Fußball als ein zeitgenössisches Phänomen von religiöser Erfahrung


Seminararbeit, 2014

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

(Vorwort)

1 EINLEITUNG

2 VERHALTENS- UND AUSDRUCKSWEISEN IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FUßBALL
2.1 Rituelles und kultanaloges Handeln im und um den Fußball
2.2 Begriffe und Ausdrucksweisen in Bezug auf den Fußball
2.3 Deutungen der Verhaltens- und Ausdrucksweisen im Zusam- menhang mit dem Fußball

3 RELIGIÖSE ERFAHRUNGEN IM FUßBALL UND DIE FRAGE NACH DER ‚FUßB LLRELIGION’
3.1 Notwendige Begriffsbestimmungen
3.2 Der religiöse Gehalt des Fußballs
3.3 Gibt es eine Fußballreligion oder ein Fußballgott sowie deren heilige Orte?

4 FAZIT UND AUSBLICK

5 LITERATURVERZEICHNIS

5.1 Internetadressen

1. EINLEITUNG

„Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott.“1 Martin Luther Es ist Sonntag, der 13. Juli 2014 eigentlich ein ganz normaler Tag der an und für sich auch nicht besonders erfreulich ist, weil ich mich viele Stunden auf eine wichtige Klausur vorbereiten muss. Trotzdem wache ich an diesem 13. Juli mit einem aufgeregten Kribbeln im Bauch auf und kann vor lauter Vorfreude nur sehr unkonzentriert lernen. Liegt es an dem schönen Wetter? Habe ich Geburtstag? Ist Weihnachten oder Ostern in den Juli ver- legt worden? Nein, der Grund meiner Aufregung und Vorfreude ist ein anderer: Heute findet das lang erwartete Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 mit der Partie Deutschland gegen Argentinien in Rio de Janeiro statt. Um 15 Uhr treffe ich mich schließ- lich mit meinen Freunden und wir ziehen während dieses Spätnachmittags aus dem Dorf hinaus in ein Festzelt, in dem das WM-Finale übertragen und danach noch eine WM- Abschlussparty stattfinden wird. Bei dieser Feier gibt es im Falle eines deutschen Sieges auch Freibier. Wir haben uns alle unsere Deutschland Trikots angezogen und sind damit auf unserem Zug vom Dorf hinaus ins Zelt keineswegs allein: Überall strömen Männer und auch relativ viele Frauen unterschiedlichen Alters Richtung Zelt und viele haben sich nicht nur Trikots angezogen, sondern kommen mit bemalten Gesichtern, Fahnen oder Schals. Einige stimmen sogar schon vor dem Spiel zu hymnenartigen Fangesängen und kollektiven Ausrufen an. Die Zeit zwischen unserer Ankunft im Zelt und dem Spielbeginn scheint endlos zu dauern. Die angespannte Erwartungshaltung der Leute ist fast greifbar. Als dann endlich die Spieler in das beeindruckend große und topmoderne Maracanã-Sta- dion einlaufen und die Nationalhymnen gespielt werden, kann man sich auch vor der Großleinwand einem Gänsehautgefühl nicht entziehen: Die Spieler umarmen sich und die ganzen deutschen Fans scheinen die deutsche Hymne mitzusingen. Als Mario Götze zum 1:0 nach Verlängerung das entscheidende Tor erzielt und somit die endgültige Spielent- scheidung herbeiruft, besiegt Deutschland somit die Mannschaft aus Argentinien mi die- sem einzigen Treffer und erringt hierdurch seinen vierten WM-Titel. Im Anschluss an dieses WM-Finale lösen sich Erwartung und Anspannung in schier grenzenlosen Jubel auf: Im Stadion, an den Übertragungsorten, wie in dem von uns besuchten Zelt, springen die Leute auf, jubeln laut, schwenken ihre Schals und Fahnen und teilweise liegen sich sogar wildfremde Menschen vor Freude und Erleichterung in den Armen. Es war das dritte Aufeinandertreffen beider Nationen im Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft, nachdem die Argentinier 1986 und die Deutschen 1990 gewonnen hatten, und der erste Titelgewinn einer europäischen Fußballnationalmannschaft auf dem amerikanischen Kontinent. Als das Spiel schlussendlich nach Verlängerung mit 1:0 für Deutschland zu Ende geht, beginnt die Party und die ersten Freibierkrüge werden vielerorts nicht einfach leer getrunken, sondern wie Siegespokale in Triumphpose in die Luft gehalten.

