Auswirkungen auf die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Säuglings infolge der Nutzung eines Smartphones durch die primäre Bezugsperson


Tesis de Máster, 2015

88 Páginas, Calificación: 2,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Forschungsfrage

3 Methodische Vorgehensweise

4 Entwicklung des Säuglings
4.1 Frühkindliche Entwicklung
4.1.1 Emotionale Entwicklung
4.1.2 Soziale Entwicklung
4.1.3 Kognitive Entwicklung
4.2 Temperament
4.3 Bindung
4.3.1 Die Bindungstheorie von John Bowlby
4.3.2 Feinfühligkeit
4.4 Gehirnentwicklung
4.4.1 Stressverarbeitungssystem
4.4.2 Selbstberuhigungssystem
4.4.3 Selbstbewertung und Motivation
4.4.4 Impulskontrolle
4.4.5 Bindung und Empathie
4.5 Sprachentwicklung

5 Smartphone-Nutzung von Erwachsenen in Deutschland
5.1 Stellenwert des Smartphones in der deutschen Gesellschaft
5.2 Ablenkung Smartphone im Alltag
5.3 Einfluss der Strahlung auf den Menschen
5.4 Auswirkungen der Smartphone-Nutzung

6 Diskussion

7 Ausblick

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

10 Abkürzungsverzeichnis

Um die Lesbarkeit der vorliegenden Arbeit zu erleichtern, wird das üblicherweise verwendete generische Maskulinum gebraucht, welches gleichermaßen männliche und weibliche Personen umfasst. Die Entscheidung für diese Schreibweise beruht auf rein praktischen und nicht inhaltsbezogenen Erwägungen.

Abstract

The present master thesis seeks to examine the research question whether the development of an infant is emotionally, socially as well as cognitively influenced by an excessive smartphone use of the attachment figure. In particular, this thesis argues that the infant’s emotional, social and cognitive ability is strongly affected by its environment which therefore must be protected with reasonable care by the attachment figure in order to let the infant acquire essential skills for future living. However, smartphones become more and more popular in everyday’s life. According to a study, many students use their phones 80 times a day on an average. As a result, many adults even pause a face-to-face talk with others or - at least - get distracted by their phones when they are ringing or showing an incoming text message. However, especially infants are dependent on an immediate and intimate communication with their attachment figures. Alternatively, it may be sufficient to result in the deterioration of self-regulatory capacities and other areas, for instance the linguistic development. Moreover, it is most likely that an insecure attachment behavior comes into existence. Thus, on the basis of both several studies and the analysis of the empirical data collected through literature research, this thesis establishes the correlation between the facts named above and illustrates the consequences afterwards.

1 Einleitung

Smartphones werden in der heutigen deutschen Gesellschaft immer präsenter. Sie sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Forschungen kommen zu dem Ergebnis, dass ein Student im Durchschnitt 80 Mal pro Tag auf sein Smartphone schaut oder es benutzt. (Zeh 2014) Es entsteht der Eindruck, dass dem Smartphone ein hoher Teil der Aufmerksamkeit seines Besitzers zukommt.

Eine Studie von Hodeige (2014) kommt zu dem Ergebnis, dass ein Smartphone durchschnittlich 137 Minuten am Tag benutzt wird. Eine weitere Studie von Google (2013) besagt, dass 67% der Nutzer nicht mehr ohne ihr Smartphone aus dem Haus gehen. In einer Online-Befragung gaben 35% der Befragten an, ihr Smartphone zu benutzen, während sie sich mit ihren Kindern beschäftigen (Gogoll 2014).

Für die ständige Nutzung eines Smartphones gibt es inzwischen einen Oberbegriff: "Phubbing". Dieser setzt sich aus den Worten "Phone" (engl. für Telefon) und "Snubbing" (engl. für vor den Kopf stoßen) zusammen. Viele Nutzer ziehen ihr Smartphone im direkten Kontakt mit anderen Menschen vor und stoßen diese damit vor den Kopf. Machen Smartphones Menschen unhöflicher oder unsensibel für die Bedürfnisse anderer?

Besonders in Familien könnten diese Ergebnisse Anlass zur Sorge geben. Welche Auswirkungen hat die häufige Nutzung eines Smartphones auf Säuglinge? Im Gegensatz zu Älteren können sie nicht sagen: "Leg das Smartphone weg" oder "Hörst du mir überhaupt zu?".

Werden die Bedürfnisse eines Säuglings durch die Ablenkung der Bezugsperson durch ein Smartphone eventuell nicht mehr erkannt oder nicht gestillt? Welche Auswirkungen auf die emotionale, soziale und kognitive Entwicklungen können dabei entstehen. Für alle Menschen, aber besonders für Säuglinge, ist die Face-to-Face-Kommunikation und eine ungeteilte Aufmerksamkeit sehr wichtig. Diese Fragen sollen in der vorliegenden Arbeit untersucht werden.

Die Forschungslandschaft über Auswirkungen der Smartphone-Nutzung auf die Entwicklung eines Säuglings ist noch sehr dünn besiedelt. Dennoch soll in dieser Arbeit mit einer hermeneutischen Vorgehensweise versucht werden, mögliche Auswirkungen auf die genannten Bereiche der Entwicklung des Säuglings herauszuarbeiten. An dieser Stelle wird die Hypothese aufgestellt, dass sich die häufige Nutzung eines Smartphones durch die primäre Bezugsperson im Kontakt mit dem Säugling negativ auf die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung auswirken kann.

Welche Teilbereiche der frühkindlichen Entwicklung dabei besonders sensibel reagieren könnten und ob es tatsächlich einen Zusammenhang gibt, soll in dieser Masterthesis erarbeitet werden.

