Evaluation von Fortbildungsmaßnahmen zur Bewegungsförderung in Tageseinrichtungen für Kinder unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung von Sozialverhalten


Examensarbeit, 2004

83 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Kindergarten
2.1 Der Bildungsauftrag des Kindergartens
2.2 Kindergartenkonzepte
2.2.1 Der „Funktionsorientierte Ansatz“
2.2.2 Der „Disziplinorientierte Ansatz“
2.2.3 Der „Situationsorientierte Ansatz“
2.2.4 Das „Offene Kindergartenkonzept“

3. Die Bedeutung von Bewegung und Spiel auf die kindliche Entwicklung
3.1 Funktion von Bewegung
3.2 Bedeutung des Spiels
3.3 Formen des kindlichen Spiels
3.4 Bedeutung der Spielformen

4. Sozialverhalten
4.1 Gemeinsames Spiel
4.2 Soziale Anforderungen im Spiel

5. Die Fortbildung „Bewegungsförderung im Elementarbereich“
5.1 Das Fortbildungskonzept
5.2 Die Evaluation der Fortbildung
5.3 Die Kindertagesstätte „Krebsweg“
5.3.1 Das Kindertagesstätten-Konzept
5.3.2 Das Kindertagesstätten-Gebäude
5.3.2 Das Kindertagesstätten-Außengelände
5.3.3 Das Kindertagesstätten-Personal
5.3.4 Die von mir begleitete Erzieherin
5.3.5 Inwiefern ist Bewegung in der Kindertagesstätte verankert?
5.4 Die Beobachtungswochen
5.4.1 Beobachtungswoche vor der Fortbildung
5.4.2 Beobachtungswoche nach der Fortbildung
5.4.3 Änderungen nach der Fortbildung

6. Ergebnisse und Auswertung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Spätestens im Alter zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr besuchen Kinder in der Regel einen Kindergarten oder eine andere Kindertagesstätte.

Hier finden die ersten Kontakte zu einer großen Gruppe etwa gleichaltriger Kinder statt. Was ein Kind also im Kindergarten tut, tut es zwangsläufig mit ihnen, zumindest in deren Gesellschaft. Kinder stehen im Kindergarten und anderen Tageseinrichtungen in ständiger Interaktion mit gleichaltrigen Kindern. Im Vordergrund dieser Arbeit steht das Bewegungsverhalten von Kindergartenkindern und das Miteinander während der Bewegung.

Der Kindergarten nimmt einen zeitlich großen Raum im Leben der Kindergartenkinder ein. Sie verbringen dort pro Tag mehrere Stunden. Im Kindergartenalter hat Bewegung bei Kindern einen sehr großen Stellenwert. Sie erkunden über Bewegung nicht nur ihre Umwelt, sie gilt auch als „Medium frühkindlicher Erfahrungsgewinnung, das in hohem Maße zur ganzheitlichen Entwicklungsförderung beitragen kann“ (ZIMMER o. Jahr, S. 14). Sie ist also elementarerer Bestandteil der kindlichen Entwicklung.

Sehr interessant bleibt also die Beobachtung, welchen Stellenwert Bewegung im Miteinander der Kinder besitzt und welchen Einfluss diese auf das Sozialverhalten hat.

Zu diesem Zweck fand eine Evaluation in einem Kindergarten statt, bei der das Bewegungsverhalten von Kindern in einem Kindergarten festgehalten wurde. Im Beobachtungszeitraum von einer Woche wurde das Bewegungsverhalten von Kindern dokumentiert. In dieser Woche stand eine Erzieherin mit ihrem speziellen Bewegungsangebot im Mittelpunkt. Nach dieser Beobachtungswoche besuchte die beobachtete Erzieherin eine mehrwöchige Fortbildungsmaßnahme an der Sporthochschule Köln. Diese Zusatzausbildung „Bewegungsförderung im Elementarbereich“ hat das Ziel, „das Prinzip „Bewegung“ zum festen Bestandteil der pädagogische Arbeit insgesamt zu machen“ (Sporthochschule Köln, Materialienordner zur Fortbildung). Die Zusatzausbildung umfasst Unterrichtsteile, in denen theoretische und auch praktische Grundlagen zur Bewegungsförderung vermittelt werden. Nach Abschluss dieser Fortbildung werden die Kinder des Kindergartens eine weitere Woche beobachtet, um zu sehen, in wiefern sich das Bewegungsverhalten dieser unter den neuen Umständen verändert. Im Rahmen dieser Examensarbeit soll hier besonderer Wert auf die Veränderung im Sozialverhalten der Kinder gelegt werden.

