20. März 1995, Paris. Lars von Trier lässt vom Rednerpult rote Flugblätter in die Menge der europäischen Filmschaffenden segeln. Gerade wird der hundertste Geburtstag des Films gefeiert, als vier dänische Regisseure mit ihrem Manifest Dogma 95 gegen die künstliche, unrealistische Art der Filmemacherei rebellieren. Sie legen ein zehn Regeln umfassendes Gelübde vor und behaupten, dank dieser Regeln bessere Filme machen zu können.
Von der Filmbranche - von Filmkritikern, anderen Regisseuren - wird das Dogma 95-Manifest sehr unterschiedlich aufgenommen. Die einen verachten das Manifest als arrogantes Luftschloss und naive Spinnerei, während andere es als Befreiung von den alten Regeln und als Innovation der Filmemacherei feiern.
Seit der Verkündung des Manifestes sind zehn Jahre vergangen, in denen rege darüber debattiert wurde, ob die Dogma 95-Ästhetik nun gut oder schlecht sei und ob und inwiefern Dogma 95 zu einer „Weiterentwicklung des filmischen Erzählens“ beigetragen habe. Anstatt Dogma 95 unter dem „Künstler-Genie-Begriff“ zu betrachten, soll der Versuch von Dogma 95 - die Dogma 95-Ästhetik als die bessere Filmästhetik zu verkaufen - als ein „Ringen um Macht“ innerhalb der Filmbranche verstanden werden.
Für diese Untersuchung sollen die Regeln der Kunst (1999) von Pierre Bourdieu als Theorie verwendet werden, die einen Erfolg oder Misserfolg von Kunstwerken durch Kämpfe erklären, die unter Künstlern ausgetragen werden. Eine neue Ästhetik etablieren zu wollen, ist der Machtkampf zwischen verschiedenen Akteuren, die alle um die künstlerische Legitimation kämpfen. In diesem Kampf geht es um Vorherrschaft über die Vorgabe der Ästhetik sowie um Macht über ökonomisches Kapital. Das Ziel der Künstler ist es, eine Position einzunehmen, von der aus dies möglich wird.
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- EINLEITUNG
- 1. AVANTGARDE: EINE BEGRIFFSDEFINITION
- 1.1 Pierre Bourdieu: Wiederkehrender Kampf innerhalb des Feldes
- 1.2 Peter Bürger et al.: Unwiederholbarer Bruch mit der Institution Kunst
- 2. ENTSTEHUNG VON DOGMA 95
- 2.1 Die Dogma 95-Brüder
- 2.2 Künstlerisches Konzept
- 2.2.1 Proklamation: Hundert Jahre Kino
- 2.2.2 Manifest
- 2.3 Kampfansage der Avantgarde
- 2.3.1 Historie des Manifestes
- 2.3.2 Strategie der avantgardistischen Positionierung
- 3. DOGMA 95: DIE UMSETZUNG EINER IDEE
- 3.1 Zwischen Proklamation und Cannes: 1995 bis 1998
- 3.2. Finanzierung der Dogma 95-Filme
- 3.2.1 Produktionsfirmen Zentropa & Nimbus
- 3.2.2 Institutionelle und staatliche Fördergelder
- 3.3 Dogma 95-Filme #1 bis #4
- 3.4 Handkamera- & Videoästhetik: alte Technik, neue Bedeutung
- 4. ETABLIERUNG DES DOGMA 95-KONZEPTES
- 4.1 Filmpreise
- 4.1.1 Europa
- 4.1.2 Amerika
- 4.2 Die Dogma 95-Regisseure: jetzt „weise Männer“?
- 4.2.1 Dogma 95-Filme # 5 und # 6
- 4.2.2 Dogma 95-Zertifikat
- 4.2.3 Dogma 95-Sekretariat
- 4.2.4 Einlösung des Dogma 95-Versprechens?
- 4.2.5 Dänische Dogma 95-Filme der zweiten Generation
- 4.3 Schließung des Dogma 95-Sekretariats
- 4.1 Filmpreise
- 5. FAZIT UND AUSBLICK
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Die vorliegende Arbeit analysiert die Entstehung und Entwicklung der Dogma 95-Bewegung unter feldanalytischen Gesichtspunkten. Ihr Ziel ist es, das Verhalten und den Verlauf von Dogma 95 innerhalb des filmischen Feldes zu verstehen. Die Arbeit untersucht, wie die Dogma 95-Regisseure durch ihre kämpferische Distinktion von der etablierten Form der Filmproduktion ihre Position innerhalb der Branche verbessern wollten. Dabei werden die Strategien und Argumente der Dogma 95-Regisseure zur Durchsetzung ihrer neuen Ästhetik beleuchtet.
- Die Definition des Begriffs Avantgarde und die Analyse der unterschiedlichen Ansätze von Pierre Bourdieu und Peter Bürger
- Die Entstehung und das künstlerische Konzept von Dogma 95 sowie die strategische Positionierung der Bewegung im filmischen Feld
- Die Umsetzung des Dogma 95-Konzeptes, insbesondere die Finanzierung der Filme und die Entstehung der ersten Dogma 95-Filme
- Die Etablierung und Institutionalisierung von Dogma 95, inklusive der Analyse von Filmpreisen und der Ausweitung des Konzepts auf andere Regisseure
- Die Rolle von Macht und Kapital im Kontext von Dogma 95 und die Bedeutung des Kampfes um künstlerische Legitimation innerhalb der Filmbranche
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
Die Einleitung führt in die Dogma 95-Bewegung ein und stellt die zentrale Frage nach der Rolle von Macht und Kapital im Kontext der filmischen Avantgarde. Sie präsentiert die Arbeit als eine Feldanalyse, die das Verhalten der Dogma 95-Regisseure und deren Kampf um die Durchsetzung ihrer neuen Ästhetik beleuchtet.
Kapitel 1 definiert den Begriff Avantgarde und setzt die Ansätze von Pierre Bourdieu und Peter Bürger in Beziehung. Es zeigt die unterschiedliche Argumentation beider Theorien im Hinblick auf den Streit um die richtige Ästhetik.
Kapitel 2 beschreibt die Entstehung von Dogma 95, das künstlerische Konzept der Bewegung und die strategische Positionierung im filmischen Feld. Es analysiert die Verkündung des Manifestes, die zehn Regeln und die kämpferische Distinktion von Dogma 95 gegenüber der etablierten Filmproduktion.
Kapitel 3 untersucht die Umsetzung des Dogma 95-Konzeptes. Es betrachtet die Finanzierung der Filme, die Entstehung der ersten Dogma 95-Filme und die Rolle der Handkamera- & Videoästhetik.
Kapitel 4 analysiert die Etablierung von Dogma 95 im filmischen Feld. Es untersucht die Vergabe von Filmpreisen, die Institutionalisierung des Konzepts und die Ausweitung der Dogma 95-Ästhetik auf andere Regisseure.
Schlüsselwörter (Keywords)
Dogma 95, Avantgarde, Filmästhetik, Feldanalyse, Pierre Bourdieu, Peter Bürger, Macht, Kapital, künstlerische Legitimation, Filmbranche, Dänemark, Lars von Trier, Thomas Vinterberg, Kristian Levring, Dogma 95-Manifest, Regeln, Handkamera, Videoästhetik.
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- Jeniffer Pieper (Autor), 2006, Dogma 95. Filmkunst in der Opposition, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298715