Analyse der Kurzerzählung “Casa tomada“ von Julio Cortázar


Essay, 2011

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe

Inhalt

1. Einleitung

2. Inhaltsangabe “Casa tomada“

3. Die Figuren
3.1. Irene
3.2. Der Erzähler
3.3. La Casa
3.4. Die Geräusche

4. Argentinien zwischen 1943 und 1955 - Die Zeit des Peronismus

5. Biographie Julio Cortázar

6. Phantastik und Wirklichkeit

7. Phantastik und Wirklichkeit in “Casa tomada“

8. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Analyse der Kurzgeschichte “Casa tomada“ von Julio Cortázar. Die Analyse beschränkt sich auf die beiden Hauptfiguren Irene und den Erzähler, das Erzählverhalten und die Geräusche im Haus, die Biographie Cortázars sowie die geschichtlichen Hintergründe zur damaligen Zeit in Argentinien. Fragt man nach der Intention, die Julio Cortázar mit dieser Kurzgeschichte wohl verfolgt, so bleiben viele Interpretationsansätze offen. Es stellen sich die Fragen, warum nicht hinter die Tür gucken, um zu erfahren, woher die Geräusche stammen, wovor Irene und vor allem ihr Bruder Angst haben und warum sie am Ende das Haus verlassen, obwohl ihnen niemand gesagt hat, dass sie gehen sollen. Der Leser erfährt unmittelbar im ersten Satz der Erzählung, dass Irene und ihr Bruder ihre Kindheit mit ihren Eltern und Großeltern in diesem Haus verbracht haben. Man kann vermuten, dass die Geräusche etwas mit dem Tod der Eltern und Großeltern zu tun haben. Es ist möglich, dass die Beiden von einem Spuk dieser ausgehen, weil sie dort ebenfalls gewohnt haben und schon verstorben sind.

2. Inhaltsangabe “Casa tomada“

Die Kurzgeschichte “Casa tomada“ von Julio Cortázar aus dem Jahr 1944 spielt in Buenos Aires und handelt von einem Haus, welches zwei Geschwister bewohnen. Das Haus ist für den Protagonisten und seine Schwester von großer Bedeutung, da sie schon ihre Kindheit dort verbracht haben und es Erinnerungen an ihre Eltern und Großeltern bewahrt. Das Haus besteht aus zwei Teilen. Eine schwere Eichentür trennt die im vorderen Teil des Hauses befindlichen Wohnräume vom hinteren Teil. Der Protagonist vernimmt Geräusche im hinteren Teil des Hauses und sieht darin eine Gefahr. Er erklärt seiner Schwester, dass der hintere Teil des Hauses besetzt ist. Die Beiden können den Teil ab diesem Zeitpunkt nicht mehr betreten. Zum Ende der Geschichte wird auch der vordere Teil des Hauses besetzt, sodass die Geschwister auf die Straße verdrängt werden. Dem Leser bleibt jedoch unklar, durch was diese Geräusche erzeugt werden und warum die Protagonisten diese so fürchten.