Dabei soll der Erfolg der oben erwähnten Fortbildung auf das Bewegungsverhalten der Kinder bewertet werden.

2. Der Kindergarten

Die Fortbildung hat das Ziel der Bewegungsförderung im Elementarbereich. Erzieherinnen von Kindergärten sollen befähigt werden, vielfältige Bewegungsaktivitäten im Kindergarten anbieten zu können und das Prinzip „Bewegung“ soll Gegenstand der pädagogische Arbeit allgemein werden. Aus diesem Grund werden hier die Grundlagen gesetzlicher und pädagogischer Art kurz vorgestellt.

2.1 Der Bildungsauftrag des Kindergartens

Im Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK 1993) ist festgelegt, dass der Kindergarten nicht nur eine Betreuungsaufgabe hat, also als Aufbewahrungsstätte für Kinder dient. Vielmehr besitzt er als sozialpädagogische Einrichtung auch einen eigenständigen Erziehungs- und Bildungsauftrag im Elementarbereich des Bildungssystems. Die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und die Beratung und Information der Erziehungsberechtigten sind von wesentlicher Bedeutung. Der Kindergarten ergänzt und unterstützt dadurch die Erziehung des Kindes in der Familie. (§1, Abs. 1)

Absatz 2 besagt, dass dieser Erziehungs- und Bildungsauftrag des Kindergartens in ständigem Austausch mit der Familie und anderen Erziehungsberechtigten durchgeführt werden soll. Dabei muss der Kindergarten die Lebenssituation jeden Kindes berücksichtigen, ihm zu größtmöglicher Selbstständigkeit und Eigenaktivität verhelfen, seine Lernfreude anregen und verstärken.

Der Kindergarten soll es dem Kind ermöglichen, seine emotionalen Kräfte aufzubauen und die schöpferischen Kräfte unter Berücksichtigung der individuellen Neigungen und Begabungen zu entwickeln. Die körperliche Entwicklung des Kindes soll gefördert werden und es soll ihm Grundwissen über den Körper vermittelt werden. Insbesondere ist es Aufgabe des Kindergartens, die Entfaltung der geistigen Fähigkeiten und der Interessen zu unterstützen. Dem Kind sind dabei durch ein breites Angebot von Erfahrungsmöglichkeiten elementare Kenntnisse von der Umwelt zu vermitteln.

In Absatz 3 ist verankert, dass der Kindergarten die Aufgabe hat, das Kind unterschiedliche soziale Verhaltensweisen, Situationen und Probleme bewusst erleben zu lassen und jedem Kind die Möglichkeit zu geben, seine eigene soziale Rolle innerhalb der Gruppe zu erfahren. Dabei soll ein partnerschaftliches, gewaltfreies und gleichberechtigtes Miteinander, insbesondere auch der Geschlechter untereinander, erlernt werden. Die Integration behinderter Kinder soll speziell gefördert werden. Behinderte und nichtbehinderte Kinder sollen positive Wirkungsmöglichkeiten und Aufgaben innerhalb des Zusammenlebens erkennen und altersgemäße demokratische Verhaltensweisen einüben können.

2.2 Kindergartenkonzepte

Im Rahmen dieser Arbeit soll auf Bewegung in Kindertagesstätten eingegangen werden. Um den Stellenwert von Bewegung „bewerten“ zu können, muss das pädagogische Gesamtkonzept der Tageseinrichtung beachtet werden. Hier finden sich verschiedene pädagogische Ansätze, die ich im Folgenden kurz darstellen möchte.

