Berlin is in Neverland? Erlebnisgesellschaft im Film


Tesis de Máster, 2012

116 Páginas, Calificación: sehr gut


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. ERKENNTNISINTERESSE

3. METHODIK - MOGLICHKEIT EINER VISUELLEN SOZIOLOGIE

4. MODELLE DER SOZIALSTRUKTUR
4.1 Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede
4.1.1 Sozialer Raum
4.1.2 Kapitalformen
4.1.3 Habitus
4.1.4 Distinktion
4.2 Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft

5. ERLEBNISGESELLSCHAFT IM BERLIN-FILM
5.1 Filmauswahl
5.1.1 Drei
5.1.2 Herr Lehmann
5.1.3 Berlin Calling
5.2 Asthetisierung des Alltagslebens - Erlebnisorientiertes Handeln
5.3 Alltagsasthetische Schemata
5.2.1 Hochkulturschema
5.2.2 Trivialschema
5.2.3 Spannungsschema
5.3 Milieus
5.3.1 Niveaumilieu
5.3.2 Harmoniemilieu
5.3.3 Integrationsmilieu
5.3.4 Unterhaltungsmilieu
5.3.5 Selbstverwirklichungsmilieu

6. BERLIN IS IN NEVERLAND? RAUM UND ERLEBNISGESELLSCHAFT IM BERLIN-FILM
6.1 Milieu und Raum
6.1.1 Milieu und Stadtraum
6.1.2 Milieu und Wohnraum
6.2 Erlebnisort Berlin

7. KRISE UND ENDE DER ERLEBNISGESELLSCHAFT?
7.1 Krise der Erlebnisgesellschaft
7.2 Ende der Erlebnisgesellschaft

8. FAZIT

9. QUELLENVERZEICHNIS
Literatur
Internet
Filme
9. ANHANG
9.1 Eidesstattliche Erklarung
9.2 Sequenzprotokolle

1. Einleitung

Berlin ist eine Stadt des Wandels und des Umbruchs, eine Metropole, in die es viele zieht. Ein breites kulturelles Angebot und niedrige Lebenshaltungskosten sind gerade fur die junge Generation Grund, Berlin als Wohnort zu wahlen. Die Stadt dient dabei oftmals als Spielwiese fur alternative Lebensmodelle: „Berliner zu sein war schon immer eine Lebensentscheidung. Man zieht nicht her oder bleibt, um Karriere zu machen. Sondern um Lebensentwurfe zu realisieren, die woanders nicht im Angebot sind.u1 In Berlin kann Neues geschaffen werden - kreativ versteht sich. Dabei geht es nicht um Geld und Karriere, sondern um personliche Freiheiten und die Realisierung von Gluck. Berlin ist eine Stadt, in der das Erwachsenwerden noch Zeit hat: „Aufbauen, abreifien, ausprobieren, scheitern - von vorn anfangen. Das ist ein Privileg der Jugend. Die scheint in Berlin langer anzudauern als anderswo.“[1] [2] Es scheint, als lebe die Berliner Gesellschaft in einem permanenten Ausnahmezustand des Amusements. In der Hertie-Berlin Studie 2009 gaben 86% der befragten Berliner an, typische Eigenschaften der Berliner seien es, sich zu amusieren und Spafi zu haben. 84% sagten aus, Berliner wurden immer wieder uber die Runden kommen.[3] Anhand dieser Aussagen werden auch die Gegensatze deutlich, die Berlin in sich vereint. Denn die Hauptstadt ist nicht nur Ort kultureller Events, Start-ups und durchfeierter Nachte, sondern auch gleichzeitig sozialer Brennpunkt, in dem viele eben nur so „uber die Runden“ kommen. Viertel wie Neukolln weisen eine hohe Migrationsdichte, eine hohe Kriminalitatsrate unter Jugendlichen[4] und eine erhohte Schuldenquote auf.187 Die Hauptstadt versinnbildlicht den Umbruch und den Fortschritt genauso wie Orientierungslosigkeit und Divergenz.

Doch was die Stadt treibt ist Kreativitat, Amusement und die Sehnsucht nach ewiger Jugend - so erinnert Berlin an die fiktive Insel Neverland aus der Geschichte Peter Pan von James M. Barrie.[5] Peter Pan, der Junge der niemals erwachsen werden will, entfuhrt eines Nachts das Madchen Wendy mit ihren beiden jungeren Brudern nach Neverland, wo er gemeinsam mit den verloren Jungen gegen den Piraten Kapt'n Hook kampft. Neverland ist ein phantastischer Ort, voller Feen, Indianer und Piraten, wo die verlorenen Jungen ohne Eltern leben und Peter Pan ihr Anfuhrer ist. Die Geschichte gilt langst als Klassiker und wurde mehrmals verfilmt.

So sehr wie Berlin an Neverland erinnert, so sehr drangt sich einem der Vergleich der Berliner Gesellschaft mit dem Modell der Erlebnisgesellschaft auf, die Gerhard Schulze 1992 in seinem Hauptwerk Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart beschrieb.[6] Die Erlebnisgesellschaft verfolgt den Imperativ „Erlebe dein Leben!“.[7] Eine innenorientierte Lebensauffassung instrumentalisiert Erlebnisse fur das „Projekt des schonen Lebens“.[8] Doch inwieweit lasst sich dieser Lebensentwurf wirklich auf die Berliner Gesellschaft ubertragen?

Die vorliegende Arbeit ist der Versuch einer Annaherung an einen Berliner Lebensentwurf anhand der Theorie der Erlebnisgesellschaft unter Berucksichtigung der Stadt als Ort der Moglichkeiten. Drei Berlin-Filme - Herr Lehmann (2003), Berlin Calling (2008) und Drei (2010) - dienen dabei einer exemplarischen Analyse. In den Filmen leben die Protagonisten im Zwiespalt zwischen burgerlicher SpieBigkeit und narzisstischer Selbstverwirklichung. Inmitten von Drogenrausch, Beziehungsdrama und Erwachsenwerden ist das Schicksal der jungen Berliner eng verknupft mit der Melodie der Stadt.

2. Erkenntnisinteresse

Das Erkenntnisinteresse einer filmanalytischen Arbeit kann sich nach Mikos auf funf verschiedenen Ebenen beziehen, wobei jede in Verbindung zur anderen stehen kann[9]:

- Inhalt und Representation
- Narration und Dramaturgie
- Figuren und Akteure
- Asthetik und Gestaltung
- Kontexte

Die vorliegende Arbeit bewegt sich auf der Ebene der Kontexte, insbesondere auf der des Diskurses und der Lebenswelten[10]. Die Annahme ist hier, dass Film- und Fernsehtexte einerseits immer in Zusammenhang stehen mit den aktuellen Diskursen ihrer Gesellschaft.[11] Und andererseits kann davon ausgegangen werden, dass Film im Kontext der Lebenswelt rezipiert und produziert wird. Filminhalte bilden Lebenswelten ab, die Mikos definiert als „[...]ein auf Kommunikation und damit auf Prozesse symbolischer Verstandigung grundender Handlungs- und Erfahrungsraum, in dessen Rahmen die handelnden Menschen die Welt interpretieren.“

In dieser Arbeit soll kein Ansatz der Rezeptionsforschung verfolgt werden, sondern eine Untersuchung der dargestellten Lebensmodelle auf der Grundlage von Schulzes Sozialstrukturmodell erfolgen. Forschungsobjekt ist dabei ausschlieBlich das mediale Filmprodukt.

Mit Hilfe der Filmanalyse wird der Versuch unternommen, die Theorie der Erlebnisgesellschaft von Schulze auf die Lebensmodelle der Protagonisten der drei Beispielfilme Herr Lehmann, Berlin Calling und Drei anzuwenden. Der Kontext der Sozialstrukturmodelle wird dabei durch einen Vergleich mit den Theorien Bourdieus hergestellt.

