Unter dem Begriff der Dietrichepik wird eine Gruppe von epischen Versdichtungen in mittelhochdeutscher Sprache verstanden, deren Held Dietrich von Bern ist. Die Erzählungen fußen auf einer großen Stofftradition aus dem mittel- und nordwesteuropäischen Raum. Die Dietrichsage stellt hierbei, neben der Nibelungensage, wohl den bedeutendsten Komplex der germanischen Heldensage dar. Die Stoffe und Personen der Sagen entstammen der Völkerwanderungszeit und ihren historischen Ereignissen..
Die Geschichten erzählen von blutigen Schlachten, vom heldenhaften Kampf der Helden, ihrem todesmutigem Einsatz, von Sieg und Vernichtung. Im Falle der Dietrichepik diente der Ostgotenkönig Theoderich der Große als Vorlage zur Ausgestaltung des Helden, in ihm lebt die Erinnerung an den 526 verstorbenen König weiter. Über die Jahrhunderte wurde aus der realen Person Theoderich dem Großen der Sagenheld Dietrich von Bern. Aller Wahrscheinlichkeit nach, sind die Texte der Dietrichepik nahezu vollständig im 13. Jahrhundert abgefasst worden, in einer Zeit in der die mündliche Dichtung, trotz der sich weiter ausbreitenden Schriftlichkeit, noch immer präsent war. Diese Arbeit untersucht deshalb, ob sich in einem der Epen, der „Rabenschlacht“, Hinweise auf diese mündliche Tradition finden lassen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Orale und literalisierte Kulturen
- Die homerische Frage
- Parrys These und ihre Folgen
- Merkmale oraler Dichtung
- Die historische Dietrichepik
- Dietrichs Flucht
- Die „Rabenschlacht“ und die Theorie der oralen Dichtung
- Hinweise auf Mündlichkeit
- Personengestaltung
- Dietrich
- Hildebrant
- Wolfhart
- Beispiele für Epitheta ornantia
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, ob sich in der mittelhochdeutschen Versdichtung „Rabenschlacht“ Hinweise auf mündliche Traditionen finden lassen. Der Fokus liegt auf der Analyse des Epos unter dem Blickwinkel der oralen Dichtungstheorie, insbesondere im Hinblick auf die Merkmale, die Walter Ongs Werk „Oralität und Literalität“ für orale Kulturen identifiziert.
- Die Merkmale der oralen Dichtungstheorie nach Walter Ong
- Die historische Entwicklung der Dietrichepik und ihre Beziehung zur mündlichen Tradition
- Die Analyse der „Rabenschlacht“ anhand der Merkmale der oralen Dichtung
- Die Bedeutung der mündlichen Tradition für die Entstehung und Überlieferung der Dietrichepik
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Dietrichepik als einen wichtigen Bestandteil der germanischen Heldensage vor und erläutert die Forschungsfrage, ob sich in der „Rabenschlacht“ Spuren der mündlichen Überlieferung finden lassen.
- Kapitel 2 beleuchtet den Unterschied zwischen oralen und literalisierten Kulturen und die Auswirkungen der Schriftlichkeit auf Sprache und Denken. Dabei wird auf Walter Ongs Theorie der „Oralität und Literalität“ Bezug genommen.
- Kapitel 3 behandelt die literaturwissenschaftliche Forschung zur oralen Tradition, insbesondere die „homerische Frage“ und die Bedeutung von Parrys These für die Erforschung der mündlichen Dichtung.
- Kapitel 4 stellt die historische Dietrichepik und ihre beiden Hauptwerke vor und analysiert die „Rabenschlacht“ anhand der Merkmale der oralen Dichtung, die in Kapitel 3 definiert wurden.
Schlüsselwörter
Dietrichepik, „Rabenschlacht“, orale Tradition, Mündlichkeit, Literalität, Walter Ong, homerische Frage, Parrys These, Epitheta ornantia, formelhafte Wendungen, Gedächtnisleistung, Wissensvermittlung.
- Citation du texte
- Marcus Straubmüller (Auteur), 2009, Die "Rabenschlacht" und die Theorie der oralen Dichtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293123