Die Bedeutung von sozialen Online-Netzwerken für soziale Beziehungen

Eine Analyse der sozialen Interaktionsformen im Internet anhand von Facebook


Bachelorarbeit, 2013

43 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Soziale Beziehungen und Soziales Netzwerk
2.1 Formale und persönliche Beziehungsformen
2.2 Eine Unterkategorie der sozialen Beziehung: Freundschaft
2.3 Symbolischer Interaktionismus und Medienkommunikation

3 Soziale Beziehungen auf facebook
3.1 facebook vor dem Hintergrund des Web
3.2 Kommunikations- und Interaktionsfunktionen
3.3 Auswirkungen auf soziale Beziehungen
3.3.1 Der Freundschaftsbegriff und die bedeutungslosen Kontakte
3.3.2 Mediatisierte realweltliche Beziehungen
3.3.3 Fremde und virtuelle Kontakte
3.4 Sozialkapital
3.5 Generelle Wandlungstendenzen in Bezug auf zwischenmenschliche

Beziehungen

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

‚Homo sociologicus‘1 (lat. = soziologischer Mensch) ist die Bezeichnung für den Menschen als soziologisches Wesen, welches auf soziale Kontakte und regelmäßige Interaktion angewiesen ist, um sich zu entwickeln und glücklich zu sein. So beschreibt Ralph Dahrendorf das Individuum, das durch die Beziehung zu seinen Eltern mit sozialen Bindungen aufwächst, sie mit Kindergarten- und Schulfreunden weiterführt und im Erwachsenenalter viele, teils komplexe Beziehungen zu unterschiedlichen Personen pflegt.

Laut facebook haben die eine Milliarde Mitglieder des Online-Netzwerks2 im Jahr 2013 durchschnittlich 130 ‚Freunde’ in ihrer Kontaktliste.3 Diese hohe Anzahl müsste in Bezug auf Dahrendorf ein Kennzeichen für einen sehr glücklichen und sozial integrierten Menschen sein. Aber scheint es nicht so, als würden die verschiedenen Beziehungskonstellationen durch die Verallgemeinerung der gesamten Kontakte auf facebook, die jeden als Freund bezeichnen, an Bedeutung verlieren?

Die folgende Arbeit soll herausstellen, welche Beziehungsformen sich hinter der ungeordneten Masse verstecken und inwiefern Kommunikation und Interaktion über facebook soziale Beziehungen beeinflussen und ihre Pflege sowie ihren Aufbau verändern. Es wird versucht, die Frage zu beantworten, ob ein soziales Online- Netzwerk eine Bereicherung für die Beziehungspflege beziehungsweise den Kontaktaufbau zu neuen Personen darstellt oder ob es sich eher hemmend und beschränkend auswirkt, indem durch den wachsenden Gebrauch derartiger Online- Angebote Zeit und Kompetenz für die Pflege und Aufrechterhaltung real existierender Beziehungen reduziert werden.

Für eine Analyse von sozialen Beziehungen auf facebook ist es erforderlich, die zentralen Sozialformen der Interaktion von Individuen zu identifizieren und diese voneinander abzugrenzen, um ein grundlegendes Verständnis der soziologischen Muster und Prozesse zu erhalten. Aus Sicht der Soziologie im Zusammenhang mit der medientheoretisch-soziologischen Fragestellung sind zunächst folgende Begriffe von zentraler Bedeutung: Soziale Beziehung, Soziales Netzwerk, Kommunikation und Symbolischer Interaktionismus. Somit wird dieser Einleitung die Definition der sozialen Beziehung als Bestandteil des sozialen Netzwerks folgen, woraufhin soziale Beziehungen bezüglich ihrer Funktion und ihrer subjektiven Bedeutung näher beschrieben und eingeteilt werden. Daraufhin werden das besondere Sozialkonstrukt Freundschaft und dessen Eigenheiten erläutert. Abgeschlossen wird der erste Teil der Arbeit mit der Theorie des Symbolischen Interaktionismus als Basis von Kommunikation, um die Arbeitsaufgabe dieser Analyse zu begründen. Dabei wird der Kommunikationsprozess als soziales Handeln beschrieben und die Medienkommunikation im Zusammenhang mit der Theorie der Mediatisierung kommunikativen Handelns charakterisiert.