Im Erkenntnisinteresse der Arbeit liegt auBerdem die Stadtdarstellung Berlins in den Beispielfilmen, wobei besonderes Augenmerk darauf gelegt werden wird, inwieweit die Lebensmodelle und Situationen der Protagonisten mit den raumlichen Lebensumstanden zusammenhangen. Die Annahme ist hierbei, dass Berlin als Ort unzahliger Erlebnisangebote die von Schulze beschriebene Gesellschaftsform ermoglicht und fordert. Berlin wird damit zum Neverland, einem Ort unbegrenzter Moglichkeiten, an dem seine Einwohner nicht zum Erwachsenwerden gezwungen sind.

Die Arbeit ist damit sowohl als eine Untersuchung des Diskurses als auch der Lebenswelten angelegt, da sie die Lebensmodelle der Protagonisten selbst zum Diskursthema erhebt. So soll in einem abschlieBenden Kapitel der These nachgegangen werden, dass die Protagonisten in ihrem Lebensmodell der Erlebnisgesellschaft in eine Krise geraten und es daraufhin uberdenken.

Im Folgenden soll der Moglichkeit einer visuellen Soziologie nachgegangen und ein Blick auf die diesbezugliche Forschungstradition geworfen werden. Der anschlieBenden Analyse ist ein Vergleich der Modelle Bourdieus und Schulzes vorangestellt. Schulzes Ausfuhrungen zur Erlebnisgesellschaft und die damit zusammenhangenden alltagsasthetischen Schemata sowie sozialen Milieus werden schlieBlich auf die Beispielfilme angewendet werden.[12]

3. Methodik - Moglichkeit einer visuellen Soziologie

Die moglichen Perspektiven der Auseinandersetzung mit dem Medium Film umspannen verschiedene Variationen. Aus einem anthropologischen Interesse heraus konnen ethnografische Filme in Hinblick auf ihre Sicht auf Kulturen untersucht werden. Dokumentarfilme selbst entstehen aus solch einem anthropologischen Blick und bilden fremde Volker und Kulturen ab. Filmwissenschaftler wie auch Filmpraktiker wurden dagegen eher Schnitt, Kamerafuhrung, Produktionsbedingungen, Genre, Filmgeschichte und Filmtheorie interessieren. Historikern dient Film als Zeitzeugnis, um Kulturen aus unterschiedlichen Epochen zu beschreiben.[13]

In dieser Arbeit nun soll der Versuch unternommen werden, eine soziologische Theorie mithilfe der analytischen Methoden der Medien- bzw. der Filmwissenschaften zu untersuchen. Film wird so zum Untersuchungsgegenstand soziologischer Theorie aus einer filmwissenschaftlichen Perspektive heraus. Das Medium dient damit einerseits als Zeugnis gesellschaftlicher Strukturen wie auch aktueller Gegenwartsgeschichte. Doch inwieweit kann Film, insbesondere fiktionaler, Zeugnis gesellschaftlicher Strukturen und Entwicklungen sein? Die Frage, welche Realitat im Film uberhaupt abgebildet wird, verdient eine genauere Zuwendung. Sollte ein Forschungsgegenstand nicht objektiver Natur sein, um als Grundlage evidenten Ergebnissen dienen zu konnen? Ist es nicht gerade dieser Umstand, der durch die kunstlerische und subjektive Sicht des Filmemachers per se nicht erfullt werden kann?

Mit Blick auf das Forschungsinteresse kann solchen Bedenken jedoch widersprochen werden, ist es schliefilich der Zeitgeist, der durch den Blick des Filmemachers auf bewegten Bildern eingefangen wird und nur durch dessen Subjektivitat und kunstlerischen Ansatz seinen Ausdruck findet. Und eben dieser Zeitgeist soll Gegenstand der Untersuchung sein. Gerade durch die audiovisuelle Umsetzung kann Film viel naher an sozialer Wirklichkeit sein, als es Texte vermogen. Hier setzt die Moglichkeit einer visuellen Soziologie ein, die laut Horwitz durch die Etablierung einer Bildempirie in der Sozialwissenschaft geschaffen werden kann.[14] Mit visueller Soziologie ist schlicht die Auseinandersetzung mit visuellem Material unter soziologischen Gesichtspunkten gemeint:

„Die visuelle Dimension in der sozialwissenschaftlichen Forschung betrifft entweder die Arbeit mit Abbildungen und Darstellungen wie Fotografien, Filmen und Videoaufnahmen oder die sichtbaren Manifestationen sozialer Tatbestande und Ereignisse als etwas der Anschauung Zugangliches und Abbildbares.“[15]

Schandlinger hat sich in seinem 1998 erschienen Buch Erfahrungsbilder. Visuelle Soziologie und dokumentarischer Film ausschliefilich auf Dokumentarfilm konzentriert.[16] In dieser Arbeit soll nun aber fiktionaler Film der Untersuchung dienen. Fur die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Film ist es wichtig, seine Subjektivitat anzuerkennen, und sie in die Analysen einzubeziehen, denn gerade in seiner Darstellungsweise und Erzahlung kann Film Geschichte in Form von individuellen Einzelschicksalen erzahlen.“[17] Durch viele Einzelgeschichten, die jede fur sich eine individuelle Erfahrungsweise der Wirklichkeit darstellen, konnen Aussagen uber soziale Verhaltnisse generiert werden. Dabei darf selbstverstandlich nicht eine einzelne Filmgeschichte als Reprasentanz dienen. Vielmehr sollte von einer Organisation der Erfahrungsweisen von Wirklichkeit gesprochen werden.[18]

Der Fokus dieser Arbeit liegt in der Untersuchung der sich im Film manifestierenden sozialen Inhalte im Sinne von reprasentierten Gesellschaftsbildern. Film ist dabei nicht nur als alleiniges Werk des Autors, Regisseurs oder Produzenten zu sehen. Film ist auch Ergebnis der gesellschaftlichen Umstande und Seherwartungen seines Publikums. Osterland spricht gar von einer Wechselwirkung des Gezeigten mit dem Publikum. So beeinflusst das Publikum den Inhalt, wie auch der Inhalt das Publikum. Diese Verbindung erst verleiht einer soziologischen Sichtweise, die auch Aussagen uber die Gesellschaft an sich treffen mochte, Sinn: „Was das Publikum zu sehen wunscht und wie die Filmproduzenten wunschen, dafi es die Gesellschaft sahe, erlaubte Ruckschlusse auf die Gesellschaft selbst.“[19] Osterland hat in seiner Dissertation mit einer quantitativen Forschungsmethode 2281 der rund 7300 in- und auslandischen Spielfilme, die in Jahren von 1949 bis 1964 in deutschen Kinos erstaufgefuhrt wurden, auf ihre Themen hin untersucht. Dies erlaubte ihm Aussagen uber das Kino dieser Jahre, Gesellschaftsdarstellung und Haufigkeiten der Themen sowie deren Natur zu treffen: „Danach wufite er, dafi sich die Konservativen irren und die Kino-Produkte 'gesellschaftliche Strukturen' nicht 'zersetzen', sondern allenfalls 'passiv widerspiegeln'.“[20] Die Einsicht Osterlands, Film konne als Spiegelung gesellschaftlicher Strukturen dienen, soll in dieser Arbeit uber 40 Jahre nach seiner Dissertation wieder aufgegriffen werden.

