Narzissmus, Geschlecht, Paarbeziehung

Weiblicher Narzissmus


Masterarbeit, 2014

127 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Was ist Narzissmus?
2.1 Primärer und sekundärer Narzissmus
2.2 Von der Normalität zur Abweichung
2.3 Definitionsbausteine
2.4 Differenzierung zum männlichen Narzissmus
2.4.1 Erscheinungsformen
2.4.2 Ursachen
2.5 Gängige Symptomatiken und Krankheitsbilder

3 Liebe
3.1 Reife sexuelle Liebe
3.2 Die leidenschaftliche Liebe nach Denis de Rougemont

4 Narzisstische Paarbeziehungen
4.1 Männliche und weibliche narzisstische Liebespartnerinnen/Liebespartnern
4.1.1 Männliche Narzissten in Liebesbeziehungen
4.1.2 Weibliche Narzisstinnen in Liebesbeziehungen
4.2 Trennungen narzisstischer Liebesbeziehungen

5 Auswege aus dem Narzissmus?
5.1 Einzeltherapie
5.2 Paartherapie

6 Resümee/Schlussfolgerungen

7 Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Curriculum Vitae

Vorwort

Ich habe mich für die Thematik „Narzissmus“ entschieden, da ich es für aktueller denn je halte und mich inmitten einer gefühlten immer narzisstischer werdenden Gesellschaft befinde. Individualismus scheint das Stichwort unserer westlichen Gesellschaft zu sein und, dass könnte meiner Meinung nach die Folge oder Vorreiter einer narzisstischen Denkweise sein. Bedürfnisse werden nur mehr bei einem selbst wahrgenommen, für jemand anderen etwas Gutes tun gilt als Rarität und diese Verhaltensweise verbreitet sich in der westlichen Gesellschaft immer mehr.

Weiters habe ich beschlossen mein Hauptaugenmerk auf geschlechtsspezifische Unterschiede zu legen und vor Allem den speziell weiblichen Narzissmus genauer zu erforschen. Dem Phänomen Narzissmus wird von Seiten der Gesellschaft meist das männliche Geschlecht zugeordnet. Ich glaube aber, dass das weibliche Geschlecht nicht weniger davon betroffen ist.

Was verbirgt sich hinter diesen oft so selbstbewusst, mächtig wirkenden Personen? Ist es nur eine äußere Maske oder fühlen diese Persönlichkeiten sich wirklich allen überlegen? Immer wieder treffen wir auf solche Menschen und wissen oft gar nicht wie minderwertig und schlecht diese sich innerlich eigentlich fühlen. „Wir alle spielen Theater“ (Ervin Goffman 2003) – aber dieser derart konträre Rollenwechsel bei narzisstischen Persönlichkeiten hat zudem mein Interesse für dieses weit verbreitete Phänomen geweckt.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen Personen bedanken, die mich durch meine Studienzeit begleitet haben und mich bei der Durchführung meiner Masterarbeit unterstützt haben, fachlich als auch emotional. Danke!

Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, die mich während der gesamten Studienzeit immer wieder in vielerlei Hinsicht liebevoll unterstützt hat. Meine Eltern standen stets bedingungslos an meiner Seite und haben mich weit über die Ausbildung hinaus unterstützt.

Ein sehr großes Dankeschön an Herrn Dr. Pier Paolo Pasqualoni, Senior Lecturer für seine zuverlässige, motivierende und kompetente Betreuung. Sein Feedback war für mich sehr wertvoll und hat maßgeblich zum vorliegenden Arbeitsergebnis beigetragen.

Ein besonderes Dankeschön gilt meinem Freund, der immer für mich da war und mir besonders in schwierigen Phasen mit Rat und Tat zur Seite stand.

Und last but not least möchte ich mich bei meinen Studienkolleginnen und Freundinnen fürs gemeinsame diskutieren, lachen, inspirieren, zuhören, motivieren, u.v.m. insbesondere während der Zeit des Schreibens bedanken.

1 Einleitung

Die Psychotherapeutin Klammer stellt in den Raum, dass sich die westliche Gesellschaft in einem sogenannten "Zeitalter des Narzissmus" befindet. Die stetige Suche nach Anerkennung, Konsumbesessenheit, die Überzeugung der Mensch könne alles verändern und ein übertriebener Schönheitswahn sind nur vier von etlichen Schlagwörtern, welche im Zeitgeist des Narzissmus vorherrschen. (vgl. Klammer 2008, S. 5) Wie hungrig ein Großteil der Gesellschaft nach Anerkennung ist, lässt sich beispielsweise in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram, Tumblr oder Twitter sehr gut beobachten. Durch meist nur zum Teil realitätsgetreue Darstellungen der eigenen Person wird in diesen sozialen Plattformen nach Anerkennung gesucht und folglich auch erlangt. Möglicherweise passiert dies überwiegend in sozialen Netzwerken, da das Web 2.0 im Allgemeinen sehr an Bedeutung gewonnen hat.

Generell findet heutzutage eine Überflutung durch teilweise sehr unrealistische Medienbilder statt, welche diesen Schönheitswahn möglicherweise verstärken bzw. aufrechterhalten. (vgl. ebd., S. 5) Daraus resultiert zunehmend, dass sich immer mehr Menschen einer Schönheitsoperation unterziehen. Auch Piercings und Tätowierungen dienen häufig zur Aufwertung des eigenen Selbstwertgefühls bzw. der Anerkennung.

Unrealistisch scheinen die Konfektionsgrößen mancher weiblicher Stars ohnehin zu sein. Als würde das ständige zur Schau stellen von „Size Zero“ Körpern nicht genügen. Die Modemarke Abercrombie & Fitch brachte kürzlich die Konfektionsgröße “Trible Zero” auf den Markt. “Dreimal so dünn” - lautet das neue Schönheitsideal unter Frauen. Eine äußert gefährliche Botschaft an junge Mädchen und Frauen. Es sollte kritisch betrachtet werden, ob Signale dieser Art zur Verleugnung des weiblichen Körpers, der Weiblichkeit “an sich” also, maßgeblich beitragen. (vgl. Mokosch 2014)

Das wohl aktuellste Emblem des “narzisstischen Zeitalters” scheint das “Selfie” zu sein. “Selfie” meint das Selbstpoträt mit einem Smartphone oder einer Webcam. Von einem “Selfie” kann gesprochen werden, wenn das Selbstpoträt auf einem sozialen Netzwerk veröffentlich wird. Im Jahr 2013 wurde es von der Oxford English Dictionary nicht umsonst zum Wort des Jahres gekürt. (vgl. Thomas 2013) Dem Pew Research Center nach haben 91 Prozent aller Jugendlichen schon mindestens einmal ein Selfie von sich veröffentlicht. (vgl. Lambrecht 2013) Es erweckt den Eindruck, dass das “Selfie” in nahezu allen Altersgruppen sowie allen Gesellschaftsschichten angekommen ist. Dennoch ist Narzissmus keineswegs eine Erfindung des Social-Media-Zeitalters. (vgl. ebd. 2013) Die Begeisterung an der eigenen Person, am eigenen Ich ist nicht weniger alt als die Menschheit selbst. (vgl. Thomas 2013) Doch die Technologie dazu ist neu. Früher haben Menschen Selbstpoträts in Form von Höhlenmalerei, Ton, Marmor oder Ölfarbe gemacht. Im Unterschied dazu, verlangt das “Selfie” nach einer Reaktion anderer Menschen. (vgl. Lambrecht 2013) Die neue Technolgie, d. h. soziale Plattformen, ermöglichen das zeitnahe Reagieren auf ein Selbstporträt. “Selfies” drücken das Bedürfnis nach Selbstbestätigung aus. “Likes” scheinen dieses Bedürfnis befriedigen zu können. (vgl. Thomas 2013)