Im Hauptteil wird vorab das soziale Online-Netzwerk facebook vor dem Hintergrund des Web 2.0 vorgestellt. Anschließend werden die Kommunikations- und Interaktionsfunktionen erläutert. Es folgt die Beschreibung des veränderten Freundschaftsbegriffs auf facebook, um die Kontakte zunächst zu kategorisieren. Weiterhin werden die Auswirkungen der Kommunikations- und Interaktionsfunktionen auf real existierende Beziehungen analysiert, wobei konkret Chancen und Veränderungen für Weak und Strong Ties4 unterschieden werden. Im Gegenzug wird auch der Einfluss auf neue und gänzlich fremde Kontakte behandelt. Anschließend wird der Nutzen für die verschiedenen Sozialformen im Hinblick auf das Sozialkapital untersucht, wobei im Besonderen das Phänomen der Strength of Weak Ties5 charakterisiert wird. Im letzten Punkt des Hauptteils werden allgemeine Wandlungstendenzen hinsichtlich sozialer Bindungen aufgeführt. Im Fazit werden schließlich Antworten und Ergebnisse kompakt zusammengefasst.

2 Soziale Beziehungen und Soziales Netzwerk

Beziehung wird in der Sozialwissenschaft als Oberbegriff für zwischenmenschliche Kontakte genutzt.6 Klaus Beck definiert soziale Beziehungen wie folgt:

[Sie] beruhen auf wiederholten oder länger andauernden sozialen Kontakten und Interaktionen, zeichnen sich also durch eine gewisse Dauer aus, dieüber einzelne Situationen hinausreicht. 7

Alle sozialen Kontakte eines Individuums zusammengenommen machen dessen soziales Netzwerk aus. Dabei ist jedes Individuum auch Teil vieler anderer bilateraler und multilateraler Beziehungen.8 Es handelt sich um „ein Geflecht sozialer Beziehungen, die als Ganzes betrachtet das Verhalten einzelner Beteiligter beeinflussen.“9 Das Individuum prägt demnach sein soziales Netzwerk selbst, indem es dieses bewusst schafft. Im Gegenzug prägt das Netzwerk das Individuum, indem es Zugang zu anderen Netzwerken bereithält.10 Das Netzwerk ist in der Regel ein lockeres, indirektes und oft unüberschaubares Beziehungsgefüge. Die meisten sozialen Beziehungen werden als schwach eingeschätzt, weisen aber ein wichtiges soziales Potential auf, indem sie sich auf das Sozialkapital auswirken und das eigene soziale Handeln beeinflussen. Ein soziales Netzwerk muss weder durch ein Gemeinschaftsgefühl geprägt sein noch müssen enge und direkte Beziehungen zwischen den Personen bestehen.11 Zudem zeichnet es sich durch eine relative Gleichrangigkeit und Autonomie der Akteure aus, die untereinander eher non- hierarchische Beziehungen eingehen.12

2.1 Formale und persönliche Beziehungsformen

Nicola Döring unterscheidet soziale Beziehungen bezüglich ihrer Funktion und ihrer subjektiven Bedeutung ein.13 Gemäß ihrer Funktion werden Beziehungen in formale und persönliche Beziehungen unterteilt. Über formale Beziehungen, bei welchen die Sachebene im Vordergrund steht, werden Personen in Funktionssysteme eingebunden, um gesellschaftliche Aufgaben zu erfüllen. Dabei haben die Personen meist formalisierte Rollen inne, wie beispielsweise ‚die Ärztin’ oder ‚der Kunde’. Die Interaktion in formalen Beziehungen ist weitestgehend reglementiert und der Bewältigung konkreter Aufgaben untergeordnet. Eine persönliche Beziehungsebene wird vermieden, um diesen nicht im Weg zu stehen.14 Bei der persönlichen Beziehung verhält es sich genau entgegengesetzt. Hier stehen Vertrauen, Sympathie, wechselseitige Wertschätzung und der gegenseitige Austausch im Zentrum. Persönliche Beziehungen zeichnen sich zudem durch einen höheren Freiheitsgrad aus, wobei die Regeln der Beziehung selbst bestimmt werden.