2.2.1 Der „Funktionsorientierte Ansatz“

Zum einen gibt es den sogenannten „Funktionsorientierten Ansatz“. Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch bestimmte Fähigkeiten, oder „Funktionen“ besitzt. Hierzu gehören z.B. die Wahrnehmung, die Motorik, die Sprache und die Intelligenz. Diese „Funktionen“ werden durch Lernspiele, Sprachtrainingsprogramme, Konzentrationsspiele, etc. gefördert. Sport und Bewegung stehen nicht im Vordergrund des Konzeptes. Feinmotorische Fertigkeiten werden aber als Voraussetzung für die Vermittlung von Lesen, Schreiben und Rechnen angesehen.

2.2.2 Der „Disziplinorientierte Ansatz“

Ein anderer pädagogischer Ansatz ist der „Disziplinorientierte Ansatz“. Bei Einrichtungen, die nach diesem Ansatz ausgerichtet sind, stehen eher fachdidaktische Aspekte im Vordergrund. Ausgangspunkt sind die traditionellen Schulfächer, die ihren Niederschlag in Fachdisziplinen finden. Belser (BELSER 1972, S.97) nennt folgende Lern- und Aktivitätsfelder: Natur und Technik, Mathematisches Denken, Ästhetische Erziehung, Musik, Bewegungsspiel und Sport. Der Lernbereich Sport findet Berücksichtigung über die motorischen Lernziele, wie z.B. „Geschicklichkeit“ oder „Wassergewandtheit“.

Die beiden oben genannten pädagogischen Ansätze haben den Nachteil, dass sie den Kindern einzelne Fähigkeiten oder Fächerdisziplinen vermitteln. Die Kinder erlangen hierdurch jedoch keine Handlungsfähigkeit für das richtige Leben. Die oben genannten Fähigkeiten und Funktionen werden isoliert behandelt und nicht in einem sozialen Kontext.

2.2.3 Der „Situationsorientierte Ansatz“

Das in den oben aufgezählten Ansätzen fehlende Ziel, den Kindern Handlungsfähigkeit für das weitere Leben zu vermitteln, ist dafür Hauptkennzeichen des „Situationsorientierten Ansatzes“. Kinder sollen hier die Fähigkeit erlangen, „in Situationen ihres gegenwärtigen und zukünftigen Lebens zunehmend selbstbestimmt und selbsttätig zu handeln“ (KRENZ 1991, S. 122). Dabei soll diese Handlungsfähigkeit nicht über Lernprogramme erreicht werden, sondern durch Erlebnisse und Verhalten der Kinder. Der Kindergarten ist nicht ein Ort, an dem Kinder Wissen aufnehmen, also lernen, sondern ein Ort, an dem kognitive Grundlagen zum späteren Lernen erweitert werden. Ziel ist es, den Kindern durch das Erwecken von Spaß am Lernen das schulische Arbeiten zu erleichtern. Erreicht wird diese Vorsatz, indem die Erzieherinnen Situationen aus dem Kindergartenalltag aufgreift und zum Gegenstand ihrer Angebote macht. Das können z.B. Erlebnisse der Kinder sein, über die sie im Kindergarten erzählen. Diese soll die Erzieherin aufgreifen und in ihre Arbeit einfließen lassen.

Es kann bei Situationen, die die Erzieherin aufgreift, zwischen zwei Kategorien unterschieden werden. Zum einen die Inhalte „subjektiven Interesses“ (ZIMMER o.J., 29), bei denen die Kinder von sich aus ein Problem oder einen Wunsch äußern. Zum anderen existieren Inhalte, bei denen die Erzieherinnen erkennt, dass eine für ein einzelnes Kind oder die ganze Gruppe bedeutsame Situation vorliegt, die dann in einer gemeinsamen Betätigung aufgenommen wird (ebd. 29). Ein Beispiel wäre ein allmorgendlicher Bewegungsdrang oder das Bedürfnis von Kindern, nach einem Wochenende von den letzten Tagen zu erzählen.

