Auf der Suche nach dem homo oeconomicus - am Beispiel des Großkaufmann Jaques Coeur


Term Paper, 2003

21 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

2. Coeur als homo oeconomicus – Versuch einer Ortung

3. Die Macht der Umstände - Herkunft

4. Coeur im Weltsystem
4.1. Coeur, der Finanzmagnat – der Bewegende – oder der bewegt?
4.2. Coeur, die “Universalspinne” im Netz
4.3. “Der Klavierspieler des Tauschandels”
4.4. Der Elektriker des kapitalistischen Schaltkreises

5. Der Kaufmann als Individualist, Voraufklärer und das erste Individuum der Moderne?

6. Gesichtsloser Kapitalist – die Abwesenheit der Mentalität

7. ZUSAMMENFASSUNG

LITERATURVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Jacques Coeur (1395- 1456) der französische Großhandelskaufmann und Magnat des Mittelalters gibt uns eine semantische und eine semiotische Aufgabe, die wir untersuchen wollen: wofür steht Coeur persönlich und stellvertretend und welche Nachricht von der Ära des Frühkapitalismus, des Spätmittelalters, des Humanismus und der Renaissance sendet er uns?

Wir wollen hier die Grundfrage klären inwieweit Coeur diese neue Ära mitgestaltet und wenn ja wie stark. Dabei soll der ökonomische Aspekt eine entscheidende Rolle spielen in dem Sinn, ob Coeur vielleicht noch vielmehr als die neue Rolle des Großbürgerlichen ausfüllte, und ob er unweigerlich und vielleicht unwissend vielmehr “Gepäck” der Moderne trug und doch nur das Notwendige tat.

Wir wollen keine kalendarische Lebensgeschichte Coeurs mit einem akribischen Sinn fürs Gründliche schreiben. Wir wollen auch nicht alle individualgeschichtlichen Schauplätze absolvieren. Die Schwerpunkte sollen in der wirtschaftlichen, ethischen und einer soziologischen Perspektive liegen.

Mollat kommt in seiner ausführlichen Coeur-Biografie zu einer nüchternden Analyse: Coeur habe nichts Neues getan, sondern nur im größeren Maßstab. Es gilt hier zu untersuchen, ob wir das nur streichen oder unterschreiben können. (Bautier 1986: 17/18)

Damit ist die Frage verbunden: wie modern war der Mensch Jacques? Heers stellte trocken fest: “Homme moderne? Certaiment pas.” Diese Hausarbeit will sich auch mit dieser These auseinandersetzen. Genauer heißt die Frage: wie modern war aus dem Berry (Kapitel 5). (Heers 1997: 225-228)

2. Merchant Banker und homo oeconomicus – Versuch einer Ortung

Wie wir später an verschiedenen Beipielen noch sehen stellt Jacques Coeur M. North den Typus des Merchant Banker dar. Dieser Akteur betritt zum ersten Mal die Bühne in Verbindung mit den toskanischen Handelsgesellschaften im 13. Jahrhundert. Am Anfang des 15. Jahrhundert steigt Coeur zum wichtigster Vertreter dieser neuen Art im Spätmittelalter Frankreichs auf. Er verbindet (Fern-)Handel mit Bankgeschäften wie seine italienischen Vorbilder und Zeitgenossen. (North 1995: 240-241)

Sein Handelsnetz hatte mittelmeerweite Dimensionen. Der Unterschied liegt in der Staatsnähe Coeurs. Denn wesentliche Grundlage seiner Bankgeschäfte ist die Argenterie, die “Königskasse” Karl VII in seiner Heimatstadt und Exil-Hauptstadt des Königreiches Bourges. (Mollat 1991: 27-28; Heers 1997: 46-62) Mit dieser Symbiose konnte Coeur von einer Quelle zehren, die bzw. die Medici aus ihrer Clan- beziehungsweise dynastischen Struktur und ihrer persönlichen gleichzeitigen direkten regionalen Herrschaft speisten.

War Jacques Coeur ein rational und ökonomischer handelnder Mensch? Schon befinden wir uns in einer mentalitätsgeschichtlichen Diskussion. Repräsentierte Coeur den homo oeconomicus schlechthin? Jemanden der mit minimalen Einsatz seinen maximalen Nutzen schlägt? Er konnte es nur anteilig sein, handelt es sich doch um einen soziologischen Idealtypus, der gut in Grafiken und in Kreideschrift auf Tafeln paßt, aber nicht in die Realität. Was hilft dieser Blickwechsel? Wir können so gewissermaßen einen Kern in der Geschichte dieses Individuums ausschälen. (Reinhold 1997: 266)

Und sicherlich: das Talent, das der Sohn eines Pelzhändlers und einer Fleischerhauer-Witwe bei der Vermehrung seines Vermögens in beweglichen und unbeweglichen Gütern zeigte, zielte stets auf Wachstum. (Mollat 1991: 290)

Um seinen Einsatz zu bewerten müssen wir den Blick einer komplexe Geschichte dieses Individuums öffen: wir werden es in den nächsten Kapiteln tun und im Kapitel 4 eine allgemeine Anwort versuchen.