2 Forschungsfrage

Mit der vorliegenden Arbeit soll der Frage nachgegangen werden: Gibt es Auswirkungen auf die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Säuglings infolge der Nutzung eines Smartphones durch die primäre Bezugsperson.

In der Einleitung wurde die Aktualität des Themas bereits beschrieben. Das Smartphone ist für die meisten Menschen unter 40 Jahren und somit in der Kindererziehungsphase allgegenwärtig. So werden auch Säuglinge zwangsläufig durch die Smartphone-Nutzung beeinflusst. Geht das so weit, dass Säuglinge zu Smartphones in Konkurrenz treten und um die Aufmerksamkeit kämpfen müssen? Werden die Bedürfnisse einiger Säuglinge vernachlässigt oder in der Erfüllung aufgeschoben, welche Folgen kann das haben? Wir wirkt sich die Handystrahlung auf die Entwicklung des Säuglings aus?

Die Grundsteine der Entwicklung werden im Säuglingsalter gelegt. In diesem Alter ist es besonders wichtig, dass die Bezugsperson prompt auf den Säugling reagiert. Die unmittelbare Reaktion ist wichtig, damit der Säugling eine Verknüpfung im Gehirn herstellen und lernen kann. Aufgrund der gestellten These, dass im ersten Lebensjahr die negativen Auswirkungen durch die Smartphone-Nutzung der primären Bezugsperson besonders groß sind, beschränkt sich diese Arbeit auf das Säuglingsalter.

In der vorliegenden Masterthesis wird außerdem die primäre Bezugsperson und deren Benutzung des Smartphones in den Mittelpunkt gerückt. Welchen Stellenwert hat das Smartphone in Deutschland bereits eingenommen? Viele Smartphone-Nutzer können ihr Handy nicht über einen längeren Zeitraum unbeachtet lassen. Auch in der Kommunikation mit anderen Menschen wird das Smartphone bei Nachrichtenempfang oder Anruf häufig vorgezogen. Selbst im Auto wird das Smartphone von vielen während der Fahrt benutzt, obwohl dies ein Bußgeld zur Folge haben kann und die daraus entstehende erhöhte Unfallgefahr dem Großteil der Autofahrer sehr bewusst ist.

Die Annahme liegt nahe, dass diese Menschen die Bedürfnisse des Säuglings vernachlässigen und die Risiken durch die Smartphone-Nutzung anders bewerten. Ist die Bezugsperson durch das Smartphone abgelenkt und befindet sich emotional in der virtuellen Welt, hat das Auswirkungen auf den Säugling.

Diese Arbeit befasst sich hauptsächlich mit der emotionalen, sozialen und kognitiven Entwicklung eines Säuglings, da der Kontakt zur primären Bezugsperson in diesen Bereichen sehr wichtig ist. Im Umkehrschluss sind diese Bereiche besonders anfällig für äußere Störungen. Bei welchen Bedürfnissen reagiert der Säugling besonders sensibel, wenn sie nicht gleich gestillt werden und mit welchen Folgen? Ist die Bezugsperson häufig abgelenkt und nicht in der Erfahrungswelt des Säuglings präsent, kann das Auswirkungen auf die emotionalen, sozialen und kognitiven Bereiche und die dazugehörige Sprachentwicklung haben. Welchen Einfluss hat die Smartphone-Nutzung auf das Bindungsverhalten? Welche Auswirkungen kann es auf die weiteren Lebensjahre haben, wenn die Entwicklung nicht altersentsprechend gefördert und Bedürfnisse nicht gestillt werden.

Des Weiteren ist zu sagen, dass Auswirkungen auf die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Säuglings durch die Benutzung des Smartphones der Bezugsperson nur entstehen können, wenn Bedürfnisse nicht erkannt werden und die Bezugsperson nicht präsent ist. Schläft der Säugling oder wird er gerade von einer anderen Person versorgt, wird kein Risiko bestehen und darum in der Beantwortung der Fragestellung vernachlässigt. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche negativen Folgen durch die häufige Missachtung der Bedürfnisse des Säuglings durch den Smartphone-Gebrauch in der Entwicklung entstehen können.

Außer Acht gelassen wird auch, dass ein Säugling in der Regel mehrere Bezugspersonen hat. Die Auswirkungen durch das Fehlverhalten der primären Bezugsperson werden geringer sein, wenn der Säugling durch andere Personen gut versorgt wird.

3 Methodische Vorgehensweise

Mit der vorliegenden Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, ob der Smartphone-Gebrauch der primären Bezugsperson Auswirkungen auf die Entwicklung des Säuglings haben kann. Die Frage soll mittels einer Literaturrecherche und -auswertung beantwortet werden. Um sich dem Thema zu nähern, wurde die Recherche in zwei große Hauptbereiche untergliedert - der erste beschäftigt sich mit der Entwicklungspsychologie von Säuglingen und der zweite mit dem Smartphone-Gebrauch von Erwachsenen in Deutschland. Der Erfolg der Recherche war dabei sehr unterschiedlich.

Über die Entwicklung von Säuglingen gibt es viele wissenschaftlich fundierte Texte und Literatur. Die Ergebnisse und Annahmen der Wissenschaftler, insbesondere von John Bowlby und Mary Ainsworth, werden aus Primär- und Sekundärliteratur zusammengefasst und ausgewählt wiedergegeben. In Universitätsbibliotheken und weiteren Buchveröffentlichungen sowie im Internet konnte ein Überblick über die Thematik verschafft werden. Beim Lesen ausgewählter Literatur und der darin ausgewiesenen Quellenangaben, konnten ähnlich einem Schneeballsystem weitere wichtige Werke ausfindig gemacht werden. Bei der Auswahl der Literatur wurden maßgeblich bindungsrelevante Themen der Entwicklung und Themen der Interaktion zwischen Bezugsperson und dem Säugling ausgewählt. Entwicklungsparameter wie Wachstum, Fortbewegung oder Genetik wurden vernachlässigt.

