Das Wormser Konkordat von 1122. Die Ereignisse im Hinblick auf die Regierungsjahre Heinrichs V. und den Verlauf des Investiturstreits


Term Paper (Advanced seminar), 2015

25 Pages, Grade: 2,5


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Hauptteil
Forschungsstand
Das Papsttum im Blickpunkt: Papst Paschalis II. und Calixt II.
Der Konflikt beginnt – Die erste Phase des Investiturstreits
Die Streitigkeiten ebben nicht ab – Die zweite Phase des Investiturstreits
Die Regierungsjahre und Konflikte Heinrichs V.
Das Ende des Investiturstreits – Das Wormser Konkordat 1122
Was geschah in Worms?
Was wurde im Konkordat festgelegt und welche Bedeutung hatte dies?
Was geschah dem Konkordat folgend 1122/23?
Welche Problematik ging mit dem Wormser Konkordat einher?

Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

„Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Ich, Heinrich, von Gottes Gnaden erhabener Römischer Kaiser, überlasse um der Liebe zu Gott, zur Heiligen Römischen Kirche und zu dem Herrn Papst Calixt sowie um meines Seelenheils willen Gott, den heiligen Aposteln Petrus und Paulus sowie der Heiligen Katholischen Kirche alle Investitur mit Ring und Stab und gestehe zu, daß in allen Kirchen, die sich in meinem König- und Kaiserreich befinden, die freie kanonische Wahl und Weihe stattfindet. [...]1

Mit diesen Worten beginnt das Heinricianum, der kaiserliche Teil des am 23. September 1122 in Worms abgeschlossenen Vertrages zwischen Kaiser Heinrich V. und Papst Calixt II. Er beendete nach fast 50-jährigem Kampf den Investiturstreit und wurde von Gottfried Wilhelm Leinbniz 1693 nach dem Vorbild der Reichskirchenverträge des 15. Jahrhunderts als Konkordat betitelt2.

Dieser „auf der nicht genau lokalisierten Laubwiese vor den Toren der Stadt“ (Classen) erfolgte Urkundenaustauch zwischen Kaiser Heinrich V. und drei Kardinälen als Vertreter des Papstes Calixt II. gilt als „Abschluss des epochialen Konflikts um die Einsetzung von Bischöfen und Reichsäbten [...], dessen Bestätigung auf dem von 18. bis 27. März 1123 tagenden [...] Laterankonzil erfolgte.“3

In meinen Studien über das Wormser Konkordat stieß ich auf zahlreiche Beiträge und Aufsätze, die versuchten, die wichtigsten Stationen dieses geschichtsträchtigen Ereignisses strukturiert und verständlich zusammenzufassen. Da es ihnen in meinen Augen oftmals nur unzureichend gelang, nehme ich es mir mit dieser Hausarbeit zur Aufgabe, zum einen die für diesen Fall bedeutendsten Ereignisse in der Regierungszeit Heinrichs V., zum anderen die Jahre 1122 und 1123 genauer unter die Lupe zu nehmen, um letztendlich eine für mich zufriedenstellende Zusammenfassung bis einschließlich 1123 zu schaffen. In diesem Zusammenhang erläutere ich zudem den eher als unbefriedigend empfundenen Forschungsstand über das Wormser Konkordat, berichte über die Anfänge und die ersten Höhepunkte im jahrelangen Investiturstreit, in dem Heinrichs V. Vater eine wesentliche Rolle spielte, und verliere überdies einige Worte über die für die Herrschaftszeit Heinrichs V. so wichtigen päpstlichen Gegenspieler Paschalis II. und Calixt. II.., die für den Friedensschluss 1122 und den Weg dorthin so entscheidende Rollen eingenommen haben. Auch werde ich ausdrücklich auf die im Laufe der Jahre stets wachsende Bedeutung der Fürsten eingehen, für die die Ereignisse 1122 und 1123 einen markanten Machtanstieg bedeuten sollte. Abschließend gehe ich auf einige der zahlreichen Fragen ein, die durch die Menge an inhaltlichen und äußerlichen Problemen aufkommen, die die Historiker mit dem Calixtinum haben und diese nicht zweifellos lösen können. Doch trotz dieser Stolpersteine auf dem Weg zu einer einheitlichen Lösung ist sich die Forschung darüber einig, dass mit dem Wormser Konkordat der Investiturstreit abgeschlossen wurde4.

