Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Freihandelsabkommen
2.1. Hintergrund
2.2. Formierung eines Freihandelsabkommens
2.3. Vergleich eines Freihandelsabkommen und einer Zollunion
3. Rules of Origin (ROO)
3.1. Hintergrund
3.2. Gründe für und gegen die Aufnahme von ROO in ein FTA
3.3. Arten der Bemessungsgrundlage für den LC
4. Wohlfahrtseffekte eines FTA ohne ROO
4.1. Modellaufbau
4.2. Auswirkungen auf die Importe
4.3. Wohlfahrtseffekte
5. Wohlfahrtseffekte eines FTA mit ROO
5.1. Model Outline
5.2. Wohlfahrtseffekte bei perfektem Wettbewerb
5.2.1. Kostenbasierte Bemessung
5.2.2. Preisbasierte Bemessung
5.3. Wohlfahrtseffekte bei einem ausländischem Monopol
5.3.1. Kostenbasierte Bemessung
5.3.2. Preisbasierte Bemessung
6. Modellvergleich zwischen einer FTA-Formierung mit und ohne ROO
7. Kritische Würdigung
8. Schlussbetrachtung
Anhang
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 4.1: TC-Effekt in Land A bei dem finalen Produkt
Abbildung 4.2: DD-Effekt in Land A bei dem Vorprodukt
Abbildung 4.3: IP-Effekt in Land B bei dem finalen Produkt
Abbildung 4.4: TC-Effekt in Land B bei dem Vorprodukt.
Abbildung 4.5: Wohlfahrtsveränderung in Land A durch finales Produkt.
Abbildung 4.6: Wohlfahrtsveränderung in Land A durch Vorprodukt.
Abbildung 4.7: Wohlfahrtsveränderung in Land B durch das finales Produkt.
Abbildung 4.8: Wohlfahrtsveränderung in Land B durch Vorprodukt.
Abbildung 5.1: Anwendungsbereich der nicht restringierten und restringierten Kostenfunktion bei der kostenbasierten Bemessung
Abbildung 5.2: Anwendungsbereich der nicht restringierten Kostenfunktion bei der preisbasierten Bemessung mit endogenem Preis des finalen Produktes
Abbildung 8.1: Auswirkung von auf den Anwendungsbereich von
Abbildung 8.2: Anwendungsbereich der nicht restringierten und restringierten Kostenfunktion bei preisbasierter Bemessung und exogenem Preis des finalen Produktes
Abbildung 8.3: Preissetzung und optimale Produktionsmenge im Monopol
Abstract
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Auswirkungen von Ursprungsregeln bei der Formierung von Freihandelsabkommen auf die Wohlfahrt der FTA-Partnerländer.
Dazu wird eine komparativ statische Analyse der Auswirkungen der Formierung eines FTA mit und ohne ROO durchgeführt, wobei die Wohlfahrt der FTA-Partnerländer untersucht wird. Es zeigt sich, dass in einem FTA, in dem keine ROO verankert sind, der positive die negativen Wohlfahrtseffekte nur unter bestimmten Umständen übersteigt. Der klassische „Trade Creation“-Effekt kann von dem negativen „Input Price“-Effekt und „Derived Demand“-Effekt überwogen werden.
Bei der Untersuchung eines FTA mit ROO wird ebenso eine komparativ statische Analyse durchgeführt. Es wird dabei gezeigt, dass die Wohlfahrtseffekte abhängig sind von der Höhe des geforderten Anteils der „lokalen Wertschöpfung“ und von der Bemessungsgrundlage für die ROO. Außerdem ergeben sich Unterschiede zwischen einem Markt mit perfektem Wettbewerb und einer Monopolstellung. Abhängig von diesen Einflussfaktoren können sich FTAs mit ROO positiv oder negativ auf die Wohlfahrt eines Landes auswirken.
1. Einleitung
Zum Jahrtausendwechsel waren bei der Welthandelsorganisation (WTO) 172 regionale Handelsabkommen (RTA) gelistet (Bond et al., 2004). Am 31.07.2013 waren es bereits 377 RTAs. Von diesen bilden die FTAs mit 221 den größten Anteil (o.V. WTO: 2014). Dieser deutliche Anstieg zeigt den steigenden Fokus, der auf diese Art der Wirtschaftsförderung gelegt wird.