Durch diese Art von Beziehung werden Menschen in soziale Systeme und Kollektive eingebunden und können vom Sozialkapital dieser Bindungen profitieren. Des Weiteren tragen diese Beziehungen zum eigenen Wohlbefinden, zur Gesundheit und zur Persönlichkeitsentwicklung bei und können individuelle und kollektive Identitäten sichern sowie Geselligkeit und Gesprächsanlässe bieten.15

Gemäß der subjektiven Bedeutsamkeit von Beziehungen werden formelle und informelle Bindungen weiter in starke (Strong Ties) und schwache (Weak Ties) Beziehungen unterschieden. Die starken Bindungen zeichnen sich durch hohe Emotionalität und Intimität aus. Die Beziehungspartner16 offenbaren sich gegenseitig ihre Gefühle, unterstützen sich und haben hohe Erwartungen aneinander. Solche Bindungen unterliegen in der Regel einem hohen Zeitaufwand für gemeinsame Interessen und Aktivitäten. Personen mit starken Bindungen weisen in den meisten Fällen zudem die gleiche soziodemographische Herkunft auf.17 Starke Bindungen bestehen zu Lebenspartnern, nahen Familienangehörigen sowie guten Freunden.18

Die schwachen Bindungen weisen einen geringeren Grad an Intimität und Emotionalität auf. Personen mit schwachen Bindungen spezialisieren sich auf einige wenige gemeinsame Interessen und Bindungspunkte. Der Zeitaufwand ist relativ gering und die Beziehung kann leicht beendet werden. Auch der Offenbarungs- und Vertrauensgrad ist niedrig, weshalb sich dem Gegenüber in einer distanzierten Weise präsentiert wird.19 Solche Bindungen bestehen meist zu Bekannten, entfernten Verwandten, Nachbarn und Kollegen, die sich untereinander häufig kaum kennen.20

2.2 Eine Unterkategorie der sozialen Beziehung: Freundschaft

Freundschaft ist eine der vielfältigen Beziehungsformen, die ein Mensch in seinem Leben eingeht und zählt dabei zu den Strong Ties.21 Im alltäglichen Umgang wird der Begriff allerdings selten definiert; in der Regel wird davon ausgegangen, dass das

Gegenüber eine ähnliche Auffassung hegt, wie man selbst.22 Durch die individuelle Aushandlung des Reglements einer Freundschaft gibt es Variationen von Merkmalen dieses Konstrukts. Somit existiert bis dato keine allgemeingültige Definition.

Die Heterogenität der Definitionen verweist auf den Facettenreichtum dieses Phänomens aber auch auf die Willkür der Definitionsstrategien. Neben der Suche nach objektiven Kriterien und Zusammenhängen spielt die subjektive Inhaltssetzung und Deutungsfreudigkeit bis hin zur nicht mehr an der Realität nachvollziehbaren Idealisierung noch immer eine Rolle. 23

Zudem verändert sich die Auffassung des Begriffs mit dem Wandel der Gesellschaft und unterliegt je nach Kultur anderen Einflüssen und Definitionen. Dessen ungeachtet gibt es Überschneidungen und Parallelen. So wird der Freundschaft in der Regel ein höherer Grad an Intimität und Vertrauen zugesprochen als anderen zwischenmenschlichen Beziehungen.24 Weitere Kriterien sind die freiwillige Basis und die Selbstoffenbarung, bei der sich die Freunde gegenseitig ihr Innerstes anvertrauen.25 Die Integration der eigenen Persönlichkeit und Individualität ist zudem ein wichtiges Merkmal.26 Um eine Freundschaft aufrechtzuerhalten, ist die Beschäftigung mit dem jeweils anderen essentiell, wobei die Kontaktintervalle jedoch variieren können.27 Dabei spielt es keine Rolle, in welcher Weise Kontakt aufgenommen wird, also ob es sich um Face-to-Face-Kontakte oder mediatisierte, visualisierte Kontakte wie jene bei facebook handelt.28

Freundschaften können als biographische Konstante bezeichnet werden, deren Funktion ebenso unersetzlich ist wie jene der Familie. Beide - Familie und Freunde - geben soziale und emotionale Unterstützung, bieten Hilfe und sind gleichsam Quelle freudvoller Aktivitäten sowie von Konflikten, Ängsten und Verletzungen. 29

So nehmen Freundschaften eine wichtige Rolle bei der Bewältigung von Problemen ein und sind „eine wichtige soziale Ressource (...), die die Funktionen der Familie teilweise ergänzt und teilweise ablöst.“30 Darüber, ob sich der traditionelle Gedanke dieser Beziehungsform aufgrund von facebook ändert, soll diese Arbeit Aufschluss geben.