Die an diesem Abend des 13. Juli zu Ende gehende Weltmeisterschaft 2014 im Maracanã- Stadion in Rio de Janeiro, wird zu einem unvergessenen symbolischen Ort vieler deut- scher Anhänger, welches ganz Deutschland nachhaltig bewegt und prägt. So erfasst z. B. der Jubeltaumel nach dem dramatischen 1:0 der Deutschen über Argentinien vom Schü- ler/ von Schülerinnen über den Arbeiter /die Arbeiterinnen, bis hin zur Bundeskanzlerin Menschen alle Altersgruppen und sozialen Schichten. Manuel Neuer und Thomas Müller werden als große Vorbilder gefeiert, als die wertvollsten Spieler des Turniers im deut- schen Kader. Manuel Neuer wird zum besten Torhüter des WM-Turniers gewählt, indem die FIFA-Jury ihn mit dem Goldenen Ball bzw. dem Goldenen Handschuh2 auszeichnet. Künstler wie Andreas Bourani begleitet das Turnier mit seinem Lied, das sich seit einiger Zeit auf den ersten Plätzen der Top-Charts in Deutschland hält. Beim genaueren Hinsehen weist dieser Text sogar eine religiöse Prägung auf. Wie heißt es da so schön: ÄEin Hoch auf uns, auf unser Leben, auf den Moment, der immer bleibt. Ein Hoch auf uns, auf jetzt und ewig, auf einen Tag Unendlichkeit [Herv. d. Verf.].“3 Die Weltmeisterschaft 2014 wird nicht nur zur Grundlage eines noch intensiveren Fußballerlebens4, sondern verändert auch die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Deutschen, die sich offen, locker, herzlich, feierlich und friedlich präsentieren, aber gleichzeitig auch wieder stolz ‚Flagge zeigen’. Einige mutmaßen ja, dass die Fußball-Weltmeisterschaft geradezu religiöse Dimensionen annimmt. Da sprechen Sportjournalisten vom ÄFußball-Gott“ und Tausende und Millio- nen Menschen sind wie von Glückshormonen gesteuert. Ein Feuerwerk der Endorphine explodiert in den verschiedenen Seelen. Allerdings darf man die Proteste in Brasilien, die bereits im Juni 2013 begonnen haben und zugleich die größten Unruhen in dem südame- rikanischen Land seit dem Ende der Militärdiktatur in den 1980er Jahren bilden, keines- wegs ausblenden. Die Proteste gegen diese Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien zeugen von Korruption und dies besonders im Bereich der Verwaltung. Die protestierenden klagten gegen soziale Missstände, wie beispielsweise das marode Schulsystem, Erhöhung von Preisen im öffentlichen Nahverkehr und unrechtmäßige Po- lizeigewalt.5 Diese und andere Gründe sprechen dafür, dass das zahlreiche und intensiver ausbrechende Fußballfieber vieler Menschen nicht überall nur positiv gesehen wird. So bedauert unser Gemeindepfarrer, dass der Fußball die Menschen stärker zu faszinieren scheint als die Kirche. Er spricht sogar davon, dass der Fußball heute die Religion vieler Menschen zu sein scheint. Beim Blick in viele Gottesdienste scheint sich dieser Eindruck zunächst zu bestätigen, da diese oft nur mäßig besucht sind und gar rituelle Handlungen, wie der Friedensgruß, häufig wie leblose Pflichtgesten wirken. Von den nicht nur bei großen Turnieren, sondern z. B. auch bei Ligaspielen strömenden Massen begeisterter und emotional ergriffener Menschen, ist in den meisten Gottesdiensten nur wenig zu sehen. Als das Thema ‚Fußball als ein zeitgenössischer Ort von religiöser Erfahrung’ schließlich im Kontext des Grundkurses der Praktischen Theologie behandelt wird, stößt es sofort auf mein Interesse, da es mir die Möglichkeit gibt, auf diese Problematik in wissenschaftlicher Weise näher einzugehen. Dabei soll zunächst das rituell-kulthafte Ver- halten vieler Menschen im Zusammenhang mit dem Fußball näher untersucht werden. In Verbindung damit wird auch ein Blick auf die Ausdrucksweise und die Begriffe gewor- fen, mit denen über Fußball geschrieben und gesprochen wird.6 Schließlich werden die Hintergründe des rituell-kulthaften Verhaltens und der speziellen Ausdrucksweise in Be- zug auf den Fußball einer genaueren Betrachtung unterzogen. In der vorliegenden Semi- nararbeit soll hauptsächlich um eine Art von Deskription der Äphänomenologischen Be- trachtung“ zwischen Religion und Fußball aufgeführt und systematisiert werden. Dabei soll der Fußballort (Spielort) in Form von Stadion bzw. Arena, als religiöse Erfahrung sowie kultischer Ort nicht zu kurz kommen, um dann klären zu können, ob Fußball tat- sächlich ein zeitgenössischer Ort von religiöser Erfahrung ist. Vielleicht kann man sogar von einer ‚Fußballreligion’ sprechen. Dabei stellt sich auch für die Religionsökonomie relevante Frage: Inwiefern steht der Fußball mit der Kirche in Konkurrenz?7 Im Rahmen eines Ausblicks soll abschließend ansatzweise erörtert werden, wie die Kirchen mit dieser Konkurrenzsituation umgehen können und ob es schlussendlich einen Fußballgott gibt von dem viele Menschen sprechen.8

