Biographieanalyse. Analyse eines narrativen Interviews


Term Paper, 2013

28 Pages


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Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Begriffsklärungen
Die Narrationsanalyse und narrative Interviews
Das Gespräch

Stegreiferzählungen selbsterlebter Ereignisabläufe
Das Interesse an der Prozessstruktur des Lebenslaufs
Kognitive Figuren des autobiographischen Stegreiferzählens
Die kognitive Figur des Biographie-und Ereignisträgers
Die kognitive Figur der Erfahrungs- und Ereigniskette
Die kognitive Figur des sozialen Rahmens
Die kognitive Figur der Gesamtheit der Lebensgeschichte
Zugzwänge des Erzählens

Erzähltheoretische Grundlagen
Biographietheoretische Grundlagen
Analyseschritte
Formale Textanalyse
Die strukturelle inhaltliche Beschreibung
Analytische Abstraktion
Wissensanalyse

Strukturelle Beschreibung Anhand eines Beispiels

Fazit

Quellenangabe

Einleitung

Die Biographieanalyse ist eine Erhebungsmethode der qualitativen Forschung1. Diese zielt darauf ab Hypothesen zu generieren und „den subjektiven Sinn, den Personen mit ihrem Verhalten verbinden“2, objektiv zu analysieren. Dies geschieht auf der Basis bedeutungsgenerierender Regeln. Die Qualitative Forschung ist auf das Verstehen gerichtet und bedient sich nicht-standardisierter Verfahren. Zur Erhebung dienen meist Texte, Bilder oder Protokolle, welche im Anschluss einer interpretativen Bedeutungsanalyse unterzogen werden und in einer analytischen Beschreibung enden.3 Fritz Schütze entwickelte für das narrative Interview ein Auswertungsverfahren, welches unter der Bezeichnung Narrationsanalyse bekannt ist. Diese Hausarbeit zielt darauf ab einen Überblick über die Biographieanalyse zu geben und gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden erst verschiedene Begrifflichkeiten zum Thema geklärt, die einen Einstieg in die Thematik schaffen sollen. Dazu werden Texte von Fritz Schütz, Inhalte des Seminars zur Biographieanalyse und die Vorlesungsskripte zur Qualitativen Forschung von Prof. Dr. R. Kreitz hinzugezogen. Im zweiten Teil wird auf die Prozessstrukturen und Kognitive Figuren des Stehgreiferzählens eingegangen. So soll ein tieferes Verständnis darüber geschaffen werden, was es bei einer Narrationsanalyse zu beachten gilt. Nach der theoretischen Einführung in die Thematik erfolgt im dritten Teil dieser Hausarbeit eine strukturelle Beschreibung anhand eines Segments aus dem narrativen Interview „Zora“. Es geht darum mehr als das oberflächlich deutbare zu erkennen.

Begriffsklärungen

In diesem Teil erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit den Begriffen „Narrationsanalyse“, „Narratives Interview“, „Gespräch“ und „Stegreiferzählung“ erläutert.

Die „ Narrationsanalyse “ und das „ Narrative Interview “

Die Narrationsanalyse stellt ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe narrative Interviews interpretiert und gedeutet werden können. Die Narrativen Interviews stellen dabei spontane Gespräche dar, welche sogenannte Stegreiferzählungen von selbsterlebten Ereignisabläufen beinhalten. Diese Stegreiferzählungen sind in Gesprächsabläufe eingebettet.

Das Gespräch

Ein Gespräch gilt als solches, sobald ein kommunikativer Austausch über einen Sachverhalt stattfindet. Und demnach Gegenstand des Gesprächs ist und das Gespräch trägt. Im Allgemeinen sind Gespräche davon gekennzeichnet, dass der Sprecher und der Hörer wechselseitig eine kooperative Haltung einnehmen und sich damit in einem Rollenwechsel befinden. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Gespräch auch einseitig stattfinden kann. Dabei sei die Sachverhaltsdarstellung gesondert zu betrachten, da diese zu einem Text werden könnte.4 Ein Gespräch gliedert sich in drei Strukturierungsebenen:

die Gesprächsorganisation, die Handlungskonstitution und die Sachverhaltsdarstellung. Diese werden in der Hausarbeit nicht näher erläutert. Das Ziel eines Gesprächs soll über die Anfangsphase, Kernphase und Beendigungsphase erreicht werden.

