Ziel dieser Arbeit ist es, das Rezipientenbild beider Theorien anhand
ausgewählter Beispiele herauszuarbeiten und produktiv aufeinander zu beziehen.
Das Rezipientenbild wird aber in beiden Theorien vor dem Hintergrund der Frage
diskutiert, welche Rolle die (Massen-)Medien bei gesellschaftlicher Veränderung
bzw. Stagnation spielen. Dieser Hintergrund soll und kann auch hier nicht
ausgeblendet werden. Mit der Frage der Macht der Rezipienten auf der einen Seite
hängt auch die Frage zusammen, welche Macht den Produzenten und welche
Eigengesetzlichkeiten den Medien selbst3 auf der anderen Seite zukommen. Es
geht damit insgesamt auch um die Frage, ob und wenn ja, unter welchen
Bedingungen ein emanzipatorischer Mediengebrauch möglich ist und wie dieses
Potenzial sich unter den gegebenen Bedingungen manifestiert. Welche Rolle
spielen die Medien in unserer Gesellschaft, in unseren Herrschaftsverhältnissen? Ist
ihre Rolle eher positiv oder negativ zu bewerten? Und welche
Handlungsperspektiven erwachsen daraus? Zu diesen Fragen bieten Kritische
Theorie und Cultural Studies unterschiedliche Zugänge und Antworten. Die Kritische Theorie ist in ihrer Einschätzung dabei eher pessimistisch, die Cultural
Studies hingegen eher optimistisch.
Beide Ansätze sollen im Rahmen dieser Arbeit aber auch metatheoretisch
betrachtet werden. Das heißt im Einzelnen, dass sie zunächst in das
Theorienspektrum der Medien-, Publizistik- und Kommunikationswissenschaften
eingeordnet und auf ihre Methodologie hin untersucht werden sollen. Wie kommen
die unterschiedlichen Ansätze zu ihren Ergebnissen? Wie lässt sich klären, welche
Seite ‚Recht’ hat? Hier soll ein Ansatz verfolgt werden, der die Berührungspunkte
beider Theorien hervorhebt und ihre Hypothesen prinzipiell einer empirischen
Prüfung zugänglich macht.
Nach der theoretischen Einordnung des Gegenstandes, will ich das
Rezipientenbild der Kritischen Theorie am Beispiel ihrer wohl berühmtesten
Vertreter Max Horkheimer und Theodor W. Adorno herausarbeiten. Anschließend
will ich mich den Thesen des akademisch bisher nur unzureichend gewürdigten
Günther Anders zuwenden (vgl. Schanze, 2002, 8), der hier eine ähnliche, wenn
nicht sogar radikalere Position vertritt, den Blick aber noch auf andere wichtige
Aspekte der Massenkommunikation lenkt. [...]
3 Wenn ich die Medien hier und im Folgenden als eigenständigen Faktor heraushebe, meine ich damit
immer die Medien im engeren Sinne als technische Übertragungskanäle
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zwei Theorien im Theorienchaos - (Meta-)Theoretische Ordnungsversuche
- Kritische Theorie oder der Rezipient als Heimarbeiter der Kulturindustrie
- Kulturindustrie statt Massenkultur - das Konzept von Horkheimer und Adorno
- Das Rezipientenbild bei Horkheimer und Adorno
- Kritik an der Kulturindustriethese
- Die Welt als Phantom und Matrize - Technikkritik bei Günther Anders
- Fernsehen als Wirklichkeitskonstruktion, die ihren Konstruktionscharakter verschleiert
- Die Konsequenzen
- Das Rezipientenbild bei Anders
- Kritik an Anders
- ,Cultural Studies' oder der Rezipient als Widerständler bei der Bedeutungsproduktion
- John Fiskes Analyse der Populärkultur
- Weder Text noch Publikum
- Besonderheiten Populäre Texte
- Populärkultur und gesellschaftliche Veränderung
- Kritik an den Cultural Studies und an Fiskes Konzept der Populärkultur
- Das Rezipientenbild in der Kritischen Theorie und den Cultural Studies
- Die Rolle des Rezipienten in der Medienlandschaft
- Macht der Rezipienten im Kontext von Medien und gesellschaftlicher Veränderung
- Handlungsperspektiven im Umgang mit Medien
- Kritik an den Theorien und ihren Ansätzen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Rezipientenbild in der Kritischen Theorie und den Cultural Studies anhand ausgewählter Beispiele. Sie zielt darauf ab, die unterschiedlichen Ansätze der beiden Theorien in Bezug auf die Rolle des Rezipienten in der Medienlandschaft herauszuarbeiten und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen zu beleuchten. Ein zentraler Aspekt der Arbeit ist die Frage, wie die beiden Theorien die Macht der Rezipienten im Kontext von Medien und gesellschaftlicher Veränderung bewerten und welche Handlungsperspektiven sich daraus ergeben.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik ein und stellt die zwei Theorien, Kritische Theorie und Cultural Studies, in einem metatheoretischen Kontext vor. Dabei werden die jeweiligen Schwerpunkte der Theorien, ihre methodischen Ansätze und ihre Prämissen beleuchtet.
Kapitel zwei untersucht das Rezipientenbild der Kritischen Theorie anhand der Vertreter Max Horkheimer und Theodor W. Adorno. Die zentrale These des Kapitels ist, dass die Kritische Theorie den Rezipienten als Opfer der Kulturindustrie ansieht, der passiv vorgefertigte Bedeutungen konsumiert. Dieses Kapitel analysiert die Kritik an dieser These.
Kapitel drei widmet sich dem Rezipientenbild der Cultural Studies, dargestellt am Beispiel von John Fiske. Im Gegensatz zur Kritischen Theorie betrachten die Cultural Studies den Rezipienten als aktiven Produzenten von Bedeutungen, der selbstständig mit Medien umgeht und im Widerspruch zu den herrschenden Interessen neue Bedeutungen schaffen kann. Dieses Kapitel analysiert die Kritik an diesem Konzept.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Kernthemen Medienrezeption, Kulturindustrie, Populärkultur, Rezipientenmacht, Medienwirkung, gesellschaftliche Veränderung, Emanzipation und Medienkritik. Sie analysiert die Theorien der Kritischen Theorie und der Cultural Studies, wobei Vertreter wie Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Günther Anders und John Fiske im Vordergrund stehen.
- Quote paper
- Jörn-Jakob Surkemper (Author), 2004, Heimarbeiter der Kulturindustrie oder Widerständler bei der Bedeutungsproduktion? Das Rezipientenbild in der Kritischen Theorie und den Cultural Studies anhand ausgewählter Beispiele, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29609