Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
1.1 Motive zum Anfertigen dieser Hausarbeit
1.2 Kurze Erläuterung und Einbettung des Werkes
2. Inhaltsangabe des Werkes „L'école des femmes“
3. Die Stellung der Frau im 17. Jahrhundert
3.1. Patriarchalismus und Vorurteile gegenüber Weiblichkeit
3.2. Die Legitimation der Ungleichheit der Geschlechter durch die Kirche
3.3 Erziehungs- und Bildungsideal junger Mädchen und Frauen
3.4 Frühaufklärung und Salonkultur
4. Darstellung und Analyse der Agnès
4.1. Ausgangssituation
4.2. Entwicklung bzw. Emanzipation der Agnès
5. Hintergrund zur Entstehung der Komödie
6. Schluss
7. Bibliographie
1.Einleitung
1.1 Motive zum Anfertigen dieser Hausarbeit
Die Idee für das Thema dieser Arbeit entstand im Rahmen des literaturwissenschaftlichen Seminars „De L'èducation“. Ich entschied mich dafür, zusammen mit drei Kommilitoninnen, einen Vortrag über die Pädagogik in Molières Komödie „L'école des femmes“ zu halten. Neben der Lektüre der Primärliteratur, recherchierte ich über die Erziehungsideale und Bildungschancen von Mädchen bzw. über die Stellung der Frau im Ancien Régime. Dadurch, dass ich durch das Seminar einen ersten Einblick in die damalige Mädchenerziehung, sowie deren Schul-und Bildungssituation erlangte und mich später mit der allgemeinen Situation der Frau im 17. Jahrhundert Frankreichs auseinandersetzte, stärkte sich mein Interesse an der Rolle der Frau und daran wie sie in Molières Verskomödie dargestellt wird, aber auch welche unterschiedlichen Frauenbilder im 17. Jahrhundert, hauptsächlich in Frankreich parallel zueinander existierten. Immerhin entfaltete sich zu dieser Zeit eine neue, prägende Strömung weiblicher Rollenbilder, die sogenannten Salondamen, die nicht der traditionellen Rolle der Mutter und Hausfrau entsprachen und vehement eine gleichwertige Bildung bzw. bessere Förderung junger Frauen forderten. Ich habe mich für das Anfertigen dieser Hausarbeit zu Molières Komödie entschieden, weil sie meiner Meinung nach die Ängste der Männer gegenüber der neu aufkommenden Frauenrolle, die langsam aber stetig den Weg in Richtung Emanzipation beschritt und somit eine eventuelle Machtverschiebung in Bezug auf einer Änderung der sozialen Strukturen, besonders der Hierarchie im patriacharlem Systems (des 17.Jahrhunderts,) bedeuten würde. Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, die Darstellung der Agnès im Stück „die Schule der Frauen“ und den Hintergrund ihres Erziehungsmodells, welcher nach einem ganz bestimmten weiblichen Rollenideal funktionieren sollte, zu analysieren. Desweiteren wird ein chronologischer Überblick über die Entwicklung bzw. Emanzipation der Agnès während der Geschichte präsentiert. Außerdem wird die molièrsche Intention zum Schreiben einer Verskomödie mit diesem doch recht gesellschaftskritischen Inhalt hinterfragt.
Bevor die Rolle der Agnès jedoch detailliert beschrieben und plausibel analysiert werden kann, soll zum besseren Verständnis zunächst eine Inhaltsangabe des Theaterstücks «Die Schule der Frauen» erfolgen und im Anschluss daran möchte ich die Stellung der Frau im 17. Jahrhundert in Frankreich, also den historischen Hintergrund darlegen.
1.2 Kurze Erläuterung und Einbettung des Werkes
L'école des femmes, zu Deutsch Die Schule der Frauen, ist eine typisch für die Gattung der haute comédie, aus 5 Akten bestehende Komödie, die im Jahre 1663 veröffentlicht, jedoch bereits am 26. Dezember 1662 in Paris uraufgeführt wurde.
Das Stück ist Molières erste große Verskomödie, die nun auch Elemente der Farce beinhaltet und mit dem ihm der entscheidende Durchbruch vom genialen Schauspieler und Theatermacher zum großen Theaterdichter glückte, aber auch die erste große Charakterkomödie Molières. Er ist der erste comédien (Komödienschreiber), dem der König eine jährliche Pension über 1000 livres1 einräumte.