Auch wenn sich das Angebot der Kindertagesstätte stark an den Bedürfnissen der Kinder orientiert, heißt dies nicht, dass geplante Bewegungsangebote keine Anwendung mehr finden und der Tagesablauf dem Zufall überlassen wird. Vielmehr muss die Tagesgestaltung flexibel erfolgen, d.h. dass Vorhaben spontan nach den Bedürfnissen der Kinder umgestaltet werden, damit diese den Vorstellungen der Kinder entsprechen. Trotzdem kann es regelmäßige Tagesabläufe geben, die aber situationsbezogen begründet werden können. Ein Beispiel wäre die Bewegungsstunde jeden morgen, da die Erzieherinnen beobachtet haben, dass Kinder um diese Uhrzeit sehr unruhig sind und einen Drang nach Bewegung haben. Der situationsbezogene Ansatz erfordert von den Erzieherinnen folglich eine „genaue Beobachtung der Gruppe, die Reflexion der alltäglichen Vorgänge, Kenntnis der individueller Probleme der Kinder“ (ZIMMER o.J., 30).

2.2.4 Das „Offene Kindergartenkonzept“

Das neueste Produkt der pädagogischen Konzepte ist die „Offene Kindergartenarbeit“. Der „offene“ Kindergarten stellt ein „Lebens- und Erfahrungsraum für Kinder“ (ZIMMER 1993, 143) dar, in dem sie „weitgehend selbstbestimmt lernen und handeln können, in dem gruppenübergreifend gearbeitet wird und in dem bedürfnisorientiertes Freispiel und vorbereitete Angebote sich abwechseln“ (ebd., 143). Im Gegensatz zu den oben genannten traditionellen Kindergartenkonzepten gibt es beim „Offenen Konzept“ keine feste Gruppeneinteilung. Anstelle der Gruppenräume mit unterschiedlichen Funktionsecken existieren in diesem Konzept Funktionsräume, z.B. ein Bewegungsraum, ein Ruheraum oder ein Werkraum. Diese Einteilung hat den Vorteil, dass sich Kinder nicht gegenseitig von ihren Vorhaben ablenken oder stören können. In der Regel wechseln sich Freispielphasen und von den Erzieherinnen unterbreitete Angebote ab.

Die Kindertagesstätte Krebsweg orientiert sich an den Prinzipien situationsbezogenen Handelns (AWO-Konzeption, siehe Anhang), weist aber Kennzeichen des „offenen Kindergartens“ auf, da es keine festgelegten Gruppenräume gibt und die Kinder selbstbestimmt handeln. „Nur durch einen für die Kinder „offenen“ Tagesablauf ist es den Kindern möglich, im selbstgewählten, freien Spiel eigene Wünsche, Ideen, Vorstellungen und Bedürfnisse umzusetzen und so Lernfreude und Lernbereitschaft zu entwickeln“ (AWO-Konzeption, siehe Anhang).

3. Die Bedeutung von Bewegung und Spiel auf die kindliche Entwicklung

3.1 Funktion von Bewegung

Bewegung ist für den Menschen eine nicht angeborene Sache. Im Gegensatz zu Tieren, die meist kurz nach der Geburt eine gewisse Unabhängigkeit erfahren, da sie schon wenige Stunden nach der Geburt stehen und laufen können, muss der Mensch diese Entwicklung über einen relativ langen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg machen. Diese Komplexität und Langwierigkeit der motorischen Entwicklung erklärt auch die Notwendigkeit einer Bewegungserziehung.

Laut Kretschmer (KRETSCHMER 1981, 24ff) wird Bewegung innerhalb der kindlichen Entwicklung in mehreren Bereichen wirksam. Sie übernimmt verschiedene Funktionen:

- Explorative Funktion
- Produktive Funktion
- Kommunikative Funktion
- Komparative Funktion
- Expressive / Impressive Funktion
- Adaptive Funktion

Explorative Funktion: Durch Bewegung und die dadurch erreichte Mobilität erlangt das Kind Unabhängigkeit. Es kann seine Umgebung erforschen und begreifen. Diese Exploration bedeutet nicht nur eine gewisse Ortsungebundenheit für das Kind, sondern ermöglicht auch das „Begreifen“ und „Erfassen“ seiner Umwelt. Hierdurch lernt das Kind über seine Bewegungen und Wahrnehmung (DORDEL 2003, 241). Solche Erfahrungen sind vor allem physikalischer Art: Über ihre Grundtätigkeiten, wie Laufen, Springen, Werfen, Balancieren, Schaukeln, Schwingen, Rutschen, Drehen, Rollen, etc. erfahren die Kinder Begriffe, wie Schwung, Reibung, Fliehkraft, Gleichgewicht, Raum und Zeit usw. (KRETSCHMER 1981, 23).