Neben dem zahlenmäßigen Anstieg zeigt auch die Leidenschaft, mit der zum Beispiel über mögliche Vor- und Nachteile des „Transatlantischen Freihandelsabkommen“ (TTIP) diskutiert wird, welche großen Potentiale, aber auch Gefahren in diesem gesehen werden. Das Ziel des TTIP ist die Beseitigung von Handelshemmnissen in einem breiten Spektrum von Branchen, und damit die Erleichterung des Importes und Exportes von Waren und Dienstleistungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten (o.V. European Comission: 2014). Ein wichtiger Bestandteil ist dabei die Elimination von Zöllen zwischen den Partnerländern. Laut Felbermayr et al. (2012) würden alle 27 Länder der EU hinsichtlich des realen Pro-Kopf-Einkommens von der Reduzierung der Zölle zwischen den USA und der EU profitieren. Warum ziehen sich die Verhandlungen, trotz der positiven Implikationen, in die Länge?
Ein Grund sind allgemein die Verhandlungen über die anzuwendenden Ursprungsregeln, den Rules of Origin (ROO) in FTAs. Diese geben den Anteil der lokalen Wertschöpfung an, der mindestens erreicht werden muss, um den reduzierten FTA-Zollsatz beim Export in das Partnerland anwenden zu dürfen. Dieser Mindestanteil ist der sogenannte „Local Content“ (LC). Der Verhandlungsprozess zieht sich laut Krishna (2005) in die Länge, weil für jeden Industriezweig eines Landes die ROO einzeln verhandelt werden müssen. Lobbygruppen (LG) nutzen dabei ihre Macht um die Ausgestaltung zu beeinflussen, da die ROO aus wirtschaftspolitischer Sicht ein Mittel sein können die heimische Wirtschaft zu schützen. Produzenten werden dazu gebracht, lokale Vorprodukte in der Produktion einzusetzen, um den geforderten Anteil an LC zu erreichen. Außerdem verhindern ROO, dass Güter in ein Land exportiert werden, damit sie von dort aus zollfrei in das FTA-Partnerland weitertransportiert werden.
Das Ziel dieser Arbeit ist es generell, die Wohlfahrtseffekte eines FTA ohne ROO und eines FTA mit ROO zu ermitteln und dem Status Quo gegenüber zu stellen. Hierbei werden diverse Ausgestaltungsmöglichkeiten der ROO, wie zum Beispiel die preisbasierte und die kostenbasierte Bemessung dieser, betrachtet.
Der Aufbau der Arbeit gestaltet sich wie folgt: Zu Beginn wird erläutert, um was es sich bei einem FTA handelt. Es wird dabei auf die Gründe für die Formierung von FTAs eingegangen und eine Abgrenzung zwischen FTAs und Zollunionen (CU) durchgeführt.
Im nächsten Schritt wird auf die Entwicklung der ROO sowie deren Funktion und die unterschiedlichen Arten der Bemessungsgrundlage des LC eingegangen. Aufbauend auf den Informationen werden dann in Abschnitt vier die Auswirkungen der Formierung eines FTA ohne ROO anhand eines Modells von Ju & Krishna, (1996) betrachtet. Dabei wird der Wohlstand durch die Veränderung des Importvolumens und der Preise determiniert.
Mit Hilfe des zweiten Modells von Krishna & Krueger (1995) werden anschließend in Abschnitt fünf die Wohlfahrtseffekte eines FTA mit ROO erläutert. Dabei wird der Fall der kostenbasierten und der preisbasierten Kalkulation als Bemessungsgrundlage für den LC unterschieden. Außerdem wird hierbei der Fall eines Marktes mit perfektem Wettbewerb von dem eines Monopoles separat betrachtet.
Basierend auf den Ergebnissen aus Abschnitt vier und fünf werden die beiden Modelle in Abschnitt sechs miteinander verglichen. Dabei werden drei Aspekte in den Mittelpunkt gestellt, in deren Hinsicht sich die beiden Modelle in Bezug auf ihre Spezifikation, unterscheiden. Diese sind die unterschiedliche Betrachtung der Vorprodukte zur Produktion des finalen Gutes, die Betrachtung der Wohlfahrtseffekte in nur einem FTA-Partnerland, sowie die Unterscheidung zwischen perfektem Wettbewerb und der Monopolstellung.
Abgeschlossen wird die Arbeit durch eine kritische Würdigung, wobei neben den Modellannahmen vor allem die in Abschnitt sechs herausgearbeiteten Unterschiede betrachtet werden. Anschließend wird ein Ausblick auf zukünftige Forschungsfelder innerhalb der ROO-Forschung gegeben.