Die Frauenschule ist ein Riesenerfolg und es heißt ,,der König und die Mitglieder seines Hauses hätten sich köstlich dabei amüsiert"2.
Diese Errungenschaft bringt Molière jedoch nicht nur Anerkennung, sondern auch viele Neider ein. Die Komödie entfacht die Querelle de l′école des femmes, eine Diskussion die über ein Jahr lang andauert. Molière wird hierbei unterstellt in seinem Stück die Religion zu missbrauchen und ins Lächerliche zu ziehen3 und außerdem gegen die vraisemblance4 zu verstoßen.
Er retourniert gekonnt mit der einaktigen Prosakomödie La critique de l′ école des femmes, die er im Juni 1663, also 6 Monate nach der Uraufführung von L' école des femmes, spielen lässt und heizt die Kontroverse um seine jüngste Komödie somit noch mehr an.
In dem neuen Stück parodiert er jene prüden Kritiker, die sich in ihrem Schamgefühl verletzt gefühlt und heftig über die Frauenschule empört hatten.
2. Inhaltsangabe des Werkes „L'école des femmes“
Die über 350 Jahre alte Geschichte handelt von dem bereits ergrauten Junggesellen und stadtbekanntem Spötter Arnolphe, welcher schon seit längerem über die Untreue der Ehefrauen und die damit in seinen Augen einhergehende Charakterlosigkeit der Ehemänner in Paris empörte und sogar darüber Buch führt. Um nicht einmal selbst in dieselbe Ehefalle zu tappen, geht er strategisch vor. Von langer Hand geplant, erschafft er sich seine zukünftige Frau selbst. Eine, die so dumm und unbeholfen sein wird, dass sie zur Untreue und zum Verrat einmal schlichtweg unfähig sei. Dies alles, um das Risiko des Ehebruchs möglichst auszuschließen und eben nicht einer dieser Männer zu werden, der sich von seinem Weibe Hörner aufsetzen und sich lächerlich machen lässt. Somit nimmt er ein armes, vierjähriges Bauernkind, namens Agnès, in seine Obhut und lässt es dreizehn Jahre lang in einem abgelegenen Kloster, isoliert von der Welt und ihren Verlockungen, zu Gehorsam und völliger Idiotie erziehen. Arnolphe ist überzeugt, dass nur eine einfältige, dumme Frau, ihrem Mann eine gehorsame und treue Ehefrau sein kann. Als das Mädchen siebzehn Jahre alt und in seinen Augen reif für die Ehe ist, da sie die erwünschte nötige Unschuld und Unwissenheit aufweist, quartiert er sie in einem Häuschen in der Stadt ein, zu dem Besucher keinen Zutritt haben und wo nur besonders dumme Bedienstete walten.
Arnolphe erzählt seinem Freund Chrysalde von seiner bevorstehenden Heirat. Als dieser skeptisch einwirft, ob dies denn wirklich gut ausgehen könne, da gerade er doch immer der größte Spötter des Ehestandes gewesen sei, berichtet Arnolphe von seinem gut gehegten Vorgehen. Trotzdem bleibt Chrysalde gegenüber dem Plan seines Freundes skeptisch und warnt, dass eine so dumme Frau nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden werden könne und ihm vielleicht doch dasselbe Schicksal winkt. Desweiteren scheint er ein wenig irritiert, vielleicht auch belustigt über den Namenswechsel Arnolphes, der neuerdings mit M. de la Souche angesprochen werden möchte. Als Arnolphe von einer Reise zurückgekehrt ist, besucht er Agnès, um nach dem Rechten zu schauen und kündigt hier bereits an, dass sie bald nicht mehr alleine sein wird. Etwas später trifft Arnolphe auf Horace, den Sohn seines alten Freundes Oronte, den er seit vielen Jahren nicht gesehen hat und der vorhat in Kürze mit einem reichen Manne, namens Enrique, nachzukommen. Begierig nach neuem Tratsch und Klatsch aus der Stadt, fragt Arnolphe den Jüngling, wie es bei ihm in den Liebesdingen stehe, nun wo er in der Umgebung unterwegs gewesen war. Horace erzählt, er habe sich seit seiner Ankunft vor ein paar