Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
B Abbildungsverzeichnis
C Tabellenverzeichnis
D Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Mass Customization auf dem Sportartikelmarkt
2.1 Exemplarischer Überblick
2.1.1 Anbieter & Sortiment
2.1.2 Kundeninteraktion und Vertrieb
2.2 Marktpotenzial trifft auf Marketing
3 Hintergründe des individuellen Konsums von Sportartikeln
3.1 Generelle Werte und Einstellungen der Gesellschaft
3.2 Generelles Kaufverhalten und Kauferlebnis
3.3 Spezifische Hintergründe des Konsums von Sportartikeln
3.3.1 Funktionale Sportartikel – Ausrichtung Performance
3.3.2 Modische Sportartikel – Ausrichtung Sportswear
3.4 Rolle des Sports
3.5 Zusammenfassung & Zwischenfazit
4 Bedeutung der Marke
4.1 Funktion der Marke
4.2 Vom Produkt zum Markenartikel
4.3 Markenaufbau - Markenidentität, Positionierung und Markenimage
4.3.1 Konstrukt der Markenidentität
4.4 Consumer Insights und Ziele des Konsumentenverhaltens
4.5 Metaprodukt – Konsum des ideellen Beiprodukts
5 Konzeptspezifikation - Zusammenführung relevanter Faktoren im Wirkungsmodell
5.1 Konsumentenebene
5.2 Produktebene
5.3 Markenebene
5.4 Exkurs - Individualisierung als Risiko für die Marke
6 Quantitative Erhebung
6.1 Untersuchungsdesign
6.2 Operationalisierung und Fragebogenkonstruktion
6.2.1 Merkmale des Fragebogens
6.2.2 Operationalisierung auf der Ebene being
6.2.3 Operationalisierung auf der Ebene having
6.2.4 Operationalisierung auf der Ebene doing
6.2.5 Operationalisierung auf der Ebene Markenbenefits
7 Explorative Faktorenanalyse
7.1.1 Faktoreninterpretation der Ebene being
7.1.2 Faktoreninterpretation der Ebene having
7.1.3 Faktoreninterpretation der Ebene Markenbenefits
7.1.4 Key Learnings aus der Faktoreninterpretation
8 Auswertung signifikanter Korrelationen
8.1 Critical Incidents
8.2 Zusammenführung und Erläuterung der Ergebnisse
8.2.1 Beurteilung erklärender Werte und Einstellungen (being)
8.2.2 Beurteilung erklärender Markenbenefits
8.3 Wechselwirkungen zwischen Produkt und Marke
8.4 Wechselwirkungen im Bezug auf Sport
8.5 Wechselwirkungen im Bezug auf Mode/Fashion
8.6 Hinweise auf weitere Wechselwirkungen
9 Grenzen der Aussagefähigkeit
9.1 Starke Häufung bei Produktkategorie Sportschuhe
10 Schlussbetrachtung
Anhang
E Literaturverzeichnis
B Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Phasen der Kundeninteraktion
Abb. 2: HML Zielgruppensystem
Abb. 3: HML-Typologie - Der sportliche Jeanstyp
Abb. 4: Produktkategorie-Assoziationen der Sporttestimonials
Abb. 5: Funktionspotenziale von Marken
Abb. 6: Die zwei Stufen der Markenbildung
Abb. 7: Zusammenhang zwischen Markenidentität, Positionierung, Kommunikation und Image
Abb. 8: Erklärendes Beispiel der Markenkommunikation bei Audi
Abb. 9: Das modifizierte Markennavigationsrad nach Esch
Abb. 10: Struktur und Inhalt von mentalen Konsumzielen
Abb. 11: Die Metaprodukte bzw. Konnotationen des Metaprodukts
Abb. 12: Das zusammengeführte Wirkungsmodell als Ausgangsbasis
Abb. 13: Konsumentenebene
Abb. 14: Produktebene
Abb. 15: Markenebene
Abb. 16: Konzept von Involvement nach Zaichkowsky
Abb. 17: Vereinfachte Übersicht signifikanter Korrelationen zwischen allen Faktoren
Abb. 18: Hochsignifikante Korrelationen bei sport- und leistungs-bezogenen Faktoren
Abb. 19: Zusammenhang bei modebezogenen Faktoren.
Abb. 20: Zusammenhang bei modebezogenen Faktoren.
Abb. 21: Häufigkeitsanalyse von Glaubwürdigkeit und Sympathie von Profisportler
Abb. 22: Geschlechtsspezifische Auswertung der Mittelwerte von Nutzung individualisierbarer Sportartikel
Abb. 23: Wechselwirkungen im Bezug auf Sport
Abb. 24: Wechselwirkungen im Bezug auf Fashion/Mode
Abb. 25: Ungleichmäßige Verteilung der Altersstruktur
C Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Generelle Antwortoptionen bei der 5-stufigen Likert-Skala
Tabelle 2: Formulierung im Fragebogen bzgl. Kauferfahrung
Tabelle 3: Formulierung im Fragebogen bzgl. Relevanz
Tabelle 4: Entfernte Variablen bei explorativer Faktorenanalyse
Tabelle 5: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 1 Selbstinszenierung
Tabelle 6: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 2 Konsumfreude
Tabelle 7: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 4 Distinktion
Tabelle 8: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 5 Involvement (added value)
Tabelle 9: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 5 Fantum Sport
Tabelle 10: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 7 Credibility Athlet
Tabelle 11: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 1 Design
Tabelle 12: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 2 Funktion
Tabelle 13: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 1 Anerkennung
Tabelle 14: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 2 Integration
Tabelle 15: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 3 Unterstützung Alltag
Tabelle 16: Rotierte Komponentenmatrix des Faktors 4 Mode/Fashion
Tabelle 17: being-Faktoren und deren Veränderung nach erfolgter Faktorenanalyse
Tabelle 18: Markenbenefits-Faktoren und deren Veränderung nach erfolgter Faktorenanalyse
Tabelle 19: Korrelation zwischen being Fantum Sport und Nutzung Sport
Tabelle 20: Korrelation zwischen being Involvement/added value und having Funktion
Tabelle 21: Korrelation zwischen being Selbstinszenierung und Nutzung Sportswear
Tabelle 22: Korrelation zwischen doing Nutzung Sportswear und having Funktion
Tabelle 23: Korrelation zwischen being Selbstinszenierung und Markenbenefits Anerkennung
Tabelle 24: Korrelation zwischen doing Nutzung Sport und doing Nutzung Sportswear
Tabelle 25: Korrelation zwischen being Fantum Sport und Nutzung Sport
Tabelle 26: Korrelation zwischen being Einzigartigkeit und Integration
Tabelle 27: Vergleich gleichwertiger Variablen im und außerhalb des Sports
Tabelle 28: Weiterführende Korrelationen ohne Situationsbezug
Tabelle 29: Abgeleitete mögliche Konsumfunktionen von Design
D Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Seit meinem ersten beruflichen Kontakt mit der Marke Nike im Jahre 2009 betrachte ich den außergewöhnlichen Markt der Sportartikelhersteller im Bereich von Mass Customization und die vielfältigen und komplexen Veränderungen diesen Marktes. Als Angestellter beim Luxussportartikelhersteller Bogner im Bereich der Markenkommunikation beschäftigt mich nun im besonderen Maße die Suche nach grundsätzlichen Möglichkeiten mit der Marke und den Markenprodukten neue (und bisherige) Zielgruppen anzusprechen und gleichzeitig dem hohen Innovationsdruck in der Branche Rechnung tragen zu können. Hinter dieser Suche ist vor allem die Frage nach der Wirkung der Marke oder der Wirkung des Produkts maßgeblich. Mit diesem Gedanken im Hintergrund betrachte ich die Geschehnisse des Mass Customization- Markts und seinen Marktteilnehmern intensiv. Mass Customization tritt in verschiedenen Skalierungen in der Sportartikel-, Fashion- und Lifestylebranche immer häufiger als Teil des Angebots großer Marken auf.