Die Forschungslandschaft zur Benutzung von Smartphones von Eltern ist noch sehr karg. Wissenschaftlich fundierte Literatur konnte keine ausfindig gemacht werden. Auch eine darauf folgende systematische Suche in einschlägigen psychologischen und pädagogischen Datenbanken brachte keine verwendbaren Ergebnisse. Gesucht wurde beispielsweise in folgenden Datenbanken: Psyndex, Fachportal-Pädagogik, Sowiport, Psycontent, Sciencedirect, Wiso, DRKS und FQS. Es wurden dabei verschiedene Kombinationen von passenden Schlagworten auf Deutsch und Englisch eingegeben, ohne Ergebnis. Die Recherche wurde daraufhin auf verwandte Themen ausgeweitet. In den eben genannten Datenbanken konnten Studien zu Handystrahlung ausgemacht werden. Im Internet wurden des Weiteren Artikel und Studien zum Smartphone-Gebrauch von Erwachsenen, Ablenkung durch Smartphones und verschiedene Auswirklungen im Alltag ausfindig gemacht. Diese Ergebnisse flossen in die vorliegende Arbeit ein. Durch die Ausweitung der Recherche auf eng verwandte Themen und auf die Suche im gesamten Internet, außerhalb wissenschaftlicher Datenbanken, entstand eine ergiebige Auswahl an Beiträgen, die für die Beantwortung der Fragestellung verwendet werden konnten.

Die kritische Auseinandersetzung mit diesen Beiträgen erfolgt im Kapitel Diskussion. Die Studien sind oft durch Privatunternehmen finanziert und veröffentlicht worden. Ob die Gütekriterien wissenschaftlicher Forschungen eingehalten wurden, ist kaum nachzuprüfen. Einige Autoren der Artikel oder Hochschuldozenten, die in den Artikeln erwähnt wurden, wurden angeschrieben, um die Quelle der Recherche oder einer eventuellen Studie zu erfragen. Auch dieses Vorgehen brachte keine brauchbaren Ergebnisse. Es wurde lediglich Interesse an der hier vorliegenden Masterthesis bekundet, da das Thema als sehr aktuell empfunden und wissenschaftliche Arbeiten darüber vermisst wurden.

Die Ergebnisse der dargelegten Recherche und die teils konträren Meinungen werden am Ende der Arbeit diskursiv mit der Entwicklung von Säuglingen in Zusammenhang gebracht.

4 Entwicklung des Säuglings

Als Säugling bezeichnet man ein Kind im ersten Lebensjahr. Die Entwicklung eines Säuglings vollzieht sich in Entwicklungsstufen. Diese müssen in der Entwicklungspsychologie einige Grundannahmen erfüllen, um ihrer Definition gerecht zu werden. Es muss eine Reihe von Veränderungen mit mehreren Schritten vorliegen, die gegenüber dem Ausgangszustand in der Entwicklung als höher anzusehen sind. Die Schritte sind irreversibel und korrelieren mit dem Lebensalter. Voraussetzung für eine weitere Stufe ist das erfolgreiche Durchlaufen der Vorstufe. Die Entwicklungsstufen sind universell für alle Menschen in einem gängigen Umfeld. Es wird häufig von einem inneren Bauplan gesprochen, der sich nach und nach entfaltet.

Von Phasen- und Stufenmodellen ist man mittlerweile abgekommen, da diese zu sehr einschränken. Stattdessen spricht man von sensiblen Phasen, in denen Entwicklungsschritte besonders leicht erlernt werden. Inzwischen bezieht sich Entwicklungspsychologie nicht mehr nur auf die Kindheit, sondern auf das gesamte Lebensalter. (Montada, Lindenberger & Schneider 2012)

Säuglinge beeinflussen ihr Umfeld von Anfang an. Wenn sie sich an ihre Bezugsperson schmiegen, freundlich und glücklich wirken und positiv auf die Handlungen der Bezugsperson reagieren, erfüllen sie diese mit Stolz und Freude. Sie bestärken die Bezugsperson in ihrem Umgang und Handeln, was zu einer Befriedigung führt. Leicht irritierbare und unzufriedene Säuglinge lösen dagegen Hilflosigkeit, Ärger und Ablehnung aus. Diese Gefühle wirken sich ungünstig auf die Persönlichkeitsentwicklung aus. Säuglinge mit negativen Temperamentsmerkmalen erfahren häufiger Ablehnung als andere Säuglinge. Temperamentsmerkmale des Säuglings und der Bezugsperson, die sich gegenseitig negativ bedingen, können ebenfalls ein Problem für die Entwicklung darstellen. Ob bei der Entwicklung die Erbanlagen oder die Umwelt eine größere Rolle spielen, wird noch immer kontrovers diskutiert. Dabei ist es viel wichtiger zu erfahren, wann die Gene in welcher Form und Ausprägung wirken und wann und in welchem Umfang die Umwelt auf die Entwicklung einwirkt. Menschen modifizieren ihr Selbstbild ständig. Es ist abhängig von Wissen, Erfahrungen und Einsichten.

In den letzten Jahren finden auch neurowissenschaftliche Grundlagen Berücksichtigung in der Entwicklungspsychologie. Abweichungen oder Veränderungen im Verhalten und Abläufe im Gehirn werden miteinander in Verbindung gebracht und Erklärungsmodelle entworfen. (ebd.)

