Der afroamerikanische Soziologe, Journalist und Philosoph W.E.B. Du-Bois reiste durch Deutschland und schrieb 1937 Artikel über Nazi-Deutschland für die Zeitung Pittsburgh-Harrior. Diese unabhängigen Zeitzeugenberichte von Journalisten zeigen ein Bild von Deutschland unbeeinflusst von propagandistischen Einflüssen. Deshalb sind diese von unschätzbar großem Wert:
„Deutschland steht in seiner übergroßen Mehrheit hinter Adolf Hitler. In Deutschland gibt es Essen und Wohnung. Im Großen und Ganzen ist es ein zufriedenes und blühendes Land. Binnen vier Jahren ist die Arbeitslosigkeit von sieben Millionen auf zwei Millionen oder weniger gesunken. Das ganze Land ist überzogen mit neuen Häusern für die einfachen Leute, mit neuen Straßen, neuen öffentlichen Gebäuden und neuen Arbeitsbeschaffungsmaßnamen aller Art. Lebensmittel sind gut, sauber und billig. Die öffentliche Ordnung ist perfekt, es gibt kaum sichtbare Kriminalität. Und doch. Es ist paradox. In direktem Widerspruch zu alldem ist Deutschland schweigsam, nervös, gehemmt. Es spricht flüsternd, es gibt keine öffentliche Meinung, keine Opposition. Nichts wird diskutiert. Es gibt Wellen der Begeisterung aber nicht den geringsten Protest.“1
Der jüdische Dichter Paul Celan wurde in zahlreichen Konzentrations- und Arbeitslagern des NS-Regimes in Rumänien festgehalten. Er verfasste 1943 das Gedicht „Todesfuge“.
Ein berühmtes Zitat des Gedichts ist: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“ Diese Arbeit soll zeigen, dass Paul Celan Recht behalten sollte. Die „Euthanasie“, die in Deutschland in erschreckend professioneller, auf Effizienz getrimmter und durchdachter also „meisterlichen“ Art und Weise durchgeführt wurde, ist eine weltweit einmalige Aktion... Wie kam es zur Zwangssterilisation? Wie wurde die „Euthanasie“ durchgeführt? War die Herabwertung bestimmter Menschengruppen eine Erfindung des Dritten Reichs? Es soll geklärt werden, wer die Opfer der Sterilisierungen und des „Gnadentods“ waren. Außerdem soll die Frage beantwortet werden, wer die Täter waren. Waren alle beteiligten Menschen barbarische Bestien, die aus Mordlust handelten? Diese Arbeit soll einen Überblick verschaffen, wie die Tötungsanstalten aufgebaut waren und wie sie arbeiteten. Es soll auch untersucht werden, wie sich die Bevölkerung und die Kirchen verhielten.
Die Tötung der Menschen, die man als „Ballastexistenzen“ bezeichnete, wurde schlichtweg als Arbeitsvorgang angesehen. Welche Kraft oder Macht befähigte die Täter so zu denken?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorwort
- Vom Sozialdarwinismus zum Nationalismus
- Die wissenschaftliche Begründung zur Vernichtung lebensunwerten Lebens
- Hitlers Lektüre: „Der Grundriß der menschlichen Erblichkeitslehre und Rassenhygiene.“ Von Bauer/Fischer/Lenz
- Erste Schritte ebnen den Weg zur Zwangssterilisation
- Hitler kommt an die Macht
- Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
- Die Haltung der Kirchen zur Zwangssterilisation
- Ausweitung des Begriffs „Lebensunwertes Leben“
- Die Sterilisierung behinderter Kinder in Hilfsschulen und Sonderschulen
- Erziehung und Unterricht in der Hilfsschule
- Die Unterrichtsfächer in der Hilfsschule
- Die deutschen Sonderschulen
- Der Stopp der Sterilisierungen
- Der Gnadentod
- Erste Schritte zur „Euthanasie“
- Der Verwaltungsmassenmord
- Ein Beispiel für einen der routinemäßigen „Trostbriefe“ an die Angehörigen
- Die Aufgabe der Zwischenanstalten
- Selektionskriterien zur Euthanasie
- Das System der Tötungsanstalten
- Am Beispiel Hartheim bei Linz
- Tötung und Verwaltung
- Der Brenner Nohel
- Verwaltung bedeutet Geheimhaltung
- Die Selektion
- Die Tötung als optimierter Arbeitsprozess
- Die Hartheimer Statistik
- Das Personal
- Die Kinder-“Euthanasie”
- Die Transporte
- Behinderte Menschen als Opfer von Medizinversuchen
- Unterdruck- und Kälteversuche
- Fleckfieberversuche
- Knochentransplantations-, Sulfonamid- und Phlegmoneversuche
- Malaria Versuche
- Kampfstoff- und Giftgasversuche
- Die Haltung der Kirchen zur „Euthanasie”
- Der „Euthanasie“-Stopp
- Die Aktion „Sonderbehandlung 14 f 13”
- Tötungsaktionen am Beispiel Hadamar
- Erste Mordaktion
- Das Personal
- Die Zweite Mordphase
- Hungerkost
- Reaktionen der Öffentlichkeit und der Angehörigen
- Die Täter
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Thema der „Euthanasie“ im Nationalsozialismus. Sie beleuchtet die historischen Hintergründe, die Entwicklungen, die zur Zwangssterilisation von Menschen mit Behinderungen führten und die Tötungsaktionen, die unter dem Deckmantel der „Gnadentod“ durchgeführt wurden. Die Arbeit soll die Frage beantworten, wie es zur Ausgrenzung und Vernichtung von Menschen mit Behinderungen in Deutschland kam.