Die Moglichkeit der quantitativen Empirie wird jedoch nur in Theorie angesprochen bleiben, ist doch die Anzahl der Filme wie auch die angewandte qualitative Forschungsmethode der Filmanalyse an empirischen Mafistaben gemessen nicht zu allgemeingultigen Aussagen fahig. Hier steht vielmehr die Generierung von Hypothesen im Mittelpunkt.

Neben einer Analyse der Gesellschaftsbilder und Strukturen ist es vor allem die Verbindung mit der Stadtdarstellung im Film, die far diese Arbeit von Interesse sein wird. Eine Analyse der Stadtdarstellung der Filme ermoglicht dabei einen besonderen Beitrag zur Urbanistik. Drei Perspektiven konnen hier eingenommen werden. Zunachst kann Film als historische Quelle dienen. Die im Film dargestellte Perspektive vermittelt Informationen uber die reale Stadt. Dies gilt insbesondere fur historische Filme:

„Man darf nicht vergessen, dab die materiale Ebene der meisten Filme - ihre Tatorte, ihre Landschaften, ihre Architektur, ihre Fahrzeuge und Inneneinrichtungen, ihre Bahnhofe, Polizeistationen, Standesamter, Gefangnisse, Friedhofe, Krankenhauser, Badeanstalten, Hotels, Kaufhauser und FuBballstadien - kurz, ihre gesamte dingliche Rhetorik - tendenziell realistisch ist und dokumentarischen Wert hat. Nur die Handlungen sind erfunden, der materiale Rahmen ist gefunden, an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten.“[21]

Eine zweite Perspektive kann den Film als Ausdruck bestimmter kulturell vorgegebener Deutungs- und Erzahlformen im Hinblick auf bestimmte Stadte betrachten. Diese Perspektive kommt der hier angestrebten am nachsten. Die dritte von Joerges beschriebene Perspektive nimmt ein absolutes Versinken in der Welt der Bilder an.[22]

Filme, deren Handlung eng mit der Stadt verknupft ist, in der sie spielen, vermitteln deren Sozialgeschichte.[23] Die Stadtdarstellung in Filmen kann so einerseits dazu dienen, Ruckschlusse auf in der Gesellschaft zirkulierende Reprasentationen groBer Stadte zu ziehen, und gibt andererseits Aufschluss uber das subjektive Stadtempfinden der Menschen. Denn Filme pragen das Bild der Menschen uber die Stadte. Die Analyse der Filme ermoglicht dadurch auch die Sicht auf die Stadte in den Kopfen der Menschen. Die Grundvorstellungen uber Stadte wie Asthetik, aber auch Struktur finden in der filmischen Umsetzung einen eigenen Ausdruck.[24]

Das Thema der Stadtdarstellung im Film wird seit Mitte der 1990er Jahre vor allem im angelsachsischen Bereich immer wieder in Konferenzen behandelt: Screenscapes (1993/ Leeds, UK), Cine City (1994/ Los Angeles, USA), Cinema and the City (1999/ Dublin, Irland), Visualising the City (Manchester, UK), Cinema at the City's Edge: Film and Urban Space in East Asia (2006/ Washington, USA), Eyes on the City (2006/Urbino, Italien).[25] Im Jahr 2012 findet in New York eine Konferenz mit dem Thema: Re-Visualizing The City statt.[26] Olga Maria Hungar wertete in ihrer Dissertation entsprechende Fachzeitschriften aus den Jahren 1989 - 2000 aus und kam zu dem Ergebnis, dass in den insgesamt 56 Artikel insbesondere zwei Filme in Bezug auf die Thematik Stadtarchitektur im Film genannt wurden. Blade Runner (1982) von Ridley Scott sowie Metropolis (1927) von Fritz Lang wurden durchschnittlich in jedem zweiten der Artikel erwahnt.[27]

Hungars Dissertation setzt ihren Forschungsschwerpunkt einerseits auf den Film als Inspirationsquelle und gestalterisches Experimentierfeld fur Architekten und Stadtplaner und andererseits untersucht sie die wechselseitigen Einflussnahmen von Stadt und Stadt im Film.[28]

Bevor zu einer Analyse der Stadtdarstellung im Film in Bezug auf die gesellschaftlichen Strukturen ubergegangen werden kann, soll an dieser Stelle die Bedeutung von Raum fur die Gesellschaft geklart werden. Hier kommt man nicht umhin, Stadt- und Gesellschaftssoziologie miteinander zu verbinden und Bourdieu heranzuziehen, dessen Sozialstrukturanalyse im nachsten Kapitel beschrieben wird.[29]

Manderscheid merkt an, dass eine Vernachlassigung dieses Ansatzes immer wieder zu beobachten sei, genauso wie die haufig „vorwiegend materiell argumentierenden Raumwissenschaften die Zusammenhange zwischen dem Sozialen und dem Raumlichen aus dem Blick verlieren.“[30] Raum darf also nicht nur als „materielles Objekt“ betrachtet werden, da dies seine sozialen Dimensionen verleugnet. Low spricht gar in Bezug auf Raum weniger von einem geographischen als vielmehr von einem soziologischen Gegenstand, der aufgrund sozialer Prozesse entsteht, reproduziert und verandert wird.[31] So konnen aus raumlich beobachtbaren Entwicklungen Ruckschlusse gezogen werden auf gesellschaftliche Veranderungen und umgekehrt. Low geht in ihren Ausfuhrungen sogar so weit, die Menschen selbst als Teil des Raumes anzusehen. Als Beispiel beschreibt sie eine Diskothek, die erst durch die Tanzenden zum eigentlich Raum wird. Die Menschen werden so zu einem Element des Raumes.[32] Der Raum ist somit selbst ein Produkt, welches erst aus den Umstanden hergeleitet werden muss.

Es wird folglich der Versuch unternommen, eine Strukturanalyse eines „sozialen Raumes“ mit der eines geografisch-materiellen Raumes in Verbindung zu setzen.

Auch Wohnraum kann als Ausdruck von Lebensstil gewertet werden, Wohnen und Wohnstandortwahl wird zum Distinktionsmittel und Ausdruck eines urbanen Lebensstils und damit auch eines bestimmten Habitus.[33]

Durch die Erweiterung der Stadtsoziologie mit Sozialstrukturanalysen konnen Aussagen uber Gesellschaft getroffen werden: „[...] ungleichheitstheoretische Erweiterung von sozialraumlichen Analysen erlaubt es also, raumlich beobachtbare Phanomene in einen groBeren gesellschaftlichen Rahmen einzuordnen.“[34]

Bourdieu sieht den Zusammenhang von Raum und sozialen Prozessen vor allem in Verteilung, Distanzen und in den Anordnungen begrundet: „Es ist der Habitus, der das Habitat macht.“[35] Der soziale Raum eigne sich den physischen Raum an, wodurch dieser Auskunft uber die Stellung im sozialen Raum geben konne.

Manderscheid kritisiert, dass die Chance verloren gehe, „[...] Wechselwirkungen zwischen dem Sozialen und dem Raumlichen genauer zu untersuchen und vor allem die Rolle des Raumlichen fur die Reproduktion von sozialen Ungleichheitsrelationen zu fokussieren.“[36] Auch Low kritisiert die mangelnde Wechselwirkung, da sich auch Raum auf das Soziale auswirken[37]

Der Begriff „sozialer Raum“ hat in Bourdieus Konstrukt einer soziokulturellen Klassentheorie eine Bedeutung inne, die uber die bisherigen Ausfuhrungen weit hinaus geht. Eine genauere Beschreibung wie auch Definition soll ausfuhrlicher folgen.