4.1 Frühkindliche Entwicklung

Die Entwicklung des Menschen beginnt bereits pränatal. Sie ist insbesondere durch biologische Reifeprozesse gekennzeichnet, wird aber auch schon durch die Umwelt beeinflusst. Ganz früh wirken die Ernährung der Mutter und Giftstoffe auf das Ungeborene ein. Sobald die Wahrnehmungsfähigkeit entwickelt ist, beginnt der Fötus Erfahrungen zu verarbeiten und zu speichern. So werden Begründungen für das Verhalten und Erleben eines Menschen bereits vor der Geburt angelegt. Die Einwirkungen von schädlichen Einflüssen auf die Entwicklung werden Teratogene genannt. Direkte Auswirkungen von Teratogenen zeigen sich in sichtbaren Fehlentwicklungen von Körperstrukturen oder Körperorganen. Indirekte Auswirkungen von Teratogenen zeigen sich erst später, beispielsweise in Verhaltensproblemen oder Aufmerksamkeitsschwierigkeiten. Ob spätere Auffälligkeiten auf der Einwirkung von Teratogenen beruhen oder in der Erziehung begründet sind, ist kaum zu beurteilen. Starker negativer Stress der Mutter während der Schwangerschaft können ebenfalls langfristige Schäden anrichten. Die Blutzufuhr in die Gebärmutter verringert sich und gleichzeitig herrscht eine hohe Konzentration von Stresshormonen. Man geht davon aus, dass sich die Stressregulation bei Ungeborenen von stark und langfristig gestressten Müttern nicht richtig entwickelt. (Elsner & Pauen 2012)

Bereits bei der Geburt verfügen Neugeborene über vielfältige Fähigkeiten. Sie können ihren Körper der Umwelt anpassen, wichtige Körperfunktionen regulieren und mit anderen Menschen in Beziehung treten. Sie verfügen über Fähigkeiten in den Bereichen Motorik, Lernen und Wahrnehmung.

Die Bedürfnisse des Neugeborenen nach beispielsweise Schlaf, Hunger und Verdauung haben ihren eigenen Rhythmus und richten sich nicht nach Tag- / Nachtzeiten. Bei einigen Neugeborenen ist eine Regelmäßigkeit erkennbar, bei anderen nicht. Irritationen müssen durch Erregungsregulationen wieder stabilisiert werden. Der Säugling verfügt zwar auch über Strategien, wie beispielsweise Wegdrehen des Kopfes von einer Störquelle, benötigt aber die Unterstützung von anderen Menschen. (ebd.)

4.1.1 Emotionale Entwicklung

Charles Darwin, einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler und Begründer der Evolutionstheorie, legte mit seiner Emotionstheorie die Grundlagen für Emotionen fest, auf die sich noch heute viele Forscher beziehen. Er erkundete Körperreaktionen und wie sie mit den Emotionen in Verbindung stehen, beispielsweise Zähne zeigen bei Wut. Dabei konnte er zwei folgende Feststellungen machen:

(1) "Bestimmte emotionale Ausdrucksformen sind in allen Kulturen gleich und werden auch in ähnlicher Weise interpretiert.
(2) Einen Teil des emotionalen Ausdrucks haben wir mit Säugetieren gemeinsam." (Holodynski & Oerter 2012, S. 498)

Zu den menschlichen Basisemotionen zählen Freude, Wut, Trauer, Furcht, Ekel, Überraschung. Emotionen bestimmen das menschliche Handeln, indem sie bei Entscheidungsprozessen mitwirken und der Auslöser für Motivation sind. Dabei geht es immer um das Ziel, angenehme Emotionen zu erzeugen und unangenehme zu beseitigen.

Emotionen steuern die Körperfunktionen des Menschen und entscheiden auch, welche Emotion in welcher Situation dominiert. So wird bei Gefahr beispielsweise die Müdigkeit unterdrückt und die Furcht und eine erhöhte Aufmerksamkeit dominieren. Der Mensch muss in seiner Entwicklung die Regulation seiner Emotionen erlernen, um sein Handeln selbst bestimmen zu können und nicht von den Emotionen überwältigt oder blockiert zu werden. Besonders in sozialen Gruppen ist die Kontrolle der eigenen Emotionen wichtig, damit das Miteinander funktioniert. (ebd.)

Bei der Emotionsregulation ist der Säugling anfangs gänzlich auf die Hilfe der Bezugsperson angewiesen. Er muss das Repertoire an Emotionen erst erlernen und Kontrolle darüber gewinnen. Durch die interaktive Regulation durch die Bezugsperson, erlernt der Säugling schrittweise die selbstständige Regulation.

Der Säugling verfügt jedoch über eine Vielzahl angeborener Emotionen, die er zum Ausdruck bringt, um die Bezugsperson zur Befriedigung seiner Bedürfnisse zu bewegen. Zu den angeborenen Emotionen gehören: Schreien bei Stress, Lächeln bei Wohlbehagen, Fokussieren mit offenem Mund bei Interesse, Schreckreflex mit großen Augen und Körperanspannung bei Erschrecken und Naserümpfen mit ausgestreckter Zunge bei Ekel. Erwachsene haben die Veranlagung, die Emotionen des Säuglings zu deuten und zu reagieren. Der Säugling und die Bezugsperson bilden zusammen ein System der Emotionsregulation.

Säuglinge neigen dazu, Emotionen ihres Gegenübers nachzuahmen und lassen sich so von den Gefühlen anstecken. So fängt ein Säugling häufig an zu weinen, wenn die Bezugsperson traurig ist. Ab dem sechsten Lebensmonat beginnen Säuglinge dem Gegenüber eine Handlungsabsicht im Ausdruck von Emotionen zu unterstellen. Ab dem neunten Monat können sie den Zusammenhang zwischen der Emotion des Gegenübers und dem Anlass verstehen. Das Kind beginnt in diesem Alter auch, sich in neuen Situationen in ihrer Handlung bei der Bezugsperson durch Blicke rückzuversichern. (ebd.)