2.3 Symbolischer Interaktionismus und Medienkommunikation

Grundlage bestehender Beziehungen wie die der Freundschaft ist die regelmäßige Kommunikation, wofür besonders die Theorie des Symbolischen Interaktionismus steht. Diese wurde hauptsächlich durch Herbert Blumer geprägt, der sich auf die Grundgedanken Georg Herbert Meads31 bezieht und seinen Fokus auf die symbolisch vermittelte Kommunikation legt. Dem Symbolischen Interaktionismus liegt unter anderem die Idee zugrunde, Kommunikation als soziales Handeln zu verstehen. Der Kommunikationsprozess besteht somit nicht lediglich aus einer Informationsübermittlung zwischen Sender und Empfänger, sondern aus einem wechselseitigen Verständnis der Kommunikationspartner. 32 Dabei wird Kommunikation durch soziales Handeln initiiert und stellt eine notwendige Bedingung dar. Allerdings muss dem sozialen Handeln eine Interaktion im Sinne einer Wechselwirkung der jeweils anderen beteiligten Person folgen, damit Kommunikation erfolgreich stattfinden kann.33 Dieser Prozess kann nie losgelöst von den Partnern betrachtet werden. Die Individuen sind in alle Aspekte der Kommunikation eingebunden und ermöglichen erst die Sinngebung der kommunikativen Handlung.34 Somit findet Kommunikation nur dann statt, wenn

Individuen ihre kommunikativen Handlungen nicht nur wechselseitig aufeinander richten, sondern darüber hinaus auch die allgemeine Intention ihrer Handlungen (=Bedeutungsinhalte miteinander teilen wollen) verwirklichen können und damit das konstante Ziel (=Verständigung) jeder kommunikativen Aktivität erreichen. 35

Im Hinblick darauf besagt das Konzept des Symbolischen Interaktionismus, dass die Umwelt des Menschen immer auf Basis sozialer Interaktion geformt wird, weshalb die Kommunikation einen zentralen Stellenwert in der Konstruktion der Umwelt einnimmt. 36 Es handelt sich um einen gesellschaftlichen Prozess, der (...) weitgehend für die Objekte verantwortlich ist, die unsere tägliche Umwelt ausmachen, in der wir leben: ein Prozess in dem die Kommunikation die Hauptrolle spielt. 37

Blumer postuliert demzufolge, dass Kommunikation der Faktor ist, der die Entwicklung des Menschen als soziales Wesen bedingt hat und das menschliche Verhalten formt. Die Kommunikation ist dafür verantwortlich, inwiefern Dingen Bedeutung zugesprochen, ergo die Wirklichkeit wahrgenommen wird. Folglich entsteht auch die Bedeutung von sozialen Beziehungen im symbolisch vermittelten Prozess der Interaktion beziehungsweise der Kommunikation.38

Dabei kommt den Medien als Vermittlern von Kommunikation heutzutage eine bedeutende Funktion in der Erfahrung von Wirklichkeit zu.39 Dieses Phänomen beschreibt Friedrich Krotz als Mediatisierung kommunikativen Handelns 40 , ein Theorieansatz, der sich mit der zunehmenden Durchdringung von Alltag und Kultur mit verschiedenen Formen der Medienkommunikation und den damit zusammenhängenden Wandlungsprozessen auseinandersetzt. Krotz sieht in der heutigen Gesellschaft einen medialen Ausdifferenzierungsprozess, da immer wieder neue Kommunikationsmedien in den Alltag der Menschen treten, weshalb sich auch Kommunikation immer mehr auf Medien bezieht.41 Dies hat zur Folge, dass sich Gesellschaft als kommunikative Veranstaltung, dass sich Politik, Kultur und Alltag, (...) [dass sich soziale Beziehungen] wandeln, weil sie alleüber Kommunikation konstituiert und durch immer mehr Medien vermittelt sind. 42

Als eines der wichtigsten Kommunikationsmittel der heutigen Zeit kommt facebook damit eine große Rolle bei der Wahrnehmung und Bedeutung gesellschaftlicher Umgangsformen zu, da die Beschaffenheit des Mediums die zwischenmenschliche Kommunikation und Interaktion gestaltet und beeinflusst.43

3 Soziale Beziehungen auf facebook

Anhand des Beispiels facebook wird nun analysiert, wie soziale Beziehungen sich online gestalten, wie sie aufgebaut und gepflegt werden und welche Auswirkungen das Online-Netzwerk auf sie ausübt.