“Während es sich primär um das “ich” zu drehen scheint, geht es eigentlich um ein grundlegendes menschliches Bedürfnis: ein “wir” zu finden.” (ebd. 2013)

“Selfies” mögen auf den ersten Blick “selbst-verliebt” erscheinen. Eigentlich dient das Selfie aber dazu, mit anderen Menschen in Verbindung treten zu können. (vgl. Lambrecht 2013)

Letztlich lässt sich feststellen, dass dieser wahrgenommene Narzissmus in der Gesellschaft nur ein Spiegelbild zahlreicher Individuen in eben dieser westlichen Gesellschaft darstellt. Etliche Menschen leiden unter Gefühle der Einsamkeit und Leere und sind aber auch nicht fähig Beziehungen einzugehen geschweige denn aufrechtzuerhalten. Diese Menschen fühlen sich ständig benachteiligt. Im alltäglichen Sprachgebrauch denkt man als erstes an Selbstliebe, wenn von narzisstischen Menschen die Rede ist. Vorausblickend kann allerdings behauptet werden, dass narzisstische Persönlichkeiten einerseits unter einer Selbstwertstörung und andererseits unter einer Beziehungsstörung leiden. Ihre tiefen Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle können sie jedoch sehr gut hinter ihrer Maske als einer nahezu perfekten Persönlichkeit verstecken. Narzisstische Menschen haben ein tiefes Bedürfnis nach Liebe und Nähe, sind allerdings unfähig eine echte Bindung einzugehen. (vgl. Klammer 2008, S. 5)

Möglicherweise wirkt sich diese derzeitige "narzisstische Gesellschaft“ auf den individuellen Sozialisationsprozess sowie auf die Strukturen innerhalb einer Familie aus. Speziell im Hinblick auf die Identifizierung der Frau mit typisch weiblichen Merkmalen, scheint eine gelungene Individuation und Identitätsfindung schwieriger geworden zu sein. Ehemals typisch männliche Werte wie Karriere, Macht und Leistung müssen/dürfen heutzutage auch von einer Frau erfüllt werden, damit sie anerkannt wird. Werte, die früher nämlich noch als typisch weiblich galten, haben in heutiger Zeit auch bei Frauen an Bedeutung verloren. Als Folge dieses Wandels können in heutiger Gesellschaft beispielsweise oft Konflikte “wer denn der bessere Mann innerhalb von Partnerschaften sei” beobachtet werden. (vgl. ebd., S. 5)

Generell erweckt es den Eindruck, dass Paarbeziehungen einen anderen Stellenwert bekommen haben. Selbstverwirklichung hat oberste Priorität. Gefährdet eine Partnerschaft diese, wird die Beziehung meist beendet. Individualisierung steht damit vor Gemeinsamkeit. Dennoch scheint Liebe heute ihre Hochkonjunktur zu erfahren. Die fortschreitende Individualisierung macht die Liebe bedeutender als alles andere. Gleichzeitig scheint Liebe die Gegenideologie zur Individualisierung in der westlichen Gesellschaft zu sein. (Beck 2005, S. 239; vgl. Lenz 2009, S. 293) Die Liebe ermöglicht es uns unsere Einsamkeit wenigstens für kurze Zeit zu vergessen. (vgl. Pasqualoni 2010, S. 18)

In der Forschung finden sich zahlreiche verschiedene Konzepte zur Thematik Narzissmus wieder, welche sich zum Teil untereinander auch widersprechen. Einige sehr bedeutsame Theoretikerinnen/Theoretiker wie beispielsweise Kohut, Freud, Winnicott, Kernberg etc. sprechen von einem ausschließlich männlichen Narzissmus oder betrachten diese Thematik als geschlechtsneutral. Gegenpositionen dazu wie beispielsweise die von Wardetzki, sprechen allerdings von einem klar trennbaren männlichen und weiblichen Narzissmus. Wardetzki trifft deshalb eine klare Differenzierung, da sie der Ansicht ist, dass es erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern. vor allem hinsichtlich des Erlebens und Verhaltens narzisstischer Persönlichkeiten gibt. Orientiert man sich an der Märchendeutung, welche in diesem Bereich häufig Anwendung findet, findet sich ebenso ein männlicher wie weiblicher Narzissmus. Natürlich wird ein so deutlicher Unterschied hinsichtlich des weiblichen und des männlichen Narzissmus im realen Leben nicht immer zu erkennen sein. Viel eher werden Mischformen beider Persönlichkeitstypen vorzufinden sein. (vgl. Röhr 2012, S.11)

Angelehnt an Wardetzki kann vermutet werden, dass sich bezüglich einer narzisstischen Persönlichkeit, wie in etlichen anderen Bereichen auch, die Geschlechter beispielsweise hinsichtlich der Interessen, des Verhaltens und des Erlebens unterscheiden. Aufgrund geschlechtsspezifischer Unterscheidungen im Hinblick auf Erziehungs- und Sozialisationsprozesse, kann auch davon ausgegangen werden, dass ebenso die Entstehungsbedingungen zwischen männlichen und weiblichen Narzissmus Differenzierungen aufweisen.

Zur besseren Übersicht über die gesamte Arbeit soll hier der Aufbau kurz geschildert werden. Zu Beginn wird allgemein auf das Thema Narzissmus, insbesondere auf Erscheinungsformen und Ursachen, eingegangen. Einleitend soll anhand der Darstellung des Narziss-Mythos der Ursprung des Terminus “Narzissmus” dargelegt werden. Im weiteren Verlauf liegt der Fokus auf dem Themenbereich Narzissmus und Geschlecht. Anhand vom Märchen “Schneewittchen und die sieben Zwerge” soll der Bezug zum spezifisch weiblichen Narzissmus hergestellt werden. Besonders interessant für diese Arbeit wird die Frage sein, in welchen Kontexten der speziell weibliche Narzissmus zum Tragen kommt, sowie die Differenzierung von Grundmustern des weiblichen und des männlichen Narzissmus. Narzisstische Persönlichkeiten sind meist entweder nicht arbeits- oder nicht liebesfähig. Aus diesem Grund soll im letzten Kapitel das Thema Liebe sowie Liebesbeziehungen mit mindestens einer narzisstischen Persönlichkeit umfangreich diskutiert werden. Im Anschluss folgt das Resümee bzw. die Schlussfolgerungen aus den neu gewonnen Erkenntnissen und Ergebnissen der vorliegenden Forschungsarbeit.