Tagen in ein Mädchen namens Agnès verliebt. Trotz ihrer augenscheinlichen Bildungslosigkeit und Naivität, ist er entzückt von ihrer Schönheit und Anmut. Horace rechnet sich gute Chancen bei ihr aus. Das Problem sei nur, dass sie von einem seltsamen Sonderling namens "de la Souche" eingesperrt und bewacht werde. Arnolphe unterdrückt seine Entrüstung, Wut und Eifersucht und horcht seinen Rivalen gewieft aus, ohne seine wahre Identität zu enthüllen. Um Horaces Pläne zu vereiteln, ermahnt Arnolphe seine Bediensteten Alain und Georgette zur Wachsamkeit. Auch von der arglosen Agnès selbst erfährt er später, dass sie in seiner Abwesenheit einen jungen Mann kennengelernt habe. Sie berichtet bereitwillig von den Freundlichkeiten des Verehrers, ist sehr angetan von diesem und bittet ihn sogar, einer Ehe mit Horace zuzustimmen. Aber Arnolphe meint, er habe schon jemand anderen für sie bestimmt und schärft ihr ein, Horace abzuweisen. Für den Fall, dass dieser junge Mann ein weiteres Mal auf dem Grundstücke auftaucht, soll sie ihn umgehend fortschicken und zur Not einen Stein nach ihm werfen. Nun eröffnet Arnolphe Agnès, dass er selbst der für sie Auserwählte und zukünftige Ehegatte sei. Mithilfe der Ehestandsregelungen, der zehn Maxime einer guten Ehefrau, macht er ihr deutlich, was in Zukunft von ihr erwartet und wo ihr Platz sein wird. Trotz seines doppelten Spiels mit Horace, gelingt es ihm nicht, seinen jungen Rivalen aus dem Feld zu schlagen. Denn Horace selbst liest ihm stolz einen Liebesbrief vor, den Agnes unter dem Stein, mit welchen sie ihn attackierte, verborgen hatte. Wie Horace seinem vermeintlichen Freund, dem eifersüchtigen Arnolphe, anvertraut, wolle er Agnes erneut treffen. Die geplante Verabredung für den Abend gedenkt Arnolphe mit der schlagkräftigen Hilfe von Alain und Georgette zu verhindern. Horace ist nach der Trachtprügel, die er beim nächtlichen Rendezvous bezogen hat, fest entschlossen, Agnès aus den Fängen dieses Tyrannen zu entführen und bittet Arnolphe, die Entführte zum Schutz vor Verfolgung und aus Sorge um ihren guten Ruf, ein paar Tage bei sich aufzunehmen, worauf sich dieser nur zu bereitwillig einlässt. Nachdem Horace ihm Agnès bei der Nacht- und Nebelaktion anvertraut hat, überhäuft er diese zunächst mit Vorwürfen. Als sie sich auch von seiner Liebeserklärung und seinem Bitten und Betteln nicht beeindruckt zeigt, lässt Arnolphe das Mädchen von Alain wieder abführen. Wenig später erscheint jedoch Horaces Vater Oronte, um seinen Sohn mit der Tochter dieses gewissen Enrique zu vermählen, wie es schon seit langer Zeit vorgesehen war. Die neuen Missverständnisse klären sich auf, als sich herausstellt, dass Agnes eben diese verschollene Tochter Enriques ist, die als Kind von ihrer Mutter zu einer Frau aufs Land gegeben wurde. So fallen väterliche Wünsche und die Pläne der Liebenden zusammen; einer Heirat steht nichts mehr im Wege, Arnolphe muss sein Mündel freigeben und geht schlussendlich leer aus.
3. Die Stellung der Frau im 17. Jahrhundert
3.1. Patriarchalismus und Vorurteile gegenüber Weiblichkeit
Die Gesellschaft in der Zeit des Ancien Regimes war, wie in anderen Teilen Europas, eine durchweg männlich dominierte Welt. Eine Frau hatte im Allgemeinen wenig zu sagen oder gar zu bestimmen, also fast keinen Entscheidungsspielraum.
Sie wurde jeher in die untergeordnete Rolle eines patriarchalen Systems gezwängt, welche sie durch festgesetzte Vorstellungen und klardefinierte Aufgabenbereiche, in ihrer Selbständigkeit völlig einschränkte. Als Eigentum des Vaters ging sie durch die Heirat und den Ehestand in den Besitz des Ehemannes über.