2 VERHALTENS- UND AUSDRUCKSWEISEN IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FUßBALL

2.1 Rituelles und kultanaloges Handeln im und um den Fußball

Fußball ist deshalb Kult, weil Fans zu den jeweiligen Spielen pilgern, dabei tragen sie Vereinskutte und beten für den Sieg ihrer Mannschaft. Beispielsweise das Fan-Magazin von Schalke 04 wird mit dem Titel: ÄUnser Schalke“9 herausgegeben und noch heute reden die deutschen über das Wunder von Bern. Das Interessante dabei ist zu beobachten, dass sich religiöse Semantik und Fußball keineswegs ausschließen müssen, denn die Be- griffsbezeichnung "Fan" enthält einiges an religiösem Gehalt. Die Begriffsgeschichte vom "Fan" entlehnt sich terminologisch vom Stamm "fanaticus", was so viel bedeutet wie "religiös schwärmerisch, von der Gottheit ergriffen".10 In der historischen Betrachtung, insbesondere seit dem 18. Jahrhundert, schwindet der Begriff aus dem religiösen Kontext. Das Interessante wiederum dabei ist, dass viele der Fußballfans noch heute ihre Begeis- terung mit religiöser Hingabe vergleichen bzw. es förmlich gleichsetzen. Deshalb kann man sagen, dass dieser Volkssport mit dem Bereich des Sakralen eine Schnittstelle bildet, die es zu untersuchen gilt. So sind die Fans, wie bereits eingangs erwähnt, häufig z. B. mit Trikots und/oder Schals bekleidet. Ihre ‚Spieltags Kleidung’ unterscheidet sich also von ihrer ‚Alltagskleidung’. Ähnliches lässt sich bei Gottesdienstbesuchern beobachten: Auch diese gehen vor allem an Sonn- und Feiertagen meistens nicht in ihrer üblichen ‚Alltagskleidung’ in die Kirche, sondern wählen z. B. mit einem ‚Sonntagsanzug’ festli- chere Kleidung. Wenn sich die Fußballfans in ihrer speziellen ‚Spieltags Kleidung’ in Gruppen auf den Spiel- bzw. Übertragungsort zubewegen, dabei die Fahnen schwenken und zu hymnenartigen Fangesängen und Sprechchören anstimmen, so erinnert dies sehr an eine Prozession. Denn bei dieser religiösen Handlung werden ebenfalls Fahnen getra- gen und kollektiv gebetet sowie gesungen. Wenn Fans zum Teil längere Reisestrapazen auf sich nehmen, um z. B. zu einem Auswärtsspiel im Europacup zu gelangen, so erinnern sie an Pilger, die sich auf einer Wallfahrt befinden. An die Stelle der Kirchen, die das Ziel der Gläubigen sind, tritt bei den Fans das jeweilige Stadion als der Ort einer Art ‚Fuß- ballkathedrale’. Auch die Handlungen zu Beginn des Gottesdienstes weisen Ähnlichkei- ten zu den Handlungen vor dem Anstoß von Fußballspielen auf. Aus diesen dargelegten Aspekten, muss man der folgenden Definition von Religion, besonders in unserem Kon- text viel Beachtung schenken. Der französischer Soziologe und Ethnologe David Émile Durkheim, der gerade heute als ein Klassiker der Soziologie gilt und gleichzeitig von der Religionssoziologie sehr oft rezipiert wird, beschreibt die Religion folgendermaßen:

ÄEine Religion ist ein solidarisches System von Überzeugungen und Praktiken, die sich auf heilige, d.h. abgesonderte und verbotene Dinge, Überzeugungen und Praktiken beziehen, die in einer und derselben moralischen Gemeinschaft, die man Kirche nennt, alle vereinen, die ihr angehören.“11

Diese These, übertragen auf ein Fußballspiel und der dazugehörenden Fankultur, treten unmittelbar Parallelen hervor. Wenn man genau hinschauen will: ÄDie kollektive Vereh- rung einer Fußballmannschaft, deren ritualisierte und emotional aufgeladene Feier und ein stark reglementiertes Umgang mit Symbolen des Vereins (oder auch der Nation) kann so im Anschluss an Durkheim als Religion bezeichnet werden.“12 In (katholischen) Got- tesdiensten ziehen der bzw. manchmal auch die Priester zusammen mit den Ministranten in die Kirche ein, wobei die Ministranten und der bzw. die Priester jeweils spezielle Ge- wänder tragen. Bei einem Fußballspiel ziehen die Schiedsrichter und die Fußballspieler, die ebenfalls jeweils spezielle Kleidung tragen, auf das Spielfeld ein. Der Introitus Ge- sang zu Beginn des Gottesdienstes kann als analog zu den vor dem Anpfiff von Länder- spielen gesungenen Nationalhymnen angesehen werden. Auch die rituellen, bekenntnis- haften und hymnischen Gesänge, sowie die Sprechchöre der Fans während eines Fußball- spiels, erinnern an die Gesänge und Gebete der Gläubigen im Gottesdienst. Fällt im Fuß- ball ein Tor, so kommt es bei der entsprechenden Mannschaft und im entsprechenden Fan-Lager zu Jubelszenen, bei denen es zu Umarmungen und Handschlägen kommt. Teil- weise umarmen sich nach einem Tor sogar einander fremde Fans, die ihren Platz zufällig nebeneinander haben. Auch bei Auswechslungen sind Handschläge unter den Spielern üblich. Darin sind Ähnlichkeiten zum Friedensgruß im Gottesdienst erkennbar. Zwar hat der Friedensgruß als fester Bestandteil des Gottesdienstes nicht den emotionalen und spontanen Charakter der Handschläge und Umarmungen im Fußball, aber trotzdem wird durch den Friedensgruß ebenfalls Nähe und Verbundenheit auch zwischen einander frem- den Menschen hergestellt. Diese Nähe wird dabei nicht nur durch den persönlich wirken- den Wortlaut des Friedensgrußes (ÄDer Friede sei mit dir“), sondern auch durch den kör- perlichen Kontakt zwischen den Gottesdienstbesuchern erzeugt. Wird im Fußball ein Ti- tel gewonnen kommt es zur Siegerehrung, bei der die Spieler den jeweiligen Pokal oder die Meisterschale demonstrativ in die Luft erheben. Bei Fußballfeiern geschieht das, wie bereits in der Einleitung beschrieben, oft mit Biergläsern. Dieses Emporheben des Pokals, der Schale oder des Glases erinnert an das Emporheben von Kelch und Schale in der Eucharistiefeier, wobei letzteres allerdings weniger emotional und gemäßigter erfolgt. Das Leben von Fußballern bietet zwar mitunter emotionale und besondere Momente, ist aber dennoch strukturiert und geordnet, weil die Spielpläne Saison für Saison die Ord- nung vorgeben. So finden in Deutschland zumeist am Wochenende Ligaspiele statt, unter der Woche spielen die dafür qualifizierten Mannschaften im Europacup und teils auch unter der Woche finden die Spiele des nationalen Pokals statt. Vor Ligabeginn wird in der Regel der Supercup oder der Ligapokal ausgespielt und alle zwei Jahre findet im An- schluss an eine Ligasaison im Wechsel entweder eine Europa- oder Weltmeisterschaft der Nationalteams statt, wobei andere Kontinente ihre jeweils speziellen kontinentalen Wett- bewerbe mit ihrem jeweils eigenen Rhythmus haben. Die Spiele der verschiedenen Wett- bewerbe werden von den Spielern auch jeweils anders empfunden. Während der Super- cup bzw. Ligapokal eher vorbereitenden Charakter hat und die Spiele des nationalen Po- kals besonders für die kleineren Teams den Anreiz bieten ‚den Großen ein Bein zu stel- len’, werden die Ligaspiele häufig als ‚Saisonalltag’ bezeichnet. Besondere Spiele, die oft auch ‚Fußballfeste’ genannt werden, sind für die Spieler vor allem die Partien auf internationaler Ebene, seien es Europacupspiele mit den jeweiligen Vereinsteams oder seien es vor allem die Turnierspiele mit den jeweiligen Nationalmannschaften. Die Fuß- ballfans orientieren sich ebenfalls an den Spielplänen und richten zum Teil sogar ihren Lebensrhythmus und ihre Planungen danach aus, was z. B. der Fall ist, wenn sie zu Aus- wärtsspielen ihres Lieblingsvereins mitreisen und dafür Urlaub nehmen. Auch dem Leben der Fans wird durch den Saisonrhythmus Struktur gegeben und ihnen wird z. B. an Spiel- tagen oder besonders während großen Turnieren wie der WM 2014 Abwechslung vom ansonsten oft langweiligen und beschwerlichen Alltag geboten. Auf diese Abwechslung hin leben sie zu und von dieser Abwechslung zehren sie im alltäglichen Leben. Ähnliches lässt sich auch im Hinblick auf das Kirchenjahr beobachten, weil es dem Leben der Men- schen ebenfalls Struktur und Orientierung gibt. Die Sonntage, sowie vor allem auch Fei- ertagen wie Weihnachten, Abwechslung vom Alltag bieten, auf die zu gelebt und von der gezehrt wird. Bei all dem ist wichtig, dass sowohl im Fußball als auch im Glaubensbe- reich verschiedene Formen der Gemeinschaft gebildet werden und der Fußball bzw. der Glaube auf diese Weise auch gemeinschaftlich ge- und erlebt werden können.