2 Was ist Narzissmus?

Der Flussgott Kephissos tat der schönen Nymphe Leiriope Gewalt an, woraufhin diese schwanger wurde. Er ließ die schwangere Leiriope dann alleine zurück. Sie brachte einen wunderschönen Jungen auf die Welt und nannte ihn Narzissus (griechisch: Narkissos). (vgl. Haller 2013, S. 31)

Die Nymphe war eine sehr besorgte Mutter und suchte somit den berühmten Wahrsager Teiresias auf, um zu fragen, ob der schöne Jüngling ein langes Leben haben würde. Der Wahrsager antwortete ihr, dass ihr Sohn solange leben wird bis er sich selbst kennenlerne. Die Nymphe wusste natürlich nicht was er damit meinte, und beachtete dies nicht weiter. (vgl. ebd., S. 31)

Das Kind wuchs zu einem wunderschönen Jüngling heran und wurde von allen Seiten bewundert, sogar die Göttinnen und Götter verehrten ihn. Er ließ aber niemanden an sich heran und vermied jegliche Annäherung. Er wirkte sehr kühl und hartherzig. Die Nymphe Echo, welche dazu verflucht war, nur nachsprechen zu können, verliebte sich in ihn. Sie gestand Narzissus die Liebe, doch dieser wies sie kaltherzig zurück. Daraufhin versteckte sie sich im Wald, wurde menschenscheu, aß nichts mehr und konnte auch nicht mehr schlafen. Als sie an den Folgen daran starb, blieb nur noch ihre Stimme erhalten. (vgl. ebd., S. 31)

Der Jüngling wies auch etliche andere Liebeswerberinnen und Liebeswerber zurück. Als Narzissus einmal im Wald an einer Quelle etwas trinken wollte, erblickte er in diesem Wasser das Bild eines wunderschönen Jünglings. Völlig außer sich von diesem Anblick starrte er unermüdlich dieses Bild an. Er war so angetan von dieser Schönheit, dass er sich nicht mehr von diesem Spiegelbild im Wasser lösen konnte und sich sofort verliebte. Er lag bereits auf dem Boden und versuchte mit aller Kraft sich der geliebten Gestalt anzunähern, um diese zu umarmen bzw. sich mit dieser zu vereinen, aber dies war natürlich unmöglich. Voller Qualen schrie er seinen Schmerz sowie seine Sehnsucht und unerfüllte Liebe in die Wälder hinaus. Aufgrund der heftigen Schmerzen beugte er sich immer mehr über das Wasser, erreichte das Bild aber nie. Letztendlich stürzte er ins Wasser und ertrank. (vgl. ebd., S. 31 f.)

Der Begriff »Narzissmus« im klinischen Kontext geht auf diesen griechischen Mythos zurück. Ohne eine der sieben Versionen des Narziss-Mythos zu kennen, kann der Begriff »Narzissmus« im klinischen Kontext nicht verstanden werden. Diese Erzählung aus der griechischen Mythologie handelt davon, wie sich der Jüngling Narzissus (Narziss) in sein eigenes Spiegelbild verliebt, während er eigentlich ein verlorenes Objekt sucht. Er ist auf der Suche nach dem Anderen, lehnt jedoch alle anderen, welche ihn begehren, ab. Dadurch wird er immer wieder auf sich selbst zurück geworfen. Der Jüngling stirbt schlussendlich an seiner übermäßigen Selbstbezogenheit. (vgl. Dammann 2012, S. 15)

Angelehnt an diesen Mythos wurde der Begriff „Narzissmus“ im Jahre 1899 von Paul Näcke unter Einfluss von Havelock Ellis' geprägt. (vgl. Volkan & Ast 2002, S. 33) Sigmund Freud äußerte sich bereits im Jahre 1905 gegenüber Paul Näcke und Havelock Ellis' bezüglich des Begriffes „Narzissmus“. Aber öffentlich erwähnte er ihn erst in einem Vortrag im Jahre 1909 und bezeichnete diesen als ein notwendiges Übergangsstadium zwischen dem Autoerotismus und der Objektliebe. Seiner Ansicht nach besitzt der Mensch von Beginn an Triebe, welche anfangs autoerotisch befriedigt werden. (vgl. ebd., S. 33) In die eigene Person verliebt zu sein, welche natürlich die eigenen Genitalien mit einschließt, ist nach Freud ein notwendiges Stadium in der Entwicklung. Folglich, gehe man dann zu ähnlichen Objekten über. (Nunberg u. Federn 1977, S. 282; vgl. Hartmann 2012, S.3)

Für Freud ist eine narzisstische Persönlichkeit ein Mensch, welcher Interesse an seiner Selbsterhaltung und Unabhängigkeit hat und bei dem die Spannung zwischen Ich und Über-Ich aufgehoben ist. Seiner Ansicht nach typisch für eine narzisstische Persönlichkeit sind die Fähigkeiten, welche Ausdruck für Aggressionen und Selbstbehauptung sind, wie beispielsweise Führungsrollen zu übernehmen. (vgl. ebd., S. 7)

Narzisstische Menschen weisen neben einer massiven Aggressivität nicht selten die sogenannte narzisstische Wut auf. Diese stellt einen diffusen Erregungszustand dar, welcher die/den Betroffene/Betroffenen glauben lässt, dass sich ein vermeintliches Selbst-Objekt nicht mehr kontrollieren lässt. (vgl. Mugerauer 2010, S. 45)

„Der Fanatismus des Rachebedürfnisses und der nicht endende Zwang, nach einer Beleidigung die Rechnung zu begleichen […], weisen darauf hin, dass die Aggression im Dienst eines archaisch-grandiosen Selbst mobilisiert wurde [...]“ (Kohut 1971, S. 540; zit. nach ebd., S. 45)

Ein Mensch mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung verfolgt denjenigen fanatisch, der sich seinen Bedürfnissen nicht unterwirft und ihm dadurch die Illusion der Verfügbarkeit der Objekte zerstört. Die/Der narzisstisch Gestörte nimmt dieses ihrer/seiner Ansicht nach Selbstständig werden der Selbst-Objekte wie einen Selbstzerfall wahr und versucht, diesen mit aller Kraft rückgängig zu machen. Diejenige/Derjenige die/der diese narzisstische Wut verursacht hat, wird von der narzisstisch gestörten Person nur als „widerspenstiger Teil seines erweiterten Selbst“ wahrgenommen und nicht als eigenständig. (Kohut 1971, S. 540; zit. nach ebd., S. 45) Nicht immer wird diese archaische Wut von jemandem anderen ausgelöst, auch eigenes Versagen kann narzisstische Wut zur Folge haben. Kohut behauptet weiter, dass wenn das Selbst oder das narzisstisch besetzte Objekt den Ansprüchen der narzisstischen Persönlichkeit an das eigene Selbst und Selbst-Objekt nicht gerecht werden, narzisstische Wut entsteht. (vgl. ebd., S. 45)

Die narzisstische Wut äußert sich anders, als wenn man auf jemanden im Normalfall wütend ist. Die narzisstische Wut zielt nämlich immer darauf ab, etwas oder jemanden zu zerstören. Diese so geartete Wut richtet sich ernsthaft und sehr bösartig gegen die/den Streitpartnerin/Streitpartner und der narzisstische gestörte Mensch wünscht sich, dass sich sein Gegenüber mindestens genauso unwohl fühlt wie er selbst. (vgl. Wardetzki 2011, S. 33)

Der englische Kinderarzt und Psychoanalytiker Donald Winnicott beeinflusste die Psychoanalyse maßgeblich, obwohl er im Gegensatz zu etlichen anderen Vertreterinnen/Vertretern keine psychoanalytische Schule gegründet hat. (vgl. Tiedemann 2007, S. 267)

Den Begriff „narzisstisch“ verwendete Winnicott nie und begründete dahingehend nie eine ernsthafte Theorie. Winnicott hatte aber einen entscheidenden Einfluss auf die heutigen selbstpsychologischen Theorien. (Bacal u. Newmann 1994, S. 228; vgl. ebd., S. 268)