Produktive Funktion: Die produktive Funktion geht über die reine explorative Funktion hinaus. Im Mittelpunkt steht nicht mehr der handelnde Umgang mit etwas, sondern der kreative. Über Bewegung wird die Umwelt nicht nur erfahren, sondern umgestaltet. Zugleich kann das Kind erkennen, dass es durch körperliche Tätigkeit etwas Sichtbares schaffen kann. Die Freude über das selbsterschaffene Produkt ist Ausdruck der Selbstverwirklichung.

Kommunikative Funktion: Bei Kleinkindern stellt Bewegung die erste Möglichkeit der Kommunikation dar. Wohlbefinden sowie Missstimmung werden der Außenwelt durch Körperbewegung, Gestik und Mimik mitgeteilt. Selbst nach dem Erwerb der Sprache tritt die Bewegung in den Hintergrund, verschwindet aber in diesem Kontext nicht ganz (DORDEL 2003, 240). Vielmehr ist sie selbst bei Erwachsenen durch Gestik und Mimik immer noch vorhanden.

Komparative Funktion: In der Entwicklung des Kindes nimmt die Gestaltung und Auseinandersetzung mit der Umwelt über Bewegung einen wichtigen Platz ein. Kinder erfahren z.B. durch Bauen mit Bauklötzen, welches entweder in Gelingen oder Misslingen endet, das Leistungsprinzip kennen. Die Auseinandersetzung mit Dingen und Personen fördert ein vergleichendes Verhalten, durch das die eigene Leistungsfähigkeit bestimmt wird (KRETSCHMER 1981, 24).

Expressive / Impressive Funktion: Bewegung ermöglicht eine Reihe von psychische Zuständen. Solche Zustände wie Neugier und Spannung, Anstrengung und Erregung, Freude und Spaß können sowohl durch Bewegung erfahren werden, als auch durch Bewegung ausgedrückt (ebd., 25). Kinder als Menschen mit einem besonderen Drang nach Bewegung lassen ihr inneres Gefühlsleben vielfach ihr äußeres Erscheinungsbild beeinflussen: Freude und Sorglosigkeit zeigt sich durch eine gesteigerte Aktivität, während Trauer oder Angst einen bewegungshemmenden Einfluss auf Kinder haben. (DORDEL 2003, 241).

Adaptive Funktion: Durch Bewegung werden jedoch nicht nur innere Veränderungen wie oben beschrieben, sondern auch äußerliche. Durch Bewegung und die damit verbundene Anstrengung erfolgt eine Anpassung des Körpers an die motorischen Reize. Diese physiologische Anpassung erfolgt in Form von z.B. Muskelaufbau, Veränderung der Körperkonstitution etc. (ebd., 25). So erhält die leistungsfähige Muskulatur der Kinder die benötigten Wachstumsreize über die Beanspruchung und Belastung durch Bewegung. Der passive Bewegungsapparat (Knochen, Bänder und Sehnen) erhält durch die Belastung über Bewegung eine größere Festigkeit und Stabilität.

Zudem gibt es ein weiteres tragendes Argument für Bewegung im Kindesalter: Der mit fortschreitendem Alter gemachte Gewinn an Bewegungssicherheit vermittelt dem Kind Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein. Durch die Erfahrung, dass es selber etwas leisten kann, erhält das Kleinkind eine erste Anerkennung und baut zunehmend ein positives Selbstkonzept auf (DORDEL 2003, 240). Dabei beschränkt sich diese positive Wirkung nicht nur auf das betroffene Kind selber, sondern auch auf andere. Motorisches Können, Kraft und Geschicklichkeit verleihen einem Kind im Vorschulalter, stärker noch im Schulalter, oft soziales Ansehen. Dies wiederum stärkt das Selbstbewusstsein, „unterstützt die Entwicklung emotionaler Stabilität und trägt zur Entwicklung des positiven Selbstbildes bei“ (DORDEL 2003, S. 241).