In der vorliegenden Arbeit wird mit Bezug auf die angewandte Theorie der Erlebnisgesellschaft auf die sich in den raumlichen Gegebenheiten manifestierenden Unterschiede der Schemata und der Milieus eingegangen. Die Bedeutung einer Analyse von Raum im Zusammenwirken gesellschaftlicher Gruppen soll herausgearbeitet und die dargestellten Unterschiede in das Sozialstrukturmodell Schulzes eingeordnet werden.

Film wird als soziologischer Untersuchungsgegenstand mithilfe filmwissenschaftlicher Methodik verwendet. Die Subjektivitat des Films wird dabei gleichsam als Vor- und Nachteil anerkannt und bei den Ergebnissen berucksichtigt. So kann sowohl aufgrund des Mediums an sich sowie der Filmauswahl nicht von einer Representation aller Schichten, Milieus oder Nationalitaten ausgegangen werden. Auch in der Stadtdarstellung soll mit den gegebenen Ausschnitten gearbeitet und nicht der Anspruch auf Vollstandigkeit erhoben werden.

Auf der Ebene der dramaturgischen Erzahlweise ist mit stereotypen Darstellungen von Handlungen, Figuren und Konflikten zu rechnen, die zwar eine konzentrierte Problemdarstellung zur Folge haben, damit aber auch eine Analyse der Themen, die zum Entstehungszeitpunkt fur die Filmemacher aktuell waren, erleichtern. Die Konflikte, die in Filmen eine Rolle spielen, sind nach dramaturgischen Gesichtspunkten ausgewahlt worden, und spiegeln demnach nicht das Alltagliche, sondern eher das Ungewohnliche wider. Film ist immer selektiv und subjektiv. Bei Anwendung oder Uberprufung von Theorien darf daher nicht von einem objektiven Geltungsanspruch ausgegangen werden, sondern es muss der subjektive Blick des Filmemachers sowie die Freiheit der kunstlerischen Umsetzung berucksichtigt werden. Film kann demzufolge keine objektive Abbildung der Realitat sein - dokumentarischer Film nicht und fiktionaler erst recht nicht. Aber Film zeigt erlebte Erlebnisse. In der Filmanalyse besteht daher die Chance, Zeitgeist, der mit den Mitteln der Asthetik, Dramatik, in Konflikten und ganz allgemein der Figurendarstellung hervortritt, zu erkennen und zu beschreiben und so nach einer visuellen Soziologie vorzugehen.

Um dem Verlust dieser Wirklichkeit durch Vertextlichung bei einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung entgegenzuwirken, schlagt Matthias Horwitz vor, so lange wie moglich im Medium zu verbleiben.[38] Diesem Anspruch soll insofern entsprochen werden, als dass die Arbeit moglichst nah an den Filmbeispielen argumentieren und Passagen zitieren wird. Screenshots dienen der Visualisierung des Dargelegten. Daruber hinaus wurden fur die Filme Sequenzprotokolle angefertigt, in denen insbesondere die im jeweiligen Film vorkommenden Erlebnisse und Erlebnisorte berucksichtigt wurden. Die Screenshots in den Protokollen beziehen sich insbesondere auf die jeweilige Stadtdarstellung. In einer weiteren Spalte finden sich teilweise Zitate aus den zugehorigen Sequenzen, die sich im direkten Bezug zum Erkenntnisinteresse befinden. Auf ein detaillierteres und textlastiges Filmprotokoll wurde in dieser Arbeit verzichtet. Diese Vorgehensweise wird von Hickethier selbst bevorzugt, der durch die vornehmliche Nutzung des primaren Mediums die Chance sieht, einer Literarisierung des Filmes zu entgehen.[39]

Trotzdem ist der Umstand nicht zu leugnen, dass, wie Hickethier in seinen Ausfuhrung zur Methodik anmerkt, die Filmanalyse gegenuber dem Primartext des Films immer nur sekundarer Text sein kann. In der Versprachlichung liege aber zugleich die Chance, Unbewusstes bewusst zu machen und nicht offensichtliche Strukturen aufzuzeigen.[40]

4. Modelle der Sozialstruktur

Da die Auseinandersetzung mit den Sozialstrukturanalysen verschiedener Gesellschaftstheoretiker den Umfang einer eigenen Arbeit in Anspruch nahme, wird an dieser Stelle exemplarisch auf Pierre Bourdieus soziokulturelle Klassentheorie und schliefilich auf die darauf aufbauende, weiterfuhrende und teils auch widerlegende Theorie der

Erlebnisgesellschaft von Gerhard Schulze eingegangen. Die Erwahnung der Theorie Bourdieus dient vor allem der Verdeutlichung zweier Positionen einer Kontroverse der Sozialstrukturanalyseforschung, die in den 80er Jahren in Deutschland intensiv gefuhrt wurde. Streitpunkt dabei war die Forderung nach einer Auflosung klassisch vertikal strukturierter Klassen- und Schichtmodelle zugunsten von horizontalen, wie es beispielsweise bei Schulzes Erlebnisgesellschaft der Fall ist. Hier losen Milieu- und Lebensstilkonzepte Klassenkonzepte ab. Bourdieus Theorie, die an sich einer vertikalen Strukturierung folgt, integrierte erstmals horizontale Elemente und diente damit der Argumentation einiger Wissenschaftler, die von einer Pluralisierung der Klassengesellschaft sprachen, anstatt einer volligen Auflosung derselben.[41] Auch wenn es hier nicht zu einer ausfuhrlichen Thematisierung oder gar Losung dieses Konflikts kommen kann, soll er doch nicht unerwahnt bleiben.

Schulzes Erlebnisgesellschaft erschien 1992, zehn Jahre nach Bourdieus Die feinen Unterschiede. Der Vergleich der beiden Theoriemodelle dient der Verortung der angewandten Theorie der Erlebnisgesellschaft im wissenschaftlichen Diskurs. Die Auseinandersetzung mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten verdeutlichen Starken und Schwachen und dienen der Vermeidung eines unkritischen Umgangs mit der Theorie der Erlebnisgesellschaft. Durch dieses Vorgehen wird Schulzes Forderung Folge geleistet, uber Eigenschaften von Gesellschaften nur vergleichend zu reden.[42]

Nach einem kurzen Abriss von Bourdieus Ausfuhrungen wird der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Theorie der Erlebnisgesellschaft liegen, die schliefilich auf die drei exemplarischen Filme angewandt wird. Eine luckenlose Darstellung der Theorie Bourdieus ist weder Ziel der Arbeit noch kann sie in diesem Rahmen gewahrleistet werden. Die Wahl der Theorie der Erlebnisgesellschaft sagt jedoch nichts uber den Gultigkeitsanspruch anderer Theorien aus.

4.1 Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede

Der 1930 in Denguin in Frankreich geborene und aus einfachen Verhaltnissen stammende Pierre Bourdieu studierte Philosophie und Ethnologie. Ab 1982 unterrichtete er am College de France auf dem Lehrstuhl fur Soziologie. Pierre Bourdieu, der als einer der einflussreichsten, aber auch umstrittensten Sozialwissenschaftler der Welt gilt, starb 2002 in Paris.[43] Bourdieus empirische Untersuchungen basieren auf einer Datenerhebung in Frankreich mit 692 Fragebogen im Jahr 1963, erganzt durch weitere 525 Fragebogen im Jahr 1967/68.

