Ausgestaltung und mögliche Funktion von fachlichen Elementen in der Anzeigenwerbung für Sportschuhe


Term Paper (Advanced seminar), 2002

22 Pages, Grade: sehr gut


Excerpt


Inhalt

1. Einleitung

2. Forschungsstand

3. Werbewissenschaftliche Grundbegriffe

4. Methodik und Ergebnisse der Dissertation Nina Janichs
4.1 Definition von Fachlichkeit und Fachwort
4.2 Methodische Vorgehensweise
4.3 Ergebnisse/ herausgestellte Fachlichkeitskonzepte
4.3.1 Verständlichkeit des Wortschatzes und Formen der Explikation in Text und Bild
4.4 Bewertung der Methode

5. Ausgestaltung und mögliche Funktion von fachlichen Elementen in der Anzeigenwerbung für Sportschuhe
5.1 Produktnamen
5.2 Sprachliche und bildliche Elemente mit fachlichem Charakter
5.3 Argumentation

6. Fachlichkeitskonzept: Information oder Inszenierung?

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wesentliche Grundlage der vorliegenden Untersuchung bildet die 1998 erschienene Dissertation „Fachliche Information und inszenierte Wissenschaft: Fachlichkeitskonzepte in der Wirtschaftswerbung“[1] von Nina Janich. Sowohl die der Analyse zugrundeliegende Definition von Fachlichkeit bzw. Fachwort als auch die methodische Vorgehensweise sind hieraus weitgehend übernommen.

Bei der Dissertation handelt es sich um eine umfangreiche empirische Studie, in der Sprache, Bilder und Argumentationsstrategien in Anzeigen und Fernsehspots für die Produktgattungen Auto, Unterhaltungselektronik und Kosmetik auf ihre Fachlichkeit hin untersucht werden. Janich stellt heraus, dass die einzelnen Produktgattungen sich in Bezug auf die Ausprägung und die Funktion fachlicher Mittel voneinander unterscheiden und sich somit durch unterschiedliche Fachlichkeitskonzepte auszeichnen. Diesem Forschungsansatz folgend soll in der vorliegenden Arbeit exemplarisch untersucht werden, inwieweit die Anzeigenwerbung für Sportschuhe im Bereich der Sprach- und Bildverwendung Fachlichkeit einbezieht und ob sich hieraus ein Konzept von Fachlichkeit für diese Produktgattung ableiten lässt. Das auf der Grundlage der exemplarischen Analyse erarbeitete Fachlichkeitskonzept für die Produktgattung Sportschuh wird abschließend mit den von Janich herausgearbeiteten Fachlichkeitskonzepten für Auto, Unterhaltungselektronik und Kosmetik verglichen.

2. Forschungsstand

Die Fachsprachenforschung ist seit den 70er Jahren ein eingehend bearbeitetes Feld innerhalb der Sprachwissenschaft.[2] In der germanistischen Werbeforschung ist der Aspekt der Fachsprachlichkeit jedoch lange Zeit unberücksichtigt geblieben. Nur vereinzelt wurde er im Zusammenhang größerer Fragestellungen behandelt.[3] 1979 erschien erstmals ein eigens diesem Thema gewidmeter Aufsatz von Helmut Gipper.[4] Hier wie auch andernorts, wo der Fachsprachengebrauch in der Forschungsliteratur zur Werbesprache erwähnt wird, steht die Frage nach der möglichen Wirkung des Einsatzes fachlicher Elemente im Mittelpunkt des Interesses. Vereinzelt wird der Werbung seriöser, der Informierung dienender Einsatz von Fachsprachen zugesprochen,[5] doch überwiegt in der Forschungsliteratur laut Janich das „recht pauschale Bild von der gezielt verschleiernden, auf Prestige aufbauenden, uninformativen (Pseudo-)Fachlichkeit in der Werbung“. (53) So unterstellt Gipper, ohne seine Behauptung auf empirische Grundlagen stützen zu können, dass der Einsatz fachsprachlicher Mittel in der Werbung dem Zweck diene, mit Hilfe verschiedener Strategien Sachinformation und Wissenschaftlichkeit vorzutäuschen. Man könne beispielsweise „allgemein von einer weitverbreiteten Absicht der Werbung sprechen, die angepriesenen Produkte als mehr erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Und genau zu diesem Zwecke dient auch der Einsatz fachsprachlicher Mittel in der Reklame.“[6]

Erst die 1998 veröffentlichte Dissertation Nina Janichs[7] stellt eine umfassende germanistische Studie über die Verwendung von fachlichen Elementen und Formen in der Werbung dar. Im Fokus dieser empirischen Untersuchung steht – wie der Titel schon deutlich macht – die Frage, inwieweit es sich bei den genutzten fachlichen Mitteln in der Werbung für einzelne Produktgattungen um praxisbezogene Produktinformation oder um inszenierte Wissenschaftlichkeit handelt. Hierbei wird ein differenzierterer Informationsbegriff zugrunde gelegt, der der besonderen Kommunikationssituation in der Werbung Rechnung trägt. Vor dem Hintergrund der Intention von Werbung, Kaufinteresse für Produkte zu wecken, kann die vermittelte Information niemals objektiv sein, sondern ist immer bewusst selektiv und werbewirksam ausgewählt.[8]

Außerdem analysierte Janich in einem Aufsatz die Präsentation von Lebensmitteln in der Werbung unter semiotischen und fachsprachlichen Gesichtspunkten.[9] Anhand des erst in den letzten Jahren verstärkt auf dem Markt existierenden Sortiments an ‚gesundheitsfördernden‘ Joghurtsorten stellt sie heraus, wie es den Werbenden gelingt, durch die Beschreibung von Lebensmitteln mit Begriffen aus dem Fachbereich der Biochemie und -technologie, eine wissenschaftliche Atmosphäre zu schaffen. In dem Aufsatz „Werbung als Medium der Popularisierung von Fachspachen“[10] legt Janich Bedingungen dar, die für die durch Werbung erzeugte Übernahme von Fachsprachen in die Alltagssprache gegeben sein müssen.