Dabei bietet das Spiel dem Kind einen Raum, in dem es sich ganzheitlich entwickeln kann. Das heißt, dass das Spiel die verschiedensten Fähigkeiten eines Menschen fördert: Neben dem motorischen und sensomotorischen Bereich sind dies auch Sprache, der kognitive und emotionale Bereich und das Sozialverhalten, auf das im Rahmen dieser Arbeit besonderer Wert gelegt wird.

Im ersten Lebensjahr, in dem das körperliche Wachstum rapide erfolgt, ist auch der Bewegungsdrang des Kindes sehr groß. Das Kind erforscht hier die Grundformen der motorischen Fähigkeiten: Greifen, Krabbeln und Laufen. Die größten Fortschritte werden also im motorischen und sensomotorischen Bereich gemacht, wenn das Kind erste Bewegungserfahrungen mit dem eigenen Körper erfährt und auch Eigenschaften mit Gegenständen beim Begreifen gewinnt.

In der darauf folgenden Entwicklungsphase des Kleinkindes (im Alter vom 2.-3. Lebensjahr) werden weitere motorische Grundtätigkeiten, wie Laufen, Springen, Hüpfen, Werfen und Fangens, gelernt. Das Kind erfährt hierdurch eine Unabhängigkeit von räumlichen Gegebenheiten. In dieser Phase wird besonders der emotionale Bereich gefördert, da hier ein positives Selbstbild aufgebaut wird, wenn das Kind erfährt, was es alles leisten kann.

In der nächsten Entwicklungsphase (4.-6. Lebensjahr) sind die motorischen Grundlagen weitestgehend ausgeprägt. So kann das Kind nun seine Bewegungshandlungen auf Sportspiele und Sportarten ausweiten, was auch häufig im Rahmen von Vereinssport erfolgt. Hauptsächlich wird hier in dieser Entwicklungsphase der soziale Bereich gefördert, da Bewegungen in festen Strukturen, also mit Regeln, ausgeführt werden. Werden Sportspiele wie etwa Fußball mit anderen Kindern gespielt, ist es notwendig, Regeln, zu erfinden, abzusprechen und diese auch einzuhalten. Ein wichtiges Werkzeug ist hier die Sprache als Kommunikationsmittel.

Ein Bereich, der in ausnahmslos allen Entwicklungsstufen vertreten ist, ist der Kognitive Bereich. Schon im Kleinkindalter machen die Kinder über Bewegung zahlreiche Erfahrungen über Eigenschaften von Gegenständen und Lagebeziehungen zwischen Körpern. In späteren Entwicklungsphasen entwickeln sie ein räumliches Vorstellungsvermögen, das durch die Bewegung in Räumen erst erlangt wird.

Die folgende Abbildung stellt die Zusammenhänge und Wechselwirkungen dar, die Bewegung und Spiel für die Bereiche der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung bewirken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(EHRLICH / HEIMANN 1982, 14)

Man erkennt, dass Bewegung die ganzheitliche Entwicklung von Kindern fördert.

Dabei entsteht Bewegung bei Kindern nie ohne einen Sinnzusammenhang. In der Bewegungszeit erfolgt das Laufen nicht in dem Sinne, dass der Weg das Ziel ist, wie bei manchen Joggern. Es kann vielmehr beobachtet werden, dass sie sich spielend in irgendeinem Zusammenhang bewegen. Kindliche Bewegungen sind immer eingebettet in einen Spielgedanken.

Aus diesem Grund muss bei einer Beobachtung zur Bedeutung der Bewegung für die kindliche Entwicklung auch immer das kindliche Spiel berücksichtigt werden.