2. Freihandelsabkommen
2.1. Hintergrund
Alle WTO Mitglieder haben sich grundsätzlich dazu verpflichtet, allen anderen Mitgliedern die gleichen Zollsätze zu gewähren. Dieses sogenannte Meistbegünstigungsprinzip (MFN) bildet eine wichtige Grundlage für beinahe alle WTO Vertragswerke. Es impliziert, dass, bei einer Reduktion des Zollsatzes für ein Gut oder eine Dienstleistung für einen Handelspartner, derselbe reduzierte Zollsatz auch allen anderen WTO Handelspartnern gewährt werden muss (Ludema & Mayda, 2005).
Hiergegen verstoßen bevorzugende Handelsabkommen (PTA), zu denen die FTAs gehören, dem Prinzip nach. Sie bauen Handelshemmnisse zwischen Partnerländern ab, wobei Nichtmitglieder hinsichtlich der Handelshemmnisse, von diesem Abkommen unbeeinflusst bleiben. Von der MFN Regelung sind nach Artikel XXIV der WTO allerdings PTAs ausgenommen, die eine vollkommene Elimination der Zölle vorsehen, alle großen Handelsposten umfassen und der Zollsatz gegenüber nicht beteiligten Drittländern nach Formierung des Handelsblockes nicht höher ist als davor (Krueger, 1995).
Es gibt diverse Arten von PTAs abhängig vom Grad der Integration der Märkte der beteiligten Länder und der Höhe der gewährten Zollreduktion. Grundsätzlich sind all diejenigen Abkommen PTAs, welche ihren Mitgliedern den Import von Gütern zu einem günstigeren Zollsatz erlauben, als er Drittstaaten gewährt wird (Krueger, 1995)
Eine Ausprägung des PTA ist das Freihandelsabkommen (FTA), welches die komplette Elimination aller Handelsbarrieren, insbesondere von Zöllen innerhalb der Mitgliedsstaaten vorsieht (Salvatore, 2011). Dabei muss der ursprüngliche Zollsatz nicht komplett eliminiert werden, sondern kann, beginnend von einer anfänglichen Reduktion, auch in jährlichen Sätzen verringert werden. Man erreicht die vollständige Elimination somit nach einer festgelegten Zeitspanne. Dies ist der Fall des sogenannten „Phase-In“.
Neben dem FTA, gibt es weiter die CU als Ausprägung des PTA. Das Hauptunterscheidungsmerkmal eines FTA und einer CU ist laut Krueger (1995), dass innerhalb eines FTA jeder Partner den Einfuhrzollsatz unabhängig vom FTA-Partnerland gegenüber Drittstaaten festlegen kann. Ein Beispiel für ein FTA ist das „North American Free Trade Agreement“ (NAFTA). Bei NAFTA erhalten sich sowohl die USA, als auch Mexiko und Kanada die Möglichkeit, über ihre Einfuhrzölle aus Drittstaaten autonom zu entscheiden.
Im Gegensatz dazu wird in einer CU ein einheitlicher Zollsatz auf Produkte erhoben, die in das Gebiet der Zollunion eingeführt werden, wie beispielsweise im Fall der Europäischen Union (EU) oder des Central American Common Market (CACM).
Das FTA und die CU sind die ersten beiden wirtschaftlichen Integrationsstufen, die unterschieden werden. Ausgehend von diesen gibt es mit ansteigendem Grad der Integration einheitliche Märkte, Wirtschaftsunionen und politische Unionen (El-Agraa, 2007).1 Diese werden allerdings in dieser Arbeit nicht näher betrachtet.
2.2. Formierung eines Freihandelsabkommens
Laut Grossman & Helpman (1995) werden Regierungen in zwei Fällen die Formierung eines FTA befürworten, wobei jede Regierung die Entscheidung autonom trifft.
Im ersten Fall muss das FTA die Wohlfahrt der Bürger so erhöhen, dass die Regierung bei der nächsten Wahl wieder gewählt wird. Gleichzeitig darf der Druck der LGs, welche durch das FTA negativ beeinflusst werden, nicht zu groß werden, sodass das FTA nicht verhindert wird. Im zweiten Fall müssen die Gewinne der exportorientierten Industrie durch ein mögliches FTA, die Verluste des Teiles der Industrie ausgleichen, die mit zusätzlichen Mitbewerbern im Inland konkurrieren müssen.
Die Wohlfahrt eines Landes bei der Liberalisierung seines Handels wird dabei von mehreren Effekten beeinflusst. Dies ist zum Einen die Schaffung von Handel aufgrund des „Trade Creation“-Effektes (TC) und die ineffiziente Allokation von Ressourcen aufgrund des „Trade Diversion“-Effektes (TDI) (Krueger, 1993).