Hauptteil

Forschungsstand

Wie Buschmann schon treffend formuliert, ist uns der Wortlaut der kaiserlichen und päpstlichen Urkunde des Wormser Konkordats vielfach überliefert. Während sich vom Heinricum das Original im Vatikanischen Archiv in Rom befindet, ist uns das Calixitum nur in Abschriften überliefert, deren verschiedene Versionen und Fassungen im Einzelnen stark voneinander abweichen.5 Durch die dadurch aufkommenden Fragen über die Form, den Inhalt und die Nachwirkungen speziell der päpstlichen Urkunde, die im Verlauf dieser Hausarbeit an späterer Stelle noch einmal aufgeworfen werden, stellt sich uns ein eher unbefriedigender Forschungsstand entgegen.

„Aber auch von der kaiserlichen Originalausfertigung“, so Buschmann, „sind zahlreiche Abschriften erhalten, ebenfalls mit erheblichen Abweichungen, so daß Textherstellung und Interpretation des Wormser Konkordats der Forschung noch immer beträchtliche Schwierigkeiten bereiten. Wichtige Fragen, wie z.B. die Frage nach dem exakten Wortlaut der päpstlichen Originalurkunde, nach der rechtlichen Bedeutung der beiden Texte, der Wirkung des Vertragsschlusses sowie nach Verbreitung und Kenntnis seines Inhaltes sind bis heute nicht hinreichend oder überhaupt noch nicht geklärt.“6 Classen fügt hinzu, dass „seit[dem] das Original der Kaiserurkunde im Vatikanischen Archiv gefunden wurde, man nämlich geglaubt hat, sich mit der Wiedergabe des authentischen Textes begnügen und die sehr divergierende abschriftliche Überlieferung vernachlässigen zu dürfen. Infolgedessen versperrte man sich aber nicht nur einen wichtigen Weg, die allein erhaltenen kopialen Überlieferungen der Papsturkunde, deren Fassungen weit auseinander gehen, kritisch zu beurteilen, sondern man konnte auch eine wichtige Quelle für die Geschichte der Wirkung des Konkordats nicht richtig ausnutzen.7 “ So ist seit vielen Jahren die Interpretation des Konkordats in der Geschichtswissenschaft ausgiebig diskutiert worden, ohne dass jedoch ein befriedigender Abschluss erreicht werden konnte.

Dennoch gibt es ausreichend (Sekundär)Quellen und Literatur, die uns Aufschluss über die Ereignisse geben: Neben den beiden Urkunden stützen sich viele Historiker überdies auf die Weltchronik Chronikon, aktualisiert von dem Chronisten Ekkehard von Aura, der diese um die deutsche Geschichte bis 1125 ergänzte und sie somit zu einer für die Forschung über die Regierungsjahre Heinrichs V. und das Wormser Konkordat so unverzichtbare Quelle macht. Darüber hinaus beziehen sich sowohl Historiker als auch Ekkehard selbst auf Hesso, einem Straßburger Scholaster, der „über die Verhandlungen, die im Herbst 1119 wegen des Investiturproblems in Straßburg, Mouzon und Reims zwischen päpstlichen und kaiserlichen Unterhändlern geführt wurden, aus unmittelbarer Teilnahme heraus einen knappen, aber wertvollen auf Urkunden und Akten gestützten Bericht“ vom päpstlichen Standpunkt aus schrieb.8

Adolf Hofmeister gilt gemeinhin als Pionier in der Forschung über das Wormser Konkordat und wird auch knapp 100 Jahre nach seinen Veröffentlichungen noch gerne zu Rate gezogen.

