Leseprobe
INHALT
Einleitung
1. Das betriebliche Strategiesystem
1.1. Unternehmens- und Geschäftsstrategie
1.2. Das strategische Personalmanagement
1.3. Strategie als Antwort auf neue Herausforderungen
2. Integrationsstufen
2.1. Personalstrategie als eigenständige funktionale Strategie
2.2. Personalstrategie als abgeleitete Strategie
2.3. Ressourcenorientierte Personalstrategie
2.4. Personalstrategie als Teil der Unternehmensstrategie
2.5. Integrationsansätze – Übersicht
3. Der Prozess der Personalstrategieentwicklung
3.1. Situationsanalyse
3.2. Zieldefinition
3.3. Entwicklungsbedarfsanalyse
3.4. Maßnahmenplanung
3.5. Überprüfung der Zielerreichung
Schluss
Literatur
1. Einleitung
In der wissenschaftlichen Literatur zum Thema ‚Personal‘ hat sich in den letzten 15 Jahren der Schwerpunkt der Diskussion verlagert: statt von einem eingeschränkten Personalfunktions-Begriff auszugehen, statt Personalabteilungen und –administration in den Mittelpunkt zu stellen, ist heute zunehmend von Personalmanagement (bzw. Human Resource Management als in den USA geprägter Begriff) die Rede. Hintergrund ist das Verständnis der Personalfunktion als Teil eines übergreifenden (Management-) Prozesses, dem zum einen eine entscheidende Bedeutung für den Erfolg des gesamten betrieblichen Managements zukommt, zum anderen wird in einer ganzheitlichen Sichtweise das Personal nicht primär als Kostenfaktor, sondern als Leistungsträger und –potential gesehen. Eine Forderung besteht hier insbesondere in der strategischen Ausrichtung des Personalmanagements.
Trotz dieser langjährigen Diskussion scheint sich noch keine umfassende Theorie durchgesetzt zu haben, noch weniger liegen profunde, empirisch belegbare Erfahrungen aus der Praxis vor. Scholz tituliert (1995) Strategisches Personalmanagement gar als „Konzept zwischen Fata Morgana“ (der man vergeblich nachjagt) „und aufkommender Morgenröte“ (die eine verbesserte Unternehmenssituation verheißt).[1]
Im Rahmen dieser Arbeit soll eine Einordnung des Strategischen Personalmanagements unter besonderer Berücksichtigung der Unternehmensstrategie erfolgen.
Zunächst erfolgt eine Erläuterung des betrieblichen Strategiesystems. Was beinhaltet überhaupt eine Unternehmens-/ bzw. Geschäftsstrategie? Und was versteht man unter strategischem Personalmanagement ? Die zunehmende Strategieorientierung – auch im Personalbereich - wird meist als Antwort auf ‚Wertewandel‘, Internationalisierung‘ und ‚Technologieentwicklung‘ aufgefasst. Daher erfolgt anschließend über diese neuen Herausforderungen im unternehmerischen bzw. gesellschaftlichen Umfeld ein kurzer Überblick.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit der Frage, warum und wie eine Einbindung des Personalmanagements in die Unternehmensstrategie erfolgt. Hier lassen sich verschiedene Integrationsstufen unterscheiden, die ganz klar mit dem Stellenwert der Personalfunktion im Unternehmen gekoppelt sind.
Im dritten und letzten Teil soll die Umsetzung im Vordergrund stehen. Wie werden auf der Grundlage der Entscheidungen im strategischen Personalmanagement Personalstrategien für die ‚Sub-Funktionen‘ Auswahl, Beurteilung, Anreizgestaltung und Entwicklung definiert und implementiert? Und wie erfolgt in diesem Prozessablauf die Einbindung in das betrieblichen Gesamtsystem?
2. Das betriebliche Strategiesystem
Ein wesentliches Merkmal von Strategien sind die langfristige Orientierung und eine ganzheitlich-konzeptionelle Ausrichtung (statt: Reaktion auf Umweltveränderungen). Dafür ist eine Unternehmensstrategie zu entwickeln, deren Umsetzung durch Geschäfts- und funktionale Teilstrategien sicherzustellen ist. Diese Teilstrategien orientieren sich an den Langfristzielen des Unternehmens, und sie legen Mittel und Wege fest, die erforderlich sind, um diese Ziele zu erreichen.[2]
2.1. Unternehmens- und Geschäftsstrategie
Die Unternehmensstrategie hat als integrierte Gesamtstrategie die Bandbreite der unternehmerischen Aktivitäten festzulegen, und zwar in drei Bereichen:[3]
- Diversifikationsstrategie: In welchen Märkten wollen wir heute und in Zukunft tätig/nicht mehr tätig sein?