Mass Customization - was im Deutschen Sprachgebrauch mit “maßgeschneiderte Massenfertigung” oder “kundenindividuelle Massenproduktion” übersetzt werden kann, hat seinen Ursprung in der Entwicklung von Produktions- und Marketingkonzepten.[1] Die Notwendigkeit dieser Konzepte sind dem gesellschaftlichen Wandel im Konsumgütermarkt geschuldet: höhere und individuellere Ansprüche des Kunden, die Suche nach Abwechslung und emotionalen Erlebnissen gepaart mit Selbstbestimmtheit und zunehmender Preissensibilität.[2] In diesem Rahmen ist der in der Fachliteratur häufig genannte Definitionsansatz von Piller sehr gut nachvollziehbar: “Mass Customization bezeichnet die Produktion von Gütern und Leistungen, welche die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers dieser Produkte treffen, mit der Effizienz einer vergleichbaren Massen- bzw. Serienproduktion (…).”[3] Da die Notwendigkeit durch Marktbedürfnisse entstanden ist, darf das Mass-Customization-Konzept im vorliegenden Kontext mehr als Wettbewerbsstrategie denn als Produktionskonzept bezeichnet werden.[4] Ein hoher Grad an Differenzierung bei günstigem Kostenverhältnis ist das übergeordnete unternehmensstrategische Ziel bei der kundenorientierten Marktbearbeitung.[5] In Anlehnung an Coates ist der Grad der Individualisierung in Kombination mit dem Zeitpunkt entscheidend, so dass sich nach herrschender Meinung die Unterscheidung von Hard- und Soft Customization anbietet.[6] Auf dieser Basis interpretiert Piller die Unterscheidung von Hard- zu Soft Customization ob der konsumentenbedingte Eingriff vor oder nach der Fertigung bzw. Produktion erfolgt. Wird das Produkt außerhalb der originären Produktionsstätte individualisiert, bspw. eine finale Software-Einrichtung durch den User, spricht man von einer sogenannten Built-in-Flexibility im Rahmen der Soft Customization.[7]
Vor diesem Hintergrund und angesichts der möglichen Bandbreite von Individualisierungen stellt sich speziell aus der markenstrategischen Perspektive die Frage nach dem eigentlichen Unterschied von Marke und Produkt: Was genau wird eigentlich auf dem Sportartikelmarkt innerhalb von Mass Customization Konzepten individualisiert? Nach vorherrschender Meinung ist ein Produkt etwas, das durch Arbeit geschaffen und als Ware vermarktet wird.[8] “Bei einer Marke hebt sich sich ein Produkt mithilfe eines Namens, Logos oder anderer Form von Identifikation von der Konkurrenz ab.”[9] Auf Basis dieser Definition ist es schwierig die Frage zu beantworten, was der Käufer bei kundenindividualisierten Sportartikel dann tatsächlich verändert bzw. individualisiert: Das Erscheinungsbild der Marke – also auch Teil der Identifikation – oder lediglich das Produkt? Die Frage nach dem Unterschied zwischen Marke und Produkt ist nicht mehr ohne Weiteres zu beantworten. Ist es lediglich die Möglichkeit, das Produkt seinen Wünschen anpassen zu können oder vielmehr der Reiz und das damit einhergehende Erlebnis, die sonst vorgegebene Produktidentifikation nach seinen Vorstellungen verändern zu können? Die Trennung von Marke und Produkt ist demnach im Rahmen von Mass Customization – insbesondere auf dem Sportartikelmarkt – sehr komplex und scheint speziell im Rahmen dieser Wettbewerbsstrategie konvergent.
Daher möchte ich mich in der vorliegenden Arbeit der Problemstellung widmen, inwiefern sich durch Mass Customization auf dem Sportartikelmarkt Wechselwirkungen zu der entsprechenden Markenführung geben und wie diese miteinander verknüpft sind? Der Sportartikelmarkt wird in dieser Arbeit fokussiert in den Produktbereichen Sportbekleidung und Schuhe betrachtet. Ziel dieser Arbeit ist es ein besseres Verständnis und eine engere Verbindung zwischen dem Produktmanagement bzw. der Produktentwicklung und dem Feld der Markenstrategie bzw. Markenführung zu schaffen.
Zunächst möchte ich anhand der Problemstellung und dem Hintergrund von Mass Customization aufzeigen, dass strategische Markenführung bei Mass Customiziation-Produkten auf dem Sportartikelmarkt Wechselwirkungen zwischen dem Produkt und der Marke vermuten lassen.
Auf Basis einer deduktiven Vorgehensweise wird sekundäranalytisch ein theoretisches Grundgerüst eines Ausgangsmodells erstellt. Dies geschieht unter Ausnutzung der relevanten und verfügbaren Literatur (insbesondere erster Forschungsergebnisse auf diesem Feld). Durch dieses Verfahren werden die elementaren Bestandteile des Modells definiert und die vermuteten Wechselwirkungen in dem ersten Grundmodell, welches als Ausgangsbasis für eine empirische Untersuchung dient, grafisch dargestellt. In dieser Untersuchung werden Konsumenten von kundenindividualisierten Sportartikeln befragt, um mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse mögliche Wechselwirkungen zwischen Marke und Produkt zu identifizieren und darstellen zu können. Daraufhin werden interessante Berührungspunkte und Auswirkungen näher beschrieben, mit dem Ziel Produktmanagement und Markenstrategie besser miteinander in ein gesamtheitliches Management integrieren zu können.
