungen bzw. Rückkopplungen mit rationalen Anlegern auf. (vgl. Menkhoff/Röckemann, 1994, S. 281-290 sowie Röckemann, 1995, S. 62-81[10] ) Diese Einteilung wird hier übernommen.

Zur besseren Übersichtlichkeit sind alle Modelle, die in der vorliegenden Arbeit innerhalb des quasi-rationalen Noise Tradings abgehandelt werden, in der nachfolgenden Tabelle 1 zusammengefasst und nach den relevanten Gruppen sortiert. Es handelt sich dabei um die bereits von Röckemann (1995) eingeordneten Modelle sowie um neue, für diese Arbeit zugeordnete Ansätze, welche blau hinterlegt sind. Die genauen Einteilungen der Gruppen werden selbstverständlich nachfolgend im Text noch genauer erläutert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Ansätze zum quasi-rationalen Noise Trading

(Eigene Darstellung in Anlehnung an Menkhoff/Röckemann, 1994, S. 281-290 sowie Röckemann, 1995, S. 62-81; mit blau hervorgehobenen eigenen Zusätzen)

1.1 Gruppen-interaktives Verhalten

Die Modelle zum gruppen-interaktiven Verhalten beziehen Wechselwirkungen zwischen Anlegergruppen mit ein. Es kommt zu Rückkopplungen. Dadurch sind die Ansätze in der Lage, eine vielschichtige Verbindung zwischen Verhaltensanomalien und der Marktebene aufzuzeigen und zu erforschen. Unterschieden wird ferner zwischen Modellen, die ein unbestimmtes Noise Trading Verhalten [11] annehmen und zwischen Modellen, die spezielle quasi-rationale Verhaltensweisen modellieren, wie das Positive Feedback-Trading. Röckemann identifiziert seinerzeit nur das Positive Feedback-Trading als speziell modellierte Verhaltensweise. (vgl. Röckemann, 1995, S. 69f.) Darüber hinaus wird in der vorliegenden Arbeit eine weitere Kategorie entwickelt, welche mit overconfidence bezeichnet wird. (vgl. auch Tabelle 1) Es scheint sich in den letzten Jahren eine Fokussierung auf den bias des overconfidence entwickelt zu haben. (vgl. z. B. Kyle/Wang, 1997 sowie Hirshleifer/ Luo, 2001)[12]

Es werden nachfolgend die geschilderten drei Kategorien abgehandelt, anhand einer Vorstellung der wichtigsten Modelle, welche sich diesen zuordnen lassen. Es ist darauf hinzuweisen, dass lediglich Zusammenfassungen der teilweise recht komplexen Modelle gegeben werden können. Im Vordergrund soll dabei stehen, welche psychologischen „Zutaten“ in die Modelle eingehen und was genau die Modelle zu erklären in der Lage sind.

Begonnen wird jeweils mit den bereits durch Röckemann eingeordneten Arbeiten. Anschließend werden weitere, im Rahmen dieser Arbeit selbst zugeordnete Ansätze vorgestellt. Begründungen für die Einordnung, sofern nicht gesondert aufgeführt, ergeben sich direkt aus den Abhandlungen der Modelle.

1.1.1 Unbestimmtes Noise Trading Verhalten

1.1.1.1 Von Röckemann eingeordnete Ansätze

Zu den Ansätzen des unbestimmten Noise Trading-Verhaltens zählen zunächst die Beiträge von Shiller (1984), De Long/Shleifer/Summers/Waldmann (1990a) sowie Shefrin/Statman (1993). (vgl. Röckemann, 1995, S. 69ff.)