- Investitionsstrategie: Welche finanziellen, personellen und technischen Ressourcen stehen uns zur Verfügung, und wo werden sie eingesetzt (Investitionsstrategie)?
- Kooperationsstrategie: In welcher Form erfolgt die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen und mit unternehmensexternen Partnern?
In der Geschäftsstrategie wird festgelegt, auf welche Art und Weise in den mit der Unternehmensstrategie bestimmten Produkt- und Marktkombinationen der Wettbewerb bestritten werden soll. Je nach Unternehmen können folgende Geschäftsstrategien verfolgt werden:[4]
- Kostenführerschaft: Erzielung eines hohen Marktanteils für einen anonymen Markt durch Massenproduktion.
- Produktdifferenzierungsstrategie: durch Abhebung des eigenen Leistungsangebots (Produkt- und Serviceleistungen) kann ein höherer Preis am Markt durchgesetzt werden.
- Marktsegmentierungsstrategie: individuelle Befriedigung von Kundenwünschen auf abgegrenzten Marktsegmenten verknüpft mit starker Kundenorientierung.
- Outpacingstrategie: Verknüpfung der Strategien der Produktdifferenzierung und der Kostenführerschaft. Dadurch: hoher Kundennutzen der Produkte als auch niedriger Preis. Dabei wird jeweils nur eine Strategie verfolgt, die im Verlauf des Wettbewerbsprozesses von der anderen abzulösen ist (Strategie-Shift).
Die Umsetzung der gewählten Unternehmens-/Geschäftsstrategie ist unter Berücksichtigung der Erfolgsfaktoren Qualität, Kosten und Zeit durch die Gestaltung der funktionalen Teilstrategien sicherzustellen. Diese Teilstrategien müssen - entlang der Wertschöpfungskette eines Produkts - in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden werden.
Zu den primären Funktionen gehören: Beschaffung, Produktion, Absatz und Marketing/Vertrieb. Der Bereich Personalwirtschaft wird oftmals als ‚unterstützende Funktion‘ bezeichnet (wie z.B. auch Unternehmensinfrastruktur und Forschung & Entwicklung).[5]
Die Personalstrategie kann also als funktionale Teilstrategie interpretieren werden.
2.2. Das strategische Personalmanagement
Einen einheitlichen Begriff oder eine allgemein gültige Konvention/Konzeption des ‚strategischen Personalmanagements‘ gibt es bisher nicht. Grundsätzlich können im Personalmanagement – wie in allen anderen Bereichen der Unternehmensplanung – drei Ebenen unterschieden werden: operativ, taktisch und strategisch. Während sich das operative Personalmanagement mit personellen Einzelmaßnahmen und ihren Implikationen beschäftigt, orientiert sich das taktische Personalmanagement an Gruppen von Mitarbeitern oder von Arbeitsplätzen. Beim strategischen Personalmanagement wird hingegen von einzelnen Mitarbeitern, Stellen und gruppenbezogenen Aggregationen abstrahiert.[6]
Nach Scholz besteht die Grundlage für ein erfolgreiches strategisches Personalmanagement in einer Systematik, die die verschiedenen Aspekte der Personalarbeit integrativ miteinander verknüpft und zugleich als Problemstrukturierungs- und Lösungsraster dient. So wird die Personalarbeit „planbar“ und die Berührungspunkte mit der (strategischen) Unternehmensplanung treten klarer zutage.
Unternehmerisches Personalmanagement kann anhand von drei Dimensionen charakterisiert werden (wobei die strategische Ebene als die zentrale Herausforderung betrachtet wird):[7]
1. Felder: alle funktionalen Teilbereiche der Personalarbeit, angefangen von Personalbestandsanalyse über Personalführung bis hin zu Personalkostenmanagement.
2. Wegen der Zugehörigkeit der Personalarbeit zum allgemeinen Managementprozess erfolgt eine Ausweitung der Personalarbeit über die operative und taktische auch auf die strategische Ebene.
