Das Gräberfeld von Virunum. Aussagen zur sozialen Struktur der Stadtbevölkerung


Hausarbeit, 2015

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2. Forschungsstand

3. Allgemeiner Überblick zum Gräberfeld von Virunum

4. Der Aufbau der Grabbezirke

5. Befunde der einzelnen Abschnitte
5.1 Die Gräber am decumanus.
5.2 Die Gräber an der via Claudia – nördlicher Abschnitt
5.3 Die Gräber an der via Claudia – mittlerer Abschnitt
5.4 Die Gräber an der via Claudia – südlicher Abschnitt

6. Aussagen zur sozialen Struktur der Stadtbevölkerung von Virunum

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsteil

1. Einleitung

In der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie sind Gräberfelder seit dem Beginn ihrer Erforschung die wichtigste Quelle, um die Sozialstruktur alter Kulturen zu entschlüsseln. In der Provinzialrömischen Archäologie ist es anders, denn diese Wissenschaft hat Zugriff auf eine Unmenge an literarischen Quellen, aus denen sich die Zusammensetzung der (provinzial)römischen Gesellschaft scheinbar erschöpfend rekonstruieren lässt. Und dennoch bestehen Zweifel. Erstens wurde die römische Literatur fast ausschließlich von Angehörigen der römischen Oberschicht verfasst, und diese einseitige Schichtzugehörigkeit versperrt natürlich einen objektiven Blick auf die soziale Wirklichkeit. Zweitens ist es bedeutend schwieriger, aus den literarischen Quellen, die hauptsächlich das Kernland des Reiches im Blick haben, auf die Gesellschaftsstruktur in den abgelegeneren Provinzen des Reiches zu schließen, deren einheimische Bevölkerung auf ganz anderen Wurzeln aufbaute als die eigentlichen Römer. Um einen möglichst umfassenden Blick auf die Gesellschaft des Imperium Romanum zu erlangen, ist es deshalb nötig, über die römische Literatur hinaus andere Quellen in die Betrachtung mit einzuschießen – und dazu gehören auch archäologisch erschlossene Gräberfelder.

In dieser Arbeit soll unter Heranziehung verschiedener Quellengruppen das Gräberfeld der norischen Hauptstadt Virunum vorgestellt werden. Zunächst soll ein Überblick darüber gegeben werden, welche Forschungen zu diesem Gräberfeld bereits durchgeführt worden sind (Kap. 2). Nach einer allgemeinen Einführung zur Struktur des Gräberfeldes (Kap. 3) sowie einer Betrachtung des vorherrschenden Grabtyps, nämlich der Grabbezirke (Kap. 4), werden im Hauptteil wesentliche archäologische Befunde aus dem Gräberfeld vorgestellt (Kap. 5), welches zu diesem Zweck zur besseren Übersichtlichkeit in vier Teile aufgeteilt wird. Zuletzt soll, dem Diktum dieser Einleitung entsprechend, gefragt werden, welche Aussagen zur sozialen Struktur der Stadtbevölkerung von Virunum sich aus dem Gräberfeld ableiten lassen (Kap. 6).

2. Forschungsstand

Zur Rekonstruktion des Aufbaus des Virunenser Gräberfeldes kann man nach dem heutigen Forschungsstand auf drei spezifische Quellengruppen zurückgreifen.

Die wichtigste Quelle zum Gräberfeld von Virunum sind die Luftbildaufnahmen, die 1978 vom ganzen Virunenser Stadtgebiet angefertigt wurden und 1989 von O. Harl in seiner Habilitationsschrift bearbeitet wurden[1].

Neben dieser Quellengruppe sind zahlreiche reliefverzierte Grabstelen und Grabbaufragmente bekannt, die vermutlich aus dem Gräberfeld von Virunum stammen. Der ursprüngliche Fundzusammenhang dieser Stücke ist fast nie bekannt, da sie entweder in neuzeitliche Gebäude in der Umgebung des antiken Virunums, oft in Kirchen, eingebaut sind, oder in Einzelfunden ohne überlieferte Fundumstände geborgen wurden. Die zu Virunum und der umgebenden Region gehörenden Steindenkmäler wurden von G. Piccottini in fünf CSIR-Bänden gesammelt und bearbeitet[2].

Eine dritte Quellengruppe sind die modernen publizierten Grabungsbefunde bzw. Einzelfunde aus dem Gebiet des Gräberfelds von Virunum. Neben den publizierten Einzelfunden fanden bisher nur wenige Grabungen statt, und viele von ihnen sind unzureichend dokumentiert.