2 Mass Customization auf dem Sportartikelmarkt
2.1 Exemplarischer Überblick
2.1.1 Anbieter & Sortiment
Die Angebote auf dem internationalen Sportartikelmarkt sind zahllos. Die relevanten Mitbewerber auf dem globalem Sportartikelmarkt sind lt. dem weltweit umsatzstärksten Anbieter Nike u. a. die Hersteller adidas, V. F. Corporation und Puma.[10] All diese Sportartikelhersteller bieten für einen Teil ihrer Marken entsprechende Individualisierungsprogramme an. Der riesige US-Hersteller V. F. Corp. mit seinen Outdoor- und Actionsportsmarken wie The North Face, Reef, Napapijri oder Timberland ist – zumindest bisher – ohne entsprechendes Individualisierungsangebot eine Ausnahme.[11] Der deutsche Sportartikelhersteller PUMA überarbeitet offensichtlich bereits sein zweites Programm für den Mass Customization Markt, das im ersten Versuch den klangvollen Namen “PUMA Mongolian Shoe BBQ” trug und nun mit dem Programm “PUMA FACTORY” scheinbar wieder auf dem Prüfstand zu sein scheint.[12] Die offizielle Seite “factory.puma.com” ist seit Wochen nur noch mit dem Hinweis “Puma’s custom expierence is under going maintenance”[13] erreichbar und auf der Puma-Markenseite ist zur Zeit kein Hinweis auf das Customizing Programm zu finden. Nike hingegen bietet unter dem Markennamen “NIKEiD” eine Vielzahl von Produkten in sechs Sport-Kategorien, unterteilt für Damen und Herren, an. In den jeweiligen Kategorien findet man neben den Funktionsartikeln auch die zugeordneten Lifestyle-Artikel bzw. „Sportswear“. Der Fokus des Angebots liegt dabei eindeutig auf Schuhen.[14] Ähnlich wie Nike verfährt die adidas Group mit der Marke “mi adidas” und trennt dabei im Gegensatz zu Nike von vornherein sehr strikt die Kategorien der funktionalen Sportartikel („adidas Performance“), von den sportinspirierten Lifestyle-Artikel („adidas Originals“).[15]
2.1.2 Kundeninteraktion und Vertrieb
„Aufgrund der Tatsache, dass die Kundenintegration eine Interaktion zwischen Unternehmen und Kunden und den Austausch von Informationen erfordert, wird der Kunde wesentlicher Bestandteil des Wertschöpfungsprozesses. Die Wertschöpfung wandelt sich somit von der Transaktion zur Interaktion“[16] Die gängigen Gestaltungs- und Bestellplattformen von personalisierbaren Konsumgüterartikeln auf dem Sportartikelmarkt basieren auf einem digitalen Konfigurator, der es ermöglicht die angebotenen Produkte individuell zu gestalten. Der Konfigurator ist meist online abrufbar und ermöglicht es unter den eigenen Zugangsdaten viele Gestaltungsvarianten der Produkte auch zentral abzuspeichern - so ist es beispielsweise auch der Fall bei NIKEiD und mi adidas. Das nachfolgende Modell der Kundeninteraktion bei Mass Customization gilt sowohl für Online- als auch für Offline-Interaktionsprozesse.[17]
Abb. 1: Phasen der Kundeninteraktion
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Kirn et al. 2005, S. 22
Darauf basierend sind auch die Personalisierungsmöglichkeiten von Nike und adidas nicht nur online verfügbar, sondern im Rahmen der ersten drei Phasen auch als Teil eines Marketingkonzepts zu sehen, welches auch im stationären Handel oder auf entsprechenden Events umgesetzt wird. Nike bietet wie adidas seine Personalisierungsmöglichkeiten auf Eventplatzierungen mit einem mobilen Shop, an. Sonst findet man das Angebot nur in eigenen Flagship-Stores (NikeTown), während mi adidas zusätzlich auch bei ausgewählten Handelskunden existiert.[18] Ähnlich wie bei NIKEiD ist auch bei mi adidas der Übergang von „Exploring“ zur „Konfiguration“ der eigenen individuellen Lösung fließend.[19]
2.2 Marktpotenzial trifft auf Marketing
Bei der Literatursichtung fällt auf, dass sich die Wissenschaft im Rahmen von Mass Customization mit der Betrachtung und dem Zusammenhang von den Themenfeldern Marke, Produkt und Marktbedürfnissen recht oberflächlich auseinandersetzt. Größtenteils wird das Marktpotenzial von Produktindividualisierungskonzepten mit neuen und anspruchsvolleren Kundenanforderungen an das Produkt und der damit einhergehenden Konsumheterogenität begründet. Diese recht rationale und „technische“ Perspektive, lässt den emotionalen Hintergrund des geforderten Wettbewerbskonzepts nahezu außen vor. Allerdings ist gerade der für die strategische Markenführung im Sportartikelmarkt eminent wichtig. „Zur zweckmäßigen Gestaltung (...) ist es entscheidend, ob das Angebot individuellen Bedürfnissen oder dem Bedürfnis nach Individualität zu genügen hat – Letzteres ist nicht individuell.“[20] Letzteres ist vor allem auch kein rationales Bedürfnis, sondern als ein emotionales Bedürfnis aufzufassen, das sich aufgrund von Einstellungen, Lebenswelten und dem relevanten Wertesystem der jeweiligen Menschen ergibt. Neben der zunehmenden Heterogenität der Konsumentenbedürfnisse an das objektive Produkt selbst, wird das Marktpotential auch durch ein sehr menschliches Bedürfnis versucht zu belegen – dem individuellen Streben nach Selbstverwirklichung – bezogen auf die Bedürfnispyramide nach Maslow.[21] Allerdings könnte es nach zwei verschiedenen Forschungsansätzen, der sozialpsychologischen Forschung und der humanistischen Psychologie, zwei Auffassungen geben. Denn die sozialpsychologische Forschung unterstellt dem menschlichen Individualisierungsbedürfnis eher eine Art Wertewandel in Richtung auf selbstbezogenes und selbstinszeniertes Verhalten. Kreuzer lehnt u. a. auch aus diesen Gründen die maslow’sche Bedürfnispyramide als Begründung für individuellen Konsum ab.[22] Daran lässt sich aber sehr gut nachvollziehen, dass hinter diesem hohen Potenzial von Mass-Customization eine komplexe Bedürfnisstruktur menschlicher Gruppierungen liegt, die rational sowie emotional begründet ist.