3.1 facebook vor dem Hintergrund des Web 2.0

facebook ist derzeit mit mehr als 1,1 Milliarden Mitgliedern das größte und erfolgreichste soziale Online-Netzwerk der Welt.44 Dabei muss facebook von den bereits beschriebenen realen Netzwerken abgegrenzt werden, die für ihre Existenz keine Technik benötigen. Die Plattform stellt lediglich die technischen Möglichkeiten bereit, soziale Netzwerke abzubilden. Es wird als sogenanntes Freundschaftsnetzwerk bezeichnet und kann somit von anderen Netzwerken unterschieden werden, die sich an spezielle ethnische, professionelle oder andere Zielgruppen wenden.45 Die SNS (Social Network Sites46 ) sind im Zuge des Social Web entstanden und zeigen am deutlichsten die soziale Komponente, welche das Internet seit einigen Jahren bestimmt.47 Die spürbaren Veränderungen im Nutzungs- und Handhabungsverhalten werden häufig mit dem Begriff Web 2.0 verbunden, welcher fälschlicherweise oft mit einer neuen Form des Internets assoziiert wird. Dabei handelt es sich eher um eine veränderte Nutzungsform, die durch technologische Entwicklungen möglich gemacht wurde.48 Neben den SNS sind es Blogs, Nachschlagewerke, Foren, Chats und andere Social Web-Angebote, die dem Nutzer bestimmte soziale Leistungen bieten. Online-Netzwerke wie facebook vereinen alle sozialen Leistungen, weshalb sie auch zu den beliebtesten Anwendungen des Social Web zählen. Dazu gehören das Identitätsmanagement, welches sich auf das Veröffentlichen persönlicher Informationen bezieht, das Beziehungsmanagement, das die Pflege bestehender oder den Aufbau neuer Kontakte bezeichnet, und schließlich das Informationsmanagement, womit das Rezipieren von verschiedenen Informationen gemeint ist.49

Die Web-Domain thefacebook.com wurde im Januar 2004 von dem damaligen Psychologiestudent der Harvard-Universität Mark Zuckerberg registriert und zusammen mit seinen Kommilitonen Chris Hughes, Dustin Moskovitz und Eduardo Saverin erstellt. Anfangs war das Netzwerk nur für Harvard Studierende zugänglich, die es ebenso wie das gleichnamige Jahrbuch dazu nutzten, Informationen über ihre Kommilitonen zu erhalten und möglicherweise potentielle Partner zu finden. Vor thefacebook.com wurde demnach schon mithilfe dieses Buches überlegt, mit wem in Zukunft soziale Verbindungen eingegangen werden könnten; dies lediglich aufgrund von Fotos und eventuell gleicher Interessen. Im Laufe des ersten Jahres wurde facebook aufgrund des großen Erfolgs ebenfalls für Studierende der Universitäten Stanford, Yale und Columbia geöffnet. Zehn Monate nach dem Start war bereits der Eine-Millionste-Nutzer registriert. Die Nutzerzahlen stiegen exponentiell an, was Investoren anlockte, die der Webseite erste große Einnahmen bescherten. Im Jahr 2005 wurde das Netzwerk auf die Highschools des Landes ausgeweitet und seit September 2006 ist es möglich, sich auch ohne E-Mail- Adresse einer Universität oder Highschool zu registrieren.50 Seit 2008 gibt es facebook außerdem auf Deutsch, Spanisch, Französisch und weiteren 21 Sprachen, weshalb es nochmals zu einem erhöhten Zuwachs an Mitgliedern kam. 2010 erreichte das soziale Online-Netzwerk eine halbe Milliarde Nutzer. Heute wird das Vermögen des Unternehmens von verschiedenen Quellen auf 50 Milliarden Dollar geschätzt.51 Außerdem gehört facebook zu den fünf am häufigsten besuchten Websites der Welt. In Deutschland liegt es derzeit hinter Google auf dem zweiten Rang.52

