Innerhalb der intersubjektiven Perspektive herrscht eine recht starke Zurückhaltung bezüglich eindeutiger Äußerungen zur Behandlungstechnik. Das liegt einerseits an dem Wunsch, diese Perspektive als einen breit angelegten Rahmen analytischer Haltung zu verstehen, der Platz bieten soll, verschiedene therapeutische Praxis- und Theorieelemente integrieren zu können. Die intersubjektive Perspektive soll daher als ein „bestimmtes Empfindungs- und Wahrnehmungsvermögen, eine durch kontinuierliche Sensibilität für das unvermeidliche Wechselspiel zwischen Beobachter und Beobachteten charakterisierte Haltung“ (ORANGE et al. 1997, S. 18) verstanden werden. Andererseits stößt aus intersubjektiver Perspektive der Begriff der Behandlungstechnik generell auf ein starkes Unbehagen:
„Wir vertreten […] eine noch schwerer wiegende und radikalere These, weil wir nämlich behaupten, daß die gesamte Konzeption der Psychoanalyse als Technik verschroben ist – um eine unter Philosophen sehr beliebte Charakterisierung zu verwenden – und gründlich überdacht werden muß“ (ORANGE et al. 1997, S. 36).
Und an anderer Stelle:
„Unserer Ansicht nach gibt es weder eine besondere Behandlungstheorie noch »technische« Ratschläge, die sich aus der Intersubjektivitätstheorie herleiten ließen. Vielmehr ermöglicht die intersubjektive Perspektive eine allgemeinere Charakterisierung der psychoanalytischen Arbeit aus der Binnensicht jeder spezifischen klinischen Theorie“ (ebd., S. 18).
Technik, so die Autorengruppe, würde den leidenden Menschen nur auf ein mechanistisches, der klassischen Metapsychologie angelehntes Menschenbild reduzieren und den Analytiker als isolierten Geist am technisch-maschinell funktionierenden Mensch-Patienten herumwerkeln lassen (vgl. ebd.):
„Der Begriff der Technik beläßt uns, anders formuliert, in einem cartesianischen Dualismus mit einem übertriebenen intellektualisierten Deutungskonzept“ (ebd., S. 37).
Inhaltsverzeichnis
- 1 Grundlegende Gedanken zur psychoanalytischen Behandlungstechnik aus intersubjektiver Perspektive
- 1.1 Das intersubjektive Setting
- 1.2 Die analytische Haltung: Eine kritische Bestandsaufnahme
- 1.2.1 Der Mythos von der suggestionsfreien Deutung
- 1.2.2 Der Mythos von der unkontaminierten Übertragung
- 1.2.3 Der Mythos von der Objektivität und die Frage nach der Analysierbarkeit
- 1.2.4 Der Mythos vom isolierten Geist
- 1.2.5 Die analytische Haltung aus intersubjektiver Perspektive
- 1.3 Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand
- 1.3.1 Übertragung
- 1.3.2 Gegenübertragung
- 1.3.3 Widerstand
- 1.4 Traumdeutung
- 1.5 Ziele und Abschluss der Behandlung
- 1.5.1 Ziele der Behandlung aus intersubjektiver Sicht
- 1.5.2 Abschluss der Behandlung
- 2 Zusammenfassung
- 3 Kritische Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit der psychoanalytischen Behandlungstechnik aus der intersubjektiven Perspektive. Er kritisiert die gängigen Konzepte der klassischen Psychoanalyse als zu technisch und mechanistisch und plädiert für eine stärker auf das subjektive Erleben des Patienten und des Analytikers ausgerichtete Herangehensweise.
- Die Bedeutung des intersubjektiven Settings und der analytischen Haltung
- Die Kritik an der Konzeption der Psychoanalyse als Technik
- Die Rolle der Übertragung, Gegenübertragung und des Widerstands
- Die Bedeutung der Empathie und die Ablehnung des Neutralitätsmythos
- Die zentrale Rolle des Verstehens und der individuellen Besonderheiten im psychoanalytischen Prozess
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel des Textes beleuchtet die grundlegenden Gedanken zur psychoanalytischen Behandlungstechnik aus intersubjektiver Perspektive. Dabei wird die Kritik an der traditionellen Technikdebatte und die Vorstellung des intersubjektiven Settings als Grundlage für eine neue Sichtweise auf den psychoanalytischen Prozess dargestellt. Das Kapitel setzt sich außerdem kritisch mit der analytischen Haltung auseinander und analysiert verschiedene Mythen, die in der klassischen Psychoanalyse eine Rolle spielen, wie den Mythos von der suggestionsfreien Deutung, der unkontaminierten Übertragung und der Objektivität. Weiterhin werden die Konzepte der Übertragung, Gegenübertragung und des Widerstands aus intersubjektiver Perspektive beleuchtet.
Das zweite Kapitel bietet eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte des Textes und fasst die Kernaussagen der intersubjektiven Perspektive zur psychoanalytischen Behandlungstechnik zusammen.
Das dritte Kapitel enthält kritische Bemerkungen zum Text und diskutiert die Grenzen und Herausforderungen der intersubjektiven Perspektive.
Schlüsselwörter
Intersubjektivität, psychoanalytische Behandlungstechnik, analytische Haltung, Übertragung, Gegenübertragung, Widerstand, Empathie, Neutralität, Verstehen, subjektives Erleben, Setting, Deutung, Technikdebatte, klassische Psychoanalyse.
- Citation du texte
- Dr. phil. Knuth Müller (Auteur), 2004, Die zeitgenössische Psychoanalyse. Behandlungstechnische Implikationen der intersubjektiven Perspektive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/296014