3 Hintergründe des individuellen Konsums von Sportartikeln
Nachfolgende Punkte speisen sich aus der sekundäranalytischen Bearbeitung relevanter Literatur zur Identifikation von generellen „Critical Incidents“ bzw. weiterführenden Erkenntnissen über die Individualisierung des Konsums im Generellen und im Konsum von Sportartikeln. Der Erkenntnisgewinn wird später mit den gängigen markenstrategischen Instrumenten zur Definition und Positionierung einer Marke verknüpft. Daher wird ausschließlich die Konsumentenperspektive betrachtet. Diese Verknüpfung wird Ausgangsbasis des Grundmodells sein.
3.1 Generelle Werte und Einstellungen der Gesellschaft
Trend zur Selbstdefinition, eigener Lebensstil
Kreuzer lehnt die These ab, dass der Wunsch nach Selbstverwirklichung tatsächlich gesellschaftlicher Treiber individuellen Konsums ist.[23] Allerdings gibt er der These viel Gewicht, dass sich Konsumenten trotzdem wie Individualisten wahrnehmen möchten.[24] Jeder Mensch möchte entsprechend seinem Lebensstil konsumieren, ganz gleich ob das der Lebensstil vieler ist.[25] Man könnte hierbei einen Wandel zum „kollektiven Individualismus“ der Gesellschaft ableiten.
Trend zu psychologischem Hedonismus
Blaho leitet aus dem häufig zitierten Wertewandel, der erfolgt sei, auch einen zunehmenden Stellenwert des psychologischen Hedonismus ab und schlussfolgert, dass jeder Einzelne in seinem Lebensstil und -situation andere Vorstellungen von „Spaß“ und „Freude“ hat und somit weitere Impulse zur Individualisierung der Nachfrage entstehen. [26]
Bedürfnis nach Einzigartigkeit und Distinktion
Das Bedürfnis nach Einzigartigkeit wird aufgrund der Identitätsdefinition als Prädisposition vorausgesetzt und entzieht sich somit dem Einfluss eines Anbieters und wird eher durch die jeweilige Sozialisation beeinflusst.[27] Ist diese Ausprägung bei gewissen Gruppierungen aber hoch, bieten Sie Potenzial, diese durch die Wahl des Markenanbieters auszuleben.[28] Schreier und Franke bewiesen, dass der Wunsch nach Abgrenzung ein eindeutiges Bedürfnis ist, das durch Mass-Customization-Konzepte befriedigt werden kann: „For most subjects, however, the uniqueness (…) carried utility because it allowed demonstrative differentiation from other consumers.”[29]
Re-interpretation von Prestige und Anerkennung
In Anlehnung an Duncker schlussfolgert Blaho, dass durch den zunehmenden Wohlstand der Weltbevölkerung „extravaganter“ oder ausschweifend teurer Konsum nicht mehr prestigewürdig ist, sondern durch eine damit verknüpfte Ressourcenverschwendung, negativ beurteilt würde.[30] Die aktualisierte Auffassung von Prestige ist demnach die „individuelle Einzigartigkeit“ als Status darzustellen, was letztlich zur Individualisierung der Nachfrage im Konsumgütermarkt führt.[31]
Trend zu Selbstinszenierung, Außenwahrnehmung
„Die in der westlichen Gesellschaft unumgängliche Auseinandersetzung mit der eigenen Individualität zwingt den Einzelnen zur Selbstpositionierung (...).“[32] Kreuzer bestätigt in seiner Erhebung zur individuellen Freizeitbekleidung, den Wunsch mit Bekleidung die eigene Einzigartigkeit zu kommunizieren.[33] Er betont dabei die Möglichkeit zur symbolischen Aufwertung im Sinne der Selbstergänzung des Menschen bzgl. seines (idealen sozialen) Selbstkonzepts – also zur Schließung der Lücke der tatsächlichen Wahrnehmung durch seine Umwelt und dem Idealbild, das er an diese abgeben möchte.[34]
3.2 Generelles Kaufverhalten und Kauferlebnis
Erlebnis und Spaß durch Variety Seeking
Durch die individuellen Wünsche der Konsumenten neigen diese zu mehr Wechsel bzw. zur Suche nach Alternativen.[35] Das sogenannte „Variety Seeking Behavior“ trägt dem Rechnung und ist als ein zunehmend häufiges Phänomen des menschlichen Kaufverhaltens zu verstehen. Die dadurch erlebte Abwechslung generiert einen Mehrwert (im Sinne eines positiven Erlebnisses) für den Konsumenten.[36]
High Involvement und hohe Bedürfnisheterogenität
Bei einer Studie zu Nutzerzufriedenheit konnten Franke und von Hippel empirisch nachweisen, dass die Nutzer mit weitaus höherem Produktwissen individuellere Bedürfnisse hatten und mit der Möglichkeit der hohen Individualisierung sehr zufrieden mit dem Produkt waren.[37] Dies bestätigt im gewissen Rahmen die Forschung von Kreuzer, insofern der Grad an Individualität im kommerziellen Rahmen – respektive „non-special-interest“ – nicht zu hoch sein sollte, um individuellen Konsum in der Breite (bspw. Freizeitbekleidung) relevant anzubieten.[38]
Erlebnis durch Individualisierungsprozess
Ähnlich wie dem zuvor beschriebenen “variety-seeking behavior” hat die Erfahrung der Personalisierung selbst einen Mehrwert – nämlich in Form eines attraktiven Erlebnisses: “Present findings support Fiore et al. ’s (2001) study that concluded that mass customization of fashion products not only increases value for the customer through the development of differentiated, unique products but also offers experiences that entice the customer.”[39]
3.3 Spezifische Hintergründe des Konsums von Sportartikeln
Bei der Betrachtung des Angebots der bekanntesten Sportartikelhersteller wird sehr schnell deutlich, dass sich die Angebote im generellen in zwei Bereiche gliedern lassen: zum einen in Richtung Mode und dem Ausdruck sportlichen und lässigen Lebensstils, mittels “Sportswear”, und zum anderen in Richtung Sport betreiben und der “Performance”, also Leistungsoptimierung durch funktionale Produkte. Denn “Produkte für eine professionell betriebene Sportart (…) müssen auch eine biomechanische Lösung bieten. (…) Diese Unterscheidung markiert die Grenze zwischen Sport und Lifestyle, und wenn man noch weiter gehen möchte: zur richtigen Mode, sprich ‘Fashion’.”[40] So hat sich nicht nur das Angebot bei NIKEiD nach den zwei vielversprechenden Marktpotenzialen ausgerichtet: “Neben dem ambitionierten und funktionsorientierten Sportler öffnet sich für mi adidas eine weitere, wachstumsstarke Zielgruppe: eine Gruppe junger Wilder, die Fashion und Design über den Funktionsaspekt stellen (…).”[41] Im Folgenden wird lediglich ein grober Einblick in relevante Faktoren und Details bei Sportartikeln gegeben, um die vorangegangene Erkenntnis – die Differenzierung zwischen der Performance-Ausrichtung und der Fashion-Ausrichtung – besser nachvollziehen zu können:
3.3.1 Funktionale Sportartikel – Ausrichtung Performance
In Anlehnung an Ebert liegen die Verwendungsmotivatoren von funktionalen Sportartikeln in diesen Themenbereichen:[42]
Erfahrung mit Natur und Umwelt
Hierzu zählt u. a. das Erfahren und Ausreizen der Gesetzmäßigkeiten der Erde.
