»Zur Genealogie der Moral« von Friedrich Nietzsche widmet sich der Untersuchung des prinzipiellen Wertes von Moral für den Menschen. Im Rahmen dieser Untersuchung stellt Nietzsche viele Behauptungen zur anthropologischen Entwicklungsgeschichte auf. Eine von diesen Behauptungen soll Gegenstand dieses Essays sein. Und zwar die Tiefe in der menschlichen Seele. Nietzsche erklärt in der ersten Abhandlung seiner Schrift: „Bei den Priestern wird eben Alles gefährlicher, nicht nur Kurmittel und Heilkünste, sondern auch […] Ausschweifung, Liebe, Herrschsucht, Tugend, Krankheit“ und ergänzt, „dass erst auf dem Boden dieser wesentlich gefährlicheren Daseinsform des Menschen, der priesterlichen, der Mensch überhaupt ein interessantes Thier geworden ist“. Als Begründung gibt er an, dass „erst hier die menschliche Seele in einem höheren Sinne Tiefe bekommen“ hat.
Doch was meint Nietzsche mit „Tiefe“? Welche Rolle spielt der Priester in diesem Zusammenhang? Welche Folgen und Gefahren sieht Nietzsche in der Vertiefung der Seele? Um diese Fragen zu beantworten, werden in diesem Essay folgende Aspekte der Argumentation Nietzsches' aufgegriffen: Erstens muss es eine menschliche Seele bereits vor deren „Vertiefung“ gegeben haben. Deren Beschreibung soll eine Projektionsfläche bieten, um im Kontrast hierzu die seelischen Veränderungen zu verdeutlichen. Im zweiten Schritt soll der Prozess der Vertiefung nachgezeichnet werden, um zu verstehen wie (im prozeduralen Sinne) und wo (im räumlichen Sinne) sich die beschriebenen historischen Abläufe vollziehen. Der dritte Aspekt sind die Folgen, die sich aus der Vertiefung der Seele ergeben. Nietzsche stellt einen permanenten Widerstreit in der menschlichen Seele fest, der erst den modernen Menschen ausmacht. Diese Schilderungen vom Kampf im Innern, der auch als Krankheit der Menschheit bezeichnet wird, bietet einiges an Erklärungspotential, das für manche seelisch-pathologischen Phänomene von außergewöhnlichem Maße war und ist.
Inhaltsverzeichnis
- Zur Genealogie der Moral
- Erste Abhandlung: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“
- Die „flache“ Seele
- Der Prozess der Vertiefung
- Die Folgen der Vertiefung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay analysiert Friedrich Nietzsches These zur Vertiefung der menschlichen Seele im Kontext seiner „Genealogie der Moral“. Er untersucht die Entstehung der „Tiefe“ aus der Perspektive der „flachen“ Seele des archaischen Menschen und beleuchtet die Rolle des Priesters und des Ressentiments in diesem Prozess. Der Essay betrachtet die Folgen der Vertiefung, insbesondere den inneren Kampf zwischen den ursprünglichen Trieben und der „Seele“, der für Nietzsche die Grundlage für die Entstehung von Kultur und Moral darstellt.
- Die „flache“ Seele des archaischen Menschen und ihre Merkmale
- Die Rolle des Priesters und des Ressentiments in der Vertiefung der Seele
- Die Folgen der Vertiefung: Der innere Kampf zwischen den Trieben und der „Seele“
- Die Entstehung von Kultur und Moral als Resultat der Vertiefung der Seele
- Die Ambivalenz Nietzsches gegenüber dem Prozess der Vertiefung
Zusammenfassung der Kapitel
Der Essay beginnt mit der Beschreibung der „flachen“ Seele des archaischen Menschen, die sich durch Triebbefriedigung und mangelnde Reflexion auszeichnet. Nietzsche stellt die „Unschuld des Raubthier-Gewissens“ dieser Menschen heraus, die durch spontane Reaktionen auf Gefahr, Feind, Liebe, Zorn, Ehrfurcht, Dankbarkeit und Rache geprägt ist. Im zweiten Schritt wird der Prozess der Vertiefung der Seele durch die Einführung des monotheistischen, christlich-jüdischen Glaubens und die Rolle des Priesters beleuchtet. Der Glaube an einen Gott führt zu einem Schuld-Gläubiger-Verhältnis, das die Unterdrückung der natürlichen Triebe und die Entstehung des „schlechten Gewissens“ bewirkt. Diese Unterdrückung führt zu einer „Verinnerlichung des Menschen“ und zur Entstehung der „Seele“ als Raum für die „Instinktgefangennahme“. Der Essay betrachtet schließlich die Folgen der Vertiefung der Seele: den inneren Kampf zwischen den Trieben und der „Seele“, der für Nietzsche die Grundlage für die Entstehung von Kultur und Moral darstellt. Dieser Kampf wird als eine „Erkrankung“ der Menschheit beschrieben, die aber gleichzeitig die Grundlage für die Entwicklung von Kulturleistungen wie Kunst und Wissenschaft darstellt.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter des Essays sind: „Genealogie der Moral“, „Tiefe der Seele“, „flache Seele“, „Priester“, „Ressentiment“, „schlechtes Gewissen“, „Instinktgefangennahme“, „Kultur“, „Moral“, „innerer Kampf“, „Erkrankung“, „Kunst“, „Wissenschaft“. Der Essay beleuchtet die Entstehung und Entwicklung der menschlichen Seele im Kontext von Moral, Kultur und Religion und stellt die Bedeutung des inneren Kampfes zwischen den Trieben und der „Seele“ für die menschliche Entwicklung heraus.
- Arbeit zitieren
- Philipp Woywode (Autor:in), 2012, Erläuterungen zu Friedrich Nietzsches Seelentheorie in "Zur Genealogie der Moral", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295437