Generell wurde die Frau als „the fragile Sex“5, das schwache Geschlecht, auf körperlicher wie geistiger Ebene, angesehen. Selbst positiv konnotierte Attribute, die mit Weiblichkeit assoziiert werden und wiederum der Rolle als Mutter und Erzieherin dienlich sind, wie Mitgefühl, Sanftheit und Liebe, betrachtete man als Widerschein ihrer physischen Schwäche.
Diese Liste von Beinamen für die Frau bzw. Begriffe, die laut Wörterbuch in jener Zeit mit Weiblichkeit stark assoziiert wurden, entnommen aus Georgia Cowarts Aufsatz: „Of woman, sex and folly“, kann als sinnvolle Veranschaulichung der Rolle bzw. des generellen Status der Frau im 17. Jahrhundert herangezogen werden.
– unstable (labil,unbeständig)
– indiscreet (taktlos, unklug, unüberlegt, unvorsichtig)
– delicate (grazil, leicht, gebrechlich, zartsinnig, anfällig, weichlich,
– jealous (eifersüchtig, neidisch)
– incorrigible (unverbesserlich)
– lewd (anstößig, anzüglich, lüstern, unanständig, unzüchtig)
– „lewd woman“ (Weibsperson)
– hairy ( behaart, brenzlig, riskant, aufregend)
– mad (wahnsinnig, verrückt, geisteskrank, irre, närrisch, zornig)
– wanton (frevelhaft, kriminell, lasziv, lüstern, wollüstig, geil)
– lying (verlogen, liegend)
– peevish (mürrisch, gereizt, reizbar, verdrossen)
– fraudulent (arglistig, betrügerisch, verlogen, falsch, unaufrichtig)
– pusillanimous (kleinmütig, verzagt, ängstlich, zaghaft, feige, unbeherzt)
– full-breasted (vollbusig, vollbrüstig)
– poisonous (giftig, gifthaltig)
– disloyal (treulos, illoyal, abtrünnig)
– quarrelsome (streitsüchtig, zänkisch, unverträglich, hadersüchtig)
– besotted ( verdummt, vernarrt, vernebelt, betört, liebestrunken)
– blabbing (schwatzend, ausplaudernd)
– passionate (leidenschaftlich, stürmisch, heißblütig, feurig)
– lascivious (lasziv, lüstern, wollüstig)
– fragile ( zerbrechlich, schwach, fragil, anfällig)
– vile (ekelhaft, abscheulich, anstößig, vulgär, niederträchtig, wertlos, schlecht)
– delicious (fein, köstlich, appetitlich, deliziös)
– foolish (albern, blöd, dumm, hohlköpfig, tollkühn, töricht, unklug)
– bewitching (bezaubernd, verzaubernd, betörend, verhexend)
– painted (geschminkt, angestrichen, getuscht, bemalt)
– dissolute (zügellos, ausschweifend, verlottert, liederlich)
– stupid (blöd, dämlich, bescheuert, dusselig, dumm, albern, unvernünftig)
– soft (weich, lieblich, zart, nachgiebig, mild, sacht)
Die Mehrheit dieser Bezeichnungen sind äußerst negativ und spiegeln somit recht repräsentativ die allgemeine Stimmung und den vorurteilsbehafteten Stand der Frau wieder.
[...]
1 „livres“: frz. für Pfund (von gleichbedeutend lat. libra) war vom 9. bis zum 18. Jahrhundert eine französische Einheit der Silberwährung. Durch die Verordnung vom 15. August 1795 wurde die Livre durch den Franc ersetzt.
2 Stenzel, 1987 S.126
3 In Akt 3, Szene 2 lässt Arnolphe Agnès die „Maximes du mariages ou les devoirs de la femme mariée“ die Ehemaximen des heiligen Gregor, vorlesen. Sie erscheinen im inhaltlichen Zusammenhang mit Unterdrückung und Gehorsamspflicht der Frau gegenüber dem Mann, was zur Eröffnung der Feindschaft zwischen Kirche und Molière führt
4 Die Kritiker hielten es für unwahrscheinlich, dass Agnès in so kurzer Zeit von einem völlig unmündigen, abhängigen, gehorsamen Wesen nur durch die Liebe zu Horace zu ihrer Individualität finden und sich von allen Zwängen befreien kann
5 Georgia Cowart, Seite 206