Hilfreiche Beiträge neueren Datums kommen zum einen von u.a. Claudia Zey, Beate Schilling oder auch Peter Classen und Jürgen Dendorfer, die sich mit ihren Beiträgen explizit auf die Geschehnisse in Worms am 23. September 1122 beziehen und diese hinterfragen. Zum anderen gehen auch u.a. Gerd Althoff, Wilfried Hartmann, Johannes Laudage, Leo Santifaller und Werner Goez im Rahmen des Investiturstreits, der Vita Heinrichs V. oder der Geschichte des Ottonisch-Salischen Reichskirchensystems in ihren Überblickswerken auf das Wormser Konkordat ein. Bevor ich mich folgend mit dem Investiturstreit beschäftige, werde ich die päpstlichen Gegenspieler Heinrichs V. kurz vorzustellen.

Das Papsttum im Blickpunkt: Papst Paschalis II. und Calixt II.

Über Rainer von Bieda (Paschalis II.) und Guido von Burgund (später: Calixt II.) soll an dieser Stelle jedoch nur kurz informiert werden, da sich ihre und die Wege des späteren Kaisers Heinrich V. nach seiner Wahl zum Papst kreuzen und wir infolgedessen in dem kommenden Kapitel mehr über die beiden Päpste erfahren. Hier seien also lediglich die wichtigsten Stationen vor ihren Amtsantritten aufgeführt.

Rainer, Rainierus oder Rangigerius, wie wir von Eduard Franz erfahren, stammt aus der römischen Stadt Bieda. Als Abt der römischen Kirche Sankt Laurentius wurde er 1078 von Papst Gregor III. zum Kardinalpriester der San Clemente-Kirche ernannt, ehe er als Botschafter des Heiligen Stuhls in Spanien und Frankreich den damals amtierenden Papst repräsentierte und im August 1099 zum Papst geweiht wurde. Unter ihm erreichte der Investiturstreit, wie wir sehen werden, in den Jahren 1111 und 1112 einen Höhepunkt, als Kaiser Heinrich V. Paschalis II.zwang, dem Vertrag von Ponte Mammolo zuzustimmen. Bis zu seinem Tod 1118 bekleidete er das Amt des Papstes der katholischen Kirche.9

Als jüngerer Sohn von Wilhelm I. dem Großen, Graf von Burgund, kam Guido um 1060 in Quingey zur Welt und war von 1088 bis zu seinem Pontifikat unter dem Namen Papst Calixt. II. Erzbischof von Vienne. In dieser Position war er im Investiturstreit ein Verfechter der gregorianischen Richtung und war somit als radikaler Reformer nicht gewillt, die Zugeständnisse des Papstes Paschalis II., die er gegenüber Kaiser Heinrich V. im Zuge des Vertrages von Ponte Mammolo gemacht hat und über die an anderer Stelle ausführlich berichtet wird, hinzunehmen. Daraufhin berief Guido im September 1112 eine burgundische Synode, die den Kaiser exkommunizierte. Nachdem Papst Paschalis II. 1118 sowie sein Nachfolger Gelasius II. Ende Januar 1119, nach nur einem einjährigen Pontifikat, verstarben, wurde Guido, Erzbischof von Burgund, am 2. Februar 1119 in Cluny zu deren Nachfolger gewählt10. Bis heute ist uns Papst Calixt II.im Gedächtnis geblieben, da unter ihm das Wormser Konkordat vereinbart und somit eine Kompromisslösung im jahrlangen Investiturstreit gefunden wurde.11 Wie es überhaupt zu den Ereignissen 1122 in Worms gekommen ist und welch entscheidende Rolle auch Heinrich IV. innehatte, werde ich im Folgenden erörtern, wenn ich auf die erste Phase des Investiturstreits zu sprechen komme.

Der Konflikt beginnt – Die erste Phase des Investiturstreits

Um die Tragweite der Ereignisse zwischen Papst Paschalis II., Papst Calixt II. und Kaiser Heinrich V. speziell in den Jahren 1111, 1119 und 1122 zu verstehen, seien an dieser Stelle sowohl eine Definition als auch die wichtigsten Ereignisse des Investiturstreits geschildert,. Hierfür werden die Überblickswerke von Wilfried Hartmann und Johannes Laudage zu Hilfe genommen, auf die sich die folgenden Angaben stützen.