Stegreiferzählungen selbsterlebter Ereignisabläufe

Stegreiferzählungen stellen den Hauptbestandteil des narrativen Interviews und eine Methode der Datenerhebung dar. Das Ergebnis einer Stegreiferzählung sind Primärdaten, also Daten aus erster Hand. In diesem Zusammenhang sind mit Stegreiferzählungen von selbsterlebten Ereignisabläufen gemeint, welche in den Gesprächsabläufen eingebettete Sequenzen darstellen.5 Die selbsterlebten Ereignisabläufe entstehen meist in face-to-face-Situationen bei denen Ereignisse aus der eigenen Erinnerung erzählt werden, ohne vorhergehende Vorbereitung oder Kalkulation.6 Die Erinnerungen wurden selbst erlebt und gelten demnach als persönliche Erinnerungen, welche mit eigenen Deutungsmustern gespickt sind. Das Nacherleben der eigenen Erfahrungen wird mit Hilfe der Stegreiferzählungen ermöglicht und ein gewöhnlicher Sprecherwechsel wird zweitweise außer Kraft gesetzt wird.7 In einer Erzählung wird, wie in einem Gespräch, ein vorher vereinbarter Gegenstand zum Thema gemacht. Bei den selbsterlebten Ereignissen ist zu beachten, dass nicht allein die Darstellung der eigenen Erfahrungen wichtig ist, sondern auch die Art und Weise, wie diese Erfahrungen dargestellt werden. Die Wiedergabe dieser Stegreiferzählungen ist analog und stellt Homologien aus dem aktuellen Erzählstrom und ehemaligen Erfahrungen dar. Erst später wird die Erzählung digital.

Das Interesse an der Prozessstruktur des Lebenslaufs

Interessant für die Biographieforschung scheint das Bestehen von Prozessstrukturen zu sein. Diese Prozessstrukturen sollen einen „Lebenszyklus von Altersgruppen einer Gesellschaft“8 darstellen. Dabei gilt es Gemeinsamkeiten von Menschen mit gleichen „sozialen Merkmalen“9, sogenannten „sozialen Aggregaten“10 und Menschengruppen gleichen Alters, sogenannten Kohorten, zu evaluieren.11 Fritz Schütze versteht unter den gleichen sozialen Merkmalen beispielsweise den Stand in der Gesellschaft. Darin stellen Schüler eines Gymnasiums ein soziales Aggregat dar, wo dann bestimmte soziale Kategorien gelten und diese Schüler über soziale Merkmale einer Gruppe zugeordnet werden. Die Schüler einer Klassestufe würden in diesem Zusammenhang eine Kohorte darstellen, weil sie sich ungefähr im gleichen Lebensalter befinden.

Die Lebenszyklen laufen ebenfalls in den meisten Fällen ebenfalls identisch ab. In den meisten Fällen gehen die Kinder von Lehrern auch dem Beruf des Lehrers nach. Hierbei liegt eine Art soziale Reproduktion vor und das über Generationen hinweg. Ein individueller Biographieträger kann ein ganz persönliches Lebensschicksal haben und stelle sich zugleich als irrelevant für die Geschichte einer Gruppe heraus. Einen guten Vergleich zur Verdeutlichung ist hierbei eine Kuhherde. Alle Kühe gehören trotz ihrer individuellen Flecken zu einer Gruppe. In diesem Fall zur Kuhherde. Bei Menschen ist das ähnlich, denn erst durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann die eigene Identität gebildet werden.12 Negative Ereignisse im Lebenslauf werden ganz unterschiedlich von Biographieträgern aufgefasst, erfahren und verarbeitet. Allein die Erfahrungsqualität und deren Wirkung sind relevant für die Identitätsbildung. Hierfür stellt ein arbeitsloser Mensch ein gutes Beispiel dar. Denn dieser kann seine Arbeitslosigkeit sowohl als Abstieg als auch als Chance sehen. Abhängig ist die individuelle Wirkung von Ereignissen auf die Biographieträger auch von den unterschiedlichen biographischen Hintergründen. Grundsätzlich können Prozessstrukturen gleich sein, aber sie werden subjektiv verarbeitet und können so transformiert werden. Der Arbeitslose könnte seine Arbeitslosigkeit also tatsächlich als Chance ansehen und nicht etwa als Ausrede für den sozialen Abstieg nutzen, und sich verändern. Des Weiteren können die Prozessstrukturen systemisch kombiniert sein. Dabei gibt es bestimmte Kombinationen mit einer kollektiven Schicksalsbetroffenheit. Als Beispiel können, hierbei die Überlebenden des zweiten Weltkrieges in Deutschland angebracht werden. Deutschland hatte den Krieg verloren und das kollektive Schicksal stellte nun die Frage danach, wie es weiter gehen solle. Die Überlebenden waren traumatisiert und es entstanden durch die Transformation neue Prozessstrukturen. Diese stellen eine Verbesserung der kollektiven Meinung dar, welche in der Aufbauphase erreicht werden. Und treten mit der Transformation, demzufolge dem Wiederaufbau eines kollektiven Wandlungsprozesses, auf, welche die individuellen Prozessstrukturen verändert. Hierbei kann geschlussfolgert werden, dass sich das Leben jener Menschen verändert.13