Bourdieus Theorien beschaftigen sich mit dem Einfluss objektiv gegebener Lebensumstande wie z.B. sozialer Unterschiede auf die subjektive Lebensfuhrung, den „Habitus“ des Menschen. Im Blickpunkt seiner Arbeit stand somit „[...] das erkenntnistheoretische Problem der Vermittlung zwischen objektiven Strukturen und subjektiven Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsweisen [...], das auch die gegenwartige geschichtswissenschaftliche Diskussion in Deutschland pragt.“[44]

In seinem Hauptwerk Die feinen Unterschiede (1982) beschaftigt er sich mit dem Verhaltnis von Herrschaft, Kultur und sozialer Ungleichheit. Bourdieus grundlegende Argumentationen zur sozialen Gliederung basieren auf der Annahme, dass kulturelle Praktiken und Vorlieben zur Stabilisierung von Klassen und Herrschaftsstrukturen fuhren. Klassenzugehorigkeit und Lebensfuhrung sind eng aneinander gebunden und im Habituskonzept thematisiert. Die Klassenzugehorigkeit findet in Lebensstilen Ausdruck, die als Distinktionsmerkmale dienen. An sich ist Bourdieus Klassentheorie vertikal gegliedert, wird aber mit kultursoziologischen Analysen von Lebensstilen verbunden. Die Anreicherung des vertikalen Models durch eine horizontale Sphare wird in seinen Ausfuhrungen zum sozialen Raum deutlich, der nicht nur durch eine vertikale, sondern auch durch eine horizontale Achse strukturiert ist. Bourdieu erweitert somit das Klassenkonzept durch seine Theorie des sozialen Raumes. „Das ermoglicht es, die Dynamik und Differenziertheit moderner Gesellschaften zum Ausdruck zu bringen und insbesondere die zunehmende Bedeutung von Bildung fur die Klassenstruktur aufzunehmen.“[45] Nicht nur die Differenziertheit moderner Gesellschaften, sondern auch die Re-Produktion sozialer Ungleichheitsstrukturen werden durch Bourdieus Konzept soziologisch erklarbar. In diesem Prozess nimmt Kultur einen wichtigen Stellenwert ein:

„Seine Argumentation ist, dass die asthetischen und ethischen Urteile der Akteure, die Wertschatzung gegenuber Werken der Kunst, die Vorliebe far bestimmte Praktiken des Freizeitverhaltens bis hin zu politischen Stellungnahmen, immer an soziale Voraussetzungen gebunden sind, und dass diese Voraussetzungen insbesondere von denen dementiert werden, die fur sich selbst den Anspruch nehmen, zu bestimmen, was legitime Kultur ausmacht. Auf diese Weise werden die asthetischen und ethischen Sichtweisen selbst zum Mittel, um Unterschiede herzustellen und Macht und Herrschaft auszuuben.“[46]

Da die Theorie der Klassen in soziokulturellen Gesellschaftsstudien integriert ist, kann sie nicht separat betrachtet werden. Zum Verstandnis von Bourdieus Ausfuhrungen zu sozialen Klassen mussen daher verschiedene Begrifflichkeiten erlautert werden.[47]

4.1.1 Sozialer Raum

Bourdieu entwickelte zur Darstellung der Sozialstruktur ein Modell des sozialen Raums, welches sich aus verschiedenen sozialen Feldern zusammensetzt und so soziale Ungleichheitsverhaltnisse aufzeigt. Die Positionen der Menschen innerhalb des Modells beziehungsweise des sozialen Raums befinden sich im „permanenten Verteilungskampf, das heifit auch in permanenter Bewegung.“[48] Beim sozialen Raum handelt es sich um eine „abstrakte Darstellung, ein Konstrukt, das analog einer Landkarte einen Uberblick bietet, einen Standpunkt oberhalb der Standpunkte, von denen aus die Akteure in ihrem Alltagsverhalten (...) ihren Blick auf die soziale Welt richten.“[49]

Bourdieu verortet die gesellschaftlichen Positionen der Menschen einerseits („Raum der sozialen Positionen“) und ihrer Lebensstile („Raum der Lebensstile“) andererseits. Die sozialen Positionen sind dabei bedingt durch die Kriterien Kapitalvolumen (Gesamtumfang), Kapitalstruktur (Zusammensetzung) und soziale Laufbahn (zeitliche Entwicklung) und bilden die objektiven Lebensverhaltnisse der Menschen ab. Dabei sind vor allem das okonomische sowie das kulturelle Kapital ausschlaggebend:

"Der soziale Raum ist so konstruiert, dafi die Verteilung der Akteure oder Gruppen in ihm der Position entspricht, die sich aus ihrer statistischen Verteilung nach zwei Unterscheidungsprinzipien ergibt, (...) namlich das okonomische Kapital und das kulturelle Kapital.“[50]

Neben dem kulturellen und okonomischen bildet das soziale Kapital die dritte Dimension des Raumes aus. Diesem dreidimensionalen Raum wird schliefilich der Raum der Lebensstile hinzugefugt:

„Mit dem Raum der Lebensstile werden die symbolischen Merkmale der Lebensfuhrung erfasst, die sich nicht nur aus den zur Verfugung stehenden Ressourcen erklaren, sondern auch aus gruppen- und klassenspezifischen und insofern subjektiven asthetischen Urteilen, Praxisformen und Wahrnehmungen.“[51]

Die Verbindung zwischen dem objektiven Raum sozialer Positionen, der durch die Ressourcen bestimmt ist, und dem subjektiven Raum der Lebensstile, bedingt durch Wahrnehmungen, Wertvorstellungen, asthetischen Urteilen etc. leistet der Habitus, „[...] so dass jeder Klasse bestimmte habituelle Dispositionssysteme zugeordnet werden konnen.“51

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafik 1: Sozialer Raum nach Bourdieu[52] [53]

4.1.2 Kapitalformen

Bourdieu erweitert den Marx'schen Kapitalbegriff, indem er drei Kapitalarten unterscheidet: das okonomische, das kulturelle und das soziale Kapital. Neben den drei Hauptformen nennt er zudem das symbolische Kapital, welches auf Bekanntheit und Anerkennung der anderen Kapitalsorten grundet und eine Verfugung uber diese impliziert. Gemeint sind beispielsweise Prestige, Reputation und Ehre.

Unter okonomischem Kapital versteht Bourdieu Besitz und Vermogen, Voraussetzung ist hier die Moglichkeit der monetaren Uberfuhrung. Kulturelles Kapital ist unterteilt in drei Arten: das inkorporierte, das objektivierte und das institutionalisierte Kulturkapital. Das inkorporierte bezeichnet internalisiertes Kapital infolge sozialisierter Kompetenz als kognitives Wissen oder asthetischen Geschmack. Beispielhaft lasst sich hier schulisch erworbene Bildung nennen. Als objektiviertes Kulturkapital wird materielles Kulturgut definiert, welches erworben werden kann, jedoch kulturelles Wissen erfordert. Institutionalisiertes kulturelles Kapital wird durch Titel, als Ausdruck von Bildung verkorpert. Soziales Kapital impliziert das Verfugen uber ein soziales Netzwerk und die dadurch entstehenden Ressourcen.