3. Die Figuren

3.1. Irene

Irene ist eine der beiden Hauptfiguren der Kurzgeschichte. Sie ist die Schwester des Erzählers, dem sie sehr wichtig zu sein scheint “Pero es de la casa que me interesa hablar, de la casa y de Irene, porque yo no tengo importancia.“ (Cortázar, 1944, 101). Er bezieht sie unmittelbar zu Anfang der Kurzgeschichte mit in die Erzählung ein “Nos gustaba la casa[…]“ (Cortázar, 1944, 100). Nachdem der Erzähler zunächst von den Eltern und Großeltern erzählt, wird Irene in Z. 6 zum ersten Mal beim Namen genannt. An dieser Stelle wird klar, dass Irene die Schwester des Erzählers ist. Auch Irene ist daran beteiligt, am Morgen um sieben Uhr aufzustehen, um das Haus sauber zu machen. Ab 11 Uhr putze sie sogar alleine weiter “[…]y a ese de las once yo le dejaba a Irene ultimas habitaciones por repasar y me iba a la cocinca.”(Cortázar, 1944, 100). Den Rest des Tages verbringt sie mit Stricken auf dem Sofa ihres Schlafzimmers, denn sie war eine Frau “nacida para no molestar a nadie“ (Cortázar, 1944, 101). Irene wird also als fleißige, zurückhaltende, friedliche Frau dargestellt. Warum Irene so viel strickt weiß der Erzähler jedoch selber nicht “No sé por que tejía tanto,[…]“ (Cortázar, 1944, 101). Seiner Meinung nach stricken Frauen nur als Vorwand, um nichts anderes tun zu müssen. Bei ihr sei es jedoch anders, da sie nur nötige Sachen strickt, wie z.B. Stricksachen für den Winter “[…], yo creo que las mujeres tejen cuando han encontrado en esa labor el gran pretexto para no hacer nada. Irene no era así, tejía cosas siempre necesarias, […]“ (Cortázar, 1944, 101). Dass der Erzähler samstags in die Innenstadt geht, um Irene Wolle zu kaufen und Irene seinem Geschmack vertraut, zeigt dass Irene ein gutes Verhältnis zu ihrem Bruder hat “Los sábados iba yo al centro a comprarle lana; Irene tenía fe en mi gusto, […]“ (Cortázar, 1944, 101). Diese Annahme lässt sich damit untermauern, dass der Erzähler betont, vom Haus und von Irene sprechen zu wollen, da er keine Wichtigkeit habe “Pero es de la casa que me interesa hablar, de la casa y de Irene, porque yo no tengo importancia“ (Cortázar, 1944, 101). Merkwürdig ist, dass der Erzähler auf der einen Seite sagt, dass Irene nur die nötigsten Dinge für den Winter strickt, auf der anderen Seite sagt er jedoch, dass er nicht den Mut habe, Irene zu fragen, was sie mit den ganzen gestrickten Sachen vorhabe “[…]; no tuve valor de preguntarle a Irene que pensaba hacer con ellas“ (Cortázar, 1944, 101). Hier scheint es doch so zu sein, als stricke Irene unnötige Sachen. Mit diesen Geld zu verdienen hält der Erzähler nicht für nötig, da sie monatlich das Geld vom Land bekommen “No necesitábamos ganarnos la vida, todos los meses llegaba la plata de los campos y el dinero aumentaba“ (Cortázar, 1944, 101). Der Erzähler ist so angetan von Irenes “destreza maravillosa“, dass er ihr Stunden beim Stricken zusieht “[…], mostraba una destreza maravillosa y a mí se me iban las horas viendole las manos como erizos plateados, agujas yendo y viniendo y una o dos canastillas en el suelo donde se agitaban constantemente los ovillos“ (Cortázar, 1944, 102). Außerdem vergleicht er ihre Hände mit versilberten Igeln und sagt, es sei schön ihr beim Stricken zu zugucken. “Era hermoso“ (Cortázar, 1944, 102). All diese Dinge sind Indizien dafür, dass das Verhältnis zwischen Irene und ihrem Bruder harmonisch ist. Ihre Beziehung wird außerdem als “simple y silencioso matrimonio de hermanos“ beschrieben (Cortázar, 1944, 100). Sie hatten sogar vor sich zu verloben. Ob es sich bei den beiden um ein Inzest Paar handelt, kann man jedoch nicht sagen. Als der Erzähler ihr das erste Mal von den Geräuschen erzählt, sind ihre Augen zwar ernst und müde, in ihrer Reaktion zeigt sie sich allerdings erschrocken “Dejó caer el tejido y me miró con sus graves ojos cansados“ (Cortázar, 1944,103). Sie fragt zunächst nach, ob ihr Bruder sich sicher ist, Geräusche gehört zu haben und lässt daraufhin ihr Strickzeug fallen. Es scheint als wolle sie nicht weiter über dieses Thema sprechen, da das Gespräch mit “Entonces tendremos que vivir en este lado“ (Cortázar, 1944, 103) abgeschlossen wird. Die Geräusche scheinen sie jedoch zu beschäftigen, da sie eine Weile braucht, um ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Auch ist sie sehr traurig über die zurückgelassenen “carpetas“, “un par de pantuflas“ und dachte häufig an “una botella de Hesperidina“ (Cortázar, 1944, 103).

Eine Weile später scheint sie sich jedoch mit der Situation zufrieden gegeben zu haben: “Irene estaba contenta porque le quedaba más tiempo para tejer“ (Cortázar, 1944, 104). Trotzdem scheint sie etwas noch nicht verarbeitet zu haben. Sie redet so laut im Schlaf, dass ihr Bruder sofort wach wird “Cuando Irene soñaba en alta voz yo me desvelaba enseguida“ (Cortázar, 1944, 104). Des Weiteren könne sie wie ihr Bruder häufig nicht schlafen. Irene scheint aufmerksam aber auch ängstlich gegenüber den Geräuschen im Haus zu sein. Eines Nachts, als ihr Bruder aufsteht, um sich ein Glas Wasser zu holen, fällt ihr sofort auf, wie ihr Bruder stehen bleibt “A Irene le llamó la atención mi brusca manera de detenerme,[…]“ (Cortázar, 1944, 105). Besorgt um diesen und wohl auch das Haus geht Irene sofort an die Seite ihres Bruders, um zu hören, wo die Geräusche herkommen “[…], y vino a mi lado sin decir palabra“ (Cortázar, 1944, 104). Gemeinsam rannte sie zur Windfangtür und das Strickzeug hing Irene von den Händen herunter. Als sie sieht, dass die Fäden bis zur Windfangtür hängen und “los ovillos habían quedado del otro lado“ (Cortázar, 1944, 105) ließ sie es fallen. Das zeigt nochmals deutlich ihre Ängste und ihr Misstrauen gegenüber den Geräuschen. Nachdem der Bruder ihr mitteilt, nichts aus dem Haus mitgenommen zu haben, fängt Irene an zu weinen. Sowohl das Haus als auch die Gegenstände im Haus scheinen ihr folglich sehr wichtig zu sein. Zusammenfassend stellt sich hierbei die Frage, warum sie abgesehen vom Putzen und Kochen den ganzen Tag strickt. Im Allgemeinen erfährt man sehr wenig über die Person Irene. Sie scheint zwar ängstlich gegenüber den Geräuschen, jedoch ist sie nie diejenige die diese vernimmt. Die Beziehung zu ihrem Bruder ist gut, jedoch scheinen nicht viele Gespräche zwischen ihnen statt zu finden.

