„Sehr viele Themen sind „im Reich“ zum ersten Mal behandelt worden. Das hat oft zu
Schwierigkeiten geführt, zu scharfen Apostrophierungen in der Pressekonferenz, einmal auch zu
einem Berufsgerichtsverfahren und in vielen Fällen zu Verweisen durch die zuständigen Stellen
[…] Die Grenzen waren also für uns nicht weiter gezogen als für die Tagespresse […] Weil wir
immer Themen behandelt haben, welche die übrige Presse als heißes Eisen liegen ließ, wurde uns
auch sehr früh eröffnet, daß das „Reich“ keine Informationen beanspruchen oder verwenden
dürfe, die nicht der gesamten Presse freigegeben seien. In der Tat war aus dem Kreise der
Berufskameraden oft die Frage zu hören: „Warum darf das „Reich“ und wir nicht?“ Auch die
anderen hätten wohl in manchen Fällen „gedurft“, aber unsere Bereitschaft zu eigener
Verantwortung hat im allgemeinen nicht ansteckend gewirkt. Denn damit war immer ein Risiko
verbunden: Fragte man in einer bestimmten Angelegenheit zurück, so mußte man befürchten, daß
unter Umständen der ganze Komplex, den man vorsichtig und verantwortungsbewußt zu
behandeln gedachte, gesperrt wurde; im Falle einer selbstständigen Entscheidung aber konnte ein
Konflikt entstehen.“
Diese Zeilen schrieb der scheidende erste Chefredakteur der „deutschen
Wochenzeitung Das Reich“, Eugen Mündler, an Rolf Rienhardt im Dezember 1942.
Aus ihnen spricht dabei deutlich die Sonderstellung, welche die Zeitung ganz
selbstverständlich für sich in Anspruch nahm. Sie wollte und durfte anders sein, als
die übrige NS-Presse, ohne jedoch zu dieser Zeit den später von Journalisten
bemühten „Widerstand zwischen den Zeilen“ für sich zu reklamieren.
Bereits bei der Betrachtung der Mitarbeiter des „Reich“ wird klar, dass diese
Sonderstellung nicht nur auf einer subjektiven Einschätzung Mündlers beruhte: Karl
Korn, John Brech, Paul Scheffer, Sigurd Paulsen, Erich Peter Neumann, Elisabeth
Noelle-Neumann und der spätere Bundespräsident Theodor Heuss – sie alle
schrieben für „Das Reich“. Bürgerliche Journalisten, bekannt aus liberalen oder
konservativen Zeitungen, gaben sich im „Reich“ buchstäblich die Klinke in die
Hand, während linientreue Nationalsozialisten innerhalb der Redaktion in der
Unterzahl waren...
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- a) Forschungsinteresse
- b) Forschungsfragen
- c) Forschungsstand
- d) Aufbau der Arbeit
- 2. Vorgehensweise dieser Arbeit
- a) Auswahl der Presseerzeugnisse
- b) Zeitlicher Rahmen dieser Arbeit
- c) Auswahl der Artikel
- d) Methodik
- e) Darstellung des Kategoriensystems
- f) Begriffsklärungen
- 3. Presse und Öffentlichkeit im Dritten Reich
- a) Der Apparat der Presselenkung
- b) Eine Typologie der NS-Presse
- c) Ein Porträt des ,,Völkischen Beobachter“
- d) Ein Porträt des ,,Reich“
- e) Öffentlichkeit im Dritten Reich
- 4. Die Zeit der Siege
- a) Die Praxis im ,,Völkischen Beobachter“
- b) Die Praxis in ,,Das Reich“
- 5. Die Zeit der Niederlagen
- a) Die Praxis im ,,Völkischen Beobachter“
- b) Die Praxis in „Das Reich“
- 6. Vergleichende Betrachtung
- a) Die Zeit der Siege
- b) Die Zeit der Niederlagen
- 7) Schlussbetrachtung
- a) Ergebnisse dieser Arbeit
- b) Die Wirkung der NS-Propaganda
- c) Grenzen dieser Arbeit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Sonderstellung der deutschen Wochenzeitung „Das Reich“ im Kontext der NS-Presse. Sie analysiert, inwiefern sich die Zeitung von anderen NS-Publikationen unterschied und welche Rolle sie im System der NS-Propaganda spielte. Die Analyse erfolgt durch einen Vergleich mit dem „Völkischen Beobachter“, einer typischen NS-Tageszeitung.
- Die Rolle der Presse im NS-Staat
- Die Funktionsweise der NS-Propaganda
- Die Sonderstellung von „Das Reich“ innerhalb der NS-Presse
- Der Einfluss der NS-Presse auf die öffentliche Meinung
- Die Unterschiede in der Berichterstattung von „Das Reich“ und dem „Völkischen Beobachter“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Forschungsinteresse und die Forschungsfragen der Arbeit vor. Sie bietet zudem einen Überblick über den Forschungsstand und den Aufbau der Arbeit. Kapitel 2 beschreibt die Vorgehensweise der Arbeit, die Auswahl der Presseerzeugnisse, den zeitlichen Rahmen, die Methodik und das Kategoriensystem. Kapitel 3 beleuchtet die Rolle der Presse im Dritten Reich und die Funktionsweise der NS-Propaganda. Die Kapitel 4 und 5 analysieren die Praxis der Berichterstattung in „Das Reich“ und dem „Völkischen Beobachter“ während der Zeit der Siege und der Niederlagen. Kapitel 6 bietet eine vergleichende Betrachtung der Ergebnisse. Die Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse zusammen und diskutiert die Wirkung der NS-Propaganda sowie die Grenzen der Arbeit.
Schlüsselwörter
NS-Presse, Propaganda, „Das Reich“, „Völkischer Beobachter“, Inhaltsanalyse, Pressefreiheit, öffentliche Meinung, Kriegspropaganda, Blitzkrieg, NS-Ideologie, Joseph Goebbels, Eugen Mündler, Medienkonsum, Zeitgeschichte.
- Quote paper
- Maik Kretschmar (Author), 2014, Die NS-Presse zwischen Sieg und Niederlage, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295516