Um einen kurzen Einblick in die Nutzungsfrequenz der Interaktion zu geben, werden im Folgenden einige statistische Fakten aufgezählt:

Pro Tag werden mehr als 60 Millionen Statusupdates erstellt, pro Woche über 5 Milliarden Inhalte geteilt und jeden Monat mehr als 3 Milliarden Fotos hochgeladen. Zudem hat jedes Mitglied im Schnitt 130 Kontakte, versendet jeden Monat durchschnittlich acht Freundschaftsanfragen und verbringt mehr als eine Stunde täglich auf facebook, wobei es im Monat 25 Kommentare abgibt und neun Mal den Like-Button53 klickt.54

Aufgrund der hohen Mitgliederzahl und Nutzungsfrequenz wurde facebook für diese Arbeit als Forschungsgegenstand ausgewählt, da das soziale Online-Netzwerk für sehr viele Menschen wie selbstverständlich in den Alltag integriert ist und als Kommunikationsplattform verwendet wird. Im Folgenden werden die Kommunikations- und Interaktionsfunktionen des Netzwerks aufgeführt, die die Grundlage der späteren Analyse bilden.

3.2 Kommunikations- und Interaktionsfunktionen

Nach Sebastian Deterding funktionieren alle Netzwerke im Internet nach ähnlichem Prinzip.55 So beginnt es auch bei facebook mit dem Anlegen eines eigenen Profils, in welchem persönliche Angaben und Fotos hochgeladen werden können. Nach der Registrierung werden Kontakte hinzugefügt, die im eigenen Profil anhand einer Freundesliste sichtbar gemacht werden, wobei es möglich ist, die Kontakte ohne deren Wissen zu kategorisieren. Weitere Kontakte werden den Nutzern täglich vorgeschlagen, indem eine Software Übereinstimmungen in den Freundeslisten vernetzter Mitglieder sucht. Über die Profile und den Newsfeed, der alle aktuellen Interaktionen der Kontakte auf der Startseite auflistet, können Aktivitäten der Freunde verfolgt und über die Kommentarfunktion und den Like-Button Feedback zu Fotos, Statusnachrichten, Links, Videos oder Unterhaltungen abgegeben werden.

[...]


1 Vgl. Dahrendorf, R. (1958/2006). Homo Sociologicus. 16. Auflage, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

2 Im Folgenden wird facebook als soziales Online-Netzwerk, soziales Netzwerk, Netzwerk, Netzwerkplattform und Internetplattform betitelt, um eine abwechslungsreiche Schreibweise zu wahren.

3 Vgl. Facebook Reports First Quarter 2013 Results. <http://investor.fb.com/releasedetail.cfm?ReleaseID=761090> zuletzt zugegriffen: 06.06.2013.

4 Vgl. Granovetter, M. (1973). The strength of weak ties. American Journal of Sociology, 78(6). Chicago: The University of Chicago Press, S. 1360-1380.

5 Vgl. ebd.

6 Vgl. Mörl, C. & Groß, M. (2008). Soziale Netzwerke im Internet. Analyse der Monetarisierungsmöglichkeiten und Entwicklung eines integrierten Geschäftsmodells. Boizenburg: Verlag Werner Hülsbusch, S. 32.

7 Beck, K. (2006a). Computervermittelte Kommunikation im Internet. München: Oldenbourg, S. 174.

8 Vgl. ebd.

9 Schäfers, B. (1995). Grundbegriffe der Soziologie. 4. Aufl., Opladen: Leske + Budrich, S. 225.

10 Vgl. Christakis, N. A. & Fowler, J. H. (2010). Connected! Die Macht sozialer Netzwerke und warum Glück ansteckend ist. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, S. 50ff.

11 Vgl. Schäfers (1995, S. 225).

12 Vgl. Schelske, A. (2007). Soziologie vernetzter Medien: Grundlagen computervermittelter Vergesellschaftung. München: Oldenbourg, S. 123.

13 Vgl. Döring, Nicola (2003). Sozialpsychologie des Internets: Die Bedeutung des Internets für Kommunikationsprozesse, Identitäten, soziale Beziehungen und Gruppen. Göttingen: Hogrefe, S. 403ff.