4.1.2 Soziale Entwicklung

Menschen sind ab der Geburt darauf angewiesen, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Haben sie diese Möglichkeit nicht, wird die Entwicklung nachhaltig gestört. Besonders wichtig sind dabei Blickkontakt und feinfühliges Reagieren des Gegenübers, so entsteht eine Beziehung zwischen den beiden Individuen. Das Kind erwartet auf seine Signale eine prompte Antwort. Das Zeitfenster, in dem die Bezugsperson reagieren muss, ist sehr gering. Schon mit sechs bis acht Wochen kann man das soziale Lächeln beobachten. Dabei lächelt der Säugling seine Bezugsperson an und erwartet ein sofortiges Gegenlächeln. Reagiert die Person nicht, unpassend oder verspätet auf die Signale des Säuglings, wird es die Blicke und Kontaktangebote meiden und sich zurückziehen. Durch die Kommunikation mit dem Säugling werden die Regeln des Zusammenlebens vermittelt und das Kind kann sich im Erlernen der Sprache üben. In den folgenden Monaten versucht der Säugling Gesten und Laute nachzuahmen. So versucht er, sich in die Kommunikationsabläufe und –regeln einzufinden.

Schon im Säuglingsalter beginnen Kinder mit der Selbstregulation. Sie reagieren auf Ansprache mit Zuwendung oder Widerstand und starten eigene Versuche der Kontaktaufnahme. Durch die Blickkontakte mit der Bezugsperson lernt der Säugling verschiedene Gefühlsausdrücke und die Wirkung seiner eigenen emotionalen Äußerungen durch die gespiegelten Reaktionen des Gegenübers kennen. Der Säugling lernt zwischen bekannten und fremden Personen zu unterscheiden und zeigt personenbezogene Verhaltensweisen und Fremdenangst ab dem achten Monat. (Pauen 2011)

Der Säugling benötigt Blickkontakt zur Bezugsperson, um referenzieren zu können. Dabei wird zwischen dem emotionalen und sozialen Referenzieren unterschieden. Beim emotionalen Referenzieren sucht der Säugling Blickkontakt, um einen unbekannten Reiz bewerten zu können, beispielsweise ein unbekanntes Geräusch oder eine unbekannte Person. Beim sozialen Referenzieren prüft der Säugling durch Blickkontakt, ob sein Verhalten von der Bezugsperson erlaubt wird oder nicht, beispielsweise das Krabbeln zu einem Objekt. Hierbei kann man sehen, dass sich das Kind darüber bewusst ist, dass es Regeln im Zusammenleben gibt. An der Bezugsperson orientiert es sich und übernimmt die Normen und Werte.

Etwa zeitgleich, zwischen dem siebten und neunten Lebensmonat, lernt der Säugling die geteilte Aufmerksamkeit. Durch Zeigegesten der Bezugsperson lernt er einer Blickrichtung zu folgen und abzuschätzen, worauf der Blick landen soll. Genauso lernt er durch Zeigegesten und Blicke sein Gegenüber auf etwas aufmerksam zu machen. (Elsner & Pauen 2012)

4.1.3 Kognitive Entwicklung

Unter kognitiver Entwicklung versteht man die Entwicklung all jener Funktionen, die dem Erkennen und Erfassen der Gegenstände und Personen der Umgebung und der eigenen Person gelten. Für viele Fähigkeiten ist die Wahrnehmung der Umwelt unabdingbar. Durch die Sinnesorgane erhält der Säugling Informationen über die Umgebung, kann dann auf sie reagieren und sich mit ihr weiterentwickeln.

Bereits ab der Geburt sind die Sinne so weit entwickelt, dass der Säugling die Grundfunktionen und -prozesse der Wahrnehmung beherrscht. Im Lauf des Lebens werden diese immer besser ausgebaut und verfeinert. Säuglinge reagieren von Anfang an unterschiedlich auf verschiedene Gerüche. Bereits mit fünf Tagen können sie die Muttermilch ihrer Mutter von anderen am Geruch unterscheiden. Auch die Bezugsperson können Säuglinge am Geruch erkennen.

Bereits zwei Stunden nach der Geburt reagieren Säuglinge auch auf verschiedene Geschmacksrichtungen. Die Geschwindigkeit beim Saugen an einer Flasche variiert je nach Süßegrad des Inhalts. Zucker scheint auf Säuglinge positive Affekte zu haben und sie zu beruhigen. Die Geschmacksvorlieben können sich in den nächsten Monaten wieder ändern.

Das Hören ist ein wichtiger Sinn für die Kommunikation mit seinen Mitmenschen. Bereits ab der 28. Schwangerschaftswoche reagiert ein Fötus im Mutterleib auf Geräusche. Nach der Geburt bevorzugen Säuglinge bekannte Stimmen, die sie schon im Mutterleib hörten sowie Geschichten, die ihnen schon vor der Geburt vorgelesen wurden, da sie die Klangfolgen der Laute wiedererkennen.

Die Sinneswahrnehmung Sehen ist in der Entwicklung am besten erforscht. Durch verschiedene Tests ist mittlerweile bewiesen, dass Säuglinge bei der Geburt sehr unscharf sehen. Die Sehschärfe nähert sich im ersten Lebensjahr dem Erwachsenenniveau an. Ob auch eine Tiefenwahrnehmung angeboren ist, kann noch nicht eindeutig festgestellt werden. Säuglinge scheinen schon früh Tiefe wahrzunehmen, entwickeln aber erst durch Erfahrungen Angst vor ihr, meistens im Krabbelalter. Gibson und Walk führten Versuche mit sechs bis vierzehn Monate alten Säuglingen durch, indem sie eine Tischkonstruktion mit einer Glasplatte bauten. Unter die eine Hälfte der Glasplatte klebten sie ein Schachmuster, unter die andere Hälfte legten die das Schachmuster auf den Boden. Die Säuglinge weigerten sich über die Hälfte mit dem vermeidlichen Abgrund zu krabbeln. Der Sehsinn dominiert in diesem Test über den Tastsinn.