Alice Miller vertritt ebenso wie Winnicott die Meinung, dass eine Anpassung an die elterlichen Bedürfnisse die Entwicklung des „falschen“ Selbst zur Folge haben kann. (vgl. ebd., S. 271) Die narzisstische Störung bezeichnet sie als „die Isolierhaft des wahren Selbst im Gefängnis des Falschen“. (Miller 1979, S. 11)

Kohut stellte zwar in keinem seiner Werke einen direkten Bezug zu Winnicott her, dennoch lässt sich behaupten, er sei eine Art Erweiterung von Winnicotts Beiträgen. (vgl. Tiedemann 2007, S. 267)

Für ihn waren die Objektbeziehungen von sehr zentraler Bedeutung, vor allem für die Selbstentwicklung. Er spricht sogar davon, dass es einen Säugling nur im Zusammenhang mit der fürsorglichen Mutter gibt. Er behauptet, dass wo ein Säugling ist, immer auch eine mütterliche Fürsorge vorhanden ist. Diese mütterliche Fürsorge bezeichnet er auch als „haltende Umwelt“. (vgl. ebd., S. 268)

Sehr bedeutend für Winnicott war die Differenzierung des „wahren“ vom „falschen“ Selbst. Ersteres kann seiner Ansicht nach nur in einer ausreichend empathischen sowie fürsorglichen mütterlichen Umwelt entstehen. Gelingt der Umwelt diese positive Versorgung nicht, so entwickelt sich eben ein "falsches" Selbst. Dieses falsche Selbst soll dem wahren Selbst Schutz vor den destruktiven mütterlichen Einflüssen bieten. Winnicott versteht unter dem Phänomen Narzissmus eine Distanzierung von den authentischen Tiefen des Selbst, welche gleichzeitig auch als Entfremdung von eben diesem „wahren Selbst“ verstanden werden kann. (vgl. ebd., S. 268)

Eine weitere sehr bedeutsame Erkenntnis von Winnicott war die enorme Wichtigkeit bzw. Notwendigkeit einer gelungenen frühen Mutter-Kind Beziehung für die allgemeine psychische Gesundheit des Kindes. Nach Winnicott scheint diese gelungen zu sein, wenn die Mutter es schafft, die Bedürfnisse im Hinblick auf die Versorgung des Babys zu erfüllen. Dadurch wird auch die Entwicklung eines „wahren“ Selbst möglich. Die Ursprünge des „wahren“ Selbst liegen laut Winnicott ebenso in den frühesten Körperempfindungen zwischen der Mutter und dem Kind. Schließlich geht er davon aus, dass naturgemäß jeder Mensch eine Tendenz zur Gesundheit in sich hat, welche sich allerdings nur durch angemessene Umweltbedingungen entfalten kann. Winnicott sieht daher Erkrankungen der Seele als ein Still- Stehen der Entwicklung und nicht als pathologische Störungen an. Das "wahre Selbst" kann nach Winnicott dann erkannt werden, wenn der Säugling "existiert" und nicht nur mehr reagiert. Eine „hinreichend gute Mutter“ erkennt die Kreativität des Säuglings, respektiert seine Grenzen und ist fähig ein Gleichgewicht zwischen seinen Illusions- und Desillusionserfahrungen herzustellen. Wenn die Mutter zu all diesem fähig ist und nicht nur auf die Triebbedürfnisse des Säuglings eingeht, kann der Säugling existieren. Dem Säugling wird es somit möglich „in Beziehung mit der Mutter zu gehen“. (vgl. ebd., S. 269 ff.)

Heinz Hartmann, einer der wichtigsten Vertreter der Ich-Psychologie, bezeichnet im Jahre 1950 Narzissmus als eine libidinöse Besetzung des Selbst, die durchaus auch als gesund bezeichnet werden kann. (vgl. Dammann 2012, S. 23)

Otto Kernberg erweitert diese Definition von Hartmann und fügt der eine aggressive Besetzung des Selbst hinzu. Seiner Ansicht nach verstärken frühe Mangelerfahrungen sowie erlebte Traumatisierungen archaische Aggressionen und Neid bzw. Entwertung im Selbst. Um die „guten“ Anteile der Selbst- und Objektrepräsentanzen in Schutz nehmen zu können, werden folglich die „bösen“ Anteile abgespalten. Dies führt zur Unfähigkeit der Integration dieser dissoziierten Teile. Patientinnengruppen/Patientengruppen mit der Diagnose "Narzissmus" weisen meist Größenwahn, eine äußerst egoistische Haltung sowie mangelnde Empathiefähigkeit auf. Diese Charakterzüge sind auf eine herrschende libidinöse Besetzung dieser pathologischen Selbststruktur zurückzuführen sowie auf eine stärkere Ausprägung der libidinösen Besetzung des eigenen Selbst als der libidinösen Besetzung von Objekten. Unbewusst wird die Trennung von Selbst und Objekt geleugnet und dementsprechend haben narzisstische Persönlichkeiten ein Unabhängigkeitsgefühl von äußeren Objekten. Diese absolute Verleugnung bzw. Entwertung der Anderen hält das hoch idealisierte Selbstbild dieser Persönlichkeiten am Leben. (vgl. ebd., S. 27 f.)

Heinz Kohut verdanken wir eine Weiterentwicklung des Narzissmus Begriffes. Kohut sieht den Narzissmus als intermediäre Phase zwischen dem grandiosen Selbst und der idealisierten Eltern-Imago, eine Struktur, welche das Kind mit ca. 1,5 Jahren aufbaut. Diese Persönlichkeitsstruktur soll dazu dienen, mit den meist neuen, schwierigeren Gegebenheiten fertig zu werden. Denn gerade in diesem Alter werden die Frustrationen eines Kindes oft stärker, da die Mutter nicht mehr ständig verfügbar ist. Dem Kind gelingt eine erfolgreiche Auflösung bzw. integrierende Bewältigung dieser narzisstischen Problematik, wenn die primären Bezugspersonen dazu im Stande sind, auf dieses narzisstische Bedürfnis angemessen einzugehen. Wichtig hierbei ist, dass das Kind den „Glanz in den Augen der Mutter“ wahrnehmen kann. Die Bezugspersonen des Kindes sollten ihm auch ausreichend „Spiegelung“ entgegen bringen. Gelingt dies den Bezugspersonen nicht, so bleiben diese Strukturen weiterhin bestehen. (vgl. ebd., S. 28)

Die klassische Definition von Moore und Fine (1990) bezeichnet Narzissmus als die „Selbstliebe“ bzw. "die Konzentration des seelischen Interesses auf das eigene Selbst". (vgl. Volkan & Ast 2002, S. 9) Da der Mensch ein gewisses Maß an Selbstliebe zum Überleben benötigt, kann aus dieser Definition geschlossen werden, dass normale von pathologischen Formen von „Narzissmus“ unterschieden werden können. Bei einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung beispielsweise setzt sich die/der Betroffene ständig mit dem eigenen Selbst und Selbstwert, den Beziehungen sowie Interaktionen mit anderen Menschen auseinander. Damit einhergeht, dass sich die/der Betroffene ständig mit ihren/seinen Mitmenschen vergleicht, ein mächtiges Bedürfnis nach Bestätigung verspürt oder neidisch ist. (vgl. Dammann 2012, S.17)