Vor allem in Bezug auf die Frage nach der Verständlichkeit von Fachsprachen in der Werbung und nach der Bedeutung der Werbung für die Fachsprachenvermittlung in die Alltagssprache bestehen laut Janich noch Forschungsdefizite.[11]

3. Werbewissenschaftliche Grundbegriffe

Janich legt ihrer Untersuchung die Definition Hans-Joachim Hoffmanns von Werbung zugrunde:

Werbung wird die geplante, öffentliche Übermittlung von Nachrichten dann genannt, wenn die Nachricht das Urteilen und/ oder Handeln bestimmter Gruppen beeinflussen und damit einer Güter, Leistungen oder Ideen produzierenden oder absetzenden Gruppe oder Institution (vergrößernd, erhaltend oder bei der Verwirklichung ihrer Aufgaben) dienen soll.[12]

Dass es sich bei Werbung einzig um den Versuch einer Beeinflussung handelt, geht aus dieser Definition klar hervor. Des Weiteren weist die Nennung werbender Gruppen bzw. Institutionen darauf hin, dass Werbung unterschiedliche Interessen zugrunde liegen können. Man unterscheidet zwischen Werbung für politische Zwecke, auch als Propaganda bezeichnet, für religiöse und kulturelle sowie für wirtschaftliche Zwecke. Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Wirtschaftswerbung. Sie tritt in verschiedenen Formen in Erscheinung: Werbung für die wirtschaftspolitischen Ziele eines Staates, für die Ziele eines Unternehmens als Ganzes sowie Werbung für Teilfunktionen eines Unternehmens, welche sich weiter unterteilen lässt in Werbung zur Gewinnung von Mitarbeitern, zur Förderung der Material- oder Kapitalbeschaffung und zur Förderung des Absatzes.[13] Janich erweitert das von Schweiger/ Schrattenecker übernommene Modell, indem sie die Absatzwerbung noch einmal in Produktwerbung und Werbung für Dienstleistungen untergliedert.[14] Die Anzeigenwerbung für Sportschuhe in Zeitschriften oder Werbeprospekten, die hier unter dem Aspekt der Verwendung von fachlichen Mitteln näher betrachtet wird, ist diesem Modell zufolge der Absatzwerbung und innerhalb derselben der Produktwerbung zuzuordnen.

Janich führt eine weitere Differenzierung der Absatzwerbung nach ihrem jeweiligen Werbeziel - wie sie in der Werbewirtschaft vorgenommen wird - an: Einführungswerbung, Erhaltungs- oder Erinnerungswerbung, Stabilisierungswerbung und Expansionswerbung.[15]

Im Zusammenhang mit der Frage nach den Aufgaben von Werbung, zu denen neben Überzeugung, Veranlassung und Unterhaltung die Information gerechnet wird, macht Janich darauf aufmerksam, dass Werbung sich prinzipiell durch ihre Zweckgebundenheit auszeichnet und aus diesem Grund nicht der Anspruch an sie heran getragen werden kann, objektive und umfassende Sachinformation zu einem Produkt zu liefern.[16] Denn „wenn Werbung Sachinformationen enthält, sind diese immer entsprechend den Werbezielen selektiv und interessenorientiert ausgewählt und sollen überzeugende Funktion haben.“ (S. 23) Weil die Bestimmung des Informationsgehaltes bei der Untersuchung von Werbesprache unter dem Gesichtspunkt der echten oder inszenierten Fachlichkeit eine zentrale Rolle spielt, ist diese Feststellung grundlegend.

Eine weitere wichtige begriffliche Unterscheidung ist die zwischen Werbemitteln, wie z. B. Anzeigen, Hörfunkspots, Plakaten etc., und Werbeträgern bzw. Werbemedien wie Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehanstalten oder Plakatwände. Die Werbeträger dienen der Verbreitung und Vermittlung der Werbemittel, bei welchen es sich um die konkrete Realisierung von Werbung handelt. Die vorliegende Arbeit untersucht das Werbemittel Anzeige in dem Werbemedium Zeitschrift.

4. Methodik und Ergebnisse der Arbeit Nina Janichs

4.1 Definition von Fachlichkeit und Fachwort

Fachsprachen stellen neben der Standardsprache, Dialekten, Soziolekten etc. eine Variante der Gesamtsprache dar, die einer „zweckgerichteten und effektiven, dabei weitgehend emotionsfreien Kommunikation zwischen Fachleuten über die Gegenstände ihres Fachs“[17] dient. Die unterschiedlichen Fachsprachen bezeichnet man als Funktiolekte. Die Übernahme dieser Definition von Fachsprache erweist sich bei einer Analyse des Wortschatzes in der Werbung auf seine Fachsprachlichkeit hin als problematisch, da in der Werbung eine fachexterne Kommunikation vorliegt und es nicht in erster Linie um die Vermittlung von Fachinhalten geht, sondern darum, ein beworbenes Produkt zu verkaufen. Auch steht bei der Vermittlung fachsprachlicher Elemente die Verständlichkeit der Inhalte nicht unbedingt im Vordergrund, sondern oft werden Fachwörter oder Ausdrücke, die äußerlich wie Fachwörter wirken, verwendet, um wissenschaftliche Autorität auszustrahlen.[18] Um dieser besonderen Kommunikationssituation in der Werbung Rechnung zu tragen, unterscheidet Janich zwischen Fachlichkeit im engeren Sinne und Fachlichkeit im weiteren Sinne. Der Terminus Fachlichkeit wird hier als übergeordneter Begriff verwendet, um neben der Sprache auch die in der Werbung vorkommenden Ausdrucksformen wie Bild und Ton zu erfassen. Demgegenüber bezieht sich der untergeordnete Terminus Fachsprache auf die rein sprachliche Vermittlung von Fachlichem. Die Fachsprache stellt somit neben Bild und Ton eine mögliche Ausdrucksform von Fachlichkeit in der Werbung dar.[19]

Der Analyse zugrundeliegende Definitionen von Fachlichkeit im engeren bzw. weiteren Sinne sind:

Fachlichkeit im engeren Sinne (im Folgenden i. e. S.) soll allen Elementen der sprachlichen und nichtsprachlichen Ausdrucksform zugewiesen werden, die – indem sie Denotate eines speziellen Arbeits- oder Wissensgebietes (= Fach) aufweisen – in der Kommunikation zweckrational verwendet werden, um auf Sachverhalte oder Gegenstände dieses Fachs zu referieren.. (S. 32)

Fachlichkeit im weiteren Sinne (im Folgenden i. w. S.) wird per definitionem allem zugeschrieben, was wegen seiner äußeren Ähnlichkeit oder aufgrund des Kontextes oder Kotextes, in dem es sich befindet, beim Laien den Eindruck erweckt, es würde sich auf ein Denotat eines speziellen Arbeits – und Wissensgebietes beziehen. Tatsächlich kann diesen Elementen jedoch nur ein fachbezogenes Konnotat bzw. das Hervorrufen fachbezogener Assoziationen zugesprochen werden. (S. 32f.)

Dieser Trennung des Fachlichkeitsbegriffs entspricht eine Unterteilung in Wörter mit fachlichem Charakter im engeren Sinne und Wörter mit fachlichem Charakter im weiteren Sinne, die bei der Analyse ein Urteil über echte oder inszenierte Fachlichkeit und den tatsächlichen Informationsgehalt der Texte ermöglichen soll.