Mit dem Begriff des Investiturstreits wird der „epochale Konflikt um die Einsetzung von Bischöfen und Reichsäbten zwischen dem deutschen König und dem Papst12 “, beschrieben, dessen Beginn gemeinhin als problematisch empfunden wird. Jedoch ist zu betonen, dass, so Hartmann, „der Streit um die Investitur in den knapp fünfzig Jahren von 1075/78 bis 1122 seinen Schwerpunkt veränderte. Während die ersten zwanzig Jahre im Zeichen des Investiturverbots standen, ging es später (ca. Seit 1095) um das Verbot der Lehnshuldigung (hominium).“13

Bereits die Vorfahren Heinrichs V. folgten der auf die Tradition der fränkischen Könige zurückgehende Praxis, dass Nicht-Geistliche, sog. Laien, kirchliche Ämter besetzten und dies durch die Überreichung von Ring und Stab an Geistliche zum Ausdruck gebracht wurde. Diese Laien-Investitur symbolisierte insbesondere im 9. Jahrhundert die enge Verbindung zwischen sacerdotium und regnum und war durch die Einsetzung der Bischöfe und Äbte in wichtige Ämter in der Reichsverwaltung von großer Tragweite. Über die Zeremonie jener Amtseinsetzung durch den Herrscher gibt uns Laudage nähere Auskunft, die vor allem eins bedeutete: „die symbolische Übertragung der Gewere, das heißt der Verfügungsgewalt über eine Sache. Die in diesem Zusammenhang entwickelten Ausdrucksformen, also insbesondere die feierliche Übergabe eines Stabes sowie die ihr vorausgehende Leistung von Handgang (commendatio) und Treueid (fidelitas), besaßen nämlich so viele lehnsrechtliche Parallelen, daß sie leicht als Zeichen für die Konstituierung eines quasivasallitischen Verhältnisses aufgefaßt werden konnten.14

„Kardinal Humbert von Silva Candida erklärte [...], dass bereits die Verpflichtung zum Hofdienst oder die Schmeichelei bei weltlichen Fürsten einen verbotenen Handel mit kirchlichen Ämtern und Gütern bedeute.15 “ für ihn war die Laien-Investitur also vergleichbar mit Simonie, dem Kauf/Verkauf kirchlicher Ämter. Auf Mitte der 50er und 60er Jahre des 11. Jahrhunderts abgehaltenen Synoden, wie beispielsweise im römischen Lateran 1059 oder 1060 in Vienne und Tours, wurde daher wiederholt gefordert, dass Geistliche auf keinen Fall von Laien kirchliche Ämter annehmen sollten, um nicht in ein simonistisches Abhängigkeitsverhältnis mit den Laien zu geraten. Zu einer Einigung kam es bisweilen nicht, da die geistliche Seite die sakrale Sphäre allein für sich beanspruchte, die weltliche die sakrale Macht jedoch nicht abgeben wollte.16

Der eigentliche Startschuss für den Investiturstreit, der fast ein halbes Jahrhundert über andauern sollte, fiel knapp 15 Jahre später, als Heinrich IV., Vater von Heinrich V., 1071 den Adeligen Gottfried, der von Papst Alexander II. exkommuniziert wurde, zum Nachfolger des 1071 verstorbenen Erzbischofs von Mailand einsetzte.

Die Pataria, radikal reformerisch geprägt, erhob ihrerseits mit Atto einen Geistlichen niederer Herkunft, der durch den Papst auch anerkannt wurde. Daraufhin wurden Heinrichs IV. Räte, die an der Erhebung Gottfrieds beteiligt waren, vom Papst gebannt, der Konflikt zwischen Papst und König spitzte sich zu. Nachdem Papst Alexander II. 1073 verstarb, wurde der Erzdiakon Hildebrand zum Papst erhoben und nannte sich fortan Gregor VII. Wie Hartmann bemerkt, zeigte dieser gegenüber Heinrich IV. anfänglich eine versöhnliche Haltung: „[...] er akzeptierte dessen Versprechen, daß sich simonistische Verfehlungen nicht mehr wiederholen sollten. Gregor erteilte dem König die Absolution und löste seine wegen der Mailänder Angelegenheiten gebannten Räte vom Bann.17 “ Dennoch bemühte sich der neue Papst energisch um ein erstarktes Papsttum bis hin zur grundlegenden Reform der Kirche und der Vorherrschaft über die weltlichen Herrscher, was auch das „Gedankenprotokoll“ des Dictatus Papae mit seinen wichtigsten „Behauptungen der absoluten Sonderstellung der römischen Kirche [...], sowie die führende Position des Bischofs von Rom.“18