Schütze grenzt seine Überlegungen zu den Prozessstrukturen von den Konzepten „Lebenszyklus“ und „Familienzyklus“ ab.14 Diese anderen Konzepte seien theoretische Kategorien, welche sich makrostrukturell auf die Gesellschaft zu beziehen sind. Als Beispiel kann hierbei die Veränderung des Durchschnittsalters oder die Geburt des Erstkindes angeführt werden. Dieses verschiebe sich, gesellschaftlich gesehen, nach Hinten. Demzufolge gibt es bestimmte Ereignisse, die Menschen ungefähr zur gleichen Zeit erleben. Diese Messpunkte können flexibel sein und sind innerhalb von Kohorten relativ nah beieinander. So ist mit dem Datum der Geburt auch circa der Zeitraum der Jugendweihe und des Abiturs festlegbar.15 Diese Ereignisse bringen immer eine Statusveränderung eines Menschen und somit auch eine Veränderung des sozialen Status mit sich. Dabei können diese Menschen ab solch einem Messpunkt zudem anders von der Gesellschaft wahrgenommen werden. Hier zufolge wird beispielsweise ein krebskranker Mensch anders behandelt als ein gesunder Mensch.

Schütze ist in seinem Berufsfeld als Soziologe und in seinen Forschungsarbeiten am interpretativen Paradigma interessiert. Gleichzeitig stellt er aber heraus, dass er nicht an den Deutungsmustern als solche interessiert sei. Vielmehr interessiere ihn, wie sich die „Deutungsmuster und Interpretationen des Biographieträgers […,A.S.] im Zusammenhang […, mit dessen, A.S] rekonstruierte[r, A.S.] Lebensgeschichte“16 äußern. Unter interpretativen Paradigmen ist die Vorstellungen von bestimmten Dingen zu verstehen. Als Beispiele können hierbei das Weltbild, die Elektrizität oder die Hochzeit aufgeführt werden. Es geht hierbei nicht um die Dinge an sich, sondern um die Bedeutung die diese für den Biographieträger haben. Die Bedeutungszuschreibung kann jedoch ganz unterschiedlich sein. Somit kann eine Hochzeit für den Einen ein Fest mit vielen Menschen, Freude und einer großen Torte darstellen und für den Anderen nur eine Unterschrift, um Steuern zu sparen. Hierbei können grundlegende Paradigmen über Generationen hinweg verändert werden. Des Weiteren ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass jeder Mensch unterschiedliche Deutungsmuster hat. Somit sei die Deutung des eigenen Lebens immer eine persönliche Einschätzung.17 Fritz Schütze hat das Ziel genau diesen Zusammenhang zwischen den Prozessstrukturen und der Selbstdeutung aufzudecken.18

Prozessstrukturen seien „sequenzielle Aufschichtungen“19, die im Laufe eines Lebens aufeinander aufgebaut werden. Sie stellen eine Art Erfahrungsaufschichtung dar. Wobei eine Schicht immer eine Andere als Grundlage benötigt. Bei der Rekonstruktion der Lebensgeschichte oder einzelner Ausschnitte spielt die momentane Situation des Biographieträgers eine große Rolle. Denn diese prägt sich als gesamte Deutung der Lebensgeschichte, auf die aktuellen Umstände aus. Es kommt zu einer Umdeutung. So kann eine Hochzeit beispielsweise eine positive Lebensveränderung bewirken. Falls es mittlerweile zu einer Scheidung gekommen ist, kann diese Hochzeit auch als negatives Ereignis von Biographieträger aufgegriffen werden.

