Welche Anforderungen werden heutzutage an eine Berufsschullehrkraft gestellt?


Dossier / Travail, 2013

12 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Definition des Begriffs „Rolle“ und das Lehrerbild im Wandel der Zeit
1.1. Die Rolle des Lehrers
1.2. Das Lehrerbild im Wandel der Zeit

2. Anforderungen an eine Berufsschullehrkraft

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Das Aufgabenspektrum der Lehrerinnen und Lehrer im System Beruflicher Bildung ist in der letzten Dekade komplexer geworden (…) es (sind) der Wandel der Gesellschaft, die institutionelle Dynamik des deutschen Bildungssystems sowie die Schulorganisation und die „Karriereorientierung“ der Klientel, die das professionelle Handeln von Berufspädagogen mit neuen Aufgaben konfrontieren.“ (F. Schütte, 2006: 511). Durch den sozialen und technisch-ökonomischen Wandel in der Gesellschaft und den damit verbundenen Veränderungen in der Berufsbildung, ändert sich auch die Rolle der Berufsschullehrkraft und die Anforderungen, die an sie gestellt werden. Mit dieser Seminararbeit werde ich beantworten, was diese neuen Anforderungen sind. Beginnen werde ich mit einer allgemeinen Definition des Begriffs „Rolle“. Danach werde ich die Lehrerrolle erläutern und den historischen Wandel des Lehrerbildes aufzeigen. Der Hauptteil meiner Seminararbeit besteht darin, die Frage zu beantworten, welche neuen Anforderungen heutzutage an eine Berufsschullehrkraft gestellt werden.

1. Definition des Begriffs „Rolle“ und das Lehrerbild im Wandel der Zeit

Um die Rolle des Lehrers in der Berufsbildung darzustellen, ist es wichtig zu klären, wie der Begriff „Rolle“ in der Soziologie definiert ist. R. Linton definiert die Rolle im Kontext der Beziehung des Individuums zu vielen vielfältigen sozialen Systemen, wie zum Beispiel Familien-, Freundschafts- oder Arbeitsgruppierungen (R. Linton, 1974). In diesem Zusammenhang haben sich zwei Termini als nützlich erwiesen. Den Platz in einem einzelnen System, den ein bestimmtes Individuum zu einem bestimmten Zeitpunkt innehat, wird Status bezüglich dieses Systems genannt (R. Linton, 1974: 66) „Status wird seit langem in Bezug auf die Stellung eines Individuums im Prestigesystem seiner Gesellschaft angesehen. Der zweite Terminus, Rolle, wird so gebraucht, dass er die Gesamtsumme der Kulturmuster bezeichnet, die mit einem bestimmten Status verknüpft ist. Er umfasst also die Einstellungen, Wertbegriffe und Verhaltensweisen, welche die Gesellschaft sämtlichen Personen zuweist, die diesen Status innehaben. Dies kann sogar noch in dem weiteren Sinne verstanden werden, dass er die legitimen Erwartungen solcher Personen hinsichtlich des Verhaltens ihnen gegenüber von Seiten der Personen eines anderen Status innerhalb des gleichen Systems mitschließt. Jeder Status ist mit einer bestimmten Rolle verknüpft, die beiden Dinge sind jedoch vom Gesichtspunkt des Individuums aus keineswegs ein und dasselbe. Seine verschiedenen Statuspositionen sind ihm zugewiesen aufgrund seines Alters und Geschlechts, seiner Geburt oder Einheirat in eine bestimmte Familieneinheit und so fort. Seine Rollen werden erlernt aufgrund seiner – gegenwärtigen oder künftigen – Statuspositionen. Insoweit sie sichtbares Verhalten darstellt, ist eine Rolle der dynamische Aspekt eines Status: das, was ein Individuum tun muss, um sein Innehaben des Status zu bestätigen.“(R. Linton, 1974: 66f)