Die Situation eskalierte, als Heinrich IV. 1075 in Spoleto und Fermo neue Bischöfe ernannte. Der Papst exkommunizierte daraufhin weitere königliche Ratgeber und der König verbündete sich auf einer Reichsversammlung in Worms 1076 mit den Bischöfen. Zusammen wurde ein Schreiben an Papst Gregor VII. verfasst, in dem seine Erhebung als illegal und sein Lebenswandel als unmoralisch bezeichnet wurde. Am Schluss jenes Briefes wurde er von Heinrich IV. überdies mit den Worten „Descende, descende!“ aufgefordert, von der cathedra Petri herabzusteigen. Eine Antwort der päpstlichen Seite ließ jedoch nicht lange auf sich warten: „In einem feierlichen Gebet an den Apostel Petrus erklärte der Papst auf der Fastensynode 1076 den deutschen König für abgesetzt, sprach über ihn den Bann aus und löste seine Untertanen von ihrem Gehorsamseid“ mit der Begründung, „Heinrich habe sich in unerhörtem Hochmut gegen die Kirche erhoben [...]“. Dies zerstörte das Einvernehmen zwischen dem gebannten Heinrich IV. und den Bischöfen.19

In Tribur traten im Oktober 1076 die weltlichen und klerikalen Gegner des Königs zusammen, wo vereinbart wurde, dass die Fürsten Heinrich IV. nicht mehr als König anerkennen werden, falls dieser „nicht bis zum ersten Jahrestag seiner Exkommunikation die Lossprechung vom Bann erreicht habe. [...] Mitten im Winter“, so schildert uns Hartmann die nachfolgenden Ereignisse, „überschritt er [Heinrich IV.] mit kleinstem Gefolge die Alpen und erschien am 25. Januar 1077 vor der Burg Canossa, in die sich Gregor VII. [...] zurückgezogen hatte“20. Als sich der Papst widerstrebig zeigte, „stand der König im härenen Büßergewand barfuß im Schnee und erreichte [...], daß er vom Bann gelöst und wieder in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen wurde“. Zwar konnte der König dadurch die Absolution erreichen, jedoch gab er dadurch auch den Anspruch auf, „daß der König als Gesalbter des Herrn keinem irdischen Richter verantwortlich sei.21 “ Jedoch hielten sich trotz des für Heinrich IV. erfolgreichen Gangs nach Canossa der harte Kern seiner Gegner im Reich, der daraufhin im März 1077 auf einem Fürstentag in Forchheim den König für abgesetzt erklärte und daraufhin Heinrichs Schwager Rudolf von Schwaben zum König wählten.

Drei Jahre später, also 1080, forderte Heinrich IV. den Papst, der zuvor eine direkte Parteinahme vermied, ausdrücklich auf, Rudolf als Gegenkönig zu exkommunizieren oder zu riskieren, dass er einen Gegenpapst erheben lasse. Daraufhin erneuerte der Papst den Bann gegen Heinrich IV., übergab das Reich an Rudolf, den Gregor VII. Lehensmann der Apostel nannte, und dehnte noch einmal das Investiturverbot des Königs auf niedere Kirchenämter aus. Als Reaktion darauf sorgte der gebannte König auf der Synode von Brixen im Juni 1080 dafür, dass der Papst von königstreuen Geistlichen für abgesetzt erklärt wurde. Darüber hinaus konnte er sich wenige Monate später gegen seinen zum Gegenkönig erhobenen Schwager Rudolf durchsetzen, als dieser im Kampf gegen Heinrich IV. seinen Verletzungen erlag.