Der TC-Effekt resultiert aus der Verdrängung teurerer inländischer Güter zugunsten günstigerer Importgüter aus den FTA-Partnerländern. Durch die Zollelimination sinkt der Preis für ein Produkt, wodurch der Konsum steigt und ein Wohlfahrtsgewinn generiert wird.
Der TDI-Effekt sorgt für eine Verschiebung der Importe von nicht FTA-Partnern hin zu einem FTA-Partnerland. Die zu höheren Produktionskosten produzierten Güter aus dem Partnerland werden durch den Importzoll wettbewerbsfähiger. Es kommt somit zu einer ineffizienten Allokation von Ressourcen und einhergehend zum Wohlfahrtsverlust.
Ein weiterer Effekt, der den Wohlstand eines Landes direkt beeinflusst, ist die Veränderung der sogenannten „Terms of Trade“ (TOT) (Krueger, 1993). Die TOT sind der Preisindex der Exporte dividiert durch den Preisindex der Importe, . Sie geben an, wie viele Güter importiert werden können im Gegenwert zu einer Einheit Exporte (Bender, 2003). Steigen die TOT durch eine Reduzierung des Preisniveaus der Importe, was durch die Zollelimination wahrscheinlich ist, so verbessert sich das Tauschverhältnis. Ein Land kann sich für die dieselbe Menge Exporte mehr Importe leisten.
Gründe, welche die Wohlfahrt eines Landes indirekt beeinflussen und ebenfalls für die Formierung eines FTA sprechen, sind die Sicherung der Reformen der heimischen Wirtschaftspolitik, die erhöhte Verhandlungsmacht auf internationaler Ebene und der gesicherte Marktzugang für kleine Länder (Whalley, 1996).
Die Sicherung der Reformen wird dadurch erreicht, da es nach der Implementierung eines internationalen Abkommens schwieriger ist, bestehende Handelspositionen zu verändern. Die verbesserte Ausgangssituation in zukünftigen Verhandlungen ergibt sich aus dem größeren Einfluss eines Freihandelsgebietes. Die EU zum Beispiel kann in den aktuellen Verhandlungen mit den USA über das TTIP als ebenbürtigerer Verhandlungspartner auftreten, als es jedes EU-Land für sich alleine könnte. Außerdem sichert man auf diese Weise auch den Zugang zu Märkten. Beispielhaft kann der Vorläufer des NAFTA das USA-Kanada-FTA genannt werden, welches kanadischen Produzenten weitgehende Befreiung von den amerikanischen Anti-Dumping Zöllen bot (Whalley, 1996).
Wie bereits in der Einleitung angesprochen, werden in dieser Arbeit ausschließlich die Wohlfahrtseffekte betrachtet, die aufgrund von Zollelimination durch das FTA auftreten. Andere protektionistische Einflüsse, wie beispielsweise Anti-Dumping Zölle, werden ausgeschlossen.
2.3. Vergleich eines Freihandelsabkommen und einer Zollunion
Nachdem auf Gründe eingegangen wurde, warum sich ein FTA formiert, wird nun das FTA von einer CU abgegrenzt. Dies ist wichtig, um zu verstehen, warum es sinnvoller sein kann, ein FTA zu bilden als eine CU, obwohl ein FTA laut Krueger (1995) gegenüber einer CU Pareto-Inferior ist. Alle positiven Wohlfahrtseffekte, die durch eine FTA impliziert werden, können nämlich auch unter einer CU generiert werden. Ein FTA verursacht gleichzeitig allerdings Wohlfahrtskosten, die in einer CU nicht entstehen. Diese Kosten umfassen mehrere Punkte:
(a) Innerhalb eines FTA können bestimmte Güter von der Zollfreiheit mittels einer sogenannten „Exclusion List“ (EL) ausgenommen oder unter einer speziellen Methode langsam an die komplette Elimination heran geführt werden. Dies trifft vor allem für sensible Güter eines Landes zu, welche durch eine starke Lobby geprägt sind. Dies ist in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Ossa (2011), der feststellte, dass die stärksten LGs das höchste Maß an Protektionismus bei Verhandlungen für ihre Industrie generieren können. Ein Beispiel hierfür ist die Reisproduktion in Indonesien, Malaysia und auf den Philippinen. Die nationalen LGs haben Interesse ihre heimische Landwirtschaft zu schützen. Sie nutzen dabei ihren großen Einfluss auf die Regierungen, indem sie hervorheben, dass sie die Grundversorgung mit Reis sicherstellen. Deswegen gibt es unter dem Association of Southeast Asian Nations“-FTA, kurz ASEAN-FTA (AFTA), in diesen Ländern einen Importzoll auf Reis, der trotz FTA Formierung nach wie vor im Moment 20% beträgt (Cororaton, 2013).