In der folgenden Darstellung wird sich hauptsächlich auf die von Harl bearbeiteten Luftbildaufnahmen gestützt. Ergänzend dazu werden einzelne Grabungsbefunde und Einzelfunde herangezogen. Dabei soll keine Vollständigkeit angestrebt werden[3]. Die von Piccottini bearbeiteten Steindenkmäler werden nicht speziell behandelt, da sie sich wegen ihres fehlenden Fundzusammenhangs nicht für Fragen zur Struktur des Gräberfeldes eignen.

3. Allgemeiner Überblick zum Gräberfeld von Virunum

Virunum war die Hauptstadt der römischen Provinz Noricum. Die Stadt baute nicht auf einer Siedlung der ansässigen Kelten auf, sondern war eine römische Neugründung[4], welche unter Kaiser Claudius (41 – 54 n. Chr.) das munizipiale Stadtrecht erhält[5]. Im 5. Jh. wurde Virunum aufgrund der Bedrohung durch die Barbaren aufgegeben[6]. Die Blütezeit der Stadt lag in der 1. Hälfte des 3. Jhs[7]. Heute ist an der Position des antiken Virunums das Zollfeld, Gemeinde Maria Saal in Österreich lokalisiert.

Wie in römischen und provinzialrömischen Städten üblich, befanden sich die Gräber der Stadt an den Ausfallstraßen. Das Besondere an Virunum ist, dass sich hier zwei Gräberstraßen feststellen lassen (Abb. 1). Zum einen verläuft die Hauptstraße, der decumanus (Abb. 1,1), über das Stadtgebiet hinaus nach Norden, und an diesem nördlichen Ausläufer des decumanus liegen auf beiden Seiten Gräber. Andererseits verläuft westlich von Virunum die Fernstraße via Claudia (Abb. 1,2), und auch an dieser liegen auf beiden Seiten Gräber. Die Gesamtlänge der Gräberreihen wird auf ingesamt 4720 m geschätzt[8].

Hinsichtlich der Grabtypen ist das Gräberfeld äußerst homogen. Fast alle Gräber lassen sich dem Typus des Grabbezirks zuordnen. Daneben finden sich hier einige turmartige Grabbauten, die aber nur 2 % des Gräberbestandes ausmachen[9]. Als dritte Kategorie gibt es in Virunum ein singuläres Tumulusgrab.

4. Der Aufbau der Grabbezirke

Der vorherrschende Grabtyp von Virunum, der Grabbezirk, lässt sich an einigen Stellen sehr gut in den Luftbildaufnahmen erkennen. Unter einem Grabbezirk[10] versteht man eine rechteckige, teilweise quadratische Ummauerung, in der eine oder mehrere Grabmonumente stehen, die meist näher zur Straßenseite hin lokalisiert sind. Es gibt Rekonstruktionen solcher Grabbezirke z.B. aus den Gräberfeldern von Aquileia (Abb. 2) und Komini (Abb. 3), wobei natürlich zweifelhaft ist, ob diejenigen in Virunum ähnlich aussahen. Ein Grabbezirk bot Platz für zahlreiche Bestattungen, es handelte sich also nicht um Grabstätten für nur eine Person, sondern um Familiengrabstätten. Hier ließ sich der Grabeigentümer zusammen mit seinen Angehörigen, möglicherweise über mehrere Generationen, und zusätzlich mit dem gesamten niederen Hausstand bestatten.

Die Maße dieser Grabbezirke lassen sich anhand der Luftbildaufnahmen abschätzen. Die Grabbezirke östlich des decumanus sind in etwa, soweit es sich erkennen lässt, 12 m breit und 8 m tief[11]. Westlich des decumanus kann man ihre Abmessungen besser erkennen: Hier haben die Ummauerungen eine Breite zwischen 14 und 21 m und eine Tiefe von 16 m[12]. Im mittleren Abschnitt der via Claudia belegt ein Grabungsbefund Maße von 11,5 – 13 m für die Ummauerungen[13]. Zusätzlich lassen sich die Maße der Grabbezirke im südlichen Teil der via Claudia in den Luftbildaufnahmen erkennen. Hier haben sie eine Breite zwischen 4 und 8 m und eine Tiefe zwischen 7 und 10 m[14]. Man kann also festhalten, dass alle Gräber in einem bestimmten Abschnitt in etwa gleich groß zu sein scheinen. Wenn man aber die Gräber in verschiedenen Abschnitten miteinander vergleicht, kann man doch recht bemerkenswerte Größenunterschiede feststellen.