Laut Janich sind als Wörter mit eindeutig fachlichem Charakter i. e. S. diejenigen „Wörter zu klassifizieren, die ein fachliches Denotat aufweisen und die man daher in fachspezifischen Lexika bzw. Handbüchern nachschlagen kann.“ (S. 39) Zu Wörtern mit fachlichem Charakter i. w. S. werden alle Wörter gerechnet, die „fachliche Assoziationen wecken sollen, ohne auf ein fachspezifisches Denotat zu referieren und alle Ausdrücke, die als pseudofachsprachlich eingestuft werden können, weil sie in unangemessener Weise durch Fremdsprachigkeit, sachlich überflüssige Konstituenten oder ‚Plastikwörter‘[20] Fachlichkeit vorspiegeln bzw. weil das Referenzobjekt, auf das sie scheinbar referieren gar nicht existiert.“(S. 81-82) Die weitere Differenzierung innerhalb der Wörter mit fachlichem Charakter i. w. S. in assoziativ fachliche und pseudofachsprachliche Ausdrücke liegt darin begründet, dass Pseudofachwörter zwar ebenso dazu dienen, fachliche Assoziationen hervorzurufen, dies aber mit anderen Mitteln zu erreichen suchen.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich für die Analyse folgende Fragestellung: „Welchen Wörtern liegt ein fachliches Denotat zugrunde, so dass sie damit fachlich im engeren Sinne sind, welche sind nur fachlich im weiteren Sinne, weil bei ihnen vermutet werden kann, dass sie fachliche Assoziationen wecken sollen bzw. weil sie pseudofachsprachlich sind?“ (43)

4.2 Methodische Vorgehensweise Janichs

Die methodische Vorgehensweise Janichs lehnt sich an das operationelle Analysemodell von Wolfgang Brandt[21] an. In einem ersten Analyseschritt werden die fachlichen Elemente herausgefiltert und auf ihren semantischen Gehalt geprüft. Janich untersucht neben den (scheinbaren oder echten) Fachwörtern weitere Elemente der sprachlichen Ausdrucksform, die in den Anzeigen oder Spots der einzelnen Produktgattungen verwendet werden, um Fachlichkeit zu erzeugen: das Zahlenmaterial zur Vermittlung technischer Daten, die verwendeten Sprachspiele, Tropen und rhetorischen Figuren und Produktnamen.

Über die sprachliche Vermittlung hinaus prüft sie, in welchem Maße stehende Bilder, Filmsequenzen und begleitende Geräusche zum Aufbau von Fachlichkeit beitragen. Die Frage, wie Bild und Text in der Anzeigenwerbung aufeinander bezogen sind, d.h., wie beide Elemente im Zusammenspiel die Erzeugung von Fachlichkeit unterstützen, wird auf einer ersten Synthesestufe beantwortet. Auf einer zweiten Synthesestufe werden auf Grundlage des herausgearbeiteten semantischen Text-Bild-(Ton)-Bezugs die Argumentationstrategien untersucht, die genutzt werden, um den Rezipienten zum Kauf des beworbenen Produkts zu bewegen. Anhand der Untersuchung der Art der Argumentation - Janich unterscheidet zwischen sachlichen, historischen und Autoritätsargumenten, moralischen und taktischen Argumenten – werden hier argumentative Trends aufgezeigt. Auf einer dritten Synthesestufe geht es um die interpretierende Zusammenfassung der Ergebnisse, wobei herausgestellt werden soll, ob die Werbemittel der einzelnen Produktgattungen sich durch bestimmte Typen oder Konzepte von Fachlichkeit voneinander unterscheiden. Getrennt nach Werbemitteln wird für jede Produktgattung ermittelt, welche Gewichtung den verschiedenen Strategien zur Evozierung von Fachlichkeit jeweils zukommt.[22] Im Anschluss an den empirischen Teil der Dissertation werden abschließend in einem Vergleich der Produktgattungen Verständlichkeit, Wirkung und Funktion der jeweiligen Art von Fachlichkeit betrachtet. In Bezug auf die Funktion des Einbezugs fachlicher Elemente wird die Frage diskutiert, ob diese eher darin besteht, konkrete, sachbezogene Produktinformation zu liefern, oder vielmehr darin, Wissenschaftlichkeit zu inszenieren.

4.3 Ergebnisse/ Herausgestellte Fachlichkeitskonzepte

Da die vorliegende Arbeit sich auf die Untersuchung des Werbemediums Anzeige beschränkt, sollen nur die Fachlichkeitskonzepte, die Janich für die Anzeigenwerbung ermittelt hat, vorgestellt werden. Die Analyse Janichs konnte erweisen, dass je nach Produktgattung der Einsatz fachlicher Mittel ganz unterschiedliche Ausprägungen und argumentative Funktionen haben kann.

Produktgattung Auto:

In der Anzeigenwerbung für Autos, die sich vor allem der Sprache zum Aufbau von Fachlichkeit bedient, überwiegen Wörter mit fachlichem Charakter im engeren Sinne und technisch orientierte Zahlenangaben, „da eine wesentliche Strategie dieser Werbung darin besteht, Produkteigenschaften aufzulisten.“(79) Beispiele für Wörter mit fachlichem Charakter i. e. S., deren Status als Fachwörter intersubjektiv mit Hilfe eines Wörterbuchs oder Lexikons nachprüfbar ist, sind: Achse, Allradantrieb, Getriebe, Hubraum etc. Dennoch sind die Texte nicht frei von Pseudofachsprachlichem und rein assoziativfachlichem Wortschatz. Fremdwörter wie Analyse, Effizienz oder Funktionalität rechnet Janich beispielsweise zu den assoziativ fachlichen Ausdrücken, da sie bereits durch ihre Ausdrucksseite eine fachliche Atmosphäre schaffen.[23]

Als pseudofachsprachliche Ausdrücke gelten die schon oben erwähnten ‚Plastikwörter‘, oder fremdsprachige Ausdrücke für die es im Deutschen etablierte Begriffe gibt, und die nur genutzt werden, um ausdrucksseitig eine Wirkung hervorzurufen. Hierzu zählen Worte wie Crash (Aufprall), Colorverglasung, (getönte Verglasung) Chassis (Karosserie).[24]

Wortspiele, die Janich zufolge immer fachlich im weiteren Sinne sind, da sie sich durch ihren „witzig-spielerischen Charakter nicht auf fachliche Denotate beziehen können, sondern nur Assoziationen zu technischen Eigenschaften oder Leistungen wecken wollen“, (88) werden in der Autowerbung häufig eingesetzt. Den Hauptzweck der Wortspiele sieht Janich in der „Aufmerksamkeitserregung“ (96) und der Auflockerung des Ganzen. Mitunter dienen sie auch dazu, technische Informationen anschaulicher zu machen.[25] (z.B.: „... wie wir auch hoffen, dass sie nie den Airbag zu Gesicht bekommen werden“) (91)

In Bezug auf die Evozierung von Fachlichkeit durch das Bild, ergibt die Untersuchung, dass die klassische Produktabbildung überwiegt und nur selten Zeichnungen von Produktdetails, die besonders dazu geeignet wären einen fachlichen Eindruck zu vermitteln, verwendet werden.[26]