(b) Die Möglichkeit für LGs, das FTA nach ihren Vorstellungen zu gestalten, führt laut Orden (1994) zu einem weiteren Problem. LGs werden nur für die Liberalisierung des Handels sein, wenn es ihnen Vorteile bringt. Ansonsten werden sie mit allen Mitteln versuchen, bestehende Hürden zu erhalten. Innerhalb einer CU ist es für einzelne LG schwieriger ihre Interessen durchzusetzten als bei bilateralen Verhandlungen, weil ihr Einfluss dort, relativ gesehen, geringer ist. Maggi & Rodriguez-Clare (1998) gehen sogar noch weiter und sagen, dass Regierungen durch den Druck von LGs dazu gezwungen werden ein FTA einzugehen, obwohl durch Ineffizienzen in der Produktion das Land schlechter gestellt wird.
(c) Des Weiteren entstehen Kosten, um den Handelsablenkungseffekt, „Trade Deflection“ (TDE) zu verhindern. Hierbei nutzen Importeure bei der Einfuhr jenes Land, welches ihnen die günstigsten Konditionen zum Import von Güter und Dienstleistungen bietet. Anschließend werden diese Güter in ein anderes Land innerhalb des FTA zollfrei weiter exportiert (Krueger, 1995). Der Import in das erste Land findet dabei ausschließlich statt, um Zollkosten zu sparen.
Um dieses TDE zu verhindern werden ROO, welche im dritten Abschnitt näher erläutert werden, als Handelshemmnis in ein FTA aufgenommen.
Trotz dieser zusätzlichen Kosten sieht Clausing (2000) diese strikte Überlegenheit einer CU gegenüber einem FTA nicht. Er argumentiert, dass die Höhe des gemeinsamen Zollsatzes einer CU und der geforderte LC-Anteil ausschlaggebend dafür sind, ob ein FTA oder eine CU ein Land wohlfahrtstechnisch besser stellt.
Unabhängig davon, welches Abkommen wohlfahrtstechnisch überlegen ist, sind FTAs weiter verbreitet. Krishna (2005) führt dies darauf zurück, dass ein FTA aufgrund der gewährten Protektion durch die ROO, Bereiche der Wirtschaft gegen die Auswirkungen eines FTA immunisiert und deshalb leichter durchsetzbar ist als eine CU. Grossman & Helpman (1995) setzten die Durchsetzbarkeit eines FTA dabei direkt in Bezug mit der Wohlfahrt, die ein Land aus der Formierung erzielt. Laut ihnen reduzieren alle Bedingungen, die ein FTA leichter durchsetzbar machen, die aggregierte Wohlfahrt der Partnerländer. Demzufolge müssten ROO einen wohlfahrtsmindernden Effekt auf die Partnerländer besitzen, verglichen mit dem Fall ohne ROO.
3. Rules of Origin (ROO)
3.1. Hintergrund
ROO werden grundsätzlich in zwei Arten, die „Preferential“- und die „Non-Preferential“-ROO, untergliedert. Mithilfe der „Non-Preferential“-ROO wird das Land festgelegt, in dem ein Gut produziert wurde. In der EU müssen die Güter zum Beispiel „wholly obtained or produced“2 werden oder „their last, substantial, economically justified working or processing in an undertaking equipped for that purpose and resulting in the manufacture of a new product or representing an important stage of manufacture“3 muss in der EU durchgeführt worden sein, um den Ursprungsnachweis eines EU-Produktes zu erhalten. Auf Grundlage dieses Ursprungslandes wird beispielsweise der MFN-Status für ein Produkt gewährt, Importquoten kontrolliert und Anti-Dumping Zölle erhoben (Jakob & Fiebiger, 2003).