Das Problem bei den Luftbildaufnahmen ist natürlich, dass man nur die Strukturen im Boden einigermaßen erkennen kann, vom Aufgehenden jedoch keinen Eindruck erhält: So kann man etwa über die Höhe der Ummauerungen nichts aussagen. Ebenso erkennt man zwar die Fundamente der Grabmonumente, doch über das tatsächliche Aussehen der Grabmonumente lassen sich keine Aussagen treffen. Anhand von Analogien und einigen Grabungsbefunden kann man jedoch vermuten, dass es sich bei den Grabbauten des Virunenser Gräberfeldes zumindest teilweise um Grabbauten des Aediculatyps gehandelt hat[15]. Diese Monumente sind quaderförmig und bestehen aus einem Sockel und einem Obergeschoss, wobei das Obergeschoss die Form eines Tempels bzw. Hauses hat[16]. Verschiedene Rekonstruktionszeichnungen aus unterschiedlichen römischen Nekropolen können das Prinzip dieser Grabbauten verdeutlichen (Abb. 4, 5, 6).

5. Befunde der einzelnen Abschnitte

5.1 Die Gräber am decumanus

Die Gräber am decumanus[17] lassen sich, im Gegensatz zu denen an der via Claudia, besonders gut in den Luftbildaufnahmen erkennen (Abb. 7,1). Die Gräberreihe östlich des decumanus beginnt schon vor der Kreuzung mit der via Claudia, und zieht sich bis zu dem Gebäude in Feld 4. Die Gräberreihe westlich des decumanus beginnt im Norden südlich des in der Karte eingezeichneten Weges, der Lindwurmgrube, und zieht sich etwa 100 m weiter als die östliche Gräberreihe, um an der Mauer des Temenos in Feld 8a zu enden.

Auf der östlichen Seite des decumanus ist es aufgrund der schlechteren Qualität der Luftbildaufnahmen schwieriger, Aussagen über die einzelnen Grabbezirke zu treffen. Erschwerend kommt hinzu, dass in Feld 2 und 3 die Spuren von Vorgängerbauten zu erkennen sind, welche von den Gräbern überlagert wurden. In wenigen Fällen kann man die Maße der Grabbezirke, die oben bereits genannt wurden, abschätzen. Auf der westlichen Seite des decumanus ist die Qualität der Aufnahmen wesentlich besser. Die Reihe an Grabbezirken erscheint hier beeindruckend einheitlich und geschlossen. Die Fundamente der Grabbauten sind, wie sich gut erkennen lässt, unterschiedlich groß: Im südlichen Bereich scheinen sie größer zu sein, im nördlichen jedoch tendenziell kleiner. Die Größe der Grabbauten verhält sich aber nicht direkt proportional zur Entfernung vom Stadtgebiet, so erreicht etwa das nördlichste eindeutig erkennbare Grabmonument in der Gräberreihe durchaus beachtliche Ausmaße.

Ein besonderer Gräbertypus findet sich auf der östlichen Seite des decumanus in Feld 3[18]. Dort sind mehrere, meist quadratische Fundamente zu erkennen, die aber nicht durch Umfassungsmauern voneinander abgetrennt zu sein scheinen. Zudem liegen sie äußerst nah beieinander. Diese Eigenschaften heben sie eindeutig von den Fundamenten in den Grabbezirken ab. Harl interpretiert diese Befunde als nicht ummauerte turmartige Grabbauten.

[...]


[1] Harl 1998.

[2] CSIR Österreich II/1 – II/5

[3] Eine vollständige Liste aller bis 1989 publizierten Grabungsbefunde und Einzelfunde aus dem Gräberfeld von Virunum findet sich bei Harl 1989, 563ff.

[4] Harl 1989, 580ff.

[5] Fuchs 1997, 12f.

[6] Fuchs 1997, 16.

[7] Piccottini u.a. 2002, 105.

[8] Harl 1989, 567.

[9] Harl 1989, 575.

[10] Harl 1989, 568ff.

[11] Harl 1989, 561.

[12] Harl 1989, 562.

[13] Jantsch 1932, 24.

[14] Harl 1989, 560.

[15] Harl 1989, 569, 572.

[16] Kremer 2001, 24.

[17] Harl 1989, 561f.

[18] Harl 1989, 572ff.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das Gräberfeld von Virunum. Aussagen zur sozialen Struktur der Stadtbevölkerung
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
22
Katalognummer
V298361
ISBN (eBook)
9783656948070
ISBN (Buch)
9783656948087
Dateigröße
1568 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gräberfeld, Virunum, Noricum
Arbeit zitieren
Dennis Hogger (Autor:in), 2015, Das Gräberfeld von Virunum. Aussagen zur sozialen Struktur der Stadtbevölkerung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298361

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