Als argumentativen Trend in der Autowerbung stellt Janich die überwiegende Verwendung von sachlichen Argumenten, d.h. Nennung von Tatsachen und nachprüfbaren Angaben, heraus. Unter sachlichen Argumenten fasst sie die empirische – worunter die Aufzählung von Produkteigenschaften zu verstehen ist - und die anwendungsbezogene Argumentation, d.h. die Darstellung des Nutzens der technischen Eigenschaften für konkrete Anwendungssituationen, zusammen.[27]

Produktgattung Unterhaltungselektronik

In den Anzeigen zur Unterhaltungselektronik wird Fachlichkeit – ebenso wie bei der Autowerbung – vor allem über den Text aufgebaut. Geprägt ist der genutzte Wortschatz von englischen Fachausdrücken mit zum Teil fachlichem Charakter i. e. S. Der Anteil an Wörtern mit fachlichem Charakter i. w. S. ist den statistischen Erhebungen zufolge jedoch höher als in der Autowerbung, vor allem ist ein höherer Anteil an pseudofachsprachlichen Ausdrücken festzustellen.[28] Zur Pseudofachsprache lassen sich „unnötig komplexe Wortbildungen, die eher über ihre Ausdrucksseite wirken als wichtige Informationen vermitteln sollen“ (135), zählen wie beispielsweise 4x20Watt-High-Power-Endstufe oder Power-Amplifier. Auch englischsprachige Ausdrücke, die anstelle der deutschen Synonyme aus modischen Gründen gewählt werden, wie Amplifier statt Verstärker oder Soundqualität statt Tonqualität, oder „firmeninterne Bezeichnungen oder Wortschöpfungen, die den Anschein allgemein gültiger Fachausdrücke wecken, statt als Namen für Patente gekennzeichnet zu sein=, (136) (z.B."FLEX"-System (FLEX = Frequency Level Expander)) sind dem pseudofachsprachlichen Bereich zuzuordnen. Die Entschlüsselung unbekannter Ausdrücke über Fachlexika oder populärwissenschaftliche Bücher gestaltet sich schwieriger als bei der Autowerbung.[29]

Insgesamt beruht das Fachlichkeitskonzept in den Anzeigen „ähnlich wie in der Autowerbung nicht so sehr auf der Schaffung einer seriösen wissenschaftlichen Atmosphäre, sondern eher auf der Argumentation mittels technischer Produkteigenschaften.“ (158) Fachliche Bildelemente sind selten und Wortspiele dienen hier ebenso wie bei der Autowerbung der Auflockerung und tragen nicht oder kaum zur Evozierung von Fachlichkeit bei.

Produktgattung Kosmetik:

Das Fachlichkeitskonzept in der Anzeigenwerbung zur Kosmetik unterscheidet sich von den bereits vorgestellten, weil hier neben dem Aufbau von Fachlichkeit durch den Wortschatz fachliche Bildelemente häufig strategisch zu eben diesem Zweck eingesetzt werden. Oftmals ist die äußere Gestaltung der Anzeigen an redaktionelle Artikel angelehnt, um eine seriöse, wissenschaftliche Wirkung zu erzielen. Der argumentative Trend geht dahin, (scheinbar) sachliche, vor allem anwendungsbezogene, und Autoritätsargumente zu nutzen, um den Rezipienten von den Vorzügen des Produkts zu überzeugen.[30]

Im Vergleich zur Auto- und Unterhaltungselektronikwerbung ist der durchschnittliche Fachwortanteil auffällig höher. Der Anteil von Wörtern mit fachlichem Charakter i. w. S. ist mit 44% der höchste aller drei Produktgattungen.[31] Außerdem geschieht es oft, dass Fachausdrücke, die eigentlich fachlich i. e. S. sind, durch den Kontext oder eine unsachgemäße Verwendung pseudofachsprachlich werden.[32]

Janich zieht für die Produktgattung Kosmetik folgendes Resümee:

Das Fachlichkeitskonzept der Kosmetikanzeigen ist also stark auf die Schaffung einer wissenschaftlichen Atmosphäre hin orientiert und nutzt alle Strategien für den Schein und die Wirkung auf den ersten Blick aus. Hinterfragt man diese Fachlichkeit, so bleibt inhaltlich oft nicht viel an eindeutiger und nachprüfbarer Fachinformation übrig. (190)

4.3.1 Verständlichkeit des Wortschatzes und Formen der Explikation in Text und Bild

Im Anschluss an den empirischen Teil ihrer Arbeit skizziert Janich zunächst einmal Tendenzen leichterer oder schwererer Verstehbarkeit von Wörtern mit fachlichem Charakter i. e. S. und i. w. S. und arbeitet verschiedene Formen der Erklärung von fachlichen Elementen in der Werbung selbst heraus. Die hier gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, herauszustellen, ob die Fachlichkeitskonzepte der einzelnen Produktgattungen auf Informierung des Rezipienten abzielen. Die in der Analyse aufgelisteten Wörter werden auf ihre Komplexität auf der Inhalts- und Ausdrucksseite hin geprüft. Inhalts- und Ausdrucksseite werden komplexer bei Komposita aus mehr als zwei Gliedern. Je mehr Bestandteile, desto enger und spezieller wird die Bedeutung und umso schwieriger das Verständnis für den Laien. Eigennamen, Kurzwörter und Fremdwörter erschweren das Verständnis vor allem ausdrucksseitig. In welchem Maße Erläuterungen und Erklärungen vorhanden sind, die dazu dienen, das Verständnis der genutzten fachlichen Elemente zu erleichtern, ist ebenfalls Gegenstand dieses Kapitels bei Janich.[33]

Die Tendenzen der Verständlichkeit fachlicher Elemente, die für die einzelnen Produktgattungen erarbeitet wurden, werden hier kurz zusammengefasst. Fremdsprachigkeit und komplexe Komposita sind die markantesten Merkmale der in der Autowerbung verwendeten fachlichen Ausdrücke, die ein Verständnis erschweren. Vergleichsweise häufig finden sich jedoch verständliche Erklärungen zur Funktions- und Wirkweise technischer Details.

Die Werbung für die Unterhaltungselektronik ist gekennzeichnet durch besonders starke Fremdsprachigkeit und zahlreiche firmeninterne Wortschöpfungen. Auf Explikationen fachlicher Inhalte wird fast vollständig verzichtet.