Ästhetik
Die sportliche Ästhetik im Umgang oder bei Nutzung mit dem jeweiligen Produkt, insbesondere bei ausdrucksstarken Sportarten.
Interaktion mit anderen Nutzern
Dazu zählen Identifikation mit der entsprechenden Sportszene oder aber auch das Bedürfnis mit oder gegen jemanden in sportlichem Wettbewerb zu stehen. Hierzu gehört auch das Streben nach einem höheren gesellschaftlichen Status mittels der Sportausübung.
Schutz des Nutzers
Bspw. durch entsprechendes Material oder entsprechenden Zusatznutzen mehr Sicherheit beim Betreiben der Sportart oder Schutz vor Umwelteinflüssen zu bekommen.
Optimierung eigener Leistungen
Die Möglichkeit durch den Sportartikel bessere Rahmenbedingungen zur Erreichung einer besseren sportlichen Leistung zu schaffen, bspw. durch weniger Gewicht des Produkts.
3.3.2 Modische Sportartikel – Ausrichtung Sportswear
Laut einem bekannten Forschungsinstitut im Bereich Mode und Lifestyle, der HML Modemarketing Gesellschaft, lassen sich die relevanten Motive von Mode-Konsumenten nach zwei Kriterien beschreiben: [43]
1. Dem Anspruchsniveau, welches eng gekoppelt an die Ausgabebereitschaft ist.
2. Dem entsprechenden Modegrad.
Abb. 2: HML Zielgruppensystem
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: HML-Zielgruppen-System, Stand: Juni 2014
Die Abgrenzung zwischen Käufen von Sportswear und Funktionsbekleidung sind fließend (und nicht trennscharf). Dennoch ist der Großteil der Sportswear-Käufer laut HML hauptsächlich im Segment 1C zu finden.[44] Diese Segmentierung ähnelt inhaltlich sehr dem Anforderungsprofil der Sportartikelhersteller an Lifestyle-Außendienstmitarbeiter:[45]
- gibt sich sportlich leger
- trägt Jeanshosen mit lässigen Trainingsjacken und T-Shirts
- weiß, welche Marke im Moment angesagt ist, welche Schuhe zu welchem Oberteil kombiniert werden können
- trägt Produkte aus der eigenen Lifestyle-Kollektion
- fährt einen Wagen, der im Trend liegt
Die Zielgruppe des betreffenden Zielgruppensegments 1C wird wie nachfolgend beschrieben:[46]
Abb. 3: HML-Typologie - Der sportliche Jeanstyp
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: HML-Zielgruppen-System, Stand: Juni 2014
1. Dimension Modegrad: Trendy
Sie gelten als Trendsetter, und sind hochmodisch gekleidet und sie bevorzugen einen lässigen, sportlichen und trendigen Kleidungsstil. Sie sind überwiegend 14 bis 29 Jahre alt und geprägt durch ständige Orientierung an aktuellem, für sie relevanten, Lifestyle.
2. Dimension Anspruchsniveau: Die Pro-Kopf-Ausgaben sind leicht unterdurchschnittlich, aber weichen teilweise auch stark voneinander ab. Sie kaufen selten Komplettoutfits, sogenannte „Coordinates“, sondern bevorzugen Einzelteilkäufe.
3.4 Rolle des Sports
Die emotionale Plattform des Sports dient der Identifikation
„Sport hat den Stellenwert einer Weltreligion.“[47] Die hohe Emotionalität, die durch den Sport und dessen hohen Stellenwert vermittelt wird, ist nicht nur eine hochattraktive Plattform für Sponsoring vieler werbetreibender Unternehmen, die sonst rationale Argumente zur Produktkommunikation nützen müssten, sondern ist gerade für Sportartikelhersteller die perfekte Keimzelle um Identifizierungspotenzial für deren Produkte und Marken zu generieren: „Die positiven Erlebnisse verschiedenster Sportarten und die Begeisterung für den Sport und seiner Protagonisten sind die ideale Plattform für die Markenkommunikation.“[48] Der Konsument selbst hat für sein soziales Umfeld durch die Identifikationsmöglichkeit auch einen klaren Vorteil: Er kann sein definiertes Selbstkonzept und seine Außenwahrnehmung besser umsetzen (vgl. Kapitel 3.1) – natürlich nur wenn der entsprechende Sport als das Wunschobjekt seiner Identifikation fungieren kann. Denn durch die hohen Reichweiten in den Medien und der entsprechenden Relevanz des Sports in der Gesellschaft, kann sich der Sportkonsument im jeweiligen Umfeld selbst authentisch und wirksam positionieren. Das versuchen Konsumenten u. a. dadurch, dass sie sich im Rahmen der Sportart klar als Markenfan des jeweiligen Unternehmens bekennen.[49] Die Markenkommunikation und der entsprechende Werbedruck des „Sport-Branding“, geben dem Konsumenten - vor allem auch durch die zunehmende viralen Mechaniken in vielen Kampagnen - effektive Werkzeuge an die Hand.