Wardetzki definiert Narzissmus als ein egozentrisches Kreisen um sich selbst sowie die verzweifelte Suche nach sich selbst und nach Grenzen. (vgl. Wardetzki 2011, S. 9) Des Weiteren versteht sie darunter einen grundlegenden Mangel, welcher einschränkende Auswirkungen auf das Leben hat und liebevolle Beziehungen fast unmöglich macht. (vgl. ebd., S. 18) Eine narzisstische Störung kann nach Wardetzki als eine Beeinträchtigung der Selbstliebe verstanden werden. Meist ist diese Beeinträchtigung die Folge von emotionaler Vernachlässigung in der frühen Kindheit. (Asper 2003; vgl. ebd., S.19) In diesem Zusammenhang spricht Wardetzki von der Bedeutung eines ausreichenden Selbstvertrauens. Selbstvertrauen definiert sie als ein Vertrauen sowohl in die eigene Kompetenz, als auch in die Akzeptanz durch die Mitmenschen. (Resch & Möhler 2006; vgl. ebd., S. 19) Fehlt dieses notwendige Selbstvertrauen, versucht diese Person, sich durch außergewöhnliche Fähigkeiten oder durch ein perfektes Aussehen beliebt zu machen. (vgl. ebd., S. 19)

Ebenso können Menschen mit einer narzisstischen Störung Bewunderung und Liebe nicht voneinander unterscheiden. Da sie Liebe mit Bewunderung gleichsetzen, fühlen sie sich ohne Bewunderung nicht geliebt. Dies hat dann wiederum zur Folge, dass sie alles Mögliche versuchen, um anerkannt bzw. bewundert zu werden. (Miller 1979, S. 70; vgl. ebd., S. 29)

Manche der oben angeführten Definitionen legen ihren Fokus auf die Ursachen einer narzisstischen Persönlichkeit bis hin zu einer gestörten narzisstischen Persönlichkeit, andere hingegen auf das Erscheinungsbild. Im Allgemeinen weisen alle kleinere bis größere Unterschiede und Überschneidungen auf. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich der Großteil der Theoretikerinnen/Theoretiker über die Bedeutung einer fürsorglichen frühen Mutter-Kind Beziehung einig sind. Generell scheint das Eingehen auf die Bedürfnisse der Kinder von den Müttern oder anderen engen Bezugspersonen enorm wichtig zu sein, um einer narzisstischen Störung entgegen zu wirken. Frühe Mangelerfahrungen oder aber auch andersartige Traumatisierungen stellen somit ein hohes Risiko für eine spätere narzisstische Störung dar.

Auch im Erscheinungsbild einer narzisstischen Persönlichkeit sind sich die Theoretikerinnen/Theoretiker in etlichen Punkten einig. Der Großteil spricht in diesem Kontext nämlich von übermäßiger Selbstverliebtheit, Egoismus, einer enormen Ich-Bezogenheit sowie Mangel an Empathiefähigkeit. Des Weiteren werden bei narzisstischen Persönlichkeiten meist ein extremes Bedürfnis nach Anerkennung, Neid auf andere sowie Entwertung der Anderen beobachtet. Generell haben diese Menschen meist Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen.

Auch im alltäglichen Gebrauch ist der Begriff „Narzissmus“ vorwiegend negativ behaftet. Denn im Allgemeinen wird darunter Überheblichkeit, Geltungsbedürfnis sowie eine übermäßige Selbstbezogenheit verstanden. (vgl. Hartmann 2012, S. 3) Aber ein bestimmtes Maß an Narzissmus, auch als gesunder Narzissmus bezeichnet, ist sogar zum Überleben notwendig. Das Konzept des Narzissmus steht in sehr engem Zusammenhang mit dem Konzept der Identität. Eine gesunde Identitätsentwicklung kann nur stattfinden, wenn ausreichend Narzissmus vorhanden ist. Gibt es Probleme in der Entwicklung der Identität, ist häufig ein übertriebener oder zu wenig Narzissmus die Folge. Identität entsteht bereits in der Interaktion zwischen der Mutter oder einer anderen Bezugsperson und dem Säugling und entwickelt sich im Laufe des Lebens stets weiter. (vgl. Volkan & Ast 2002, S.13 f.)

Im psychoanalytischen, aber auch im alltäglichen Sprachgebrauch versteht man unter dem Begriff „Narzissmus“ Selbstliebe sowie Ich-Bezogenheit. Auch jegliche Form der Selbstwertregulierung findet in dieser Thematik ihren Platz. Angelehnt an Rosenberg (1965, 1979) wird der Selbstwert als eine affektive, globale und zeitlich stabile Einstellung einer Person sich selbst gegenüber verstanden. Der Selbstwert gilt als bereichsübergreifend und daher sind beispielsweise Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl im Allgemein mit sich selbst zufrieden. Das Selbstkonzept hingegen gilt als bereichsspezifisch und bezieht sich zum Beispiel nur auf die intellektuellen Fähigkeiten. (vgl. Schwinger 2008, S. 3) Formen der Selbstwertregulierung können als die verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten auf Situationen, die den Selbstwert bedrohen, verstanden werden. Menschen verzerren beispielsweise nach einem Misserfolg die hierfür verantwortlichen Ursachen systematisch, um den eigenen Selbstwert zu schützen. (vgl. ebd., S. 13) Den Grund für den Misserfolg sehen sie viel mehr in externen Faktoren wie zum Beispiel einer/einem unfairen Lehrerin/Lehrer oder einer zu schwierigen Klausur als in internalen Faktoren wie beispielsweise der eigenen Anstrengung oder Intelligenz. (vgl. ebd., S. 13) Die Folge einer internal-stabilen Ursachenzuschreibung wie beispielsweise mangelnde Intelligenz wäre möglicherweise ein negativer Selbstwert. Aufgrund dieser verzerrten Wahrnehmung der Ursachen für den Misserfolg kann dies jedoch verhindert werden. (vgl. ebd., S. 13)

Bezugnehmend auf unser eigenes Verhalten fragen wir immer wieder „Warum habe ich das gemacht?“ In diesem Zusammenhang ist von Selbstattribution die Rede und dies meint die Begründungen, welche wir unserem eigenen Handeln und Verhalten zuschreiben. (vgl. Ekstrand 2005, S. 287) Neben der Unterscheidung von internalen und externalen Faktoren bei der Ursachenzuschreibung gibt es eine Differenzierung zwischen stabilen und instabilen Merkmalen. Glauben wir die Ursache unseres Verhaltens in der Umwelt zu sehen, sprechen wir von externalen Faktoren. Internal bedeutet, dass die Ursache der Handlung bei uns selbst liegt. Von stabilen Merkmalen glauben wir, dass sie immer wieder auftreten, dauerhaft vorhanden sind. Instabile Faktoren hingegen treten nur flüchtig auf. (vgl. ebd., S. 414)

Bereits seit dem Jahre 1914 ist Narzissmus im psychoanalytischen Kontext ein stets präsenter Terminus, und dennoch ist man sich nur darüber einig, dass Narzissmus-Theorien zu den interessantesten in der Psychoanalyse gehören und das Phänomen Narzissmus dennoch sehr verwirrend bleibt. Seit einigen Jahren ist Narzissmus aber auch im Alltag ein äußerst inflationär verwendeter Begriff. (vgl. Tiedemann 2007, S. 252) Eine einheitliche Definition des Konzeptes des Narzissmus gibt es allerdings bis heute nicht.