Die sehr text- und auch fachwortreichen Anzeigen der Kosmetikwerbung sind ebenfalls stark von Fremdsprachigkeit geprägt. Die Wörter mit fachlichem Charakter i. e. S. sind jedoch relativ leicht verständlich. Die zahlreichen pseudofachsprachlichen Ausdrücke erschweren wiederum das Verständnis.[34]

4.4 Bewertung der Methode

Wie Janich selbst bemerkt, liegt die Schwierigkeit nicht so sehr in der Definition ‚Fachwort‘ begründet, sondern in der praktischen Bestimmung von Fachwörtern, da man als SprachwissenschaftlerIn den Wortschatz eines fachfremden Gebietes beurteilen soll.[35] So besteht beispielsweise für die Produktgattung Unterhaltungselektronik in Bezug auf die Zuordnung der Ausdrücke zu den verschiedenen Fachwortkategorien das Problem, dass es praktisch keine Fachlexika- oder wörterbücher gibt, auf die man sich stützen kann, so dass im Einzelfall Prospekte oder Gespräche mit Fachhändlern als Grundlage der Bestimmung herangezogen werden müssen.[36] Wie im Folgenden zu sehen sein wird, ergibt sich bei der Analyse des Wortschatzes in Anzeigen für Sportschuhe eine vergleichbare Situation.

Die vorliegende Arbeit folgt weitgehend der methodischen Vorgehensweise Janichs. Im Bereich der sprachlichen Ausdrucksform sollen Produktnamen, Wörter mit fachlichem Charakter und das Zahlenmaterial auf ihre Fachlichkeit hin geprüft werden. Auf die Untersuchung von Wortspielen und rhetorischen Figuren soll verzichtet werden, da ihr Einsatz hauptsächlich der Aufmerksamkeitserregung und Auflockerung dient,[37] und ihr Beitrag zur Vermittlung von Fachlichkeit daher als gering einzustufen ist.

Darüber hinaus soll die Analyse der verwendeten Bilder, des Zusammenspiels von Bild und Text und das Herausstellen argumentativer Trends in den Werbeanzeigen dazu beitragen, ein Fachlichkeitskonzept für das beworbene Produkt ‚Sportschuh‘ aufzuzeigen. Dies kann hier jedoch nur exemplarisch erfolgen.

Den Leitfaden der Untersuchung bilden folgende Fragestellungen:

1. Welche sprachlichen und bildlichen Mittel werden verwendet, um die Anzeige fachlich erscheinen zu lassen?
2. Welche dieser Mittel können als fachlich i. e. S. gelten, weil sie von Fachleuten als Mittel der Kommunikation anerkannt sind bzw. in ihrer fachlichen Bedeutung beschreibbar sind?
3. Welche Funktion kommt den fachsprachlichen und pseudofachsprachlichen Elementen im Rahmen der Werbeintention zu? Hier fließt die Frage nach der Verständlichkeit der fachlichen Elemente ein.

5. Ausgestaltung und mögliche Funktion von fachlichen Elementen in der Anzeigenwerbung für Sportschuhe

Untersucht werden verschiedene Werbeanzeigen für Sportschuhe, die den Zeitschriften Fit For Fun 3/02 und Runner’s World 4/02 entnommen sind.

5.1 Produktnamen

Die Produktnamen lassen sich von den Marken- und den Firmennamen abgrenzen. So fungiert die Bezeichnung Daimler-Benz-AG als Firmenname, Mercedes-Benz als Markenname und Mercedes-Benz-Sprinter als Produktname.[38]

Janich verweist darauf, dass die Funktion von Produktnamen nicht in erster Linier darin besteht, Informationen zu transportieren. Vielmehr steht die „werbende Funktion im Sinne von Wiedererkennbarkeit und Imagebildung“ (76) im Vordergrund. Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden die Produktnamen von Sportschuhen hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer möglichen Funktion näher betrachtet werden. Die Sichtung des Anzeigenmaterials[39] ergibt, dass die Produktnamen sehr häufig aus Ziffern- und/ oder Buchstabenkombinationen, oft auch in Verbindung mit englischsprachigen Ausdrücken, bestehen. Die Firma asics beispielsweise gibt ihren Sportschuhen Produktnamen wie GEL-DS Trainer VII, GT-2070, GEL-Foundation oder MC-Plus. Puma nennt einen Frauenlaufschuh Complete Extol Women’s, die Firma Adidas bezeichnet ihr neuestes Laufschuhmodell a3, New Balance wählt für ein Sportschuhmodell die reine Ziffernbezeichnung 830/1021. Während in den Werbeprospekten der Firmenname meist direkt im Zusammenhang mit dem Produktnamen genannt wird, wird er in den vorliegenden Anzeigen getrennt erwähnt. So wird in der knappen Produktbeschreibung der Anzeige der Firma asics der Firmen- bzw. Markenname nicht mehr genannt, statt dessen wird ein Possessivpronomen in Verbindung mit der Modellbezeichnung verwendet: „unser ultraleichter Running-Schuh GEL-DS Trainer VII“. Anhand dieses Beispiels lässt sich gut veranschaulichen, welche Informationen im Produktnamen mitgeliefert werden und auch, inwieweit die Art der Gestaltung der Ausdrucksseite zu einer fachlichen Atmosphäre beiträgt. Als fachlich i. e. S. kann die Bezeichnung GEL gelten, da sie auf ein von der Firma asics entwickeltes Dämpfungssystem, das auf Silikon nach verschiedenen Herstellungsverfahren basiert,[40] referiert. Problematisch ist hierbei jedoch, dass die firmeninterne Wortschöpfung GEL in der Anzeige nicht als Patent gekennzeichnet wird und somit der Eindruck erweckt wird, es handle sich um einen allgemein anerkannten Fachbegriff. Die Aufschlüsselung der in den Anzeigen für Sportschuhe verwendeten Buchstabenkürzel und Ziffernkombinationen gestaltete sich im Ganzen schwierig. So konnte beispielsweise die Bedeutung der Buchstabenkombination DS nicht erschlossen werden. Aufgrund ihrer Ausdrucksseite sind diese Namenbestandteile - ebenso wie die anderen in den Anzeigen nicht weiter aufgeschlüsselten Buchstabenkombinationen GT oder MC und die beigefügten Ziffern, die entweder auf die Version des jeweiligen Modells Bezug nehmen, als Seriennummer fungieren oder eventuell auch Informationen, die jedoch für den Laien nicht direkt ersichtlich sind, zu bestimmten Produkteigenschaften liefern - fachlich im weiteren Sinne. Gerade die Kombinationen aus Ziffern und Buchstaben bzw. Buchstabenkürzeln, die den Produktnamen sehr komplex wirken lassen und das Verständnis ausdrucksseitig erschweren, tragen dazu bei, fachliche Assoziationen zu wecken. Konkrete technische Informationen sind diesen Produktnamen nur bedingt zu entnehmen. Als pseudofachsprachlich können die häufig hinzugefügten fremdsprachigen Ausdrücke bezeichnet werden. Der Produktname a3 für den Laufschuh der Firma Adidas vermittelt durch die hochgestellte Ziffer, die sofort an mathematische Formeln denken lässt, Wissenschaftlichkeit. Was sich hinter dieser und anderen fachlich seienden oder scheinenden Bezeichnung tatsächlich verbirgt, gilt es im folgenden Kapitel heraus zu arbeiten.