Athleten sind generelle Beweisbringer und Identifikationsobjekte
Sobald Unternehmen Prominente (aber auch Konsumenten) zu Marktkommunikationszwecken einsetzen, spricht man von sogenannter „Testimonialwerbung“ und meint auf Basis des etymologischen Ursprungs des Begriffs „Testimonial“, mittles dieser Personen zum Zweck den „Produktbeweis“ des beworbenen Guts effektiv bei der Zielgruppe zu kommunizieren.[50] Nufer und Heider bewiesen mit Hilfe einer Häufigkeitsanalyse, dass Sportler am passendsten für sportnahe Produkte erachtet werden: Dies trifft überproportional auf die Kategorie Sportartikel zu. Aber auch in der Produktkategorie Kleidung werden Athleten als Vorbilder betrachtet.
Abb. 4: Produktkategorie-Assoziationen der Sporttestimonials
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Nufer und Heider 2012, S. 25
Des Weiteren wird bewiesen, dass Männer und Frauen es als besonders wichtig erachten, dass Sie sich mit dem Testimonial identifizieren können und dieser vertrauenswürdig ist.[51] Dies ist vor allem dann gegeben, wenn glaubhaft dargestellt wird, dass der Athlet das Produkt auch im privaten Leben aus Überzeugung verwendet.[52]
3.5 Zusammenfassung & Zwischenfazit
Haupttreiber des individuellen Konsums sind generell der Wunsch nach Verbesserung und Anpassung des funktionalen Nutzens eines Produkts. Ein weiterer Treiber des individuellen Konsums ist auch die Betonung der Einzigartigkeit angesichts des fortgeschrittenen Wertewandels unserer (westlichen) Gesellschaft. Die hohe Bedeutung und Wertschätzung von „gelebter Einzigartigkeit“ scheint mitursächlich zu sein, für die „neue“ Interpretation von Prestige und Anerkennung und somit auch ursächlich für den kollektiven Willen sich individuell zu verhalten und zu konsumieren, um sich so für die Außenwahrnehmung zu positionieren.
Ein äußerst interessanter Umstand ergibt sich aus der Erkenntnis, dass die Glaubwürdigkeit bei (funktionalen) Sportartikeln, die über Sporttestimonials kommuniziert wird, effektiver ist, als bei Bekleidung. Bekleidung bei Sporttestimonials wird aber auch im hohen Maße als glaubwürdig erachtet.
4 Bedeutung der Marke
4.1 Funktion der Marke
Die exakte Begriffsklärung der Marke ist eine schwierige Angelegenheit und abhängig von der jeweils eingenommenen Perspektive und der jeweils „zeitgemäßen“ Auffassung von Marke, Marketing und Kommunikation.[53] Dennoch ist man sich in der Literatur über die grundlegenden Eigenschaften einer Marke einig. Deshalb scheint folgender Definitionsansatz dem gemeinsamen Nenner der Auffassungen von „Marken“ zu entsprechen: „Eine Marke ist ein differenzierendes Zeichen, das für eine Leistung steht und auf Kontinuität aufgebaute Botschaften langfristig erfolgreich an den Kunden kommuniziert.“[54] Hierbei muss betont werden, dass eine Marke ein Zeichen, ein Symbol ist, das u. a. durch seine Wiedererkennbarkeit die enormen Möglichkeiten der Markenkommunikation ermöglicht. „Die Relevanz der Marke ergibt sich aus dem Nutzen einer Marke für ein Unternehmen.“[55] Dieser Nutzen ist eng verbunden mit den Funktionen, die eine Marke erfüllen kann. Dieser Nutzen kann je nach Perspektive unterschiedliche Ebenen einnehmen. Für das Verständnis der vorliegenden Arbeit sind vor allem die endverbraucherrelevanten Funktionen von Bedeutung:
Abb. 5: Funktionspotenziale von Marken
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Vgl. Fuchs und Unger 2004, S. 33 in Anlehnung an Meffert, Burmann & Koers
4.2 Vom Produkt zum Markenartikel
Nach Adjouri und Stastny existieren zwei grundlegende Entstehungsstufen eines Markenprodukts, welche den Aufbau von der Leistung und Markierung bis zur Bedeutung und letztlich die Entstehung der Marke bzw. des Markenartikel erläutern:
Abb. 6: Die zwei Stufen der Markenbildung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Adjouri und Stastny 2006, S. 63 f.
Aus der markierten Leistung (Produkt oder Dienstleistung) selbst ist noch keine Marke entstanden, sondern lediglich die Verbindung von Leistung zu definierten Zeichen (siehe Kapitel 3.2.1 Begriffsklärung Marke). Die Marke selbst ist die Bedeutung dieses Zeichens und entsteht durch seine Identität: “Die Markenidentität gibt vor, welche Nutzen, Eigenschaften, Gefühlswelten und Erlebnisse einer Marke an externe Anspruchsgruppen zu vermitteln sind.”[56] Sie ist das verdichtete abstrahierte Bild mit all seinen Versprechungen und Bedeutungen, was das Produkt oder die Dienstleistung für den Stakeholder rational und emotional verkörpern soll. Innerhalb der Organisation gilt die Markenidentität als die Leitlinie, nach der das gesamte Handeln ausgerichtet werden sollte um eine sogenannte Markenkonsistenz aufbauen und zielgerecht nach außen vermitteln zu können.[57] Nur dann können die Funktionspotenziale (siehe Kapitel 4.1 Begriffsklärung Marke, Abb. 6) effektiv ausgeschöpft werden.
4.3 Markenaufbau - Markenidentität, Positionierung und Markenimage
Entstehung, Hintergründe und Bestandteile einer Marke sind eine sehr komplexe Angelegenheit, welche direkt oder indirekt meist mit der Historie von Produkten, Dienstleistungen des Unternehmens zusammenhängen. Entsprechend schwierig ist es, all diese Facetten den Anspruchsgruppen klar, deutlich und vor allem prägnant zu vermitteln. Aus diesen Gründen muss die Markenidentität auf wesentliche und zielführende Merkmale konzentriert werden – hierzu ist die sogenannte Markenpositionierung hilfreich.[58] „Die Markenpositionierung dient zur Abgrenzung der eigenen Marke von Konkurrenzmarken. Die gewählten Positionierungseigenschaften müssen dabei den Wünschen und Bedürfnissen der Konsumenten entsprechen und für diese relevant sein (Esch, 2010, S. 152 ff.).“[59] Hierzu dienen sogenannte „Insights“, welche Aufschluss, über psychologische Motive und Spannungen der Konsumenten bei bestimmten Angeboten geben.[60] Damit die Markenidentität für den Konsumenten auch sofort erkennbar und spürbar ist, muss ihre Positionierung eindeutig sein - sie besteht daher aus wenigen, aber relevanten und prägnanten Merkmalen der Marke.[61] Diese müssen intern und extern insbesondere durch passende Kommunikationsmaßnahmen vermittelt werden um das definierte Selbstbild der Marke möglichst verlustfrei in die Außenwahrnehmung der Marke, dem Markenimage, zu übersetzen: [62] Wie man an nachfolgender Abbildung erkennt, ist die Markenidentität Ausgangspunkt der Markenführung in Organisationen. Sie ist notwendig, um die Positionierung festzulegen, welche maßgeblichen Einfluss auf die kommunikative Umsetzung hat. Die Passgenauigkeit der kommunikativen Umsetzung auf die verabschiedete Positionierung entscheidet vor allem über das wahrgenommene Markenimage. Da das Markenimage als Ist-Zustand der Wahrnehmung beschrieben werden kann, ist das Image also hochgradig mitverantwortlich für den Erfolg der markenführenden Organisation.