Einige Elemente der heutigen Definition von „Narzissmus“ finden sich bereits in dem Narziss-Mythos wieder. Die Geschichte des Jünglings Narzissus zeigt uns jede Menge tiefenpsychologischer Hypothesen auf, wie beispielsweise die vier großen „E“ des Wesens des Narzissmus, nämlich Egozentrizität, Empfindlichkeit, Empathiemangel und Entwertung. (vgl. Haller 2013, S. 40)

Ein egozentrischer Mensch zeigt sich in der Illusion von sich sowie seiner Haltung und Meinung absolut überzeugt. Er würde nie an sich selber oder an seinem Verhalten zweifeln, denn er glaubt immer Recht zu haben. Andere Meinungen können egozentrische Menschen nicht akzeptieren. Eine/Ein Narzisstin/Narzisst würde aufgrund ihres/seines stark ausgeprägten egozentrischen Persönlichkeitsmerkmals fast immer sagen: „Das Essen war schlecht“ und nicht „Mir hat das Essen nicht so gut geschmeckt.“ Egozentrik ist umfassender als der Egoismus, da dieser noch die Unfähigkeit, sich in deren Mitmenschen hineinzuversetzen, mit einschließt. Ein egozentrischer Mensch sieht sich als den Maßstab der ganzen Welt, dieser misst seine Mitmenschen und deren Verhalten stetig an sich selbst. (vgl. ebd., S. 42 f.)

Von klein auf leben Narzisstinnen/Narzissten, bei denen das Merkmal der Empfindlichkeit meist äußerst ausgeprägt ist, mit der Angst, nicht gut genug zu sein. Sie befinden sich daher ständig in einer Abwehrhaltung gegen eine mögliche Verachtung ihrer Person. Jegliche Art von Kritik weckt die tiefsten Ängste von narzisstischen Menschen, nämlich nicht großartig, einzigartig und viel besser als all die anderen zu sein. Bereits ein Ausbleiben von Lob, Anerkennung oder Liebe kann von empfindlichen Menschen als Kritik wahrgenommen werden. Aufgrund dieser Verunsicherung und tiefen Angst entwickeln sie eine Haltung der Abwehr, in der sie Kritik gar nicht mehr zulassen. (vgl. ebd., S. 45 f.)

Empathie ist die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, deren Gedanken und Emotionen bewusst wahrzunehmen. Empathiefähigkeit ist die Voraussetzung für eine gelungene menschliche Kommunikation. Mangel an Empathiefähigkeit wird oft als Nebenprodukt der Egozentrik verstanden. Gilt alle Konzentration der eigenen Person, bleibt kein Platz mehr für ihre Mitmenschen. Aus tiefenpsychologischer Sicht wird diese Unfähigkeit allerdings auf Traumatisierungen in der Kindheit zurückgeführt. Um Kränkungen ertragen zu können, tötet ein emotional missbrauchtes Kind all seine Gemütsregungen ab. Diese Fähigkeit zur Einfühlung fehlt später leider aber auch in den positiven Bereichen. Mangel zur Empathiefähigkeit kann kann als Nebenprodukt einer nicht entwickelten, niedrigen, emotionalen Intelligenz angesehen werden. (vgl. ebd., S. 48 f.)

Die Entwertung der anderen bringt den narzisstischen Menschen selbst in seine herausragende Position. Indem er andere nieder macht, wertet er sich automatisch auf. Dies äußert sich vor allem in Schuldzuweisungen, Mobbing und Zynismus. Besonders dramatisch endet eine solche Entwertung bei Sadistinnen/Sadisten, Serienkillerinnen/Serienkillern oder bösartigen Diktatorinnen/Diktatoren. (vgl. ebd., S. 52)

Je nach Form des Narzissmus steht eine dieser vier Komponenten im Vordergrund und beeinflusst das Verhalten der/des Narzisstin/Narzissten enorm. (vgl. ebd., S. 40)

2.1 Primärer und sekundärer Narzissmus

Freud differenzierte zwischen dem primären und dem sekundären Narzissmus. Den primären Narzissmus sieht er als „eine libidinöse Ergänzung zum Egoismus des Selbsterhaltungstriebes“ (Freud 1914; zit. nach Hartmann 2012, S. 7) an. Seiner Auffassung nach sind psychotische Erkrankungen die Folge eines nicht geglückten primären Narzissmus, so dass in dieser Phase eine Fixierung stattgefunden habe. (vgl. ebd., S. 3)

Als sekundären Narzissmus bezeichnet Freud die Phase, welche aufgrund der Rücknahme der libidinösen Objektbesetzungen nach dem primären Narzissmus auftritt. Er behauptet zudem, dass sich das Ich-Ideal in Folge primärer narzisstischer Vollkommenheit in dieser Phase ausbildet. Das Ich-Ideal entsteht nach Freud aufgrund von Introjektion des idealen Elternbildes. (vgl. ebd., S. 4)

In der Phase des primären Narzissmus erlebt sich das Kind als allmächtig und ist vollkommen auf sich selbst bezogen. Hierbei besteht nach Freud eine sehr enge Mutter-Kind Beziehung, welche das Kind als „grenzenlos“ wahrnimmt. Erst im Laufe der Entwicklung lernt ein Kind die Grenzen zwischen seinem Selbst und den Objekten seiner Umwelt kennen. Während dieser symbiotischen Beziehung zur Mutter fühlt sich das Kind mächtig und stark sowie geborgen und sicher. Dies ist ein emotionaler Zustand, welcher für zukünftige Wünsche nach diesem Paradieserleben grundlegend bleibt. Freud nennt dieses Gefühl das „ozeanische Gefühl“, bei welchem sich das Kind als „der Mittelpunkt der Welt“ wahrnimmt. (Freud 1942; vgl. Stimmer 1987, S. 74) Mit der Zeit lernt das Selbst, mit der Trennung von den Objekten der Umwelt umzugehen. Bei einer ungestörten, gesunden Entwicklung verlagert sich die Libido in Richtung auf diese Objekte. Währenddessen tritt diese kindliche Regulierung narzisstischer Wünsche in den Hintergrund. Freud betont, dass dieser sogenannte verlorene Narzissmus der Kindheit jedoch im Erwachsenenalter unter der Begrifflichkeit Ich-Ideal weiterbesteht. Das Ich-Ideal ist somit eine sekundär-narzisstische Bildung sowie die Folge von primärem Narzissmus. (Freud 1921; vgl. Hartmann 2012, S. 4) Freud spricht davon, dass der Mensch nicht fähig ist, auf diese damals genossene Befriedigung, nämlich die erlebte narzisstische Vollkommenheit in der Kindheit, zu verzichten. Daraus schließt Freud, dass narzisstische Wünsche sowie Verhaltensweisen völlig normal sind. (Freud 1942; vgl. Stimmer 1987, S. 74 f.)

Für Freud stellt der sekundäre Narzissmus insofern eine Einschränkung der Arbeits- und Liebesfähigkeit dar, als dieser seiner Ansicht nach die Objektliebe nicht möglich macht. Dennoch betont er, dass ein gewisser Teil der primär narzisstischen Wünsche, wie in etwa der Wunsch nach Geborgenheit und Sicherheit sowie Größenphantasien und egozentrische Verhaltensweisen, ein normales Leben eines erwachsenen Menschen ausmachen. Diesen verbleibenden Teil des primären Narzissmus nennt Freud den narzisstischen Kern und dieser sollte bei einem gesunden erwachsenen Menschen das sozial akzeptierte Maß nicht überschreiten. (Fromm 1964, S. 63; vgl. ebd., S. 75) (vgl. ebd., S. 74 f.)