Die rituell-kulthaften Elemente des Fußballs treten noch deutlicher vor Augen, wenn man den Gottesdienst selbst über die bereits gemachten Beobachtungen hinaus einer genaue- ren Betrachtung unterzieht und dabei nach Ähnlichkeiten zum Fußball untersucht. Das Wesen des Gottesdienstes kann als feierliche Begegnung zwischen Gott und den Men- schen definiert werden. Bei einem Fußballspiel kommt es zur Begegnung zwischen den Stadionbesuchern und den Spielern, wobei ein Spieler nach besonderen Leistungen nicht selten mit Bezeichnungen wie ‚Titan’ oder ‚Fußballgott’ geehrt wird13. Dazu kommt der feierliche und außeralltägliche, wenn auch häufig emotionalere und spontanere Charakter von Fußballspielen und -Veranstaltungen hinzu. Es gibt also Parallelen im Wesen von Gottesdiensten und Fußballspielen. Ein weiteres essentielles Element von Gottesdiensten ist die Kommunikation, womit sowohl die Kommunikation der Träger des Gottesdienstes untereinander, als auch deren Kommunikation mit Gott gemeint ist. Auch bei Fußball- spielen ist Kommunikation ein unerlässlicher Bestandteil. Diese spielt sich einerseits zwi- schen den sportlichen Akteuren und dem Publikum jeweils untereinander ab, andererseits kommunizieren die Fans z. B. mit Sprechhören auch mit ihren ‚Fußballgöttern’ auf dem Rasen. Wesentlich für die Liturgie ist weiterhin ihre symbolische Form, denn Äim Got- tesdienst soll sich die natürliche Erscheinungswelt symbolisch verdichten zu einem Hin- weis auf das Transzendente“14. Hierzu sind zum Teil besondere, kultische Geräte notwen- dig. Auch der Ort und die Zeit des Gottesdienstes spielen eine wichtige Rolle. So sind vor allem Sonn- und Feiertage und auch bestimmte Tageszeiten Ämit jeweils spezifischen religiösen Sinngehalten belegt“15. Der Ort des jeweiligen Gottesdienstes hat ebenfalls sehr großen Einfluss auf dessen Charakter und wird daher meistens nicht willkürlich ge- wählt. Auch im Fußball lässt sich ein symbolischer Gehalt erkennen.