14 Vgl. ebd. (S. 405f.).

15 Vgl. ebd. (S. 406f.).

16 Mit der Verwendung der männlichen Form ist stets die weibliche Form eingeschlossen. Um das Lesen und Schreiben der Arbeit zu erleichtern, wird auf eine duale, beide Geschlechter explizit berücksichtigende Schreibweise verzichtet.

17 Vgl. Diewald, M. (1991). Soziale Beziehungen: Verlust oder Liberalisierung? Soziale Unterstützung in informellen Netzwerken. Berlin: Sigma, S. 102.

18 Vgl. Döring (2003, S. 407).

19 Vgl. Mörl & Groß (2008, S. 33).

20 Vgl. Döring (2003, S. 408).

21 Vgl. Schipper, C. (2012). Freundschaftsbeziehungen in sozialen Online-Netzwerken am Beispiel von StudiVZ. In: Dittler & Hoyer (Hrsg.). Aufwachsen in sozialen Netzwerken. Chancen und Gefahren von Netzgemeinschaften aus medienpsychologischer und medienpädagogischer Perspektive. München: kopaed, S. 93-110, S. 94.

22 Vgl. Nötzhold-Linden, U. (1994). Freundschaft. Zur Thematisierung einer vernachlässigten soziologischen Kategorie. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 23.

23 Ebd. (S. 26).

24 Vgl. Alisch, L.-M. & Wagner, J.W.L. (2006). Freundschaften unter Kindern und Jugendlichen. Interdisziplinäre Perspektiven und Befunde. Weinheim: Juventa, S. 38ff.

25 Vgl. Alisch & Wagner (2006, S.13).

26 Vgl. Schipper (2012, S. 96).

27 Vgl. Alisch & Wagner (2006, S. 114).

28 Vgl. Döring, N. (2004). Wie verändern sich soziale Beziehungen durch Mobilkommunikation? Eine Analyse von Paar-, Familien- und Freundschaftsbeziehungen. In: Thiedeke, U. (Hrsg.). Soziologie des Cyberspace. Wiesbaden: VS Verlag, S. 240- 281, S. 253.

29 Reinders, H. (2003). Freundschaften im Jugendalter. <www.familienhandbuch.de/cms/Jugendforschung- Freundschaften.pdf> zuletzt zugegriffen am 09.06.2013.

30 ebd.

31 Vgl. Mead, G. H. (1968): Geist, Identität und Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

32 Vgl. Beck, K. (2006b). Kommunikationsprozess. In: Bentele, G. & Brosius, H.-B. & Jarren, O. (Hrsg.). Lexikon Kommunikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden: VS Verlag, S. 131-133, S. 132.

33 Vgl. Sonnenberger, R. (2012). Facebook im Kontext medialer Umbrüche. Eine theoretische und empirische Annäherung. Boizenburg: Verlag Werner Hülsbusch, S .22.

34 Vgl. Schipper (2012, S. 97f.).

35 Burkart, R. (2002). Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinären Sozialwissenschaft, 4. Auflage, Stuttgart: UTB, S. 32.

36 Blumer, H. (1973). Der methodologische Standort des Symbolischen Interaktionismus. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.). Alltagswissen, Interaktion und gesellschaftliche Wirklichkeit, Band 1: Symbolischer Interaktionismus und Ethnomethodologie. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 80-146, S. 81.

37 Mead (1995, S. 119).

38 Vgl. Blumer (1973, S. 120ff.).

39 Vgl. Hickethier, K. (2003). Medienkultur. In: Bentele, G. & Brosius, H. & Jarren, O. (Hrsg.). Öffentliche Kommunikation. Handbuch Kommunikations- und Medienwissenschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 435-457, S. 445ff.

40 Vgl. Krotz, F. (2001). Die Mediatisierung kommunikativen Handelns. Der Wandel von Alltag und sozialen Beziehungen, Kultur und Gesellschaft durch die Medien, Wiesbaden: VS, S. 32.

41 Vgl. Krotz, F. (2007). Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation, Wiesbaden: VS, S. 40.

42 Krotz (2001, S. 32).

43 Vgl. Bammé, A. & Berger, W. & Kotzmann, E. (2008). Vergesellschaftung durch Information. In: Greif, H. & Mitrea, O. & Werner, M. (Hrsg.). Information und Gesellschaft. Technologien in einer sozialen Beziehung. Wiesbaden: Springer, S. 23-40, S. 27.