Bela Grunberger greift in seinen Werken auf die Konzepte von Freud zurück. Er vertritt die Ansicht, dass in jedem Menschen eine lebenslange Tendenz inne wohne, die primäre uterine Fusion wiederzugewinnen. Dadurch wird dem Konzept des Narzissmus gegenüber der Triebentwicklung eine eigenständige Dynamik zugeschrieben. In diesem Zusammenhang wird Narzissmus nämlich als „autonomer Trieb“ beschrieben, welcher nach einer Wiederverschmelzung mit dem Primärobjekt, entweder mit sich selbst oder mit einer anderen Person, strebt. Dieses Modell gilt jedoch als äußerst umstritten. (vgl. Dammann 2012, S. 22)

2.2 Von der Normalität zur Abweichung

Wie eingangs erwähnt, hat die Thematik Narzissmus viele Gesichter. Natürlich kann eine Persönlichkeit mit narzisstischen Zügen nicht einem Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung gleichgestellt werden. In dem für diese Thematik bedeutsamen Bereich der Psychiatrie versteht man unter Persönlichkeit alle psychischen Eigenschaften und Verhaltensweisen eines Menschen, welche ihn individuell und einzigartig machen sowie von anderen Menschen unterscheiden. Die Unterschiede zwischen den Persönlichkeiten sollten allerdings noch im Rahmen in der von der jeweiligen Gesellschaft akzeptierten Norm liegen. Die Persönlichkeit beinhaltet den Charakter, das Temperament sowie die gesamte Wesensart einer Person. Unter Charakter werden die dauerhaften Einstellungen zu Verhalten und bestimmten Werten verstanden. Temperament ist das dem Gemüt angepasste Verhalten. (vgl. Haller 2013, S. 91)

Persönlichkeitsstörungen sind alle erheblichen Abweichungen von dieser Struktur einer Persönlichkeit. Persönlichkeitsstörungen sind nicht gleichzusetzen mit Krankheit, sie gelten lediglich als drastische Abweichungen von der Norm, als zugespitzte Wesenszüge. Diese erlangen ihren Störungscharakter erst, wenn entweder die betroffene Person oder ihr Umfeld unter dieser Abweichung leiden oder wenn aus diesen zugespitzten Wesenszügen bzw. damit einhergehenden Verhalten ernst zu nehmende Zustände des Leidens resultieren. Natürlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, was wir noch unter normal, grenzwertig oder schon krankhaft verstehen. Persönlichkeitsstörungen werden immer von unpassenden Reaktionen auf Lebensaufgaben sowie von Tendenzen zur Arbeits- oder Liebesunfähigkeit begleitet. Der Übergang zwischen einer der Norm entsprechenden Persönlichkeit bis hin zu einer Persönlichkeitsstörung findet meist nahtlos statt. (vgl. ebd., S. 92 f.)

2.3 Definitionsbausteine

Um zwischen Normalität und Pathologie einheitlicher unterscheiden zu können sind einige Typen der Persönlichkeitsstörung im heute gängigen Diagnoseklassifikationssystem der WHO genauer beschrieben. Da es aber bezüglich der narzisstischen Persönlichkeitsstörung nach wie vor zu viele Unstimmigkeiten hinsichtlich der Häufigkeit sowie Spezifität der Symptome zwischen den Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern gibt, wird diese im ICD-10 („International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems", 10. Revision“) nur unter „Andere spezifische Persönlichkeitsstörungen F 60.8“ wie folgt angeführt. (vgl. ebd., S.92 f.)

Zum einen müssen die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) erfüllt sein, zum anderen fünf der folgenden Merkmale:

1. „Größengefühl in Bezug auf die eigene Bedeutung (z.B. die Betroffenen übertreiben ihre Leistungen und Talente, erwarten, ohne entsprechende Leistungen als bedeutend angesehen zu werden),
2. Beschäftigung mit Fantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Scharfsinn, Schönheit oder idealer Liebe,
3. Überzeugung, „besonders“ und einmalig zu sein und nur von anderen besonderen Menschen oder solchen mit hohem Status (oder von entsprechenden Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen zusammen sein zu können,
4. Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung,
5. Anspruchshaltung; unbegründete Erwartung besonders günstiger Behandlung oder automatische Erfüllung der Erwartungen,
6. Ausnutzung von zwischenmenschlichen Beziehungen, Vorteilsnahme gegenüber anderen, um eigene Ziele zu erreichen,
7. Mangel an Empathie; Ablehnung, Gefühle und Bedürfnisse anderer anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren
8. häufiger Neid auf andere oder Überzeugung, andere seien neidisch auf die Betroffenen
9. arrogante, hochmütige Verhaltensweisen und Attitüden.“ (Doering 2012, S. 51 f.)

Im zu diesem weltweit bekannten Diagnoseklassifikationssystem der WHO ergänzenden Klassifikationsmanual psychischer Störungen DSM-IV („Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“) der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung findet man unter der Punktuation 301.81 eine ausführlichere Definition zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Im Gegensatz zur ICD-10 wird eine mögliche vulnerable Seite von narzisstischen Menschen wenigstens zum Teil berücksichtigt. Das DSM-IV führt nämlich zusätzlich, allerdings jenseits von den anderen Kriterien, Verletzlichkeit des Selbstwertgefühls sowie sozialen Rückzug an. Im Allgemeinen müssen bei der/dem Betroffenen ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in Fantasie oder Verhalten), ein Bedürfnis nach Bewunderung sowie Mangel an Empathie vorhanden sein. Meist äußert sich diese Störung im frühen Erwachsenenalter. Auch hier müssen fünf der grundlegenden Kriterien erfüllt sein. (vgl. ebd., S. 51 f.)

Allerdings wurde auch diese Definition von etlichen Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftlern kritisiert. Nach Westen und Shedler (1999) sollten unter anderem folgende, typische Merkmale für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung unbedingt angeführt werden (vgl. Damman 2012, S.19):

1. „Stärkere Kontrolle (über sich selbst sowie über andere die Kontrolle zu bewahren)
2. Tendenz zu Machtkämpfen (die Macht über alles haben wollen)
3. Kompetitiv gegenüber anderen“ (sich ständig mit anderen vergleichen) (ebd., 2012, S. 19)

Unterschiedliche Autorinnen/Autoren betonen immer wieder, dass es zwei verschiedene Typen von narzisstischen Persönlichkeitsstörungen gibt. Nämlich einen arroganten, egoistischen, dickhäutigen, manipulativen, malignen „grandiosen“ Typen sowie, dem gegenübergestellt, die/den zurückhaltende/n, schüchterne/n, dünnhäutige/n, selbstunsichere/n „vulnerable/n“ Narzisstin/Narzissten. (vgl. Doering 2012, S. 53)