Abb. 7: Zusammenhang zwischen Markenidentität, Positionierung, Kommunikation und Image
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Esch 2010, S. 91
Bei der Kommunikation der Marke Audi ist beispielsweise sehr gut nachvollziehbar, wie die Marke durch emotionale progressive Bildsprache, entsprechendem Text und grafischer Gestaltung in Richtung Innovation, Technik und Leistung positioniert wurde.
Abb. 8: Erklärendes Beispiel der Markenkommunikation bei Audi
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Audi Produktseite, Internet: http://microsites.audi.com/rs/index.html?locale=de_DE#/rs6avant/feature, Zugriff: 19.07.2014
4.3.1 Konstrukt der Markenidentität
Um das später dargestellte Modellkonstrukt besser nachvollziehen zu können, wird im nachfolgenden ein kurzer Überblick über die einzelnen Bestandteile der Markenidentität gegeben. Das Konstrukt der Markenidentität kennt mittlerweile viele verschiedene Herangehensweisen, welche in der Fachliteratur in verschiedensten Ausführungen und Versionen erläutert werden. Eine Mehrzahl dieser Erläuterungen gehen zurück auf das (modifizierte) Markensteurrad nach Esch. Hier wird in der Zusammensetzung der einzelnen Elementen zwischen sogenannten „Hard Facts“ und „Soft Facts“ unterschieden:
Hard Facts:
Markenattribute
Eigenschaften des Angebots (bspw. bestimmtes Material)
Eigenschaften des Unternehmens (bspw. größtes Verkaufsnetz)
Benefits (Markennutzen bzw. Nutzenversprechen)
Sachlich-funktionaler Nutzen (bspw. „dämpft besser“)
Psychosozialer Nutzen (bspw. „damit werde ich anerkannt“)
„Grundsätzlich gilt: Kunden kaufen keine Eigenschaften, sondern Nutzen (Rothschild, 1987, S. 156).“[63] Die Nutzenversprechungen werden bei der Erarbeitung einer Kommunikationsstrategie öfter mit Hilfe der Markenattribute begründet. Dieser sogenannte „Reason Why“ begründet innerhalb einer Kommunikationsmaßnahme die Kernbotschaft, die vermittelt werden soll und hilft somit, das Positionierungsziel der Markenstrategie zu erreichen.[64]
Soft Facts:
Markentonalität
Innerhalb der Markentonalität wird meist durch Adjektive beschrieben, wie sich die Marke anfühlen soll, also die Erfassung der Emotionen.
Markenbild
Innerhalb des Markenbilds geht es u. a. um visuelle Merkmale einer Marke, die durch ein sogenanntes „Corporate Design“ eine eindeutige Zuordnung und Wiedererkennbarkeit ermöglichen soll. Dazu gehören aber generell alle im engeren Sinne „spürbaren“ Bestandteile der Corporate Identity wie bspw. auch das „Corporate Behavior“.[65]
Kernelement des Markennavigationsrads und Bezugspunkt aller Bestandteile ist die Markenkompetenz, welche sich auf die Historie des Unternehmens, deren Herkunft, deren Rolle im Markt oder weitere herausstechende, differenzierende und vor allem relevante Assets beziehen kann (bspw. Patente, Herstellungsverfahren, etc.).[66] Bei der Dachmarke Nike könnte die Markenkompetenz bspw. der Fakt sein, größter Sportartikelhersteller weltweit zu sein. Daraus ließe sich für deren Markenidentität schlussfolgern, dass im Rahmen der Markenattribute und Benefits die Produkte und deren Nutzen hochwertig und anerkannt sein müssen. Entsprechend selbstbewusst, kompromisslos und stark könnte die Marke im Rahmen der Markentonalität und des Markenbilds auftreten.
Abb. 9: Das modifizierte Markennavigationsrad nach Esch
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Esch 2010, S. 102
4.4 Consumer Insights und Ziele des Konsumentenverhaltens
Haben (Have), Sein (Be) und Tun (Do) sind lt. Konsumpsychologen die Entscheidungstreiber für Produkte, denn dem Verbraucher geht es darum, in diesen drei Dimensionen seine Ziele zu verwirklichen.[67] Sogenannte “Being-Goals” sind werte- und einstellungsbasiert und können bspw. die Suche nach Geborgenheit oder Erfolg im Beruf sein. Entsprechend dem Ziel werden unterschiedliche Produktkategorien konsumiert.[68] „Wenn (Marken-)Produkte an Being-Goals anknüpfen, dienen sie als Identitätsmarkierer nach außen (...).“[69] Bei „Doing-Goals“ ist die Verwendung des Produkts maßgeblich und bei „Having-Goals“ der Produktnutzen, also die Benefits.[70]
Abb. 10: Struktur und Inhalt von mentalen Konsumzielen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: eigene Abbildung in Anlehnung an Baumann 2011, S. 54
Die Verwertung dieser Entscheidungstreiber können im Rahmen detaillierter Identifikationen von Consumer Insights ermöglicht werden: „Der Consumer Insight betrifft die Konsumentenperspektive, d. h. die Wahrnehmung der Konsumenten und deren unterbewusste seelische Strukturen.“[71] Werden diese vom Vermarkter wahrgenommen, ist diese Kenntnis für den Erfolg des Angebots auf Grund des „goal compatibility effect“ ein großer Vorteil, denn die Übereinstimmung von Zielen und Produkten beeinflusst die Produktbeurteilung und Produktentscheidung.[72]
4.5 Metaprodukt – Konsum des ideellen Beiprodukts
Der Kauf einer Marke (vgl. Kapitel 4.2) auf dem emotionalen Sportartikelmarkt – bedeutet auch den Kauf der Bedeutung einer Marke und dessen Image – dem Konsum des sogenannten „Metaprodukts“. “Die Zuschreibung der Botschaft, die das Markenprodukt ausspricht, wird erweitert zu der These des Mediencharakters des Produktes, das somit neben seinem Inhalt auch gleich die Art seiner Vermittlung in sich trägt.”[73] “Das erlaubt dem Konsumenten sich selbst auszudrücken und stützt die Darstellung seines idealen Selbstkonzepts.[74] Das Metaprodukt erzeugt somit im Hintergrund die Verbindung der abstrakt definierten Marke bzw. seinem real existierenden Markenimage mit dem physischen Produkt. Es ist im Kontext der Individualisierung das produktseitige und vom Konsumenten selber geschaffene Ergebnis individuelle „being-doing“-Konstrukt und reichert somit die Bedeutung des Produkts für den Nutzer aller Voraussicht nach in hohem Maße an. „Durch den Kauf erklärt und beweist das Individuum, sich der alltäglichen Identitätsumsetzung zu stellen und konzipiert seinen Lebenslauf als eine Quasi-Stadionbahn, in der selbst geschaffene Identitätskonzepte dem Publikum zur Anerkennung dargeboten werden.“[75] Diese Anerkennung wird vor allem durch die intersubjektiven Konnotationen des Metaprodukts erzeugt und wird durch soziale Integration, Anerkennung von Disziplinierung und der Bestätigung eines bestimmten Lifestyles erreicht. Über das Metaprodukt Selbstbestimmung wird Individualität und Einzigartigkeit vermittelt, indem die „Abweichung von der Masse” durch den entsprechenden Konsum möglich wird. Das Gewissen wird durch Solidarität beruhigt, indem der Konsum des Markenproduktes an die Übernahme von Verantwortung geknüpft wird. Emotionalität und Schönheit erzeugen ein gewisses Wohlgefühl beim Konsumenten bzw. die Erfüllung eines Schönheitsideals (siehe nachfolgende Abb. 11).[76]
[...]