Nach R. Dahrendorf bezeichnet die soziale Rolle Ansprüche der Gesellschaft an die Träger von Positionen, die von zweierlei Art sein können: einmal Ansprüche an das Verhalten von der Träger von Positionen (Rollenverhalten), zum Anderen Ansprüchen an sein Aussehen und seinen „Charakter“ (Rollenattribute) (R. Dahrendorf, 1964: 26). „Obwohl die soziale Rolle, die zu einer Position gehört, uns nicht verraten kann, wie ein Träger dieser Position sich tatsächlich verhält, wissen wir doch, was von ihrem Spieler erwartet wird. Soziale Rollen sind Bündel von Erwartungen, die sich in einer gegebenen Gesellschaft an das Verhalten der Träger von Positionen knüpfen.“ (R. Dahrendorf, 1964: 26) „Wenn wir von sozialen Rollen sprechen, dann ist stets nur von erwartetem Verhalten die Rede, d.h. von dem Einzelnen, der sich außer ihm bestehenden Ansprüchen gegenübersieht bzw. der Gesellschaft, die dem Einzelnen mit gewissen Ansprüchen konfrontiert.“ (R. Dahrendorf, 1964: 27) „Rollen sind damit Richtschnuren des Verhaltens, denn durch das Vorhandensein von Rollen weiß der einzelne, nämlich der Inhaber der Rolle, (…), was von ihm erwartet wird und was er von anderen zu erwarten hat.“ (R. Nave-Herz, 1977: 22f)

1.1. Die Rolle des Lehrers

Nach Dahrendorf bezeichnen vor allem drei Merkmale die Kategorie der sozialen Rolle als Element soziologischer Analyse: (1) Soziale Rollen sind gleich Positionen quasi objektive, vom Einzelnen prinzipiell unabhängige Komplexe von Verhaltens-vorschriften. (2) Ihr besonderer Inhalt wird nicht von irgendeinem Einzelnen, sondern von der Gesellschaft bestimmt und verändert. (3) Die in Rollen gebündelten Verhaltenserwartungen begegnen dem Einzelnen mit einer gewissen Verbindlichkeit des Anspruches, so daß er sich ihnen nicht ohne Schaden entziehen kann.“ (Dahrendorf, 1968: 26f.) Wer aber liegt bei der Definition der Lehrerrolle hinter dem Singular „die Gesellschaft“? Es gibt zahlreiche Bezugsgruppen, die die Verhaltenserwartungen an die Lehrerrolle definieren. Zum einen die Rollenerwartungen der Eltern und Schüler, die lediglich Kann- und Sollerwartungen darstellen und die der Schulverwaltung, die als Soll- und Musserwartungen zu bezeichnen sind und tragen die Form von Verhaltensvorschriften. Deshalb soll auf die Schulorganisation als ersten eingegangen werden (R. Nave-Herz, 1977: 33).

Dem deutschen Schulwesen liegt die Organisationsform der klassischen Verwaltungs-bürokratie zugrunde, in der es hierarchisch einander übergeordnete Ämter gibt, von denen jedes festumrissene Befugnisse hat. Die oberen Instanzen, wie zum Beispiel das Kultusministerium, haben vor allem Entscheidungs-, Anordnungs- und Befehlsfunktion, während untere Instanzen, zum Beispiel Lehrer, ausschließlich Anordnungen auszuführen haben, nach oben zu berichten und sich entsprechend kontrollieren zu lassen. Somit werden die Interaktionsprozesse von oben gesteuert. (R. Nave-Herz, 1977: 33) „Der Lehrer hat somit die Bildungs-, Lehr- und Stoffpläne, die Richtlinien für den Unterricht (…), die Ordnung zur Wahrung der Schuldisziplin und zur Gestaltung der Schulerziehung, die Unterrichtszeiten und die Grundsätze für die Leistungsbewertung (…) einzuhalten, selbst dann, wenn er irgendwelche Vorschriften aus pädagogischen Gründen nicht billigt.“ (R. Nave-Herz,1977: 33f)