Des Weiteren wird zwischen dem offenen und dem verdeckten Narzissmus unterschieden, welche beide bei der/dem grandiosen Narzisstin/Narzissten sowie bei der/dem vulnerablen Narzisstin/Narzissten vorkommen können. (Wink 1991; vgl. ebd., S. 53) Wie schon der Name verrät, gibt es Narzisstinnen/Narzissten, welche sofort erkennbar sind und welche, die auf den ersten Blick eher das Gegenteil vermuten lassen. Erstere sind deshalb sofort sichtbar, weil sie ein großspuriges und arrogantes Auftreten haben. Die anderen hingegen wirken eher unsicher und schüchtern, dennoch aber haben sie ebenso Größenfantasien, eine starke Egozentrik sowie eine überzogene Anspruchshaltung. Allerdings sind diese Eigenschaften der/dem Betroffenen selten bewusst. Unter offenem Narzissmus wird somit Extraversion, Offenheit und ein überzogenes Selbstwertgefühl verstanden. Der verdeckte Narzissmus hingegen stellt eher das Gegenteil dar. Des Weiteren wird diese Form von Narzissmus mit Neurotizismus in Zusammenhang gebracht. Ebenso unterscheiden sich diese zwei Formen des Narzissmus hinsichtlich der Bindungsdimensionen Vermeidung und Angst. Offene Narzisstinnen/Narzissten werden mit hoher Vermeidung assoziiert und verdeckte Narzisstinnen/Narzissten vermehrt mit starker Angst. Vermeidung, bedeutet die Schwierigkeit partnerschaftliche Nähe und Intimität zuzulassen. Angst besagt in diesem Kontext, dass sich die Betroffenen sorgen, nicht genügend geliebt zu werden oder auch verlassen zu werden. (Brennan & Clark & Shaver 1998; vgl. Neumann 2010, S. 22) (vgl. ebd., S. 21 f.)

Anhand folgender Tabelle soll der Unterschied des offenen und verdeckten Narzissmus klarer dargestellt werden:

Diese verschiedenen Formen finden sich im gesunden sowie im pathologischen Narzissmus wieder. Nach Haller kann bereits von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung gesprochen werden, wenn Egozentrizität, krankhafte Empfindlichkeit und mangelnde Empathiefähigkeit ständig und im extremen Ausmaß vorhanden sind. (vgl. Haller 2013, S. 91) Schon im Kindesalter, zwischen fünf und sieben Jahren, kann eine narzisstische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert werden. (vgl. Kernberg 2012 b, S. 62) Betroffene identifizieren sich unbewusst mit allem Guten, auch von anderen Personen. Also positive Eigenschaften von Mitmenschen werden von ihnen auf das eigene Selbst bezogen und eigene Aggressionen bzw. generell negative Eigenschaften der eigenen Person zur Gänze verdrängt. Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung fühlen sich daher so einzigartig und selbständig, dass sie glauben, völlig unabhängig von anderen zu sein. Ihnen fehlt so gesehen eine reife Selbstkritik sowie ein erwachsenes, integriertes Wertesystem. (vgl. ebd., S. 61 & S. 65) Dieser Typ von Persönlichkeitsstörung steht sehr häufig in Assoziation mit anderen Störungsbildern, wie etwa einer Alkoholerkrankung, Drogenabhängigkeit, Depressionen, Spielsucht, allen Formen der Essstörungen sowie chronischer Suizidalität. (vgl. Dammann 2012, S. 18) In unserer westlichen Gesellschaft ist die sogenannte offene Form des Narzissmus vorherrschend, hingegen im Fernen Osten viel mehr der versteckte Narzissmus. (vgl. Haller 2013, S. 95) Diese Dominanz des offenen Narzissmus könnte mit ein Grund für die Zunahme von narzisstischen Persönlichkeiten bzw. Persönlichkeitszügen in der gesamten westlichen Gesellschaft sein. Demzufolge werden narzisstische Persönlichkeitsmerkmale nämlich immer mehr akzeptiert und teilweise bis zu einem bestimmten Maß sogar schon als Tugend verstanden. Wir leben in einer Zeit, in der das Ich immer mehr in den Mittelpunkt rückt, in der Egozentrik, Arroganz sowie Überindividualisierung und Entsolidarisierung zentrale, von der Gesellschaft geförderte Werte darstellen. Die eigenen Interessen haben höchste Priorität und dies muss in der Gesellschaft auch nicht mehr versteckt werden. Das höchste Ziel der heutigen Menschen, ist es, sich ständig selbst darzustellen und bewundert zu werden. Diese Selbstdarstellung passiert virtuell wie auch im realen Leben, anhand von Luxusgütern oder etwaigen anderen Gütern, durch die wir glauben, unsere Einzigartigkeit betonen zu können. (vgl. ebd., S. 197 f.) Noch findet man narzisstische Persönlichkeiten unter Männern häufiger als unter Frauen. (vgl. ebd., S. 95)

Typisch männlicher Narzissmus ist durch Entwertung, Gewaltbereitschaft sowie Mobbing gekennzeichnet, typisch weiblicher Narzissmus hingegen eher durch Stolz, Eigenliebe und Hysterie. (vgl. ebd., S. 95)

Otto F. Kernberg, Psychoanalytiker und bedeutendster Forscher im Bereich Narzissmus, unterteilte narzisstische Persönlichkeitsstörungen in:

1. Einfache narzisstische Persönlichkeit:

Allen narzisstischen Persönlichkeitsstörungen gemein ist die zentrale Abwehr in der unbewussten Identifikation mit allem Guten. Positive Eigenschaften und Fähigkeiten von anderen Menschen werden von Personen mit narzisstischen Persönlichkeitsstörungen bei sich selbst wahrgenommen. Gleichzeitig verdrängen sie ihre eigenen Aggressionen. Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung haben dann ein so ideales Bild von sich selbst, dass sie glauben niemanden anderen mehr zu brauchen. (vgl. Kernberg 2012 b, S. 61)

2. Narzisstische Persönlichkeit mit antisozialen Zügen:

Antisoziale Züge kommen in unterschiedlicher Schwere vor und sind somit Ursache für ein antisoziales Verhalten, welches passiv oder aggressiv zum Vorschein kommt. Passives Verhalten äußert sich in Form von Lügen, Ausbeutung und Unverantwortlichkeit bezüglich Geldangelegenheiten. Wutausbrüche, Zerstörung von Objekten, Angriff auf Mitmenschen sowie zerstörerische Wut und Hass sind Formen der aggressiven Verhaltensweisen. Dennoch aber können Personen mit narzisstischen Persönlichkeitsstörungen mit antisozialem Verhalten Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. (vgl. ebd., S. 64 f.)

Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung ohne antisoziale Züge sind im Gegensatz hierzu fähig, sich für andere Menschen zu interessieren und positive Beziehungen aufrechtzuerhalten. In bestimmten Bereichen wie beispielsweise Kunst, Politik, Wissenschaft oder Beruf gelingt dieser Person auch ein völlig ehrlicher und aufrichtiger Umgang. (vgl. ebd., S. 65)

[...]

Ende der Leseprobe aus 127 Seiten

Details

Titel
Narzissmus, Geschlecht, Paarbeziehung
Untertitel
Weiblicher Narzissmus
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Erziehungs- und Bildungswissenschaft
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2014
Seiten
127
Katalognummer
V295545
ISBN (eBook)
9783656933618
ISBN (Buch)
9783656933625
Dateigröße
912 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
weiblicher Narzissmus, Narzissmus, Geschlecht, Paarbeziehung, Liebe, psychoanalytische Pädagogik
Arbeit zitieren
Vanessa Ram (Autor:in), 2014, Narzissmus, Geschlecht, Paarbeziehung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295545

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Titel: Narzissmus, Geschlecht, Paarbeziehung



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