Nachdem es dem alten und neuen König in der Folgezeit gelungen ist, Rom zu erobern, Gregor VII. zur Flucht zu bewegen und vom neuen Papst Clemens III, der vormals in Brixen als Gegenpapst nominierte Wibert von Ravenna, am Osterfest 1084 mit der Kaiserkrone gekrönt zu werden, schien Kaiser Heinrich IV. nun von seinen Strapazen erlöst worden zu sein. In den folgenden Kapiteln, in denen ich zunächst die beiden Päpste Paschalis II. und Calixt II. näher durchleuchte und dann auf die finale Phase des Investiturstreits eingehe, wechsele ich mein Hauptaugenmerk von Heinrich IV. auf seinen ihm folgenden Sohn Heinrich V., unter dessen Herrschaft der Konflikt zwischen geistlicher und weltlicher Macht neue Züge erreichte.

Die Streitigkeiten ebben nicht ab – Die zweite Phase des Investiturstreits

Die Regierungsjahre und Konflikte Heinrichs V.

Auf Heinrich V. müssen wir an dieser Stelle natürlich ausführlicher eingehen, um die Hintergründe für das Zustandekommen des Wormser Konkordats besser nachvollziehen zu können, wobei ich mich jedoch auf die mit dem Investiturstreit zusammenhängenden Stationen während seiner Alleinherrschaft konzentriere und die reichsinternen Angelegenheiten nur ansatzweise anschneide.

Über das Leben und die Herrschaft Heinrichs V. gibt uns Gerd Althoff Auskunft. Der aus der Familie der Salier stammende und „wohl 1986 als jüngerer Sohn Kaiser Heinrichs IV. geborene“22 Heinrich V. wurde anstelle seines Bruders Konrad von den Großen als Nachfolger seines Vaters anerkannt. Im Januar 1099 erfolgte in Aachen die Königskrönung Heinrichs. V. und damit seine Mitregentschaft mit seinem Vater, die sechs Jahre lang scheinbar reibungslos funktionierte.23 Der Bruch zwischen ihnen, wohl aus „Angst um das eigene Seelenheil angesichts des verbotenen Umgangs mit dem gebannten Herrscher“ oder „Herrschsucht Heinrichs V., unter dem Vorwand, der Sache Gottes zu dienen“24, kam jedenfalls abrupt, als sich der junge Heinrich Ende 1104 von seinem Vater lossagte.

Nachdem er sich in Regensburg mit hochrangigen bayerischen Adeligen verband, sandte er seine Boten nach Rom, um sich bei dem amtierenden Papst Paschalis II. darum zu bemühen, vom Bann und zugleich von dem Eid, den er Heinrich IV. bei dessen Königserhebung geschworen hatte, gelöst zu werden. Paschalis II. versicherte ihm zum einen die Absolution für die Sünde, die der Bruch des Eids bedeutete, und zum anderen die Unterstützung der römischen Kirche und deren Vertreter im Reich im Kampf um die Entmachtung Heinrichs IV.25

Es schien also, als bemühte sich Heinrich V. schon früh um eine Aussöhnung mit der Kirche. In Folge der Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn warben beide Parteien um Anhang und bereiteten sich militärisch vor, wobei Heinrich V. letztendlich Ende des Jahres 1105 als klarer Sieger hervorgehen sollte. In Ingelheim nötigte er seinen Vater zur Herausgabe der Reichsinsignien, also der Heiligen Lanze, Krone, Reichskreuzes, Reichsschwertes und Zepters, und damit zur Abdankung. Am 6. Januar übernahm er schließlich die Herrschaft und obwohl Heinrich IV. die Flucht gelang und Voraussetzungen für einen Widerstand schuf, starb der alte Kaiser im August 1106 recht unerwartet in Lüttich.26

Trotz der vermeintlichen Annäherung blieb das Verhältnis zwischen Kaiser- und Papsttum äußerst schwierig, da Heinrich V. weiterhin, wie sein Vater zu Herrschaftszeiten auch, auf der vollen Investitur beharrte. Daraufhin wiederholte Papst Paschalis II. auf der Synode von Guastalla im Oktober 1106 das strikte Investiturverbot und lehnte die Bitte des Erzbischofs Bruno von Trier als Unterhändler Heinrichs V. ab, dem deutschen König das ius imperii zu gewähren.27 Jener Erzbischof wurde mit einer Gesandtschaft aus geistlichen und weltlichen Fürsten 1109 erneut nach Rom geschickt, um die Regelung der Investiturfrage zu behandeln. Da zudem bereits 1107 der Investiturstreit mit den Königen von England und Frankreich beigelegt wurde, kamen beide Parteien nunmehr zur Einsicht, dass das Bischofsamt sowohl eine geistliche als auch eine weltliche Seite habe und man diesen bei der Amtseinsetzung von Bischöfen auch Rechnung tragen könnte.28

[...]