Säuglinge können ebenfalls sehr früh Entfernungen abschätzen. Mit fünf Monaten greifen sie sehr sicher nach Objekten, die sich in ihrer Reichweite befinden. (Krist, Kavsek & Wilkening 2012)

Dass ein Säugling über Wahrnehmungskompetenzen verfügt, ist wichtig für die motorische Entwicklung. Die Auge-Ohr-Koordination muss erst mit dem Großhirn reifen. Der Säugling kann erst nach der Ausbildung der Auge-Ohr-Koordination Geräusche richtig auffassen, die nicht im Sichtfeld sind. Zudem muss eine Vorstellung und Erfassung des Raumes vorhanden sein. Die ersten zwei Monate sind die Hand- und Armbewegungen aneinander gekoppelt. Die Streckung der Arme geht mit der Streckung der Finger einher. Mit vier Monaten hat der Säugling gelernt gezielt nach einem Objekt zu greifen. Dieses können sie sowohl im Dunkeln, wenn das Objekt Geräusche von sich gibt, als auch im Hellen, wenn sie es sehen.

Die grundlegendsten Entwicklungsschritte der Wahrnehmung durchläuft ein Kind im ersten Lebensjahr. Auf die gemachten Erfahrungen in dieser Zeit, wird die weitere Entwicklung aufbauen. (ebd., Pauen 2011)

Zur kognitiven Entwicklung gehört auch das Denken. Jean Piaget (1896-1980) hat die erste umfassende Theorie entwickelt, mit der sich auch aktuelle Forschungen immer wieder befassen. Piaget sah Kinder als neugierige Wesen, die ihre Umwelt erkunden und begreifen wollen. Das Wechselspiel zwischen Umwelt und Subjekt wird von den Prozessen der Assimilation und der Akkommodation vorangetrieben. Diese aktive Konstruktion von Wissen bezeichnete Piaget als Konstruktivismus.

Piaget hat seine Theorie über die Entwicklung des Denkens in vier Hauptstadien untergliedert: das sensomotorische Stadium (0-2 Jahre), das präoperationale Stadium (2-7 Jahre), das konkret-operationale Stadium (7-12 Jahre) und das formal-operationale Stadium (12-16 Jahre). Jedes höhere Stadium kann sich nur entwickeln, wenn das vorige ausgereift ist. Die niedrigeren Stadien bieten also immer die Grundlage der nächsten. Aufgrund der Fragestellung der vorliegenden Arbeit, wird nachfolgend nur das erste Stadium bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres beschrieben. (Sodian 2012)

Im ersten Lebensjahr sind die Erkenntnismöglichkeiten des Säuglings nur auf die augenblicklichen Erlebnisse beschränkt. Laut Piaget ist die Intelligenz des Säuglings noch ausschließlich handlungsgebunden. Sie äußert sich durch strukturierte Verhaltensmuster wie Wiederholungen und Generalisierungen. Bereits im ersten Lebensmonat scheint sich der Säugling an seine Umwelt anzupassen. Das Saugverhalten ist je nach Objekt unterschiedlich, was bedeutet, dass der primitive Saugreflex durch die Anpassung an die Umwelt modifiziert wird.

In den ersten acht Monaten beginnt der Säugling einzelne Verhaltensweisen zu Einheiten zu verbinden. Er führt Objekte an den Mund oder greift nach Objekten. Dabei wiederholt der Säugling objektbezogene Handlungen, die ihm besonders interessant erscheinen. Piaget hat dabei die Beobachtung gemacht, dass es für den Säugling noch keine Objektpermanenz gibt. Der Säugling greift nur nach für ihn sichtbaren Objekten. Deckt man dieses Objekt zu, hört der Säugling sofort auf danach zu greifen und sucht auch nicht danach. Erst ab dem achten Lebensmonat beginnen die Säuglinge auch nach verdeckten Objekten zu suchen.

Piagets Theorie über das sensomotorische Stadium ist heute überholt und wird kritisch hinterfragt. Neuere Forschungen zeigen, dass Piaget den Säugling unterschätzt hat. Die bekannteste Methode, die für eine frühere Objektpermanenz spricht, ist die Habituierungsmethode. Gemessen an der Dauer der Fixierung durch Blicke einer Person oder eines Objektes, kann erkannt werden, ob das Gesehene etwas Neues oder Bekanntes für den Säugling darstellt. In dem Test kann festgestellt werden, dass Säuglinge schon viel früher eine Erwartung auf das Verhalten von Personen oder Objekten haben. Versteckt man ein Objekt und holt es wieder hervor, entspricht dieses Verhalten den Erwartungen des Säuglings und er fixiert es kürzer. Versteckt man ein Objekt unter einer Decke und holt dann etwas anderes hervor, widerspricht dieses den Erwartungen des Säuglings und er fixiert das neue Objekt viel länger. (ebd., Pauen 2011)

Für ein Verständnis der Objektpermanenz spricht auch, dass Säuglinge im Dunkeln nach Objekten greifen und auch einen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Geräusch und dem zugehörigen Objekt herstellen können. Möglicherweise ist dieses Verständnis ab der Geburt vorhanden, kann aber im eigenen Suchverhalten erst etwas später umgesetzt werden. Dafür spricht ein Test von Piaget: Ein Objekt wird immer an Ort A versteckt, sodass der Säugling es dort richtig vermutet. Vor seinen Augen wird das Objekt dann an Ort B versteckt, der Säugling darf es aber erst nach einiger Zeit suchen gehen und entscheidet sich dann für Ort A. Meistens wendet der Säugling seinen Blick zuvor allerdings dem richtigen Ort zu. Dieses Sucherhalten scheint mit der Reifung des präfrontalen Cortex im Gehirn zusammenzuhängen. (Sodian 2012)