3. Ausrichtung betrieblichen Personalmanagements in Form einer Verhaltens- und Informationsorientierung. Zentraler Ansatzpunkt ist hier die Unternehmenskultur, die bei entsprechender Gestaltung sinnvermittelnd wirkt, Motivationspotentiale schafft, Konsens stiftet, Orientierung gibt und dadurch die Koordination vereinfacht.
Wann ist das Personalmanagement als „strategisch“ zu bezeichnen? In der Literatur werden i.d.R. folgende Kriterien genannt:[8]
- Ansiedelung in der oberen Hierarchieebene
- Systematisches, planvolles, zielgerichtetes und kontinuierliches Handeln
- Hohe Freiheitsgrade und langfristige Orientierung
- Einbettung in das Unternehmensmanagement
- Integrative Betrachtung aller betroffenen Politikbereiche im Gesamtsystem „Unternehmung“
- Berücksichtigung einer personalbereichs-spezifischen Umwelt- u. Unternehmensanalyse
- Ausrichtung auf den Menschen als Ganzheit.
Strategisches Personalmanagement liegt somit an der Schnittstelle von Personalmanagement und strategischem Management. Auf der funktionalen Ebene liegt deren Aufgabe in der strategischen Gestaltung der einzelnen personalwirtschaftlichen Teilfunktionen (Auswahl, Beurteilung, Entwicklung und Anreizgestaltung etc.):
„I.d.R. werden auf übergeordneter Ebene Personalstrategien herausgearbeitet, die dann als politische Ziel- und Richtungsvorgaben die Grundausrichtung der Personalarbeit bestimmen und an denen sich die Steuerungsfunktionen der Personalplanung und des Personalcontrolling, sowie die der personalwirtschaftlichen Funktionsfelder auszurichten haben.“[9]
Das Ziel besteht in der Planung, Umsetzung und Kontrolle von grundsätzlichen Handlungsmöglichkeiten, damit ‚Personalpotentiale‘ frühzeitig und systematisch aufgebaut, erhalten, genutzt oder abgebaut werden können.[10] Das bedeutet im Einzelnen:
- Erkennen von Personalpotentialen mit zentraler Bedeutung für den Unternehmenserfolg sowie deren frühzeitiger Aufbau und Erhalt (qualitativ und quantitativ)
- Führungskonzeption, Vergütungssystem und sozialpolitische Maßnahmen müssen so gestaltet werden, dass sie die Erfolgsorientierung und Zukunftsorientierung der Personalpotentiale akquisitorisch fördern oder deren Abbau durch die Reduktion von Anreizen sowie den Ausgleich sozialer Nachteile unterstützen
- Erziehung aller Mitarbeiter, insbesondere aber der Führungskräfte, zu strategischem Denken und Handeln (z.B. durch Personalentwicklung).
Übergeordnete Aufgabe eines strategischen Personalmanagements ist es, die strategische Handlungsfähigkeit eines Unternehmens in der Zukunft zu sichern.
„Strategisches Personalmanagement folgt bei theoretisch stringenter Umsetzung einer klaren Grundidee, nämlich der expliziten Ausrichtung aller mitarbeiterbezogenen Aktivitäten auf und Integration in die Unternehmensstrategie.“[11]
2.3. Strategie als Antwort auf neue Herausforderungen
Die verstärkte Diskussion um ein strategisches Personalmanagement ist insbesondere vor dem Hintergrund der Veränderungen im gesellschaftlichen Umfeld und im Unternehmen selbst zu sehen – wobei diese stark miteinander verwoben sind.[12]
Neben den politischen und rechtlichen (Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen / Tarifvertragssysteme[13] ) werden insbesondere wirtschaftliche, technologische und gesellschaftliche Faktoren genannt. Diesen neuen wettbewerblichen Herausforderungen muss das Personalmanagement mit einer strategischen Orientierung begegnen.[14]
- Marktveränderungen
Auf der Anbieterseite: Verlangsamung des wirtschaftlichen Wachstums, zunehmende Globalisierung und Internationalisierung (mit erhöhtem internationalem Wettbewerbsdruck)[15], ein Nebeneinander von strukturellen Personalengpässen und –überschüssen sowie beschleunigte strukturelle Verschiebungen (demografischer Wandel, Erhöhung der Mobilität, Problematik der dezentralen Anpassung bei zentraler Koordination etc.). Auf der Nachfragerseite: gestiegenes Anspruchsniveau der Kunden hinsichtlich Qualität, Liefertreue, Systemfähigkeit und Produkt- bzw. Kundenservice.