- Die Rolle des Sozialdarwinismus und der Rassenhygiene in der Ideologie des Nationalsozialismus
- Die Entwicklung des Begriffs „Lebensunwertes Leben“ und seine Anwendung in der Praxis
- Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ und seine Folgen für Menschen mit Behinderungen
- Die „Euthanasie“-Aktion „T4“ und ihre Organisation
- Die Rolle der Kirchen und der Bevölkerung im Umgang mit der „Euthanasie”
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit untersucht die Ausgrenzung und Vernichtung von Menschen mit Behinderungen im Nationalsozialismus. Sie beginnt mit einer Einleitung, die die Thematik einführt und die zentralen Fragestellungen der Arbeit definiert. Im Anschluss wird das Vorwort des Autors vorgestellt. Der Autor stellt den Kontext der Arbeit dar und beschreibt, wie die „Euthanasie“-Aktion im Nationalsozialismus als eine weltweit einzigartige Aktion angesehen werden kann. Die Arbeit zeigt auf, dass die „Euthanasie“ eine systematische und professionelle Aktion war, die von den Nazis durchgeführt wurde, um ein „gesundes deutsches Volk“ zu schaffen.
Das dritte Kapitel befasst sich mit den Wurzeln des Nationalsozialismus im Sozialdarwinismus. Es werden die Werke von Charles Darwin, Alfred Ploetz und Emil Kraeplin vorgestellt, die eine wissenschaftliche Legitimation für die Ausgrenzung und Vernichtung von Menschen mit Behinderungen lieferten. Das Kapitel untersucht außerdem die Begriffe „Lebensunwertes Leben“ und „Ballastexistenz“ und deren Anwendung in der Praxis.
Im vierten Kapitel wird die Machtergreifung Hitlers und die Einführung des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ beschrieben. Das Gesetz ermöglichte die Zwangssterilisation von Menschen mit Behinderungen, und die Arbeit beleuchtet die Haltung der Kirchen und der Bevölkerung gegenüber diesem Gesetz.
Das sechste Kapitel widmet sich der Erziehung und dem Unterricht in der Hilfsschule. Es werden die Richtlinien für Erziehung und Unterricht in der Hilfsschule aus dem Jahr 1942 analysiert und die Ideologie der „Völkischen Sonderpädagogik“ erläutert.
Im achten Kapitel wird die Aktion „T4“ im Detail beschrieben. Die Arbeit untersucht die Organisation der Aktion, die Selektionskriterien, die Zwischenanstalten, die Tötungsanstalten und die bürokratische Abwicklung der „Euthanasie“. Sie beleuchtet die Rolle der „T4“-Funktionäre und die Beteiligung verschiedener Anstalten an der Aktion. Die Arbeit untersucht außerdem den Stopp der „Euthanasie“-Aktion, die Gründe dafür und die Folgen.
Das neunte Kapitel befasst sich mit dem System der Tötungsanstalten am Beispiel der Anstalt Hartheim. Die Arbeit beschreibt den Umbau des Schlosses, die Organisation der Tötungen und die Verwaltungsabteilung. Sie untersucht die Selektion von Opfern, die Tötungsprozesse und die Rolle des Personals. Die Arbeit beleuchtet auch die Statistiken der Tötungsanstalt und die Identität des Personals.