„Auch das Lehrer – Schüler - Verhältnis ist durch die bestehende Organisationsform der Schule gekennzeichnet bzw. belastet. Der Lehrer gilt als der Repräsentant der Ordnung. Er ist Zwischenglied zwischen Schülern und Schulleitung bzw. Schulverwaltung und ist verpflichtet, die Ordnung aufrechtzuerhalten, die sowohl eine Voraussetzung für das Lehramt darstellt, als auch die Befähigung des Lehrers symbolisiert. Interessant ist, dass Schüler mit dem Beruf des Lehrers überwiegend die mit autoritären Verhaltensmuster gekoppelten Funktionen des Lehrers assoziieren, also primäre Kontroll- und Begutachterfunktion und nicht überwiegend – wie man zunächst vermuten möchte – die Sozialisations- und Vermittlerfunktion kultureller Techniken und Bildungsinhalte.“ (R. Nave-Herz, 1977: 36) Untersuchungen von M. Keilhacker hatten bereits 1930, R. Aibauer 1954, F. Fippinger 1969, A. Baumgärtner 1969 und G. Bachmaier 1969 Schüler befragt, wie nach ihren Vorstellungen der ideale Lehrer aussehen sollte. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen zeigen zwei wichtige Momente. Zum einen gibt es den Typus des idealen Lehrers nicht und zum anderen ist Gerechtigkeit diejenige Eigenschaft, die von allen befragten Schülern als die Grundvoraussetzung für einen guten Lehrer genannt wird. Weiterhin werden als wünschenswerte Eigenschaften Autorität und Humor genannt, ebenso Verständnis und Nachsicht, als auch Selbstbeherrschung und Aufgeschlossenheit gegenüber allen Modernen. Diese Untersuchungen zeigen also, dass es ein nicht einlösbares Ziel ist, den Vorstellungen und Anforderungen aller Schüler zu entsprechen. Des Weiteren gehen in das Idealbild traditionelle Vorstellungen vom Lehrer mit ein, wie sie das Elternhaus bzw. die Öffentlichkeit erhält. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, wenn die Vorstellungen der Schüler mit denen der Eltern übereinstimmen. (R. Nave-Herz, 1977: 37f) Von den Eltern nennt die Mehrheit ebenso Gerechtigkeit als das notwendigste Kriterium für den Lehrberuf, dann Strenge, Güte und Geduld. „Aus einer Untersuchung (…) geht hervor, dass die Eltern dem Lehrer die Funktion des Wissensvermittlers zuschreiben, er aber primär der durch sein offizielles Amt legitimierte Begutachter ihres Kindes ist, dessen in Zeugnisse und Prüfungsbescheiden fixierte Urteile den weiteren Weg ihres Kindes in der Schule und damit zugleich ganz wesentlich seinen zukünftigen sozialen Status bestimmen.“ (R. Nave-Herz, 1977: 38)