Der Biographieträger neigt bei einer Narration dazu eine pragmatische Brechung zu vollziehen. Das bedeutet genau das zuvor geschriebene: Der Kontext wird immer in die Lebensgeschichte eingebettet. Die Aufgabe bestünde nach Schütze darin mit geeigneten Forschungsmittel „die aufgeschichteten Prozessstrukturen durch die wechselnden Deutungen hindurch zu erfassen“20. Hierzu müssen verschiedene heuristische Fragestellungen aufgestellt werden, welche das Ziel haben einzelne Sequenzen der Narration zu ordnen. Diese Art der Fragen scheint vorerst trivial, spielt aber im Hinblick auf die Hintergrundserzählung eine große Rolle. Immer wieder kann es zu Lücken in einer Narration kommen, weil tragische Ereignisse sehr ungern erzählt werden. Es muss neu nachgefragt werden um mehr gute Informationen zu bekommen, denn nur so könne eine Hintergrundkonstruktion entstehen.

Kognitive Figuren des autobiographischen Stegreiferz ä hlens

Kognitive Figuren seien die „elementarsten Orientierungs- und Darstellungsraster für das, was in der Welt an Ereignissen und entsprechenden Erfahrungen aus der Sicht persönlichen Erlebens der Fall sein kann“21. Schütze geht darüber hinaus davon aus, dass sich Personen, welche miteinander interagieren, genau diese Kognitiven Figuren als eine Art „Plattform gemeinsamen Welterlebens“22 und als selbstverständlich unterstellen. Dabei unterteilt er in vier Kategorien: den Biographieträger und Ereignisträger und deren Beziehungen untereinander als kognitive Figuren autobiographischen Erzählens; die Erfahrungs- und Ereigniskette und der soziale Rahmen als kognitive Figur: Situationen, Lebensmilieus, soziale Welten und die Gesamtheit der Lebensgeschichte als eigenständige kognitive Figur.23 Diese kognitiven Figuren müssen, sobald diese eingeführt und entwickelt wurden, auch abgeschlossen werden.

[...]


1 Gegenstück zur Qualitativen Forschung bildet die quantitative Forschung. Quantitative Forschung ist demnach: Hypothesenprüfend, auf Erklären gerichtet, bedient sich standardisierten Verfahren, einer statistischen Auswertung und als Ergebnis zeigen sich Diagramme und Tabellen. Sie untersucht die statistische Verteilung von Personen- und Verhaltensmerkmalen unabhängig von der Bedeutung, die sie für die Personen und ihre Umgebung haben. (Vgl. VL Qualitative Methoden der Bildungsforschung, SoSe 2012, Prof. Dr. Robert Kreitz, S. 3)

2 Vgl. Kreitz, R. Prof. Dr. (2012), S. 3

3 Vgl. Kreitz, R. Prof. Dr. (2012), S. 3

4 Vgl. Kreitz, R. Prof. Dr. (2012), S. 4

5 Vgl. Kreitz, R. Prof. Dr. (2012), S. 5

6 Vgl. Kreitz, R. Prof. Dr. (2012), S. 3

7 Vgl. Kreitz, R. Prof. Dr. (2012), S. 5

8 Schütze, F. (1983), S. 283

9 Schütze, F. (1983), S. 283

10 Schütze, F. (1983), S. 283

11 Schütze, F. (1983), S. 283

12 Vgl. Kreitz, R. Prof. Dr. (2013), mündl. Auskunft im Seminar

13 Vgl. Kreitz, R. Prof. Dr. (2013), mündl. Auskunft im Seminar

14 Vgl. Schütze, F. (1983), S. 284

15 Die genannten Ereignisse stellen nur Beispiele dar, ebenfalls möglich sind beispielsweise auch Einschulung und Hochzeit.

16 Schütze, F. (1983), S. 284

17 Kreitz, R. Prof. Dr. (2013), mündl. Auskunft im Seminar

18 Vgl. Schütze, F. (1983), S. 284

19 Kreitz, R. Prof. Dr. (2013), mündl. Auskunft im Seminar

20 Schütze, F. (1983), S. 284

21 Schütze, F. (1984), S. 80

22 Schütze, F. (1984), S. 80

23 Vgl. Schütze, F. (1984), S. 78

Excerpt out of 28 pages

Details

Title
Biographieanalyse. Analyse eines narrativen Interviews
Author
Year
2013
Pages
28
Catalog Number
V293633
ISBN (eBook)
9783656912545
ISBN (Book)
9783656912552
File size
754 KB
Language
German
Keywords
biographieanalyse, analyse, interviews
Quote paper
Anne Steinigen (Author), 2013, Biographieanalyse. Analyse eines narrativen Interviews, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293633

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Title: Biographieanalyse. Analyse eines narrativen Interviews



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