„Preferential“-ROO sind im Gegensatz dazu Qualifizierungsmerkmale, die je nach Ausgestaltung des Abkommens einzeln oder kombiniert erreicht werden müssen, um ein Produkt für den FTA-Zollsatz zu qualifizieren. Sie stellen sicher, das nur Produkte, die zu einem bestimmten Teil in einem der Partnerländer produziert wurden, von den Zollvergünstigungen profitieren (Jakob & Fiebiger, 2003). Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird der Begriff ROO gleichgesetzt mit dem Begriff der „Preferential“-ROO, da sich diese als Qualifizierungsmerkmal in Handelsabkommen etabliert haben. Für diese unterscheidet Krishna (2005) die folgenden drei am weitesten verbreiteten Möglichkeiten, welche ein Gut für die Anwendung des FTA-Zollsatzes qualifizieren:
(a) Die erste Möglichkeit ist die Definition hinsichtlich der Zollkategorien. Jedes Produkt kann nach seiner Beschaffenheit mithilfe des international etablierten „Harmonisierten System“ (HS) tarifiert und eingereiht werden (Krishna, 2005). 4 Wird zum Beispiel eine Bremse aus Mexiko in die USA gebracht, so wird sie als Bremse beim Zoll angemeldet und mit dem entsprechenden Zollsatz importiert. Diese wird in den USA in ein Auto verbaut. Dadurch ändert sich die Tarifierung dieser Bremse. Beim Rückexport des fertigen Autos von den USA nach Mexiko wird also nicht mehr die Bremse als Einzelteil, sondern das Auto als Ganzes beim Zoll angemeldet und verzollt. Die Veränderung der HS-Nummer von Bremse zu Auto ist das Qualifizierungsmerkmal (a). Je nach Ausgestaltung des Abkommens bedarf es einer starken oder geringen Veränderung des Gutes, um die erforderliche Tarifierungsveränderung für das Anwenden des FTA zu erhalten.
(b) Eine weitere Variante ist, dass gewisse Prozesse innerhalb des FTA-Gebietes vollzogen werden müssen, um den FTA-Zollsatz nutzen zu dürfen. Innerhalb von NAFTA gilt zum Beispiel das Gesetz der „Triple Transformation“ für Bekleidung. Das bedeutet, dass bei der Herstellung von Bekleidung die Wolle bzw. das Ausgangsprodukt zur Herstellung des Fadens innerhalb des NAFTA-Raumes hergestellt wird. Aus diesem muss anschließend der Faden produziert werden, aus welchem wiederum ebenso die eigentliche Bekleidung innerhalb des NAFTA- Raumes geschnitten und genäht werden muss (Bannister & Low, 1992). Es werden also drei Veränderungsschritte innerhalb des NAFTA-Raumes vollzogen.
(c) Die dritte Variante ist die Erreichung der ROO, mithilfe eines Anteils an dem LC eines Produktes in monetärer oder physischer Hinsicht. In physischer Hinsicht kann ein gewisser Anteil des Gewichts, beispielsweise an heimischen Tabak, in Zigaretten vorgeschrieben werden (Beghin & Lovell, 1993). Die Definition als Anteil des LC in monetärer Hinsicht meint, dass ein gewisser vordefinierter Wert der Vorprodukte des finalen Produktes bereits innerhalb des FTA-Gebietes produziert werden muss.
Hat ein Auto zum Beispiel Produktionskosten in Höhe von 10.000 Euro und es wird ein LC-Anteil von 20% der Kosten vorgeschrieben, so müssen Vorprodukte aus dem FTA-Raum in Höhe von mindestens 2.000 Euro bei der Produktion eingesetzt werden.
Da Variante (a) und (b) nicht eindeutig zu definieren sind, beziehungsweise auch stark von FTA zu FTA divergieren, wird in dieser Arbeit Variante (c) verwendet. Dies ist eine gängige Praxis in FTAs, wobei die ROO als Mindestanteil der lokalen Wertschöpfung am Preis oder an den Kosten eines Produktes gesehen werden. Dies hat den Vorteil, dass klar definierte Werte verwendet werden, auf deren Grundlage Berechnungen angestellt werden können.
3.2. Gründe für und gegen die Aufnahme von ROO in ein FTA
Nachdem ROO definiert wurden, kann man nun auf die Gründe für die Aufnahme von ROO eingehen. Ein bereits erwähnter Aspekt für die Aufnahme von ROO in ein FTA ist die Verhinderung von TDE. Hierbei werden Güter in das Land mit dem geringeren Zollsatz exportiert, um diese von dort aus, unter Verwendung des FTA weiter zu exportieren. Ohne ROO würde es laut Krishna (2005), bei Vernachlässigung von Transportkosten, in diesem Fall zu einem Handelskrieg kommen, weil jede Reduzierung des Zollsatzes in einem Land zu einer vollständigen Verschiebung der Warenströme in dieses Land führt. Dementsprechend wird das Land mit den marginal geringeren Zollsätzen die gesamten Zolleinnahmen erzielen. Das Resultat wäre eine Reduktion der Zollsätze des Partnerlandes, sodass es die gesamten Einnahmen für sich generieren kann. Die Länder konkurrieren um die Einnahmen mit dem finalen Ergebnis einer vollständigen Elimination aller Zölle. Dann wird keines der Partnerländer mehr, ohne ROO, Zölle einnehmen.