[...]


1 Großer Katechismus, Auslegung des ersten Gebots, Bekenntnisschriften der evang.-lutherischen Kirche (BSLK), 560, 1960, S. 22-24.

2 Am Ende einer jeden Fußball-Weltmeisterschaft werden mehrere Auszeichnungen an die besten Spieler und das fairste Team verliehen.

3 URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Auf_uns. [20.10.14].

4 Man denke hier z. B. an das Public Viewing, das sich auch bei der Europameisterschaft 2008 wieder als sehr beliebtes Mittel erweist, Fußball gemeinschaftlich zu erleben.

5 Vgl., Soziale Revolte unter dem Zuckerhut, in: Kurier.at, vom 18. Juni 2013. / URL: http://kurier.at/poli- tik/ausland/soziale-revolte-unter-dem-zuckerhut/16.140.757.

7 Hinweise auf eine solche Konkurrenzsituation finden sich auch in der Forschungsliteratur. Vgl. z. B. Goertz, Stephan, Sport als Zeichen der Zeit - Beobachtungen und Herausforderungen, in: Dietmar Mieth - Norbert Müller - Christoph Hübenthal (Hrsg.), Sport und Christentum. Eine anthropologische, theologi- sche und pastorale Herausforderung, 2008, S. 152-170, hier S. 155, 163. (Künftig zitiert: Goertz, Sport.).

8 Vgl. dazu im Ganzen: Goertz, Sport, 2008, S. 161-163; Prokopf, Andreas, Die Relevanz von kultanalogem rituellem Handeln am Beispiel des Fußballfans, in: Pastoraltheologische Informationen 18 (1998), S. 387- 403, hier S. 387 f., 392-394, 396 f. (Künftig zitiert: Prokopf, Relevanz.)

9 URL: http://schalke-unser.de/ [08.10.14].

10 Vgl., Murken, Sebastian, Art. Fanatismus. In: RGG4, 2005, Bd.3, Spalte 32.

11 Durkheim, Emile, Die elementaren Formen des religiösen Lebens. 2007, S. 76.

12 Klein, Constantin & Schmidt-Lux, Thomas, Ist Fußball Religion? Theoretische Perspektiven und Forschungsbefund. In: E Thaler (Hrsg.), Fußball. Fremdsprachen. Forschung, 2006, S. 24f.

13 Solche Bezeichnungen drücken die Bewunderung der Fans für einen Spieler, nicht aber den Glauben der Fans an einen Spieler als Gott aus. Trotzdem werden Spieler und ihre Leistungen durch die Verwendung solcher Bezeichnungen als übermenschlich dargestellt und damit auch mythologisiert.

14 Prokopf, Relevanz, 1998, S. 396.

15 ebd.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Fußball als ein zeitgenössisches Phänomen von religiöser Erfahrung
Hochschule
Universität Luzern  (Zentrum für Religion - Wirtschaft - Politik)
Veranstaltung
Seminar: Ethnologisches und religionswissenschaftliches Se-minar: Öffentliche Räume – religiöse, politische und wirtschaftliche Aspekte
Note
2,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
26
Katalognummer
V296099
ISBN (eBook)
9783656940579
ISBN (Buch)
9783656940586
Dateigröße
1032 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fußballgott, Phänomenologie, Weltmeisterschaft, Kirche, Religion, Religionsökonomie
Arbeit zitieren
Jaroslav Kostenko (Autor:in), 2014, Fußball als ein zeitgenössisches Phänomen von religiöser Erfahrung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/296099

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