Im zehnten Kapitel wird die Kinder-“Euthanasie” untersucht. Es werden die Kriterien für die Selektion von Kindern und Jugendlichen, die Transporte und die Tötungsprozesse beschrieben. Die Arbeit zeigt außerdem die Rolle der Intelligenztests und die Haltung der „T4“-Funktionäre gegenüber Kindern und Jugendlichen.
Das elfte Kapitel behandelt die Transporte der Opfer in die Tötungsanstalten. Es wird die Organisation der Transporte, die Rolle der „Gemeinnützige Kranken-Transport-GmbH (Gekrat)“ und die Reaktionen der Opfer und der Angehörigen beschrieben.
Das zwölfte Kapitel befasst sich mit der Verfolgung von Menschen mit Behinderungen im Kontext von Medizinversuchen. Es werden die verschiedenen Versuche, die an Menschen mit Behinderungen durchgeführt wurden, beschrieben. Die Arbeit beleuchtet die Rolle der Universitätspsychiatrie und die Ethik der Experimente.
Das dreizehnte Kapitel widmet sich der Haltung der Kirchen zur „Euthanasie”. Es werden die Reaktionen der evangelischen und katholischen Kirchen auf die „Euthanasie“-Aktion und die Rolle von wichtigen Persönlichkeiten wie Friedrich von Bodelschwingh und Clemens August Graf von Galen erläutert.
Das vierzehnte Kapitel beschreibt den Stopp der „Euthanasie“-Aktion. Es werden die Gründe für den Stopp, die Reaktionen der Öffentlichkeit und der Angehörigen und die Propaganda des NS-Regimes analysiert. Die Arbeit zeigt auf, dass die Aktion „T4“ durch den Widerstand der Kirchen, der Bevölkerung und der Angehörigen zum Stopp gebracht wurde.
Das fünfzehnte Kapitel widmet sich der Aktion „Sonderbehandlung 14 f 13“, die sich gegen Menschen mit Behinderungen in Konzentrationslagern richtete. Die Arbeit beschreibt die Selektion von Opfern, die Transporte und die Tötungsprozesse in den Konzentrationslagern.
Das sechzehnte Kapitel befasst sich mit den Tötungsaktionen am Beispiel der Anstalt Hadamar. Es wird die Geschichte der Anstalt Hadamar erläutert und die erste und zweite Mordphase beschrieben. Die Arbeit untersucht die Rolle des Personals und die verschiedenen Methoden, die zur Ermordung von Menschen mit Behinderungen verwendet wurden. Sie zeigt außerdem die Reaktionen der Öffentlichkeit und der Angehörigen auf die Verbrechen, die in Hadamar begangen wurden.
Das siebzehnte Kapitel behandelt die Reaktionen der Öffentlichkeit und der Angehörigen auf die „Euthanasie“-Aktion. Die Arbeit zeigt auf, dass es viel Widerstand und Empörung gegenüber der Aktion gab. Sie beleuchtet auch das Verhalten der Bevölkerung, die überwiegend passiv war.
Im achtzehnten Kapitel werden die Täter der „Euthanasie“-Verbrechen analysiert. Die Arbeit untersucht die Motivation der Beteiligten, die Rolle verschiedener Berufsgruppen und die soziale Zugehörigkeit der Täter. Sie kommt zu dem Schluss, dass die meisten Täter nicht aus Überzeugung handelten, sondern ihre Aufgaben als normale Arbeit ansahen.
Das neunzehnte Kapitel fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen. Der Autor zieht die Schlussfolgerungen aus seinen Forschungen und betont, dass die „Euthanasie“-Verbrechen als ungeheure Tragödie der deutschen Geschichte anzusehen sind. Die Arbeit hebt die Rolle der Macht und des Reichtums bei der Verfolgung von Menschen mit Behinderungen hervor und kritisiert die bis heute fehlende Anerkennung der Opfer der „Euthanasie”.
Schlüsselwörter
Sozialdarwinismus, Rassenhygiene, Lebensunwertes Leben, Zwangssterilisation, Euthanasie, Aktion T4, Gnadentod, Hilfsschule, Sonderschule, Tötungsanstalt, Transport, Medizinversuche, Kirche, Öffentlichkeit, Angehörige, Täter, Verfolgung, Vernichtung, Opfer, Nationalsozialismus, Deutschland.
- Quote paper
- Mario Schönmetzler (Author), 2013, Von der Zwangssterilisation bis zur Euthanasie im Nationalsozialistischen Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293095