4.1.3 Habitus

Das Habituskonzept beschreibt ein System von klassenspezifischen Dispositionen, das Denk-, Wahrnehmungs- und Beurteilungsschemata bildet. Die Handlungen der Menschen sind durch den Habitus gesteuert, der inkorporiert, also verinnerlicht und damit unbewusst auf verschiedenste Praxisformen anwendbar ist. Der Habitus erzeugt Praxisformen (Lebensstile) und entwickelt sich aus der Struktur (Raum sozialer Positionen). Damit ist der Habitus selbst ein gesellschaftliches Produkt:

„Der Habitus ist nicht nur strukturierende, die Praxis wie deren Wahrnehmung organisierende Struktur, sondern auch strukturierte Struktur: das Prinzip der Teilung in logische Klassen, das der Wahnehmung der sozialen Welt zugrunde liegt, ist seinerseits Produkt der Verinnerlichung der Teilung in soziale Klassen.“[54]

Der Habitus ist allerdings nicht als Schema zu verstehen, das identisch auf Situationen angewandt werden kann. Vielmehr ist es eine Art und Weise des Handelns, die individuell angeeignet, auf andere Situationen ubertragen und variiert werden kann.[55]

4.1.4 Distinktion

In Bourdieus Theorie dient Kultur als Ansatzpunkt zur Erklarung vertikaler Gesellschaftsstrukturen. Die Klassen grenzen sich durch Vorlieben, Geschmack und Konsum als Indikatoren voneinander ab. Im Konsum von Klassenspezifischem wie beispielsweise Kunst, Nahrung, Kleidung oder Einrichtung konnen Geschmack ausgedruckt und damit Ruckschlusse auf Klassenzugehorigkeit gezogen werden. Hohere Klassen setzen eigene Kultur ein, um sich von niederen Klassen abzugrenzen. Durch die Ausubung eines Lebensstils, der von anderen nicht leicht nachahmbar ist, heben sie sich von anderen positiv ab. Dieser ausgeubte Geschmack, der der Distinktion dient, durchzieht alle Lebensbereiche und findet Ausdruck im Lebensstil. Hieraus besteht das Mittel zur Unterscheidung und Distinktion also zur Abgrenzung innerhalb einer symbolischen Ordnung. Jede Praxis ist nach Bourdieu distinktiv und durch den Habitus gesteuert.

4.2 Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft

Gerhard Schulze, geboren 1944, studierte in Munchen und Nurnberg Soziologie und ist Professor fur Methoden der empirischen Sozialforschung und Wissenschaftstheorie an der Universitat Bamberg. Gerhard Schulzes Hauptwerk Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart (1992) fand nicht nur in Fachkreisen Beachtung. Seine Theorie beruht auf einer in der Nurnberger Gesellschaft verorteten empirischen Studie, bei der 1014 Personen bei einer Grundgesamtheit von 500.000 Personen im Jahr 1985 befragt wurden. Die Ergebnisse werden ausschliefilich auf die BRD Mitte der achtziger Jahre bezogen, wobei die Gruppe der Auslander beziehungsweise der Migranten nicht berucksichtigt wurde.[56] Die Empirie beruht auf einem Hauptfragebogen, angewandt in einem mundlichen Interview, einem schriftlich zu bearbeitenden Textbogen und einem Fragebogen fur Beobachtungen durch die Interviewer zu beispielsweise Verhalten, Ambiente oder auch Dialekten.[57] Schulze bezieht sich auf Bourdieu und distanziert sich gleichzeitig aus raumzeitlichen Grunden:

„Bei einer Theorie unserer eigenen Kultur ist es sinnvoll, Bourdieu nicht nur systematisch mit einzubeziehen und sich die Anregungen zu holen, die er geben kann, sondern ihn an bestimmten Stellen auch systematisch zu vergessen. Von dem Modell, mit dem Bourdieu Frankreich in den sechziger und siebziger Jahren portraitiert, kann man bei der Analyse der Bundesrepublik in den achtziger und neunziger Jahren einige analytische Mittel ubernehmen, nicht aber auch nur eines der damit erzielten Ergebnisse. Das bedeutet nicht, dafi er widerlegt ware. Bourdieu hat sich mit einem anderen Sachverhalt beschaftigt.“[58]

Gerhard Schulze belegt auch seine Theorie der Erlebnisgesellschaft mit keinem absoluten Geltungsanspruch, sondern spricht ihr einen komparativen Charakter zu:

„Der Titel besagt nicht: diese Gesellschaft ist eine Erlebnisgesellschaft, sondern: sie ist es mehr als andere, und zwar in dem Ausmafi, dafi es sich lohnt, ihre soziologische Analyse aus diesen Aspekt zu fokussieren.“[59]

Zunachst werden drei verschiedene Gesellschaftstypen unterschieden: Die korporative, die kompetitive und schliefilich kontrastierend dazu die Erlebnisgesellschaft. Die von Bourdieu beschriebene Gesellschaftsform ware dem kompetitiven Typus zuordenbar, in dem „das zentrale Lebensproblem der Individuen ein Statusproblem, sei es der Statusverbesserung, sei es der Statussicherung [sei].“ In einer kompetitiven Gesellschaft herrscht Aufienorientierung vor, Distinktion erfolgt uber die Verteilung der Ressourcen und fuhrt zur einer vertikalen Ungleichheitsstruktur. Im Gegensatz dazu liegt in der von Schulze dargestellten Erlebnisgesellschaft eine Innenorientierung vor, bei der das zweckrationale Handeln von dem Wunsch nach Befriedigung des inneren Lebensgefuhls abgelost wird. Konsum dient zwar der Distinktion, wobei nicht der Gebrauchs-, sondern der Erlebniswert ausschlaggebend ist:

„In einer Welt des Uberflusses enthullen Waren nicht soziale Ungleichheit, sondern Subjektivitat. Je mehr ich auf das, was ich habe, verzichten kann, desto mehr verrate ich durch seinen Besitz, worauf ich nicht verzichten will.“[60]

Schulzes Theorie liegt die Annahme zugrunde, dass sich (West-) Deutschland zu einer Wohlstandsgesellschaft entwickelt, in der eine Vermehrung der Moglichkeiten, sei es im Lebensstandard, der Freizeit, Technik oder auch der Bildung, zu verzeichnen sei. Dies habe einen Wandel von einer Pauperismuskrise zu einer Sinnkrise zur Folge gehabt:[61]

„Menschen, die nach oben wollen, haben Mittelkrisen, Menschen, die oben sind, haben Sinnkrisen. Diese sind noch unterwegs, jene schon angekommen; diese leben im Zustand der Hoffnung, jene haufig im Gefuhl der Ratlosigkeit; diese haben die Pointe ihrer Existenz noch vor sich, jene mussen sich uberlegen, was danach kommt. Fur den Deprivierten, den noch nicht aller Mut verlassen hat, ist das Leben eine spannungsreiche Herausforderung. Das Privileg der Unterprivilegierten besteht in der Faszination der handgreiflichen Erfolgschance, das Problem der Privilegierten in der Langeweile von Menschen, die nicht recht wissen, was sie wollen.“[62]

Zugangsbarrieren, soziale Kontrolle, Zeit- und Geldmangel verlieren in der Erlebnisgesellschaft an Bedeutung, die Individuen haben die Moglichkeit, aus unterschiedlichen Handlungsalternativen frei zu wahlen.

Die noch bestehende soziale Ungleichheit verliert mit der Verdrangung auBenorientierten Verhaltens durch innenorientiertes an Bedeutung.[63] Schulze spricht gar von einer „Entvertikalisierung sozialer GroBgruppen“, die eine „Entvertikalisierung der Alltagsasthetik“ herbeifuhre.[64]

Mit seinem Milieu- und Lebensstilkonzept schafft Schulze somit ein horizontales Modell, bei dem Klassen- und Schichtenzugehorigkeit, die auf der Verteilung monetarer Ressourcen beruhen, abgelost werden durch ein Modell, welches die Pluralisierung von Lebenslagen und Lebensstilen berucksichtigt.[65]

Die Erlebnisgesellschaft basiert auf dem Umdenken der Beziehung von Ich und Welt und damit dem Ubergang des weltbezogenen Subjekts zur subjektbezogenen Welt.[66] Das oberste Theorem in der Erlebnisgesellschaft ist die Suche nach dem Gluck und das Streben nach einem schonen Leben. Der Weg dorthin fuhrt uber Erlebnisse und das gesamte Leben gleicht einem Erlebnisprojekt, das nur auf die richtige Art und Weise gelebt werden muss. Konsum erfolgt nicht aus Notwendigkeit, sondern aus einem inneren Wunsch heraus, vorherrschend ist hier eine „Bedeutungsebene des Genusses“.[67] Das Alltagsleben ist (bedingt durch den Uberfluss an Materiellem) bestimmt von der Erlebnis- und nicht mehr der Zweckrationalitat der Dinge und wird so asthetisiert.