Des Weiteren verhindern ROO, dass Produkte oberflächlich bearbeitet werden, nur um sie für die reduzierten FTA-Zollsätze zu qualifizieren (Cadot et al., 2002). So wird vermieden, dass beispielsweise ein fertiges Auto ohne Reifen aus Deutschland in den USA mit Reifen ausgestattet wird und sich allein dadurch für NAFTA-Zollsätze qualifiziert.
Außerdem bieten sie Produzenten einen Anreiz, lokale Vorprodukte zu kaufen um den geforderten LC-Anteil zu erreichen (Krishna, 2005). Ohne die lokalen Vorprodukte können die LC-Anforderungen nicht erreicht werden. Sie bieten somit den heimischen Produkten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Produkten aus nicht FTA-Partnerländern. Es kann zu dem Fall kommen, dass Firmen teurere Vorprodukte aus dem FTA-Partnerland kaufen, um den LC-Anteil zu erreichen und somit das finale Produkt zollfrei dort verkaufen zu können (Krueger, 1993). Krueger, (1995) bezeichnet dies als „'export' protection from one country to the other through the incentives created by rules of origin“. Diese Effekte wirken sich auch politisch aus. Die Absicherung der heimischen Produktion gegen die Verlagerung von Produktionsschritten ins Ausland macht ein FTA mit ROO, wie bereits erwähnt, leichter durchsetzbar (Krishna, 2005).
Nichtsdestotrotz gibt es auch Gründe, die gegen die Verankerung von ROO in einem FTA sprechen. Der Anreiz lokale Vorprodukte in der Produktion einzusetzen, kann auch negative Folgen nach sich ziehen. Theoretisch günstigere Vorprodukte aus Drittstaaten werden durch lokale Vorprodukte substituiert, weil der LC-Anteil erreicht werden muss. Dies führt zu einer ineffizienten Allokation von Ressourcen (Krueger, 1995). Auf Grund dessen kann es dazu kommen, dass die Produktion eines Gutes trotz höherer Produktionskosten als in einem Drittland, in einem FTA-Partnerland stattfindet. Dies ist der wohlfahrtsreduzierende TDI-Effekt.
Außerdem bieten ROO den LGs die Möglichkeit, die Wirtschaftspolitik auf intransparente aber sehr direkte Weise zu beeinflussen (Krueger, 1995). ROO können nämlich so gestaltet werden, dass heimische Produzenten nur noch wenige Konkurrenten im heimischen Markt haben. Kennen sie die Produktionskosten der Konkurrenten aus dem FTA-Partnerland, können sie den geforderten LC-Anteil so beeinflussen, dass die Produktionskosten dieser Mitbewerber nach Formierung des FTA über ihren eigenen liegen.
Neben den allgemeinen Kosten haben auch Firmen zusätzliche Kosten. Zum Einen ist bereits der Aufwand für das Nachweisen des LC in einem Produkt ein entscheidender Faktor. Es müssen für alle verwendeten Vorprodukte Ursprungsnachweise erbracht werden, um den Anteil lokaler Vorprodukte in einem Produkt nachweisen zu können. Jan (1986) schätzte beispielsweise die Kosten beim „European Free Trade Association“ Abkommen auf 3-5% des „Free on Board“- Preises (F.O.B.) 5 um die nötigen Nachweise zu erbringen.
Zum Anderen ist auch das Erreichen des LC mit Kosten verbunden. Lokale Vorprodukte müssen in der Produktion so eingesetzt werden, dass der LC erreicht wird.
Es kann deshalb für Produzenten vorteilhaft sein, den reduzierten Zollsatz nicht zu nutzen, da die Kosten zur LC-Erreichung größer sind als die Zollkosten. Ein entscheidendes Kriterium dafür, ob es sinnvoll ist diesen zu erfüllen oder den regulären Zollsatz zu zahlen ist die Bemessungsrundlage der ROO.
3.3. Arten der Bemessungsgrundlage für den LC
Die beiden Arten der Bemessung des LC, die in Kapitel fünf angewendet werden, sind die kostenbasierte und die preisbasierte Methode zur Berechnung des LC-Anteils.
Die erste Variante ist die kostenbasierte Berechnung des LC. Hierbei muss einen bestimmten Anteil an den Kosten des finalen Produktes ausmachen.