Man geht heute davon aus, dass Menschen mit einem Kernwissen geboren werden. Das Gehirn scheint von Beginn grobe Strukturen zu haben, in die es Wahrnehmungen einordnet. So scheint ein Säugling von einem Lebewesen andere Dinge zu erwarten als von Objekten. Innerhalb des ersten Lebensjahres bekommen sie ein Gefühl für physikalische Grundgesetze und erweitern ständig ihr Wissen. Sie beobachten und ahmen die Umwelt nach, sodass sie schnell lernen, sich mit Gesten verständlich zu machen und Objekten die richtige Funktion zuzuordnen. (Pauen 2011)

4.2 Temperament

"Temperament bezeichnet [...] eine Art Rohmaterial, aus dem die Persönlichkeit geformt wird. Das Temperament hängt zusammen mit dem biochemischen Klima [...] in dem eine Persönlichkeit sich entwickelt." (Allport zit. nach Möhler & Resch 2012, S. 41)

Das Temperament ist eine sehr individuelle Persönlichkeitskomponente. In der Entwicklung werden keine universellen Stufen durchlaufen. Im Säuglingsalter wird das Fundament für die Persönlichkeitsentwicklung gelegt, die auch das Temperament umfasst. Merkmale des Temperaments sind zum Teil genetisch bedingt. Durch die soziale Umwelt und die Erziehung der Bezugsperson wird der Säugling geprägt und die genetische Temperamentskomponente wird modifiziert. Entgegen anderer Entwicklungsstufen ist das Temperament relativ zeitstabil. (ebd. "Als frühkindliches Temperament bezeichnet man stabile individuelle Unterschiede in der Qualität und Intensität emotionaler Reaktionen, in der emotionalen Selbstregulation sowie im Aktivierungsniveau der Aufmerksamkeit." (Elsner & Pauen 2012, S. 170)

Eltern beschreiben schon in den ersten Wochen nach der Geburt typische Verhaltensweisen ihres Kindes. Das Temperament wird als Grundmauer für die Persönlichkeitsentwicklung gesehen. Zu den Temperamentsdimensionen, definiert nach Rothbarth & Bates zit. nach Elsner & Pauen 2012, zählen: Aktivitätsniveau, Rhythmus, Aufmerksamkeitsspanne und Ausdauer, angstvolles Unbehagen, Irritierbarkeit, positive Grundstimmung.

Chess & Thomas zit. nach Elsner & Pauen 2012 entwickelten aufgrund von Elternbefragungen drei Grundtypen des Temperaments bei Kindern: Einfache Kinder, die mit Interesse und Zuwendung reagieren und sich leicht beruhigen lassen, stabile Rhythmen und eine positive Grundstimmung haben. Schwierige Kinder, die eine negative Grundstimmung haben, sich schwer beruhigen lassen, sehr irritierbar sind und keinen Rhythmus in ihren Bedürfnissen haben. Langsam aktiv werdende Kinder, die wenig Aktivität zeigen, sich nur zögerlich Neuem zuwenden und eine eher negative Grundstimmung haben. 40 % der Kinder lassen sich der ersten Gruppe, 35 % lassen sich keinem der Grundtypen zuordnen und stellen Mischformen dar.

Das Temperament ist über das Leben hinweg sehr konstant. Dennoch lassen sich auch Einwirkungen aus der Umwelt nachweisen. Zum einen kann sich der Mensch auch ein Stück weit an seine Umwelt anpassen oder negative Strukturen werden durch die Umwelt abgefangen. Zum anderen können auch Erziehungsmaßnahmen zu einer Verhaltensänderung führen. (Elsner & Pauen 2012)

4.3 Bindung

Nach der Geburt hat ein Säugling ein großes Bedürfnis nach Nähe. Diese sucht er bei der ersten Bezugsperson besonders intensiv und baut eine Bindung zu ihr auf. Die Bezugsperson beeinflusst mit ihrem Verhalten, in welchem Maße dieses Kind später Bindungen eingehen und wie es sich in bestimmten Situationen verhalten wird. Die Entwicklung des Kindes wird sich an der Art der Bindung orientieren - kann sich das Kind auf die Bezugsperson verlassen und fühlt es sich unterstützt?

Jeder Säugling verfügt über ein angeborenes Bindungsverhalten und jeder Erwachsene über ein Pflegeverhalten, die jeweils individuell ausgeprägt sind. Beide stehen immer in einer starken Abhängigkeit zueinander und sichern das Überleben des Säuglings. Der Bindungsaufbau entsteht durch die ständige gegenseitige Interaktion und die Affektregulierung durch die Bezugsperson. Die Qualität dieser Wechselwirkung kann stark variieren, unter ungünstigen sozial-emotionalen Bedingungen kann der Säugling auch eine pathologische Bindungsstörung entwickeln. (Hédevári-Heller 2012) Nicht nur der Säugling, auch die Bindungsperson ist um Blickkontakt bemüht. Zur Herstellung des Blickkontaktes wird sehr häufig der Augengruß verwendet. Die Bezugsperson hebt dazu den Kopf und zieht die Augenbrauen nach oben. Der Blickkontakt unterstützt die Regulation des Säuglings. Ein Säugling zeigt deutlich mehr positive Verhaltensweisen mit als ohne Blickkontakt. (Ball, Lißmann & Lohhaus, 2008)

Das angeborene Bindungssystem des Säuglings soll ihm emotional-physische Sicherheit geben und die Nähe und Sicherheit durch die Bezugsperson sichern. Um diese zu erlangen, zeigt das Kind verschiedene Verhaltensweisen, beispielsweise weinen, quengeln oder lächeln. Der Säugling aktiviert sein Bindungssystem, wenn es durch unbekannte oder bedrohliche Situationen ein Sicherheitsbedürfnis verspürt. Ist der Schutz und das Sicherheitsgefühl wiederhergestellt, deaktiviert es sein System wieder. Das Verhalten des Säuglings wird durch bisherige Bindungserfahrungen beeinflusst und in einem inneren Arbeitsmodell gespeichert. Auch die Sensitivität der Bezugsperson ist darin berücksichtigt.