1 MGH Const. I, Nr. 107, 108 S. 159. „In nomine sancte et individue Trinitatis. Ego Heinricus Dei gratia Romanorum imperator augustus pro amore Dei et sancte Romane ecclesie et domini pape Calixti et pro remedio anime mee dimitto Deo et sanctis Dei apostolis Petro et Paulo sancteque catholice ecclesie omnem investituram per anulum et baculum, et concedo in omnibus ecclesiis, que in regno vel imperio meo sunt, canonicam fieri electionem et liberam consecrationem.“ Übersetzt von Buschmann in: Arno Buschmann: Kaiser und Reich – Vom Wormser Konkordat 1122 bis zum Augsburger Reichsabschied von 1555, Baden-Baden 1994, S. 65.

2 Peter Classen: Das Wormser Konkordat in der deutschen Verfassungsgeschichte. In: Josef Fleckenstein (Hrsg.): Investiturstreit und Reichsverfassung. Thorbecke, Sigmaringen 1973, S. 411.

3 Claudia Zey: Der Romzugsplan Heinrichs V. 1122/1123. Neue Überlegungen zum Abschluß des Wormser Konkordats. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 56, 2000, S. 447.

4 Stefan Weinfurter: Herrschaft und Reich der Salier, Sigmaringen 1991, S. 150.

5 Buschmann, S. 63.

6 Ebd.

7 Classen, S. 413 f.

8 Alfred Gawlik: „Hesso“, in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 25.

9 Eduard Franz, Papst Paschalis II. - Erster Theil, Breslau 1877, S. 3 ff.

10 Friedrich Wilhelm Bautz: Calixt II. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Band 1, Bautz, Hamm 1975, Sp. 859-860.

11 Beate Schilling, Guido von Vienne – Papst Calixt II. (Monumenta Germaniae Historica, Schriften, Band 45) Hannover 1998, S. 825.

12 Zey, S. 447.

13 Wilfried Hartmann: Der Investiturstreit. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, München 2007, S. 5.

14 Johannes Laudage: Der Investiturstreit, Köln 2006, S. 15.

15 Laudage, S. 27.

16 Ebd. ff.

17 Hartmann, S. 27.

18 Ebd. S. 23.

19 Ebd. S. 24.

20 Ebd. S. 25.

21 Ebd.

22 Gerd Althoff: Heinrich V. (1106–1125). In: Bernd Schneidmüller, Stefan Weinfurter (Hrsg.): Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519). München 2003, S. 181.

23 Ebd. S. 182.

24 Ebd.

25 Ebd.

26 Ebd.

27 Hartmann, S. 36 f.

28 Althoff, S. 182 ff.

Excerpt out of 25 pages

Details

Title
Das Wormser Konkordat von 1122. Die Ereignisse im Hinblick auf die Regierungsjahre Heinrichs V. und den Verlauf des Investiturstreits
College
University of Cologne  (Historisches Institut)
Course
Ottonisch-salisches Reichkirchensystem
Grade
2,5
Author
Year
2015
Pages
25
Catalog Number
V299155
ISBN (eBook)
9783656954347
ISBN (Book)
9783656954354
File size
485 KB
Language
German
Keywords
Wormser Konkordat, 1122, Investiturstreit, Heinrich V., Papsttum, Paschalis II., Calixt II.
Quote paper
Marcel Rapp (Author), 2015, Das Wormser Konkordat von 1122. Die Ereignisse im Hinblick auf die Regierungsjahre Heinrichs V. und den Verlauf des Investiturstreits, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299155

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