5.3 Sprachliche und bildliche Elemente mit fachlichem Charakter

In den hier untersuchten Anzeigen wird Fachlichkeit fast ausschließlich über den Text aufgebaut, wobei auffällt, dass der Wortschatz stark vom Englischen geprägt ist. Bei dem in den Anzeigen verwendeten Bildmaterial handelt es sich meist um Abbildungen des Produkts, des Firmenlogos oder des Produkts in Anwendung, d.h. eines Sportlers, der mit den beworbenen Sportschuhen bekleidet in Aktion zu sehen ist. Graphiken, technische Zeichnungen zu Funktionsweisen oder verwendeten Materialien o. ä. bildliche Elemente, über die Fachlichkeit leicht aufgebaut werden könnte, weisen die vorliegenden Anzeigen nicht auf. Als einzige Ausnahme könnte die Anzeige des Schuhherstellers New Balance gewertet werden, wo mit der individuellen Passform der Sportschuhe geworben wird und zu diesem Zweck eine schematische Zeichnung verschiedener Fußformen, die mit Vermessungslinien versehen sind, eingefügt ist.

Die der Untersuchung zugrunde liegenden Anzeigen zeichnen sich insgesamt durch eine hohe Zahl an Wörtern mit fachlichem Charakter aus. Zu den Wörtern mit fachlichem Charakter im engeren Sinne können Ausdrücke gerechnet werden, die in ihrer fachlichen Bedeutung beschreibbar sind. Sie beziehen sich auf Eigenschaften der Produkte, deren Wirkung und Nutzungsmöglichkeiten:

Mittelsohle, Außenseite der Ferse, Dichte, Material, medial, Aufprallkräfte, Aufprallpunkt, thermoplastisches Material, Rückfuß, Vorfuß, Bewegungsabläufe, Abrollen, Passform, Schuhweite, neutrale Läuferinnen, Überpronation, Stützelement, Vorfußflexibilität, Laufschuh.[41]

Die Begriffe Stabilität und Dämpfung werden ebenfalls zu den Fachwörtern i. e. S. gezählt, da sie in der Zeitschrift Runner’s World als Bewertungskriterien in einem Laufschuhtest genutzt werden.

Als assoziativ fachlich gelten Fremdwörter, die schon durch ihre Ausdrucksseite Fachlichkeit evozieren und kein fachspezifisches Denotat haben: biomechanisch korrektes Abrollen, optimieren, neutralisieren, effizient.

Wörter mit fachlichem Charakter i. w. S. sind außerdem Ausdrücke, die der Alltagssprache angehören, die aber in dem Kontext, in dem sie stehen, auf technische Vorgänge oder Eigenschaften hinweisen. Durch das fachliche Umfeld werden sie selbst fachlich assoziativ: stützen, vermindern, verteilen, lenken, Leistung, Leistungsfähigkeit.

Ausdrücke, die nicht fachlich sind, aber auf Forschung und Entwicklungstätigkeit verweisen, werden ebenfalls dem assoziativ fachlichen Bereich zugerechnet: Forschungsarbeit, entwickeln.

Zur Pseudofachsprache zählen die in der Sportschuhwerbung sehr häufig verwendeten ‚Plastikwörter‘ Technologie, System und Konzept, die ihre fest umrissene Bedeutung verloren haben und sich durch semantische Vagheit auszeichnen. Bei ihnen geht es in erster Linie um die Wirkung der Ausdrucksseite, statt um Informierung durch die Inhaltsseite. Ausdrücke wie Konzept, Technologie oder System, die meist Bestandteile von Komposita sind, sind in ihrer konkreten Bedeutung schwer fassbar: Schuhtechnologie, Low Profile-Konzept, Energy Management System.

Die letztgenannten Ausdrücke zeichnen sich zudem durch unnötige Komplexität und eindeutig aus modischen Gründen gewählte Fremdsprachigkeit aus. Diese Charakteristika sind klare Kriterien für Pseudofachsprachlichkeit.

Bezeichnungen für firmeninterne Entwicklungen oder Patente wecken den Anschein, es handle sich um allgemein gültige Fachausdrücke, wenn sie nicht als Namen für Patente gekennzeichnet sind. In diesem Fall können sie als pseudofachsprachlich gewertet werden, auch wenn die Recherche im Internet oder in Zeitschriften ergibt, dass sich hinter diesen Bezeichnungen fassbare und beschreibbare Technikeigenschaften verbergen.

Hierzu zählen beispielsweise die firmenspezifischen Benennungen von Produkteigenschaften, die die Firma asics in ihren Anzeigen auflistet: SpEVA[42] -Mittelsohle, DUOTRUSS-System, GEL-Dämpfung, DUOMAX-Stützelement, Impact Guidance System.[43] Funktions- und Wirkweise dieser technischen Details werden in den Anzeigen weder erklärt, noch werden diese Bezeichnungen als Patente kenntlich gemacht. Ebenso wird in der Anzeige der Firma Puma verfahren, wenn firmenspezifische Wortschöpfungen wie UNITEC-Technologie oder Low Profile-Konzept genannt, aber nicht näher spezifiziert werden.

Die Firma Adidas wirbt mit einem „einzigartigen Energy Management System“, das – wie der sehr textreichen Anzeige zu entnehmen ist - aus Cushioning Element, Guidance Element, Stability Element und Transition Plate besteht. Laut Werbetext sollen diese Bestandteile des Schuhs folgende Wirkungen hervorrufen: „Es ist ein System, das deinen Fuß einfach gesagt, dämpft, führt und beschleunigt.“ Funktions- und Wirkweise der technischen Elemente werden hier zwar ansatzweise erklärt, dennoch erschwert der Gebrauch englischsprachiger Begriffe, die anstelle möglicher deutscher Synonyme verwendet werden, und vieler assoziativ fachlicher Ausdrücke das Verständnis.

5.3 Argumentation

In den in dieser Arbeit untersuchten Werbeanzeigen überwiegt die produktbezogene Argumentation. So wird in den Anzeigen der Firma asics ausschließlich empirisch argumentiert, indem Produkteigenschaften aufgezählt werden. Adidas argumentiert mit dem Verweis auf Forschungsarbeit, mit dem Aufzählen von technischen Details und der Darstellung des Nutzens der technischen Eigenschaften für die konkrete Anwendungssituation. Letztere findet sich zum Beispiel in der Aussage: „Es [das Guidance Element] dient dazu, den Fuß des Läufers vor Überpronation zu bewahren, und garantiert perfektes Abrollen bei jedem Schritt.“ (siehe Abb. 3)

In der Werbeanzeige für den Laufschuh der Firma Puma wird mit der Autoritätsargumentation gearbeitet: Eine bekannte Sportlerin bürgt für die Qualität des Schuhs. Technische Details und die Vorteile, die diese mit sich bringen, werden in diesem Zusammenhang genannt: „Seine UNITEC-Technologie und das Low Profile-Konzept sorgen für eine exzellente Vorfußflexibilität und machen ihn so einzigartig...“ (siehe Abb. 5)

New Balance argumentiert ebenfalls produktbezogen, wobei hier die individuelle Schuhweite als Kaufargument hervorgehoben wird. Mit einem Verweis auf die Tradition - „Deshalb haben wir schon 1962 die new balancepassformel entwickelt.“ (siehe Abb. 4) - kommt eine konventionalisierte Schlussregel zur Anwendung: Eine lange Tradition spricht immer für die Sache.