3.2 Bedeutung des Spiels

Nach Größing (GRÖßING 1993, 12) ist das Spiel „ein unverzichtbares Element der menschlichen Bewegungskultur“. Es übernimmt Aufgaben der Lebensbewältigung zu einem Zeitpunkt, da andere Möglichkeiten wie etwa verbale Kommunikation noch nicht zur Verfügung stehen. Das Spiel stellt für Kinder die wichtigste Tätigkeit dar, mit der sie die Welt begreifen, Beziehungen zu anderen aufbauen und sich selber kennen lernen.

Den gleichen Ansatz verfolgt L. Schenk-Danzinger in Anlehnung an die Theorie Jean Piagets. Sie geht davon aus, dass die kindliche Entwicklung durch das Spielen, das im kindlichen Alter in hohem Umfang vorhanden ist, mit beeinflusst wird. Dabei versucht sie zu klären, inwieweit es einen Zusammenhang zwischen den Verhaltensmodellen, die die Umwelt anbietet, und bestimmten Spielformen gibt. Eine weitere Fragestellung ist, ob verschiedene Formen des Spiels Lernprozesse im kognitiven, motorischen, sozialen und emotionalen Bereich fördern können.

Als Grundlage dient J. Piagets „Theorie von der geistigen Entwicklung des Kindes“. Das Spiel hat hier einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung des Kindes. Die geistige Entwicklung vollzieht sich in einem ständigen Wechsel von „Assimilation“ und „Akkommodation“.

Unter „Assimilation“ wird die Tendenz des Kindes verstanden, Gegebenheiten der Umwelt an die „bestehende innere Organisation“ (SCHENK-DANZINGER 1983, 369) anzupassen. Dieser Prozess ist dabei eine subjektive Interpretation der Umwelt im Sinne der bisher erreichten Entwicklungsstufe des Kindes.

Unter „Akkommodation“ versteht man die Anpassung des Kindes an die vorherrschende Umwelt und das Lernen an ihr. Erkennbar wird dies an Verhaltensänderungen, die das Kind vollzieht.

Die verschiedenen Formen des kindlichen Spiels weisen je nach Spieltyp entweder Merkmale der „Assimilation“ oder der „Akkommodation“ auf.

Ein allgemein anerkanntes Merkmal des Spiels ist seine Zweckfreiheit (GRÖßING 1993, 54; KRETSCHMER 1981, 28; POPITZ 1994, 10), die es von den Verhaltensweisen unterscheidet, die allgemein als Arbeit gekennzeichnet sind. Diese Zweckfreiheit ist aber nur eine scheinbare. Jede Form des kindlichen Spiels verfolgt einen Zweck: das Lernen. Im Unterschied zum schulischen Lernen (und zum Lernen anhand spezieller Lernspiele) ist das freie Spiel ein unbewusster Lernprozess. Den ersten Kontakt zu einer „Lerninstanz“ macht das Kind mit Eintritt in den Kindergarten. Dieser bedeutet für die Kinder einen Meilenstein im Verlauf ihrer Entwicklung. Er bedeutet mehr Unabhängigkeit von den Eltern, neue Bekanntschaften mit fremden Erwachsenen, eine neue unbekannte Umgebung und eine Vielzahl von neuen Kindern werden kennen gelernt. Die grundlegend andere Konstellation im Kindergarten mit viel mehr anderen Menschen in einem Raum zu leben, stellt das Kind vor eine neue Situation: „Kontaktaufnahme, Rücksichtnahme, Kooperation, aber auch Leistungsvergleich, und Wettbewerb, Aushandeln und Einhalten von Regeln, Austragen von Konflikten, Organisieren von gemeinsamen Aktivitäten sind wichtige Verhaltensweisen“ (DORDEL 2003, 241) , die ein Kind im Kindergarten „erlernen“ muss. Besonders geeignet hierzu sind Bewegungsspiele.

Um diese Lernprozesse über Spiele aber näher in die Entwicklung des Kindes einordnen zu können, müssen die verschiedenen Spielformen berücksichtigt werden.

3.3 Formen des kindlichen Spiels

Das Kind durchläuft in seiner Entwicklung verschieden Phasen. Diese sind auch bei den gespielten Spielen ersichtlich. L. Schenk-Danzinger kategorisiert dabei die Spieltypen vom Kleinkindalter und dem Schulalter in 6 grobe Kategorien. Die Altersangaben sind hierbei jedoch nur als eine grobe Einteilung zu verstehen.

