Seit gut 80 Jahren diskutiert die Forschung die Datierung einer Handschrift, die seit
1917 in der Universitätsbibliothek Bonn unter der Signatur „S. 1559“ aufbewahrt
wird. Sie enthält eine Aufzählung von Abgaben verschiedener Wirtschaftshöfe an
die königliche Tafel und beginnt mit den Worten „Iste sunt curie que pertinent ad
mensam regis Romanorum“. Als Tafelgüterverzeichnis (TGV) des römischen Königs
ist dieser Teil des Codex in die Forschung eingegangen. Georg MATTHEI war 1877
der erste, der sich an eine Datierung dieses Fragments wagte. Er ordnete es ins 11.
Jahrhundert ein - eine These, die knapp 50 Jahre unbestritten bleiben sollte, bis
Johannes HALLER mit einem Aufsatz1 eine Diskussion entfachte, die bis heute nicht
beendet ist.
Die vorliegende Arbeit möchte die bisherige Forschung seit HALLER
zusammenfassen und beurteilen. Primär geht es dabei um die Datierungsversuche
in den verschiedenen Forschungsansätzen; denn auf ihnen beruhen die Schlüsse
der Historiker über Zweck, Auftraggeber und Überlieferung des TGV, also die
Schlüsse auf die Motive für seine Existenz: Aspekte, die für die vorliegende Arbeit
meist von geringerer Bedeutung sind, außer wenn sie für die Nachvollziehbarkeit
des Datierungsansatzes benötigt werden.
Ganz ausgeklammert bleiben soll die Dissertation von Caroline GÖLDEL2: Im
Unterschied zu allen anderen Ansätzen, die das TGV als ein Dokument der
Wirtschaftsgeschichte des deutschen Königtums werten, deutet GÖLDEL es
nämlich als ein eher symbolisches Dokument im Zusammenhang mit dem
Königskanonikat in der Aachener Stiftsgemeinschaft – ein Ansatz der sich nach
heutigem Stand der Dinge in der Forschung wohl kaum durchsetzen wird.
Durch seine Einmaligkeit bot das TGV vielen Historikern breiten Raum für viele
Datierungsansätze. Einige wurden im Laufe der Zeit durch neue Erkenntnisse
hinfällig. Es bleibt jedoch fraglich, ob das Geheimnis um die Entstehung dieses
einzigartigen Verzeichnisses jemals gelüftet wird.
1 Johannes HALLER, Das Verzeichnis der Tafelgüter des Römischen Königs in: Neues Archiv der
Gesellschaft für ältere Geschichte 45 (1924), S. 48-81; ND Johannes HALLER, Abhandlungen zur Geschichte
des Mittelalters, Stuttgart 1944, S. 196-232
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Das Tafelgüterverzeichnis in der Forschung des 20. Jahrhundert
- 2.1. Vorbemerkung zur Überlieferung
- 2.2. Johannes Hallers „Versorgungsplan eines jungen Königs“
- 2.3. Heinrich Dannenbauer und das „Testament Friedrichs I.“
- 2.4. Carlrichard Brühl und die „Bestandsaufnahme bei Regierungsantritt eines Staufers“
- 2.5. Hans H. Kaminsky und die „Bestandsaufnahme für Lothar III.“
- 2.6. Walter Schlesinger und „der große Umritt Friedrich Barbarossas“
- 2.7. Jan Paul Niederkorn und die „Aufteilung der Datierung: Zwei staufische Herrscher“
- 2.8. Erkia Eisenlohr und die paläographische Einordnung in die Zeit Friedrichs I.
- 3. Zusammenfassung und Wertung der Forschungsansätze
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert und beurteilt die Forschung zum Tafelgüterverzeichnis (TGV) seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts, mit Schwerpunkt auf die verschiedenen Datierungsansätze. Es wird gezeigt, wie die unterschiedlichen Interpretationen der Entstehung und des Zwecks des TGV die historische Einordnung des Dokuments beeinflussen.
- Datierungsdiskussion des Tafelgüterverzeichnisses
- Entwicklung der Forschungstheorien zum TGV
- Zusammenhang zwischen Datierung und Interpretation des TGV
- Rekonstruktion der historischen Bedeutung des TGV
- Kritische Analyse der einzelnen Forschungsansätze
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den Kontext des TGV dar. Sie beleuchtet die Geschichte der Datierungsdebatte und die verschiedenen Interpretationen des Dokuments.
- Kapitel 2 analysiert die Forschung zum TGV im 20. Jahrhundert. Es werden die wichtigsten Datierungsansätze vorgestellt und kritisch beleuchtet, darunter die Thesen von Johannes Haller, Heinrich Dannenbauer, Carlrichard Brühl, Hans H. Kaminsky, Walter Schlesinger, Jan Paul Niederkorn und Erkia Eisenlohr.
- Kapitel 3 bietet eine Zusammenfassung und Wertung der verschiedenen Forschungsansätze. Es wird die Entwicklung der Interpretation des TGV im Laufe des 20. Jahrhunderts dargestellt und die Bedeutung der unterschiedlichen Datierungen für die historische Einordnung des Dokuments diskutiert.
Schlüsselwörter
Tafelgüterverzeichnis, Datierung, Forschung, Historische Interpretation, Mittelalters, Wirtschaftsgeschichte, Deutsches Königtum, Staufer, Friedrich I., Überlieferung, Paläographie, Quellenkritik, Forschungsperspektiven.
- Arbeit zitieren
- Matthias Thiele (Autor:in), 2004, Das Tafelgüterverzeichnis des deutsch-römischen Königs in der Forschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29915