Der geforderte LC-Anteil ergibt sich aus dem Preis der einzelnen Vorprodukte, multipliziert mit der jeweiligen Menge der einzelnen Faktoren. steht hierbei für den Preis der Produkte, die im Inland produziert werden, für diese, die innerhalb des FTA produziert werden und für diese, die außerhalb produziert werden. Die jeweiligen Mengen werden von , und repräsentiert. Die Kosten von inländischen und FTA-Produkten werden in Relation zu den Gesamtkosten gesetzt, um den LC-Anteil in einem Produkt zu berechnen.
Eine interessante Frage ist, welche Kosten in die Kalkulation von aufgenommen werden dürfen. Schon bei der Verhandlung des USA-Kanada-FTA wurde die Frage, ob zum Beispiel Zinskosten in die LC-Berechnung aufgenommen werden dürfen, kontrovers diskutiert (Krishna & Krueger, 1995). Eine Aufnahme hätte zur Folge, dass der LC-Anteil leichter zu erreichen ist als bei Exklusion der Kosten. 6
Die preisbasierte Methode definieren Krishna & Krueger (1995) folgendermaßen. Der LC ist der Mindestanteil eines Endpreises in einem Land, , minus den Wert aller nicht FTA-Vorprodukte, in Relation zu .
Diese Art der Berechnung wird in Abschnitt 5.2.2 angewendet Dagegen wird in Abschnitt 5.3.2 auf eine zweite Form der Berechnung, zurückgegriffen. Dies geschieht um zu unterstreichen, dass sich die Methode zur Berechnung des LC auf dessen Erreichbarkeit auswirkt. Steigt der Preis eines Gutes, so ist es, abhängig von der Variante der LC-Kalkulation, entweder leichter oder schwieriger den geforderten Anteil zu erreichen.7
In Abhängigkeit des Erreichens von können sich die Firmen bei der Produktion entscheiden, das FTA zu nutzen oder nicht. Sie produzieren dann entweder unter der nicht beschränkten Gesamtkostenfunktion oder der beschränkten Gesamtkostenfunktion . Bei Anwendung der Ersten kann das FTA nicht genutzt werden, bei Anwendung der Zweiten kann es genutzt werden. Sollte für die Nutzung des FTA kein Mindestanteil gefordert sein, also keine ROO in das FTA aufgenommen, so sind beide Kostenfunktionen identisch.
4. Wohlfahrtseffekte eines FTA ohne ROO
4.1. Modellaufbau
In dem Modell von Ju & Krishna (1996), mit welchem die Wohlfahrtseffekte von FTAs ohne ROO bewertet werden, betrachtet man die drei Länder A, B und C. Von diesen drei Ländern formen A und B ein FTA. C tritt diesem FTA nicht bei und kann somit als Residuum für die restliche Welt gesehen werden. In der drei-Länder-Modellwelt werden drei Güter mit konstanten Skalenerträgen produziert und unter perfektem Wettbewerb gehandelt. Ein finales Produkt x, das Vorprodukt z, welches zur Produktion von x eingesetzt wird und das Numeraire-Gut n. Letzteres wird zur Modellvereinfachung aufgenommen um möglichen Rückkopplungseffekte auszuschließen.
Vor Formierung des FTA importieren A und B sowohl das Vorprodukt als auch das finale Produkt aus Land C. Gleichzeitig wird n in die entgegengesetzte Richtung gehandelt, sodass die Handelsbilanzen ausgeglichen sind. Die Art der Modellspezifikation, in der A und B dieselben Güter importieren, ermöglicht es die Auswirkungen der FTA-Formierung unabhängig vom TDI-Effekt zu untersuchen. Außerdem wird damit die Tatsache berücksichtigt, dass FTAs zum Großteil zwischen Ländern mit einer ähnlichen wirtschaftlichen Struktur geschlossen werden.
[...]
1 Für eine genauere Abgrenzung der genannten Integrationsstufen siehe (El-Agraa, 2007)
2 Cf. Verordnung (EWG) 2913/92, Art. 23
3 Cf. Verordnung (EWG) 2913/92, Art. 24
4 für eine detaillierte Beschreibung hinsichtlich der Tarifierung und Einreihung von Waren siehe o.V. Zoll (2014)
5 Free on Board: Einer der elf internationalen Standards der sogenannten Incoterms um die vertraglichen Pflichten von Käufer und Verkäufer beim Grenzüberschreitenden Warenlieferungen zu definieren und damit den Zollwert eines Produktes. Zur genaueren Definition siehe o.V. IHK Berlin (2012)
6 Eine genaue Erklärung dazu findet sich in Anhang A.1
7 Die Wirkungsweise wird in Anhang, A.2 Berechnungsmethode (1) und (2) näher erläutert.