44 Vgl. Facebook Reports First Quarter 2013 Results. <http://investor.fb.com/releasedetail.cfm?ReleaseID=761090> zuletzt zugegriffen: 08.06.2013.

45 Vgl. Christakis & Fowler (2010, S.342); Sonnenberger (2012, S. 95).

46 Vgl. Neumann-Braun & Autenrieth (2011). Freundschaft und Gemeinschaft im Social Web. Bildbezogenes Handeln und Peegroup-Kommunikation auf Facebook & Co. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft.

47 Vgl. Beer, D. & Burrows, R. (2007): Sociology and, Some Initial Considerations. <http://www.socresonline.org.uk/12/5/17.html> zuletzt zugegriffen: 27.06.2013.

48 Vgl. Paus-Hasebrink, I. & Trültzsch, S. (2012). Heranwachsen in den Zeiten des Social Web. In: Dittler, U. & Hoyer, M. (Hrsg.). Aufwachsen in sozialen Netzwerken. Chancen und Gefahren von Netzgemeinschaften aus medienpsychologischer und medienpädagogischer Perspektive. München: kopaed, S. 30.

49 Vgl. Schmidt, J. (2008). Was ist neu am Social Web? Soziologische und kommunikationswissenschaftliche Grundlagen. In: Zerfass, A. & Welker, M. & Schmidt, J. (Hrsg.). Kommunikation, Partizipation und Wirkungen im Social Web. Zwei Bände. Köln: Van Halem Verlag, S.18-40, S.22ff.

50 Vgl. Steinschaden, J. (2010). Phänomen Facebook. Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt. Wien: Verlag Carl Ueberreuter, S. 40f.

51 Vgl. Soziales Netzwerk. Goldman-Deal treibt Facebook-Wert auf 50 Milliarden Dollar. In: Spiegel Online. AFP, 03.01.2011. <http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/soziales-netzwerk-goldman-deal-treibt-facebook-wert-auf-50-milliarden- dollar-a-737425.html> zuletzt zugegriffen: 15.06.2013; Michael Arrington: Facebook Now Worth $50 Billion In Secondary Trading. In TechCrunch, 29.11.2010. <http://techcrunch.com/2010/11/29/facebook-now-worth-50-billion-in-secondary- trading/> zuletzt zugegriffen: 15.06.2013; Michael Arrington: Accel Sold Big Chunk Of Facebook Stock At $35 Billion Valuation. In: TechCrunch, 19.11.2010. <http://techcrunch.com/2010/11/19/accel-facebook-chunks-of-stock/> zuletzt zugegriffen: 15.06.2013.

52 Vgl. Top Sites in Germany. In: Alexa Internet, 17.01.2013. <http://www.alexa.com/topsites/countries/DEAbgerufen> zuletzt zugegriffen: 16.06.2013.

53 Der Like-Button oder Gefällt mir-Button ist eine Funktion, die es ermöglicht, positive Bewertungen zu Beiträgen zu visualisieren.

54 Vgl. Holzapfel, F. & Holzapfel, K. (2012). Facebook. Marketing unter Freunden. 3. Aufl., Göttingen: Business Village, S. 22. Auf Grundlage der Daten auf <www.facebook.com/press/info.php?statistics>; Kneidinger, B. (2010): Facebook und Co.: Eine soziologische Analyse von Interaktionsformen in Online Social Networks. Wiesbaden: Vs Verlag für Sozialwissenschaften, S.60.

55 Vgl. Deterding, S. (2009). Virtual Communities. In: Hitzler, R. & Honer, A. & Pfadenhauer, M. (Hrsg.). Posttraditionale Gemeinschaften. Theoretische und ethnographische Erkundungen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 115- 131.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung von sozialen Online-Netzwerken für soziale Beziehungen
Untertitel
Eine Analyse der sozialen Interaktionsformen im Internet anhand von Facebook
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur)
Note
1,3
Jahr
2013
Seiten
43
Katalognummer
V295935
ISBN (eBook)
9783656949558
ISBN (Buch)
9783656949565
Dateigröße
824 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, online-netzwerken, beziehungen, eine, analyse, interaktionsformen, internet, facebook
Arbeit zitieren
Anonym, 2013, Die Bedeutung von sozialen Online-Netzwerken für soziale Beziehungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295935

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