Das ebenfalls angeborene und durch Erfahrungen beeinflusste Fürsorgesystem bzw. Pflegeverhalten der Bezugsperson entscheidet über die Reaktion auf den Säugling und das eigene Verhalten. Die Bezugsperson greift also ebenfalls auf ihr inneres Arbeitsmodell zurück und versucht aus dem eigenen Verhaltensfundus das Bedürfnis des Säuglings nach Sicherheit und Nähe zu befriedigen.

Konflikte können sich ergeben, wenn das Verhaltensrepertoire der Bezugsperson zur Bedürfnisbefriedigung nicht ausreicht. Auch ein Interessensunterschied kann zum Konflikt führen, wenn das Bedürfnis des Säuglings nicht mit dem momentanen Handlungsziel der Bezugsperson aus einem anderen Lebensbereich zusammenpasst. (ebd.)

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewann die Theorie der Bindungsentwicklung im hohen Maß an Bedeutung. Begründer der Bindungstheorie war John Bowlby, der seine Theorie aus der Psychoanalyse, der Systemtheorie und der Verhaltensforschung ableitete. Karin und Klaus Grossmann verbreiteten die Bindungstheorie in Deutschland. (Hédevári-Heller 2012)

4.3.1 Die Bindungstheorie von John Bowlby

Die Bindungstheorie von John Bowlby stellt einen Zusammenhang zwischen der Evolutionstheorie von Charles Darwin und der besonderen Beziehung zwischen einem Kind und der Bezugsperson her. Bowlby stammt aus der Richtung der Psychoanalyse, die sich auch in seinen Annahmen wiederfinden. (Grossmann 2008) 1940 schrieb Bowlby über die negativen Folgen durch Trennungen von Mutter und Kind. Er befasste sich vorwiegend mit der für das Kind schädlichen 'Mutterentbehrung', insbesondere bei Heimkindern oder Kindern im Adoptionsverfahren. (Bowlby 2010) So ist auch in Bowlbys Bindungstheorie die Mutter die zentrale Person, die als wichtigste Bezugsperson gilt. Sie unterstützt das Kind in seinen Bedürfnissen und kann aufgrund ihrer guten Intuition das Ausdrucksverhalten des Kindes richtig deuten und reagiert sofort. Nach Bowlby wird sich ein Kind immer an seine Mutter binden, auch wenn diese sich nicht ausreichend und gut um den Säugling kümmert. Eine sichere Bindung kann unter diesen Umständen allerdings nicht entstehen. Die Entwicklung einer Bindung ist also genetisch vorprogrammiert, dessen Qualität entscheidet über die Ausprägung. (Grossmann 2008) Bowlby beschreibt zwar die Mutter als wichtigste Bezugsperson für den Säugling, lässt aber den Vater oder andere wichtige Personen im Leben des Säuglings nicht außen vor. Die Betreuung des Säuglings sollte durch den Vater und andere enge Bezugspersonen ergänzt werden. (ebd.)

Nach Bowlby ist die Bindung zu einer Person nicht von Geburt an vorhanden. Sie entsteht durch die Interaktion, Kommunikation und durch emotionalen Austausch mit der Bezugsperson. Innerhalb der ersten drei Lebensmonate lässt sich der Säugling noch von verschiedenen Personen trösten und auf den Arm nehmen, er unterscheidet noch nicht zwischen bekannten und fremden Personen. Das Verhaltenssystem besteht aus Weinen und Lächeln. (Hédervári-Heller 2012)

Anschließend beginnt der Säugling bis zum sechsten Lebensmonat sein Verhalten auf bekannte Personen, besonders auf die erste Bezugsperson, zu beziehen. Er kann aber noch nicht eindeutig differenzieren und lässt sich auch noch von fremden Personen auf den Arm nehmen und trösten. In den folgenden Monaten wird das Verhalten differenzierter und das Kind sucht vorrangig Kontakt und Nähe zur Bezugsperson. (Pauen 2011) Eine feste Beziehung hat ein Säugling in der Regel mit etwa fünf bis sechs Monaten zu der primären Bezugsperson aufgebaut. Bis zur Vollendung seines dritten Lebensjahres benötigt er diese Bezugsperson als immer gegenwärtigen und verfügbaren Menschen. (Bowlby 2010)

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Detalles

Título
Auswirkungen auf die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Säuglings infolge der Nutzung eines Smartphones durch die primäre Bezugsperson
Universidad
University of Applied Sciences Magdeburg  (Hochschule Magdeburg-Stendal)
Curso
Psychosoziale Therapie und Beratung
Calificación
2,0
Autor
Año
2015
Páginas
88
No. de catálogo
V299244
ISBN (Ebook)
9783656955870
ISBN (Libro)
9783656955887
Tamaño de fichero
744 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
auswirkungen, entwicklung, säuglings, nutzung, smartphones, bezugsperson
Citar trabajo
Sarah Petri (Autor), 2015, Auswirkungen auf die emotionale, soziale und kognitive Entwicklung des Säuglings infolge der Nutzung eines Smartphones durch die primäre Bezugsperson, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299244

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