Shiller (1984) modelliert einen Kapitalmarkt mit zwei Anlegergruppen – den smart-money investors und den ordinary investors. Erstere handeln rational, letztere tendieren zu Überreaktionen bezüglich neuer Information oder lassen sich von Launen (fads) beeinflussen, handeln daher nicht-rational. (vgl. Shiller, 1984, S. 477) Es gelingt dem Autor eine Preisgleichung abzuleiten, welche das Verhalten beider Anlegergruppen berücksichtigt. Quintessenz ist, dass beide Investorengruppen den Preis beeinflussen. Die smart-money investors richten ihre Entscheidungen einerseits an fundamentalen Daten aus, aber eben auch am erwarteten Verhalten der ordinary investors. (vgl. Shiller, 1984, S. 478) Shiller legt besonderen Wert auf seine These, für die er einige Beweise findet, nach der soziale Aspekte einen deutlichen Einfluss auf das Anlageverhalten ausüben, wie auch Modeerscheinungen (fashions) und Launen (fads). (vgl. Shiller, 1984, S. 497)

DSSW (1990a) widmen sich in ihrem Beitrag den Einflüssen, welche von Noise Tradern auf rationale Arbitrageure ausgehen. Im Modell agieren zwei Gruppen von Anlegern - die sophisticated investors und die noise traders. Die sophisticated investors sind rational handelnde Akteure, die noise traders hingegen handeln quasi-rational. Es existieren zwei Anlageformen, in welche die Akteure investieren können. Dabei handelt es sich zum einen um eine risikolose Geldanlage (z. B. Anleihe) und zum anderen um einen risikobehafteten Titel (z. B. Aktie), welche beide denselben Ertrag liefern. (vgl. DSSW, 1990a, S. 707) Den Autoren gelingt es nachzuweisen, dass von den noise traders massive Kursverzerrungen ausgehen können, weil die sophisticated investors, sofern diese kurze Anlagehorizonte besitzen, nicht in der Lage sind, die Kurse durch Arbitragehandlungen zu korrigieren. Grund ist das noise trader risk, welches die Arbitrage risikobehaftet macht. (vgl. DSSW, 1990a, S. 734f.)[13] Des Weiteren sind die Autoren in der Lage, die Kapitalmarktanomalien der excess volatility und mean reversion, oder auch das closed-end funds puzzle, anhand des noise trader risks zu erklären. (vgl. DSSW, 1990a, S. 735)

DSSW (1991) beschäftigten sich zudem explizit mit der Frage, ob Noise Trader auf lange Sicht im Markt überleben können. Hauptaussage der Untersuchung ist, dass Noise Trader sehr wohl in der Lage seien, den Markt langfristig zu dominieren und dabei auch höhere Renditen erzielen können als rationale Investoren. (vgl. DSSW, 1991, S. 18)[14]

Shefrin/Statman (1993) stellen einen betont verhaltensorientierten Ansatz vor. Dabei modellieren sie zwei quasi-rational handelnde Gruppen von Anlegern. Eine Gruppe der Anleger überreagiert auf neue Information, die andere Gruppe hat Probleme damit, Wahrscheinlichkeiten richtig einzuschätzen, da sie der sogenannten gamblers fallacy unterliegt und damit regressive Erwartungen bildet.[15] Damit wirkt die erste Gruppe trendverstärkend, die zweite allerdings trendabschwächend. Des Weiteren enthält das Modell ebenfalls eine Gruppe von rationalen Anlegern. Je nach dem ob sich die Noise Trader Fehler im Mittel ausgleichen oder ob sie gleichgerichtet sind, ergeben sich verschiedene Schlussfolgerungen. Für den ersten Fall ergibt sich kein Einfluß auf die Wertpapierpreise. Wenn allerdings der zweite Fall eintritt, so ergeben sich deutliche Fehlbewertungen von Kursen und auch die Zinsstrukturkurve wird verändert, da Noise Trader auch risikofreie Anleihen handeln. (vgl. Shefrin/ Statman, 1993 zit. nach Röckemann, 1995, S. 76-78)

1.1.1.2 Neu zugeordnete Ansätze

Die neu zugeordneten Ansätze zum unbestimmten Noise Trading-Verhalten sind Shefrin/Statman (1994), Palomino (1996) sowie Wang (2003).