Die nach innen gerichtete Lebenseinstellung fuhrt laut Schulze jedoch nicht zu einer Vereinzelung der Individuen wie in der Individualisierungstheorie beschrieben[68], sondern zu einer grundlegenden Anderung der sozialen Strukturen sowie des Verhaltnisses von Subjekt und Situation. Abseits von Schichtenzugehorigkeiten und tradierter familiarer Rahmenbedingungen konstruieren sich soziale Milieus, bei denen kollektive Schematisierungen und Segmentierungen vorhanden sind. Die Milieus entstehen aufgrund von Alter, Beziehungs- und Lebensstilwahl und konnen als Wissens- und Zeichengemeinschaften beschrieben werden. Die asthetisch-kulturelle Dimension steht im Vordergrund. Die einzelnen Milieus werden nach ihrem Verhaltnis zum Hochkultur-, Trivial- oder Spannungsschema differenziert.

Eine genauere Beschreibung der Theorie Schulzes uber das erlebnisorientierte Handeln, der Alltagsasthetik, Schemata und der Milieubildung wird im nachsten Kapitel unter Berucksichtigung der im Film dargestellten Lebensentwurfe und Lebensweisen erfolgen.

5. Erlebnisgesellschaft im Berlin-Film

Zunachst werden im Folgenden die drei Filmbeispiele vorgestellt und deren Inhalte wiedergegeben. Alle Filme spielen in Berlin und behandeln das Thema des Lebensmodells auf unterschiedliche Art und Weise. Ihnen gemeinsam ist, dass Berlin als bewusst gewahlter Lebensort fur die Protagonisten eine besondere Rolle fur ihr Lebensmodell spielt, mit dem sie fruher oder spater in Konflikt geraten.

In den nachfolgenden Kapiteln wird eine Anwendung von Schulzes Modell der Erlebnisgesellschaft auf die in den Filmen dargestellten Lebensweisen vorgenommen und in Hinblick auf seine Theorie zum erlebnisorientierten Handeln, den alltagsasthetischen Schemata und sozialen Milieus untersucht. Der Standort Berlin und die damit verbundene Vielzahl an Erlebnismoglichkeiten, wie sie in den Filmen reprasentiert werden, lasst es zu, Schulzes Theorie an dieser Stelle besonders gut zu skizzieren und mit Praxisbeispielen zu veranschaulichen.

Die Grofistadtdarstellung und Rolle des Handlungsortes wird in die Filmanalysen miteinbezogen und der Versuch einer Verknupfung mit dem Sozialstrukturmodell unternommen.

5.1 Filmauswahl

Die Auswahl der Filme erfolgte nach zwei Kriterien: Dem Handlungsort und einem thematischen Leitkriterium. Alle drei Filme spielen in Berlin, wobei die Stadt nicht nur Haupthandlungsort, sondern zugleich auch zentraler Lebensmittelpunkt fur die Protagonisten ist. Berlin dient nicht ausschliefilich als Kulisse fur die Handlung, vielmehr nehmen die stadtischen Schauplatze Bedeutung fur das Filmgeschehen ein. Unter Berucksichtigung dieser Voraussetzungen konnen die drei Beispielfilme als Stadtfilme bezeichnet werden. Nach der Definition von Horwitz erfullen sie auf der einen Seite das besondere Merkmal einer

Inszenierung der Spannung zwischen individuellem Schicksal und der groBen Stadt und auf der anderen Seite stellen sie eine Mischung von Faktion und Fiktion dar.[69] Daruber hinaus wurden die Filme nach dem thematischen Leitkriterium ausgewahlt. In den Filmen geraten die Figuren auf irgendeine Art und Weise in einen Konflikt mit dem eigenen Lebensmodell. Eine genauere Beschreibung der Lebensmodelle und deren Vergleich mit dem Sozialstrukturmodell Schulzes erfolgt im Kapitel 5.2. Zunachst aber soll der Inhalt der drei Filme wiedergegeben werden.

5.1.1 Drei

Drei (2010) ist eine Tragikomodie des erfolgreichen deutschen Regisseurs Tom Tykwer, der auch das Drehbuch dazu verfasste. Hauptdarsteller sind Sophie Rois, Sebastian Schipper und Devid Striesow. Drei war 2011 beim Deutschen Filmpreis in insgesamt sechs Kategorien nominiert: als bester Film, Regie, Hauptdarstellerin, Schnitt, Filmmusik und Tongestaltung. Ausgezeichnet wurden schlieBlich Tom Tykwer fur die beste Regie, Sophie Rois fur die beste Hauptdarstellerin und Mathilde Bonnefoy fur den besten Schnitt.[70] Drei war auBerdem beim Europaischen Filmpreis fur den besten Schnitt nominiert.[71]

Der Film beginnt mit der Etablierung von zwei der drei Protagonisten. Hanna und Simon sind seit 20 Jahren ein Paar und durch gute wie schlechte Zeiten miteinander gegangen: „Sie sind attraktiv, modern, gereift, kinderlos, kultiviert, ernuchtert. Fremdgehen, Kinderwunsch, Zusammenziehen, Fehlgeburten, Flucht und Ruckkehr: die Kulturmoderatorin und der Kunsttechniker haben vieles hinter sich, aber nicht mehr ganz so viel vor.“[72]

Simon erfahrt, dass er Hodenkrebs hat, und noch bevor er dies Hanna mitteilen kann, erzahlt seine Mutter Hildegard den beiden, dass sie an Bauchspeicheldrusenkrebs erkrankt ist. Wahrend seine Mutter Vorbereitungen fur ihren Tod trifft, verheimlicht Simon seine Erkrankung vor seiner Familie. Hildegard unternimmt bald darauf einen Selbstmordversuch, bei dem sie zwar nicht stirbt, aber nachhaltig schwere Schaden am Gehirn davontragt. Simon begleitet fortan seine Mutter im Sterbeprozess und schaltet am Ende die lebenserhaltenden Gerate ab.

In dieser Zeit lernt Hanna bei einer Sitzung des Ethikrats den Stammzellenforscher Adam kennen. Sie begegnen sich immer wieder und Hanna ist von dem sanften und intelligenten Mann fasziniert. Wahrend sie mit ihm die Nacht verbringt, wird Simon nach einem Besuch beim Arzt kurzfristig operiert. Im OP trifft Simon auf eine Krankenschwester, mit der er einst fremdgegangen war und unwissend ein Kind gezeugt hatte. Sie erzahlt ihm von der Schwangerschaft und ihrer Abtreibung. Hanna weicht in der nachsten Zeit Simon im Krankenhaus nicht von der Seite und behalt ihren Seitensprung far sich. Im Anschluss an die Beerdigung seiner Mutter fragt Simon Hanna, ob sie ihn heiraten wolle und sie stimmt zu. Kurz darauf heiraten die beiden recht unspektakular im kleinen Kreis. Trotz der Heirat setzt Hanna die Affare mit Adam fort. Simon lernt Adam zufallig im Winterbadeschiff kennen. In der Umkleide befriedigt Adam den etwas uberraschten Simon, der das aber mit sich geschehen lasst. Die beiden beginnen eine Affare, ohne dass die Dreiecksbeziehung offen gelegt wird. Simon und Hanna treffen bei einer Ausstellungseroffnung auf Adam, geraten beide in Panik und verlassen umgehend das Museum. Die Beziehungen der drei werden erst offenkundig, als Hanna schwanger wird und zu AdamsWohnung fahrt, wo sich Simon gerade aufhalt. Verstort fliegt Hanna nach London zu einer Freundin, wo sie nach ein paar Monaten von ihrer Arztin erfahrt, dass sie Zwillinge erwartet. Die Arztin raumt die Moglichkeit ein, dass die Kinder von zwei verschiedenen Vatern sein konnten. Hanna kehrt nach Berlin zuruck, wo sie bei der Eroffnung der Ausstellung Korperwelten von Gunther von Hagens vor der vermeintlich den Korper Hildegards enthaltenden Vitrine auf Simon trifft. Die beiden gestehen sich ein, dass sie nicht nur einander, sondern auch Adam vermissen. Sie fahren zu Adam in die Wohnung, der ihnen uberrascht die Tur offnet. In der letzten Einstellung sieht man, wie sich alle drei gemeinsam nackt auf das Bett legen. Hier endet der Film und legt die Vermutung nahe, dass die Protagonisten fortan in einer Dreiecksbeziehung leben werden.