6. Fachlichkeitskonzept: Information oder Inszenierung?

Im Bereich der Sprachverwendung fällt auf, dass insbesondere das Verständnis der zahlreichen firmeninternen Wortschöpfungen durch die Verwendung von Fremdwörtern, englischen Begriffen, Zahlen- und Buchstabenkombinationen und durch die Komplexität der Wortbildungen unnötig erschwert wird. Explikationen, wenn vorhanden, beschränken sich zumeist auf die Nennung der Wirkung und Vorteile, die die technischen Details mit sich bringen, die Funktionsweise der Technik selbst wird nicht oder nur oberflächlich erläutert. Vor dem Hintergrund des Kriteriums der Verständlichkeit kann daher festgehalten werden, dass in den hier untersuchten Anzeigen für Sportschuhe die Verwendung sprachlicher Mittel eher auf die Wirkung der Ausdrucksseite abzielt, statt produktbezogene Informationen vermitteln zu wollen. Die mögliche Evozierung von Fachlichkeit mit Hilfe des Bildes wird in den untersuchten Anzeigen kaum genutzt. Wie in den Anzeigen der Produktgattung Auto überwiegt auch hier die klassische Produktabbildung. Der Trend geht dahin, empirisch und anwendungsbezogen zu argumentieren, d.h. es wird mit technischen Produkteigenschaften und deren Nutzen für den Anwender geworben. Diesen Argumentationstrend hat die Produktgattung Sportschuh mit den Produktgattungen Auto und Unterhaltungselektronik gemein.

Die Strategien zur Schaffung von Fachlichkeit, wie sie in dieser exemplarischen Untersuchung für die Produktgattung Sportschuh ermittelt werden konnten, ähneln den von Janich herausgestellten Fachlichkeitskonzepten in der Auto- und Unterhaltungselekronikwerbung. Nicht der Aufbau einer seriösen wissenschaftlichen Atmosphäre ist Zweck der Verwendung fachlicher Mittel. Vielmehr besteht die Strategie zur Evozierung von Fachlichkeit hauptsächlich darin, mittels Nennung technischer Produkteigenschaften für den Kauf des Produkts zu werben.

Literaturverzeichnis:

Quellen:

Fit for Fun 3/ 2002

Runner's World 4/ 2002

http://www.sportschuhe.com

Darstellungen:

Fluck, Hans Rüdiger: Fachsprachen. Einführung und Bibliographie. Tübingen - Basel, 51996.

Gipper, Helmut: Fachsprachen in Wissenschaft und Werbung. Erkenntnisgewinn und Irreführung. - In: Mentrup, Wolfgang (Hrsg.): Fachsprachen und Gemeinsprache. Jahrbuch 1978 des Instituts für deutsche Sprache. Düsseldorf, 1979 (= Sprache der Gegenwart. 46.), S. 125-143.

Hoffmann, Hans- Joachim: Psychologie der Werbekommunikation. Berlin/ New York, 1981.

Janich, Nina: Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. Tübingen, 1999.

Janich, Nina: Werbung als Medium der Popularisierung von Fachsprachen. - In: Niederhauser, Jürg/ Adamzik, Kirsten ( Hrsg.): Wissenschaftssprache und Umgangssprache im Kontakt. Frankfurt am Main. 1999, S. 139-151.

Janich, Nina: Fachliche Information und inszenierte Wissenschaft: Fachlichkeitskonzepte in der Wirtschaftswerbung. Tübingen, 1998.

Janich, Nina: Probiotisch - Die Biotechnologie prägt einen neuen Naturbegriff. Eine fachsprachlich - semiotische Untersuchung von Lebensmittelwerbung. - In: Ars Semeiotica 21 (1998), S. 99-110.

Schweiger, Günter/ Schrattenecker, Gertraud: Werbung. Eine Einführung. Stuttgart - New York, 41995.

Pörksen, Uwe: Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur. Stuttgart. 41992.

[...]


[1] Janich, Nina: Fachliche Information und inszenierte Wissenschaft: Fachlichkeitskonzepte in der Wirtschaftswerbung. Tübingen, 1998a. Zitatbelege nach dieser Ausgabe künftig mit Seitenangabe im Text. Auf einmal vollständig zitierte Titel wird im Folgenden mit Name und Erscheinungsjahr verwiesen.

[2] Einen Forschungsüberblick zur Fachsprachenforschung liefert Fluck, Hans Rüdiger: Fachsprachen. Einführung und Bibliographie. Tübingen - Basel, 51996, S. 190-232.

[3] Vgl. hierzu ausführlicher: Janich 1998a, S. 20.

[4] Gipper, Helmut: Fachsprachen in Wissenschaft und Werbung. Erkenntnisgewinn und Irreführung. - In: Mentrup, Wolfgang (Hrsg.): Fachsprachen und Gemeinsprache. Jahrbuch 1978 des Instituts für deutsche Sprache. Düsseldorf, 1979 (= Sprache der Gegenwart. 46.), S. 125-143.

[5] Vgl.: Ebd.: S. 141.

[6] Ebd.: S. 133-134.

[7] Janich 1998a.

[8] Vgl.: Ebd.: S. 232-233.

[9] Janich, Nina: Probiotisch - Die Biotechnologie prägt einen neuen Naturbegriff. Eine fachsprachlich-semiotische Untersuchung von Lebensmittelwerbung. - In: Ars Semeiotica 21 (1998), S. 99-110.

[10] Janich, Nina: Werbung als Medium der Popularisierung von Fachsprachen. - In: Niederhauser, Jürg/ Adamzik, Kirsten ( Hrsg.): Wissenschaftssprache und Umgangssprache im Kontakt. Frankfurt am Main. 1999, S. 139-151.

[11] Vgl.: Janich, Nina: Werbesprache. Ein Arbeitsbuch. Tübingen, 1999, S. 157.

[12] Hoffmann, Hans- Joachim: Psychologie der Werbekommunikation. Berlin/ New York, 1981, S. 10.

[13] Vgl.: Schweiger, Günter/ Schrattenecker, Gertraud: Werbung. Eine Einführung. Stuttgart - New York, 41995, S. 11.

[14] Vgl.: Janich 1999, S. 20.