3.2. Der Erzähler

Der Erzähler der Kurzgeschichte “Casa tomada“ nimmt die Rolle des autodiegetischen, Ich- Erzählers ein. Hierbei handelt sich um den Bruder von Irene. Der Erzähler trägt weder einen Namen, noch erfährt der Leser dessen Alter. Man kann vermuten, dass es sich bei dem Erzähler um Julio Cortázar selbst handelt, jedoch wird darauf im Laufe der Analyse genauer eingegangen. Obwohl er versucht, nicht viel von sich zu reden. “Pero es de la casa que me interesa hablar, de la casa y de Irene, porque yo no tengo importancia.” (Cortázar, 1944, 101), stellt sich im Laufe der Geschichte raus, dass er derjenige ist, der die Handlung weiter vorantreibt. So ist er zum Beispiel derjenige, der beide Male die Geräusche vernimmt und Irene auf diese hinweist “Fui por el pasillo hasta enfrentar la entornada puerta de roble, y daba la vuelta al codo que llevaba a la cocina cuando escuché algo en el comedor o la biblioteca“ (Cortázar, 1944, 101). Auch er ist es, der daraufhin versucht, beide in Sicherheit zu bringen und die Tür abschließt. Da die Geräusche nicht genauer beschrieben werden, beispielsweise um was genau für Geräusche es sich handelt, wie laut diese sind, wie lange diese andauern und der Erzähler zuerst die Geräusche wahrnimmt, stellt sich bereits die Frage, ob dieser sich die Geräusche bloß einbildet. Auch von ihm geht es aus, das Haus zu verlassen, nachdem die Geräusche so weit vordringen, dass es keinen Ort mehr im Haus gibt, an dem sie vor den Geräuschen sicher sind. An zwei Stellen der Geschichte finden wir die direkte Rede, die beide Male durch die Wahrnehmung der Geräusche ausgelöst wird. Die Dialoge zwischen dem Geschwisterpaar sind jedoch nur von kurzer Dauer. Der Erzähler bezieht an einigen Stellen seine eigene Meinung mit ein. Besonders in Bezug zu Irene stellt er häufig seine Meinung dar. Beispielsweise wird das Stricken seiner Meinung nach für Frauen nur als Vorwand genommen, um nichts anderes tun zu müssen. Bei Irene sei dies jedoch nicht der Fall. Das Einzige, was der Erzähler über sich erzählt ist, dass er die Einkäufe an Samstagen dazu nutze, nach französischer Literatur zu schauen “Yo aprovecha esas salidas para dar una vuelta por las librerías y preguntar vanamente si había novedades en literatura francesa“ (Cortázar, 1944, 100). Bezieht man diese Aussage auf das Leben Cortázars, so ergibt sich eine Parallele. Als 14- jähriger eignete er sich das vergessene Französisch innerhalb weniger Monate durch französische Literatur wieder an(Walter, 1991, 62).Bereits hier kann man vermuten, dass es sich bei dem Erzähler um Cortázar handeln könnte. Weitere Gedanken äußert er gegenüber dem Haus. Dieses bewahre Erinnerung seiner Kindheit. Daran liegt es auch offensichtlich, dass er sich so detailliert an die Aufteilung des Hauses erinnern kann “[…]guardaba los recuerdos[…]. Cómo no acordarme de la distribución de la casa . El comedor, […]“ (Cortázar, 1944, 103) Seine guten Erinnerungen an die Aufteilung des Hauses erweckt den Eindruck als sei ihm dieses sehr wichtig. Darum stellt sich die Frage, warum er nichts gegen die Geräusche unternimmt hat und sich am Ende sogar von diesen vertreiben lässt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Analyse der Kurzerzählung “Casa tomada“ von Julio Cortázar
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Philologie)
Veranstaltung
Cuentos latínoamericanos del siglo XX
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
17
Katalognummer
V298308
ISBN (eBook)
9783656946595
ISBN (Buch)
9783656946601
Dateigröße
463 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
analyse, kurzerzählung, casa, julio, cortázar
Arbeit zitieren
Erika Wießner (Autor:in), 2011, Analyse der Kurzerzählung “Casa tomada“ von Julio Cortázar, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298308

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