3. Die Macht der Umstände - Herkunft

Wir kommen unter speziellen Gesichtspunkt auf den Ursprung des Lebenswegs zurück: auf die Herkunft. Welche Mitgabe hat Coeur durch die Umstände Elternhaus, Freunde und Bekannte erhalten? Führte er das Klein-Handelsbürgertum seiner Eltern nur zu seiner Inthronierung als Großbürgerlicher? Von klein zu groß, ein kohärent und linearer Weg? Oder gibt es einen “Ausschlag” auf der mittelalterlichen Richterskala?

Schauen wir in den Stammbaum der Coeurs: Der Vater ist Pelzhändler, ein Vertreter des kleinen Bürgertums. Seine Mutter ist die Witwe eines Fleischhauers, sein Schwiegervater Münzmeister. (Mollat 1991: 290; Bautier 1986: 17, 18; Heers 1997: 22ff) Allesamt also Vertreter des kleinen Handelsbürgertums. Der Typus des Krämers, der in lokal und regional überschaubaren Räumen wirtschaftet, ist das was Coeur kennt. Wird er also ein Handelskaufmann “nur” in größerer Dimension?

Mitnichten - denn keine andere Figur als der Händler birgt in so starken Maße den “kapitalistischen Faktor”. Die ehemaligen Vertreter des dritten Standes Bauern und Handwerker verharren noch weitere Jahrhunderte im Zaumzeug von Zünften und kleinen Märkten. Coeurs Sprung vom Krämer-Milieu zur Nummer zwei Frankreichs an der Seite Karl VII in kürzester Zeit ist eine Zäsur.

Ist seine soziale Mobilität ein besonderer Vorbote, ein Anklingen an die künftige Mobilität des Kapitalismus, einer ihrer Urvorläufer? Und wenn es ein Sprung ist, worin besteht er? Versuchen wir einen Umweg ist der Weg zur “Quelle” des Fernhandels automatisch in den Genen der Coeurs verankert? Nein, Bruder und Sohn “klettern” über die Kirche. Nicolas wird Bischof von Lucon, Jean Erzbischof von Bourges – eine große Ehre für Jacques Coeur. Er hat den Pelz- und Münzhandel aus nächster Nähe kennengelernt. Der Mann aus der mittelfranzösischen Provinz erkennt auf seinen Reisen die neuen Dimensionen eines Mittelmeermarktes. Und das ist seine individuelle Leistung, das ist seine Besonderheit. Coeur überspringt sogleich die staatliche Ebene, handelt mit Tuchen, Pelzen, Salz, führt v.a. Geldtranfers durch und findet sich alsgleich in einer weltwirtschaftlichen Mittelmeer[1] wieder. Er ist zum Staatsminister und kapitalistischer Alleinvertreter im Mittelmeerhandel geworden. Sein Netzwerk setzt sich fest. Wie werde ich genau im Kapitel 4 vorstellen. (Mollat 1991: 290/Bautier 1986: 17, 18)

Konnte der ereichste Bürger Frankfreichs nur aus eigenen Kräften so “springen”? Hunt geht von der These aus, dass v.a. die Luxusgier der (adligen) Eliten Kaufleuten wie Coeur überhaupt erst Sprungfähigkeit verliehen haben. Als argentier hatte er für Rüstungen, Juwelen und feine Stoffe zu sorgen. Wenn wir die Argenterie als notwendige Zwischenstation zum Karriere-Gipfel Coeurs sehen und dafür spricht der Höhepunkt seiner Handelsmacht 1447-1450 in der Funktion des argentiers, dann hätte es ohne Eliten keinen Sprung und keine Argenterie (siehe Kapitel 4.1.) in diesem Ausmaß gegeben. (Hunt 1999: 246-249/ Bautier 1986: 17-18) Auch ohne “Umkippen” des Mittelmeerhandels vom Orient zugunsten des Okzident kein Phänomen Coeur. Die Verbesserungen beim Webstuhl beispielsweise brachten dem Westen einen Technikvorsprung. (Mollat 1999:17-23/ Hunt 1999: 246-249) Herkunft mal Fähigkeit mal Fremdimpuls und glückliche Umstände schafften so das Phänomen des Aufstieg Coeurs.

[...]


[1] Zur Konzeption dieses Modells kommen wir im Kapitel 4.

Excerpt out of 21 pages

Details

Title
Auf der Suche nach dem homo oeconomicus - am Beispiel des Großkaufmann Jaques Coeur
College
University of Leipzig
Grade
2,0
Author
Year
2003
Pages
21
Catalog Number
V29831
ISBN (eBook)
9783638312530
ISBN (Book)
9783638748520
File size
1193 KB
Language
German
Keywords
Suche, Beispiel, Großkaufmann, Jaques, Coeur, homo oeconomicus, Früh-Kapitalismus
Quote paper
Marcus Fiebig (Author), 2003, Auf der Suche nach dem homo oeconomicus - am Beispiel des Großkaufmann Jaques Coeur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29831

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