[15] Vgl.: Janich 1998a, S. 22.

[16] Vgl.: Ebd.: S. 22f.

[17] Janich 1999, S. 153.

[18] Vgl.: Ebd.: S. 154.

[19] Vgl.: Janich 1998a, S.31-33.

[20] Janich nennt im Zusammenhang mit der Untersuchung des Wortschatzes in der Autowerbung Komposita mit Grundkonstituenten wie –konzept, -schutz, -system und –technologie, die je nach ihrem Verwendungszusammenhang als ‚Plastikwörter‘ bezeichnet werden können. Hierbei handelt es sich um Wörter, die ihre fest umrissene Bedeutung verloren haben und semantisch so vage sind, dass ihre Verwendung nur noch auf die Wirkung der Ausdrucksseite abzielt. Vgl. Janich 1998a, S. 80f. Janich verweist hier auf die Arbeit „Plastikwörter. Die Sprache einer internationalen Diktatur. Stuttgart. 41992.“ von Uwe Pörksen, der den Begriff ‚Plastikwort‘ geprägt hat.

[21] Brandt, Wolfgang: Die Sprache der Anzeigenwerbung. Ein operationelles Modell zur Analyse und Interpretation von Werbung im Deutschunterricht. In: Germanistische Linguistik 1-2. 1973, S.130 -196.

[22] Vgl. zur groben Vorgehensweise Janich 1998a, S. 54-65.

[23] Vgl.: Ebd.: S.82.

[24] Weitere Beispiele zu Wörtern mit fachlichem Charakter i. e. und i. w. S. und Angaben zur statistischen Verteilung derselben bei Janich 1998a, S. 79-88.

[25] Vgl. Ebd.: S. 124.

[26] Vgl.: Ebd.

[27] Argumentationstrategien in der Autowerbung ebd.: S. 114-123.

[28] Vgl.: Ebd.: S. 136.

[29] Vgl.: Ebd.: S. 158.

[30] Vgl. den gesamten Abschnitt ebd.: S. 188-190.

[31] Vgl.: Ebd.: S. 166.

[32] Vgl.: Ebd.: S. 190.

[33] Vgl. den gesamten Abschnitt ebd.: S. 195-200.

[34] Vgl. den gesamten Abschnitt ebd.: S. 200-213.

[35] Vgl.: Ebd.: S. 77. Janich sieht das Problem nicht so sehr in der prinzipiellen Erkennbarkeit von Wörtern mit fachlichem Charakter i. e. S. und i. w. S., sondern vielmehr in der Schwierigkeit, eine definitive Entscheidung darüber zu fällen, ob im konkreten Fall auf ein fachliches Denotat referiert wird, ob nur fachliche Assoziationen geweckt werden sollen, oder ob es sich um Pseudofachsprache handelt.

[36] Vgl.: Ebd.: S. 131.

[37] Vgl.: Ebd.: S. 96.

[38] Vgl: Janich 1999, S. 48.

[39] Die im Folgenden angeführten Produktnamen sind sowohl den Werbeanzeigen der obengenannten Zeitschriften als auch den Werbeprospekten von Sportartikelgeschäften wie Intersport oder Karstadtsport des Frühjahrs 2002 entnommen.

[40] Die Definitionen und Erklärungen der Fachbegriffe sind dem Laufschuh-Test in der Zeitschrift Runner‘s World 4/02 (S. 60-71) und der Internetseite www.sportschuhe.com entnommen. Die Klärung der Fachbegriffe über diese einzig zur Verfügung stehenden Quellen ist problematisch, da die gelieferten Definitionen oft selbst Werbezwecken dienen und daher nicht als objektiv gelten können. Die vollständige Definition von ASICS GEL wie sie sich unter www.sportschuhe.com findet lautet: „Enorm effektives Dämpfungssystem, basierend auf Silikon in verschiedenen Herstellungsverfahren.“ Durch die Bewertung des Dämpfungssystems als enorm effektiv, lässt sich ausschließen, dass es sich um reine Sachinformation handelt. Nichtsdestotrotz ermöglichen diese Erklärungen dem Laien einen Zugang zu den in der Anzeigenwerbung verwendeten Ausdrücken, die ohne Vorwissen meist unverständlich bleiben.

[41] Ein in der Zeitschrift Runner's World abgedrucktes Laufschuh-Lexikon (S.62) und die Definitionen zu Fachbegriffen auf der Internetseite www.sportschuhe.com sind als Maßstab für die Klassifizierung der Ausdrücke als fachlich i. e. S. herangezogen worden. So hat beispielsweise laut der genannten Quellen der Ausdruck medial die Bedeutung „zur Fußinnenseite gerichtet“, der Vorfuß kennzeichnet den „Fußbereich der Ballen und der Zehen“, der Rückfuß den „Fußbereich der Ferse“, unter Pronation „versteht man das natürliche Einknicken des Fußes nach innen bei jedem Laufschritt. Ein leichtes Pronationsverhalten ist physiologisch normal. Bei einer Überpronation knickt der Läufer übermäßig stark nach innen ein.“ Vgl.: www.sportschuhe.de.

[42] EVA ist ein Kürzel für Ethylenvinylacetat: Ein leichter Kunststoff, der in Laufschuhen als Zwischensohlenmaterial verwendet wird. Bei SpEVA handelt es sich um ein patentgeschütztes Zwischensohlenmaterial der Firma asics. Worin seine Zusammensetzung besteht, oder inwieweit es sich von EVA unterscheidet bleibt unklar.

[43] Auch die Informationen, die die Internetseite www.asics.de, auf die in der Anzeige selbst verwiesen wird, zu den firmeninternen Bezeichnungen liefert, haben geringen Erklärungswert. Für das Impact Guidance System findet sich beispielsweise folgende Beschreibung: „Das Impact Guidance System – kurz IGS – ist eine völlig neue Design - Philosophie, die den hohen Ansprüchen der Sportler gerecht wird. Denn mehrere aufeinander abgestimmte bewährte Technologien sorgen dafür, dass der Fuß beim Laufen in seinem natürlichen Bewegungsablauf bleibt.“ http://www.asicseu.com/channels/de/technology/shoe/index.htm.

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Details

Title
Ausgestaltung und mögliche Funktion von fachlichen Elementen in der Anzeigenwerbung für Sportschuhe
College
University of Cologne  (Institut für Deutsche Sprache und Literatur)
Grade
sehr gut
Author
Year
2002
Pages
22
Catalog Number
V29548
ISBN (eBook)
9783638310277
ISBN (Book)
9783656562368
File size
574 KB
Language
German
Keywords
Ausgestaltung, Funktion, Elementen, Anzeigenwerbung, Sportschuhe
Quote paper
Alexandra Lisson (Author), 2002, Ausgestaltung und mögliche Funktion von fachlichen Elementen in der Anzeigenwerbung für Sportschuhe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29548

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