I) Die Spiele des Kleinkindalters:

1. Funktions- und Explorationsspiele 0-2 Jahre

Als Funktionsspiele werden alle Spiele des Kindes bezeichnet, die es aus der Freude an der Bewegung selber und an den zufällig ausgelösten Ergebnissen spielt. Dabei unterscheidet man zwischen zwei Typen von Funktionsspiel:

a) Das materialunspezifische Funktionsspiel:

Schon im ersten Lebensjahr werden ungesteuerte und ruckhafte Zappelbewegungen des Kindes abgelöst durch kontrolliertere Bewegungen. Diese beschränken sich vorerst auf Hände und Finger, weiten sich aber immer weiter auf weitere Körperteile aus. So kann man etwa beobachten, dass Kleinkinder im vierten Monat ihre Finger mit den Augen verfolgen. Etwas später wenn das Kind greifen kann, kann man beobachten, das es auch seine Umwelt anfängt zu begreifen und aktiv zu entdecken. Es werden Gegenstände, egal welcher Art, vom Kind aufgehoben, geschüttelt, an den Mund geführt, betastet und fallen gelassen. Das Kind spielt mit Gegenständen oder Körperteilen, indem es sie betastet und schmeckt. In diesem Alter dient das Spiel primär der Assimilation: Die Tätigkeit des Kindes wird nicht auf den Gegenstand abgestimmt, sondern vielmehr wird der Gegenstand den inneren Bedürfnissen unterworfen (Assimilation). Bei den materialunspezifischen Funktionsspielen steht nicht der Gegenstand im Mittelpunkt des Spiels, sondern die Bewegung selber. Das Kind nutzt die Gegenstände vielmehr als Trainingsgerät für die Feinmototrik, nicht um mit diesem Gegenstand an sich zu spielen.

Dennoch werden erste sensomotorische Erfahrungen bezüglich Form, Farbe, Gewicht, Klang und Oberfläche von Gegenständen gesammelt. Eigenschaften wie kalt, warm, hart, weich, hölzern oder aus Plastik, laut, leise werden vom Kind im ersten Lebensjahr in „Spielen“ wie Rasseln-lassen oder Fallen-lassen, erforscht.

Zu Beginn des zweiten Lebensjahres ergeben sich die ersten Versuche von Bewegung mit Gegenständen, wobei diese erstmals zweckdienlich eingesetzt werden. Das Kind versucht in diesem Alter, beim Gehen etwas zu tragen, schieben oder ziehen, steigt Treppen und stößt einen Ball mit dem Fuß. Dabei erfolgen diese Bewegungen in zahllosen Wiederholungen hintereinander, die der Perfektionierung der Bewegungsabläufe dient.

Die Bedeutung des materialunspezifischen Funktionsspiels für die Entwicklung des Kindes ist zusammengefasst:

- Vertrautwerden mit dem eigenen Körper
- Ausformung der zur Reifung gelangenden Bewegungen
- Erste sensomotorische Erfahrungen mit Materialqualitäten

(SCHENK-DANZINGER 1983, 376)

[...]

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Evaluation von Fortbildungsmaßnahmen zur Bewegungsförderung in Tageseinrichtungen für Kinder unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung von Sozialverhalten
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Sport und ihre Didaktik)
Veranstaltung
Examensarbeit Lehramt f. Primarstufe NRW (Sport)
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
83
Katalognummer
V29676
ISBN (eBook)
9783638311328
ISBN (Buch)
9783640687916
Dateigröße
1052 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Evaluation, Fortbildungsmaßnahmen, Bewegungsförderung, Tageseinrichtungen, Kinder, Berücksichtigung, Entwicklung, Sozialverhalten, Examensarbeit, Lehramt, Primarstufe
Arbeit zitieren
Marco Niehaus (Autor:in), 2004, Evaluation von Fortbildungsmaßnahmen zur Bewegungsförderung in Tageseinrichtungen für Kinder unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung von Sozialverhalten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29676

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