- Wandel der Technologien
Durch immer kürzer werdende Abstände technologischer Entwicklungen bei gleichzeitigem Anstieg der Komplexität von Prozessen und Produkten wird die Einführung neuer Technologien zur Notwendigkeit, um dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben und eine kundenorientierte Produktion zu sichern. Dies hat z.B. Konsequenzen auf die Arbeitsgestaltung, auf Organisationsstrukturen und auf Führungsaspekte. Der sprunghafte Anstieg des Kapitalbedarfes lassen Human Resources zum entscheidenden Faktor werden (insbes. die weitere Zunahme des Dienstleistungssektors, der sich traditionell durch hohe Personalintensität auszeichnet).
- Wertewandel in der Gesellschaft
Die Entwicklung von einer Wohlstandsgesellschaft zu einer eher kritischen und differenzierten Gesellschaft führt dazu, dass Pflicht- und Akzeptanzwerte wie Disziplin oder Pflichterfüllung an Bedeutung verlieren, während Selbstentfaltungswerte wie Kreativität und Selbstverwirklichung an Bedeutung gewinnen. Die Ansprüche der Arbeitnehmer an abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Tätigkeiten steigen - und auch der erhöhte Legitimationsbedarf in der Unternehmung. Dadurch ist ein eigenständiges, konzeptionelles Personalmanagement mit unternehmungsweiter Gestaltungsfunktion erforderlich.
In der Praxis ist strategisches Personalmanagement bis heute jedoch nicht weit verbreitet. Manchmal ist dies auch gar nicht notwendig (z.B. wenn aufgrund der Unternehmensstruktur der „Engpassfaktor menschliche Arbeit“ nicht so hoch anzusiedeln ist), oftmals sind jedoch auch die notwendigen Voraussetzungen im Unternehmen und/oder im Personalbereich nicht gegeben - z.B. durch einen niedrigen hierarchischen Status der Personalabteilung, durch geringe Machtpotentiale und wenig Ressourcenautonomie.[16]
[...]
[1] Kapitelüberschrift Scholz in Scholz et al, S. 3-18.
[2] Zum Strategieverständnis s. v.a. Jan S. Krulis-Randa: Strategisches Denken im Personalbereich. In Scholz et al, S. 19-34. Hier: S. 20ff.
[3] Bühner, S. 26ff.
[4] Bühner, S. 29f.
[5] Bühner, S. 31ff.
[6] Vgl. auch Scholz in Ackermann, S. 40f
[7] Scholz et al, S. 8f. Für eine detaillierte Darstellung s. Scholz in Ackermann et al, S. 38ff.
[8] Vgl. z.B. Staffelbach, S. 89f, Oechsler, S. 83f, Drumm, S. 471.
[9] Oechsler, S. 83.
[10] S. Drumm, S. 471ff. Unter Personalpotential werden hier alle Mitarbeiter mit einem Satz gleicher oder ähnlicher Kenntnis- bzw. Fähigkeitsmerkmale verstanden.
[11] Scholz in Scholz et al, S. 4.
[12] Vgl. Oechsler, S. 83 und Staffelbach, S.90ff. Staffelbach geht umfassend auf die Veränderungen im Unternehmen selbst ein. Er betont (als Ursache für die Herausbildung des Strategischen Personalmanagements) insbesondere die soziologische Seite. Genannt wird u.a. die Konsequenz der veränderten Stellung des Menschen im Betrieb sowie das neue Rollenverständnis der Unternehmen als solche. Diese Faktoren sollen hier nicht ‚unterschlagen‘ werden, auf eine detaillierte Darstellung muss im Rahmen dieser Arbeit jedoch verzichtet werden. Denn: Letztendlich sind diese Veränderungen im Unternehmen selbst doch auf die Veränderungen im Umfeld zurückzuführen.
[13] Zu diesen Aspekten s. insbesondere Drumm, hier S. 489.
[14] Bühner, S. 21f. Vgl. auch Staffelbach, S. 103ff.
[15] Vgl. auch Krulis-Randa, der eine dreiteilige Weltgesellschaft charakterisiert (landwirtschaftliche, industrielle und wissensorientierte Gesellschaften). Kapitel: ‚Strategisches Denken im Personalbereich‘. In Scholz et al, S. 19-34. Hier: S. 23f.
[16] Elšik, S. 201ff und Scholz: Strategisches Personalmanagement und ein Ausblick auf ein neues Rollenbewusstsein. In ders. et al, S. 297-300.