1.2. Das Lehrerbild im Wandel der Zeit

Nicht nur die Schulverwaltung, die Schüler und Eltern definieren die Lehrerrolle, auch die Sozialstruktur und der gesellschaftliche Wandel nimmt Einfluss auf das Lehrerbild. Der Beruf des Lehrers, so wie wir ihn heute verstehen, ist noch gar nicht so alt. Genauer gesagt ist der Lehrerberuf in der Zeit der Aufklärung und des erstarkenden Preußens im 18. Jahrhundert entstanden. In der Antike Griechenlands und Roms gab es wenige herausragende Persönlichkeiten, wie Sokrates oder Platon, die wir heute als Lehrer bezeichnen würden. Im Mittelalter war es der Klerus, der dem kirchlichen Nachwuchs die Lehrinhalte durch Vorsprechen und Auswendiglernen, notfalls mit Gewalt, beibrachte. Im Rahmen der Industrialisierung 1750 und dem damit verbundenem wirtschaftlichem Aufschwung, weckte das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Bildung und Erziehung als Bedingung des Fortschritts. Zu dieser Zeit entstand das Lehrerbild, unter dem wir heute noch „leiden“. Es war notwendig viele Schüler zur gleichen Zeit mit dem gleichen Stoff mit möglichst gleichen Lernergebnissen zu unterrichten. Das war die Geburtsstunde des Frontalunterrichts und der Einteilung in Jahrgangsstufen. (H. Gundjons, 2005: 1) In den 50er und 60er Jahren wurde ziemlich traditionell unterrichtet und die Lehrerpersönlichkeit musste nicht persönlich erworben werden, sondern war Teil der Rolle und des Amtes. Im Jahre 1968 setzte eine ungeahnt konfliktreiche Zeit ein. Die Lehrer wurden von der Jugend systemkritisch als Agenten der Kapitalgesellschaft „entlarvt“. Es war die Zeit der gesuchten und gewollten Konflikte mit dem System, sei es in der Ablehnung des Erteilens von Noten oder durch den Auszug aus dem Staatsschulsystem durch Gründung alternativer Schulen. Doch die Mehrheit der Lehrer hatte nicht die Revolution im Sinn, sie waren eher mit den Belastungen des Alltags beschäftigt: Die Zahl der Schüler stieg, die didaktischen Ansprüche wuchsen und die Gesellschaft erwartete von den Lehrern das auszubügeln, was außerschulische Sozialisationsinstanzen (z.B. Familie) nicht mehr leisten konnten. (H. Gundjons, 2005: 2) In den 70er Jahren stellte sich durch wissenschaftliche Untersuchungen heraus, dass keineswegs nur die äußeren Belastungsfaktoren den Lehrerberuf so zermürbend machen. Die eigentümliche Anstrengung, die alltägliche Dauerspannung der Unterrichts- und Erziehungsarbeit liegt darin begründet, das pädagogisches Handeln nie aufhört, immer wieder von vorne beginnt und ständig wechselnden Situationen ausgesetzt ist. Dieses wurde außerdem verschärft durch die Erfahrung, dass sich die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen, zum Beispiel durch den Medieneinfluss, so stark veränderten, dass auch jüngere Lehrer kaum noch Schritt halten konnten. (H. Gundjons, 2005: 3) Die 80er Jahren waren geprägt „vom Diktat der leeren Kassen“, wie es die Politik formulierte. Im Vordergrund stand nicht, die materiellen Arbeitsbedingungen zu verbessern, sondern den Fokus auf die Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit zu legen. Der Markt für die Bearbeitung von Lehrerproblemen, zum Beispiel durch Supervisionsgruppen oder Lehrertrainings, boomte in den 80er und 90er Jahren, ebenso wie die Therapie-, Selbsterfahrungs- und Psychoszene. (H. Gundjons, 2005: 3f) Darüber hinaus wurden zahlreiche Vorschläge für die Veränderung des Lehreralltags – von einer zweckmäßigen Arbeitsökonomie über eine verbesserte Kommunikationsfähigkeit bis zu gezielten Entspannungs- und Rekreationsverfahren – entwickelt. (H. Gundjons, 2005: 3) Seit den 90er Jahren bis heute steht im Mittelpunkt breiter empirischer Forschungen die Frage, was denn ein guter Lehrer sei bzw. welche Kompetenzen dieser haben soll. Nicht nur die Frage nach der Lehrerpersönlichkeit steht nun im Vordergrund, sondern auch erfolgreiche Verhaltensweisen des Lehrers und die Ausbildung eines guten Fachmannes, der seine Funktion im Erteilen von Unterricht sieht und sich seines begrenzten Einflusses auf Lern- und Entwicklungsprozesse bewusst ist. Untersuchungen aber zeigten bald, dass die unterschiedlichen Lernergebnisse der Schüler und Schülerinnen eher weniger mit der Lehrkraft zusammenhing als traditionell angenommen. Damit änderte sich das Anforderungsprofil einer Lehrkraft maßgeblich: Lehren ist als Zur-Verfügung-Stellen von Lerngelegenheiten zu interpretieren. (H. Gundjons, 2005: 5)

[...]

Fin de l'extrait de 12 pages

Résumé des informations

Titre
Welche Anforderungen werden heutzutage an eine Berufsschullehrkraft gestellt?
Note
1,3
Auteur
Année
2013
Pages
12
N° de catalogue
V294953
ISBN (ebook)
9783656928508
ISBN (Livre)
9783656928515
Taille d'un fichier
393 KB
Langue
allemand
Mots clés
welche, anforderungen, berufsschullehrkraft
Citation du texte
Constanze Heusinger (Auteur), 2013, Welche Anforderungen werden heutzutage an eine Berufsschullehrkraft gestellt?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/294953

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