[1] Vgl. Düll 2009, S. 1
[2] Ebd.
[3] Piller 2006, S. 159
[4] Vgl. Kirn und Piller und Reichwald und Schenk und Seelmann-Eggebert 2005, S. 1
[5] Vgl. Düll 2009, S. 7 ff.
[6] Vgl. Coates und Wolff 1995, S. 6
[7] Vgl. Schnäbele,1997, S. 47 f
[8] Vgl. Russel 2010, S. 72
[9] Ebd.
[10] NIKE Inc.: Geschäftsjahresbericht 2013, Internet: http://investors.nikeinc.com/files/doc_financials/AnnualReports/2013/docs/nike-2013-form-10K.pdf, Stand: 11.06.2014
[11] V. F. Corporation: Markenübersicht, Internet: http://www.vfc.com/brands, Stand: 11.06.2013
[12] Vgl. Voglesang 2014
[13] PUMA Factory: PUMA Factory Webseite, Internet: http://factory.puma.com, Stand: 11.06.2014
[14] Vgl. NIKEiD.: NIKEiD Online Store, Internet: http://www.nike.com/de/de_de/c/nikeid, Stand 11.06.2014
[15] Vgl. adidas Deutschland: mi adidas, Internet: http://www.adidas.de/personalisieren, Stand: 11.06.2014
[16] Kirn et al. 2005, S. 17
[17] Vgl. ebd. S. 22
[18] Vgl. Kirn et al. 2005, S. 39 ff.
[19] Vgl. ebd. S. 40
[20] Kreuzer 2005, S. V
[21] Vgl. ebd. S. 7
[22] Vgl. ebd. S. 23 ff.
[23] Vgl. Kreuzer 2005, S. 23 f.
[24] Vgl. ebd., S. 358
[25] Vgl. Blaho 2001, S. 67
[26] Vgl. ebd.
[27] Vgl. Kreuzer 2005, S. 352
[28] Vgl. Föll 2007, S. 37
[29] Franke und Schreier 2008, S. 101
[30] Vgl. Blaho 2001, S. 68
[31] Vgl. ebd., S. 68 f.
[32] Kreuzer 2005, S. 110
[33] Vgl. ebd., S. 349
[34] Vgl. ebd., S. 351; S. 116
[35] Vgl. Hart 1995, S. 38
[36] Vgl. Blaho 2001, S. 67
[37] Franke und von Hippel 2003, S. 1209 f.
[38] Vgl. Kreuzer 2005, S. 357
[39] Fiore und Kunz 2004, S. 845
[40] Metzenmacher 2012, S. 246
[41] Kirn et al. 2005, S. 163
[42] Vgl. Ebert 2010, S. 8 ff.
[43] Vgl. HML Modeinstitut: HML-Zielgruppensystem, Internet: http://www.hml-modemarketing.de/index.php?id=46, Stand 19.06.14
[44] Vgl. HML Modemarketing, Gespräch mit Gerd Hoffmann (Consultant) am 20.06.2014
[45] Vgl. Metzenmacher 2012, S. 254 f.
[46] Vgl. HML Modeinstitut: HML-Zielgruppensystem, Internet: http://www.hml-modemarketing.de/index.php?id=46, Stand 19.06.14
[47] Lauterbach und Bongartz 2013, S. 183
[48] Ebd., S. 184
[49] Vgl. ebd., S. 184 ff.
[50] Vgl. Nufer und Heider 2012, S. 5
[51] Vgl. ebd., S. 35
[52] Ebd.
[53] Vgl. Meffert und Burmann und Koers 2005, S.20 f.
[54] Adjouri und Stastny 2006, S. 65
[55] Fuchs und Unger 2004, S. 33
[56] Kroeber-Riel und Esch 2011, S. 77
[57] Vgl. ebd.
[58] Vgl. ebd., S. 79
[59] Ebd.
[60] Vgl. Baumann 2011, S. 27
[61] Vgl. Kroeber-Riel und Esch 2011, S. 79
[62] Vgl. ebd., S. 79 ff.
[63] Kroeber-Riel und Esch 2011, S. 82
[64] Vgl. Föll 2007, S. 45
[65] Vgl. Fuch und Unger 2004, S. 11
[66] Vgl. Kroeber-Riel und Esch 2011, S. 83
[67] Vgl. Baumann 2011, S. 53
[68] Vgl. ebd.
[69] Ebd.
[70] Vgl. Ebd.
[71] Vgl. Föll 2007, S. 45
[72] Vgl. Baumann 2011, S. 54
[73] Koch 2011, S. 68
[74] Vgl. ebd., S. 72
[75] Ebd., S. 67
[76] Vgl. ebd. S. 74 f.