Shefrin und Statman (1994) entwickeln eine Behavioral Capital Asset Pricing Theory. Sie betrachten in dieser einen Markt, auf dem Noise Trader mit rationalen Anlegern interagieren. (vgl. Shefrin/Statman, 1994, S. 323) Die rationalen Anleger (information trader) verarbeiten Informationen korrekt nach den Bayes’schen Postulaten. Die Noise Trader hingegen verarbeiten Informationen nicht rational: sie missachten bzw. vernachlässigen die Grundwahrscheinlichkeiten oder tendieren zum probability mismapping, was sich bspw. dadurch zeigt, dass sie der gambler’s fallacy unterliegen. Das base rate underweighting führt zu positivem Feedback, während die gambler’s fallacy negatives Feedback verursacht. (vgl. Shefrin/Statman, 1994, S. 330-332) Die Autoren können anhand ihrer Modellierung zeigen, dass Noise Trader die Preise von Optionen verzerren, dass sie die Rendite-Beta-Beziehung von Wertpapieren (Aktien) schwächen und, dass sie ferner die Zinsstruktur nachteilig beeinflussen. (vgl. Shefrin/Statman, 1994, S. 346)

Palomino (1996) liefert ein Modell, das sehr eng mit der Thematik von DSSW (1990a) verwandt ist. Palomino versucht aufzuzeigen, dass in einem kleinen Markt, der durch unvollkommenen Wettbewerb gekennzeichnet ist, irrational handelnde Noise Trader nicht nur höhere Renditen, sondern auch einen höheren erwarteten Nutzen erzielen können, als rationale Anleger. Wenn diese erfolgreiche Strategie imitiert wird, was anzunehmen ist, so können Noise Trader den Markt langfristig dominieren. (vgl. Palomino, 1996, S. 1537f.) In seinem Modell, das ähnlich dessen von DSSW (1990a) ist, untersucht Palomino zwei Gruppen von Akteuren: sophisticated investors mit rationalen Erwartungen sowie noise traders mit verzerrter Erwartungsbildung. Als Anlageformen kommen ein risikoloser Bond sowie eine Aktie in Betracht. Palomino zeigt anhand von Modellierungen, dass die Noise Trader höhere Profite und Erwartungsnutzen erzielen können als rationale Investoren, sofern sie höhere Quantitäten von Assets handeln als diese. Er zieht dabei Parallelen zur Oligopoltheorie, die aussagt, dass der sog. Stackelberg leader höhere Profite erzielen kann. Dies, und oben gesagtes, gilt allerdings ausschließlich für den Fall unvollkommenen Wettbewerbs. (vgl. Palomino, 1996, S. 1539-1543) Der Autor untersucht des Weiteren was geschieht, wenn stets neue Generationen von Tradern auf den Markt streben. Er nimmt an, dass ein neuer Trader, der andernfalls zum sophisticated investor geworden wäre, zum Noise Trader wird, sofern diese in der letzten Periode besser performt haben - er imitiert die Erfolgreichen. Palomino diskutiert die Bedingungen, unter welchen Noise Trader langfristig den Markt (zahlenmäßig) dominieren können. (vgl. Palomino, 1996, S. 1543-1546) Der Autor kann mit seinen Ergebnissen insbesondere den von Lee u. a. (1991) vorgeschlagenen Lösungsansatz zum closed-end funds puzzle – welches die Autoren anhand des noise trader risks erklären – stark unterstützen und bekräftigen. Jene Märkte seien gerade durch geringere, d. h. unvollständige Konkurrenz zu kennzeichnen und daher dafür prädestiniert, dass Noise Trader-Beliefs Kurse verzerren, so Palomino, Bezug nehmend auf sein Modell. Ferner kann der Autor auch die These von Friedman (1953) – jedenfalls für kleine Märkte – widerlegen. (vgl. Palomino, 1996, S. 1546f.) Im vorgestellten Ansatz spiegelt sich die Gruppen-Interaktion deutlich wieder. Verhaltensweisen beeinflussen sich gegenseitig. Es wird imitiert. Daher konnte der Ansatz zum gruppen-interaktiven Verhalten zugeordnet werden.

[...]


[1] Vgl. dazu Menkhoff/Röckemann, 1994, S. 277ff. und Röckemann, 1995, S. 50ff.

