Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.) Kriegsvorbereitungen und Ausbruch des Krieges
2.) Der Kaiser als Oberster Kriegsherr
3.) Machtverlust zugunsten der Obersten Heeresleitung
4.) Ansehen des Kaisers beim Volk
5.) Von der Kriegsmüdigkeit bis zur Abdankung
6.) Quellenverzeichnis
1.) Kriegsvorbereitungen und Ausbruch des Krieges
Im Jahre 1913 feierte Wilhelm II. das fünfundzwanzigste Jubiläum seiner Krönung zum preußischen König und deutschen Kaiser. Er ließ sich von seinem Volk als Friedenskaiser feiern, denn seit seinem Amtsantritt hatte Deutschland keinen Krieg mehr geführt. Allerdings hielt Wilhelm II. einen Krieg der europäischen Großmächte für unausweichlich und hatte zu dieser Zeit auch schon Kriegspläne geschmiedet. Schon 1912 hatte er mit seinem Generalstab das Jahr 1914 als wahrscheinlichen Kriegsbeginn ins Auge gefasst. John Röhl schreibt dazu: „In dem von ihm am 8. Dezember 1912 einberufenen ‚Kriegsrat‘ plädierten der Kaiser und v. Moltke für ein ‚sofortiges Losschlagen‘ und akzeptierten das von Tirpitz verlangte ‚Hinausschieben des großen Kampfes um 1 ½ Jahre‘ nur ‚ungern‘“.[1]
Als sich die Ereignisse nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand überschlugen, versuchte Wilhelm II. auf diplomatischem Wege, die Krise auf Österreich und Serbien beschränkt zu halten und den Ausbruch eines großen Krieges zu vermeiden. Er versuchte, die russische Mobilmachung zu verhindern, indem er sich telegrafisch an Zar Nikolaus II. wendete.[2] Er erschien sehr deprimiert, als ihm dies nicht gelang.[3]
Dieses zwiespältige Verhalten scheint typisch für Wilhelm II. zu sein: Er war schnell zu begeistern und schnell entmutigt. Bülow, sein Staatssekretär, sagte ihm nach, er wechsle zwei- bis dreimal am Tag seine Meinung, sein Onkel Eduard VII. warf ihm Eitelkeit und Feigheit gegenüber den nationalistischen Militärs vor und vermutete: „Er wird den Krieg entfesseln, nicht aus eigener Initiative, nicht in kriegerischem Elan, sondern- aus Schwäche“, weil er sich dem Druck des Generalstabs unterwerfen würde.[4]
Als eine Kriegserklärung nicht mehr zu vermeiden war, hielt Wilhelm II. eine Rede an das deutsche Volk, welche große Begeisterung auslöste und seine Popularität sehr steigerte, die nach einigen Skandalen nicht besonders groß war. Dazu Wilhelm Schüssler: „Und für kurze Zeit gewann er die so heißbegehrte Volkstümlichkeit zurück“.[5]
Seine Erklärung „Ich kenne keine Parteien mehr [...]“ konnte auch als Versprechen einer stärkeren Demokratisierung verstanden werden, die allerdings, zur Enttäuschung vieler Zeitgenossen, nicht in ausreichendem Maße und erst viel zu spät statt fand. Als Wilhelm II. im Juli 1917 endlich der Forderung der Linken und der Mitte nach einem demokratischen Wahlrecht nachgegeben hatte, führte das zu großen Problemen mit Hindenburg und Ludendorff.[6]
Gegenüber seinen Soldaten erschien der Kaiser siegesgewiss und zuversichtlich. So versprach er seinen Soldaten: „Ihr werdet wieder zu Hause sein, bevor die Blätter von den Bäumen gefallen sind“.[7] Auf seine Umgebung dagegen machte er einen verzagten Eindruck und wirkte depressiv.[8]
2.) Der Kaiser als Oberster Kriegsherr
Der deutsche Kaiser war im Kriegsfall der Oberste Kriegsherr und nach der Reichsverfassung Oberbefehlshaber sämtlicher Bodentruppen.[9] Er war allerdings den militärischen Befehlshabern schon vor dem Krieg in Manövern negativ aufgefallen, so zum Beispiel 1913 beim Kaisermanöver in Schlesien: „Noch immer traf zu, was Waldersee schon vor Jahren bemerkt hatte: Wilhelm II. wolle stets befehlen und wünsche immer zu siegen.“[10]