[2] Vgl. dazu Black, 1986, S. 529ff.

[3] Wenngleich Blacks Definition prinzipiell auch quasi-rationales Noise Trading abdeckt.

[4] Er schlägt jedoch potentielle Erklärungen vor: Menschen könnten meinen, sie handelten auf Information oder es könne eine Tendenz zum absichtlichen Handeln auf Noise, ggf. nur um des Handelns Willen, vorliegen. (vgl. Black, 1986, S. 534, vgl. auch die Interpretation von Stadtmann, 2002, S. 27).

[5] Die Anlehnung bezieht sich nur auf die Definitionen des Noise, nicht jedoch auf die weiteren Ideen und die Vorgehensweise.

[6] Alles was im Weiteren Verlauf erläutert, definiert und diskutiert wird, bezieht sich prinzipiell gleichzeitig auf die identisch vorgehenden und strukturierten Beiträge zum quasi-rationalen Noise Trading von Menkhoff/Röckemann (1994, S. 279-290) sowie von Röckemann (1995, S. 62-81). Meist wird allerdings stellvertretend mit dem neueren Ansatz von Röckemann (1995) argumentiert, sofern nicht gesondert gekennzeichnet.

[7] Den Begriff „quasi-rational“ verwendet Röckemann in Anlehnung an Thaler. (vgl. Röckemann, 1995, S. 32)

[8] Zu Friedmans Argumentation vgl. auch Stadtmann, 2002, S. 2f..

[9] Die Autoren werden im Folgenden nur noch abgekürzt als DSSW bezeichnet.

[10] Die angegebenen Bezeichnungen für das Verhalten der Gruppen (gruppen-interaktives Verhalten bzw. individuell anomales Verhalten) beziehen sich auf Menkhoff/Röckemann, 1994, S. 281-290. Röckemann (1995) geht exakt gleich vor, benutzt jedoch andere Bezeichnungen für die zwei Hauptströmungen. (Röckemann, 1995, S. 62-81) In der vorliegenden Arbeit werden, wie aus dem Text hervorgeht, die „früheren“ Bezeichnungen präferiert.

[11] Dieser Begriff wird von Menkhoff/Röckemann (1994) verwendet. (vgl. Menkhoff/Röckemann, 1994, S. 283f.)

[12] Insbesondere wird das overconfidence auch eine zentrale Rolle spielen bei den neu eingeordneten Modellen des individuell anomalen Verhaltens.

[13] Vgl. dazu auch die weiter oben gegebenen Ausführungen zu der Problematik der begrenzten Arbitrage und dem Risiko welches durch Noise Trader verursacht wird. Der Beitrag von DSSW (1990a) spielte eine wesentliche Rolle bei der Erforschung der Begrenzungen der Arbitrage.

[14] Allerdings muss einschränkend hinzugefügt werden, dass die Noise Trader im Modell von DSSW (1991) keinen Einfluss auf die Kurse haben (vgl. DSSW, 1991, S.2).

[15] Gambler`s fallacy bedeutet, dass Menschen dazu tendieren, wenn z. B. beim Roulette neunmal hintereinander ein rotes Feld erschien, zu glauben, dass jetzt ein schwarzes Feld fällig sei. Dies ist ein Trugschluss (fallacy), da jedes Ergebnis vom vorherigen unabhängig ist. (vgl. Barberis/Thaler, 2003, S. 1065). Die gambler’s fallacy entspringt der Repräsentativitätsheuristik. (vgl. Tversky/Kahneman, 1974, S. 1125)

Excerpt out of 60 pages

Details

Title
Von Anomalien zur Preisbildung: Noise Trading Modelle
College
University of Stuttgart  (FB Finanzwirtschaft)
Grade
1,0
Author
Year
2005
Pages
60
Catalog Number
V292739
ISBN (eBook)
9783656897866
ISBN (Book)
9783656905448
File size
596 KB
Language
German
Keywords
anomalien, preisbildung, noise, trading, modelle
Quote paper
Thomas Kugler (Author), 2005, Von Anomalien zur Preisbildung: Noise Trading Modelle, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292739

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