Kaiser Wilhelm II. war dann auch nach Ausbruch des Krieges den damit verbundenen Aufgaben zunehmend nicht gewachsen. Wichtige Entscheidungen riefen bei ihm Depressionen und Nervenkrisen hervor.[11] Vielleicht wusste der Kaiser das, als er gleich nach Kriegsbeginn die Befehlsvollmacht an den Generalstabschef übergab, der dann Befehle in Wilhelms II. Namen erteilen konnte.[12]
Der Generalstab schirmte ihn schon bald vom eigentlichen Kriegsgeschehen ab, Wilhelm II. beschwerte sich bei Prinz Max von Baden, dass man ihn wenig informiere: „Der Generalstab sagt mir gar nichts und fragt mich auch nichts. Wenn man sich in Deutschland einbildet, dass ich das Heer führe, so irrt man sich sehr.“[13]
Die Stimmung Wilhelms schwankte zwischen Hoffnung und Verzweiflung. War eine Schlacht erfolgreich, wurde er schnell übermütig und ließ sich zu unbedachten Äußerungen hinreißen. „Seine Neigung, zum einen Zeitpunkt eine markige, ja an Brutalität grenzende Sprache zu gebrauchen, um nur wenig später in Pessimismus und Selbstmitleid zu verfallen, irritierte seine engere Umgebung immer wieder.“[14]
Nach der Schlacht bei Tannenberg wütete er verbal in einer Weise, die an die berüchtigte Hunnenrede von 1900 erinnerte, man solle die 90000 russischen Kriegsgefangenen zusammentreiben und verhungern und verdursten lassen.[15] Das hätte man als ernsthafte Aufforderung zu Kriegsverbrechen ansehen müssen, wenn der Kaiser nicht für seine jähzornigen und unklugen Reden bekannt gewesen wäre.
Im Vergleich zu solchen Äußerungen muss aber auch in Betracht gezogen werden, dass Wilhelm die Entscheidung für einen U-Bootkrieg lange nicht nur aus Angst vor einem Kriegseintritt der USA sondern unter anderem auch deshalb herauszögerte, weil er um das Leben von Frauen, Kindern und Zivilisten besorgt war.[16]
[...]
[1] Röhl, John C. G.: Kaiser, Hof und Staat. Wilhelm II. und die deutsche Politik. 2. unveränderte Auflage, München 1988, S. 190.
[2] Vgl. Rall, Hans: Wilhelm. Eine Biographie. Graz Wien Köln 1995, S. 307.
[3] Vgl. Palmer, Alan: Kaiser Wilhelm II. Glanz und Ende der Preußischen Dynastie. München 1982, S. 231.
[4] Schüssler, Wilhelm: Kaiser Wilhelm II. Schicksal und Schuld. Göttingen 1962 (= Persönlichkeit und Geschichte 26/27), S.87.
[5] Schüssler, Wilhelm: Kaiser Wilhelm II. Schicksal und Schuld. Göttingen 1962 (= Persönlichkeit und Geschichte 26/27), S. 103.
[6] Clark, Christopher: Wilhelm II. Die Herrschaft des letzten Kaisers. München 2008, S. 308.
[7] Palmer, Alan: Kaiser Wilhelm II. Glanz und Ende der Preußischen Dynastie. München 1982, S. 231.
[8] Vgl. Ebd.
[9] Vgl. Clark, Christopher: Wilhelm II. Die Herrschaft des letzten Kaisers. München 2008, S. 291.
[10] Herre, Franz: Kaiser Wilhelm II. Monarch zwischen den Zeiten. Köln 1993, S. 287.
[11] Vgl. Mommsen, Wolfgang J.: War der Kaiser an allem Schuld? Wilhelm II. und die preußisch-deutschen Machteliten. 2. Auflage, Dezember 2003, S. 225.
[12] Vgl. Clark, Christopher: Wilhelm II. Die Herrschaft des letzten Kaisers. München 2008, S.291.
[13] Balfour, Michael: Der Kaiser. Wilhelm II. und seine Zeit. Berlin, Erscheinungsjahr ohne Angabe, S. 387.
[14] Mommsen, Wolfgang J.: War der Kaiser an allem Schuld? Wilhelm II. und die preußisch-deutschen Machteliten. 2. Auflage, Dezember 2003, S. 225.
[15] Vgl. Röhl, John C. G.: Kaiser, Hof und Staat. Wilhelm II. und die deutsche Politik. 2. unveränderte Auflage, München 1988, S. 22.
[16] Vgl. Clark, Christopher: Wilhelm II. Die Herrschaft des letzten Kaisers. München 2008, S.302.