5.1.2 Herr Lehmann

Die Tragikomodie Herr Lehmann (2003) ist eine Verfilmung des gleichnamigen Debut- Romans des Autors und Musikers Sven Regener, der auch das Drehbuch zum Film verfasste. Regie fuhrte Leander Haufimann, in der Hauptrolle ist Christian Ulmen zu sehen. Beim deutschen Filmpreis 2004 erhielten Detlev Buck als bester Nebendarsteller und Sven Regener fur das beste Drehbuch eine Lola.[73] 2003 wurde Christian Ulmen als bester Hauptdarsteller beim Bayrischen Filmpreis ausgezeichnet.[74]

Die Geschichte spielt 1989 im geteilten Berlin und handelt von Frank Lehmann, der in einer Art Mikrokosmus in Kreuzberg 3 6[75] lebt, welchen er wenn moglich nicht verlasst. Andere Stadtteile Berlins oder gar der in der DDR liegende Teil der Stadt wirken weit entfernt und spielen keine Rolle in seinem Leben.

Frank Lehmann wird von seinen Freunden mit Herr Lehmann und Du angesprochen, da er kurz vor seinem 30. Geburtstag steht. Nachts arbeitet er meist in der Kneipe Einfall am Tresen und trinkt selbst gerne das ein oder andere Bier mit seinen Freunden - unter ihnen sein bester Freund Karl. Wenn es nach ihm ginge, konnte sein weitgehend von Verantwortung und Uberraschung befreites Leben in den gewohnten Bahnen weiterverlaufen. Doch es kommt wie es kommen muss, die Konflikte lassen nicht lange auf sich warten. Seine Eltern kundigen ihren Besuch in Berlin an, da sie gerne sehen mochten wie ihr Sohn so lebt. Herr Lehmann begegnet in der Markthalle der neuen Kochin Katrin, in die er sich augenblicklich verliebt. Katrin erklart ihm, dass sie ihn zwar liebe, aber nicht in ihn verliebt sei, was ihn aber nicht weiter zu storen scheint. Immer wieder taucht in der Zwischenzeit in den gleichen Kneipen, in die auch Herr Lehmann mit seinen Freunden geht, ein neuer Gast auf, den sie sehr verdachtig finden und kurzerhand „Kristallweizen-Rainer“ nennen.

Als Herrn Lehmanns Eltern zu Besuch kommen, geben ihn seine Freunde als Geschaftsfuhrer der Markthalle aus. Seine Eltern bitten ihn, einer Verwandten Geld in den in der DDR gelegenen Teil der Stadt zu bringen. Nachdem Herr Lehmann von den Grenzpolizisten der DDR festgehalten wird und er deswegen nicht rechtzeitig zum Treffen mit Katrin erscheint, trostet diese sich mit Kristallweizen-Rainer.

Von Liebeskummer geplagt zieht sich Herr Lehmann zuruck und verlasst erst wieder die Wohnung, als seine Freunde ihn um Hilfe rufen, da Karl dem Nervenzusammenbruch nahe sei. Karl, der eigentlich Kunstler ist, leidet an Schlaflosigkeit und zerstort in seiner Manie sogar sein eigenes Kunstwerk, welches bei einer Ausstellung in Charlottenburg gezeigt werden sollte.

Herr Lehmann bleibt nichts anderes ubrig als ihn ins Krankenhaus zu bringen. Es ist Frank Lehmanns 30. Geburtstag und als ob das alles nicht schon genug ware, fallt auch noch die Mauer in Berlin. Herr Lehmanns komplettes Umfeld scheint sich zu verandern, wahrend er vollig passiv bleibt und sich jeder Neuerung verwehrt. Als Frank Lehmann am Ende durch die geoffnete Mauer geht, trifft er noch einmal auf all die Menschen, die ihn in den letzten Jahren in Berlin begleitet hatten, und beschliefit, sein Leben zu andern.

5.1.3 Berlin Calling

Berlin Calling (2008) ist ein Drama und spielt in der Berliner Elektroszene. Regie fuhrte Hannes Stohr, der auch das Drehbuch dazu verfasste. Die Hauptrolle spielt der selbst als DJ bekannte Paul Kalkbrenner, der schon im Vorfeld mit Stohr am Buch gearbeitet hatte. Berlin Calling erhielt 2010 den ARTE Publikumspreis fur den besten Spielfilm.[76] Anne Fabini war 2009 beim Deutschen Filmpreis fur den besten Schnitt nominiert.[77]

Ickarus lebt mit seiner Managerin und Freundin Mathilde in Berlin und arbeitet als DJ. Die beiden touren durch die ganze Welt, um in verschiedensten Clubs und Festivals aufzulegen. Immer wieder nimmt Ickarus aufputschende Drogen, die er von seinem Freund Erbse erhalt. Als er eines Nachts eine PMA - haltige Tablette einnimmt, erleidet er eine drogeninduzierte Psychose, irrt allein durch Berlin und reifit sich die Kleider vom Leib. Er wird schliefilich in eine Berliner Nervenheilanstalt eingeliefert, wo seine behandelnde Arztin Frau Dr. Petra Paul ihm zu einem langeren freiwilligen Aufenthalt in der Klinik rat. Ickarus lasst sich seinen Laptop und MDI Controller in die Klinik bringen, um weiter an der Fertigstellung seines neuen Albums arbeiten zu konnen. Der DJ schafft es aber einfach nicht, dem Berliner Nachtleben fernzubleiben und verlasst immer wieder die Klinik, besucht Clubs (darunter die bekannte Bar25), nimmt weiterhin Drogen und betrugt seine Freundin. Als die Chefin seines Plattenlabels die Veroffentlichung seines neuen Albums aufgrund seiner Drogenprobleme absagt, hat Ickarus einen Wutanfall und zerstort ihr Buro vollig. Mathilde, die bis dahin immer zu ihm gestanden hatte, zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus und findet Trost bei der Tursteherin Corinna. Zuruck in der Klinik erklart Dr. Paul ihrem Patienten, dass er nicht langer in der Klinik bleiben konne, da er sich nicht an die Regeln gehalten habe. Ickarus feiert seinen Abschied in der Klinik mit Alkohol, Drogen und Prostituierten und wird daraufhin in die geschlossene Abteilung eingewiesen. Ickarus scheint nun endlich fur die Therapie empfanglich zu sein und stellt sein Album, das unter dem Titel Berlin Calling veroffentlicht wird, fertig.

Nach seiner Entlassung beginnt Ickarus zunehmend unter den Nebenwirkungen der Medikamente zu leiden, die ihn mude und abwesend werden lassen, und er beschliefit, diese eigenstandig abzusetzen. Als Bekannte ihn besuchen und anfangen zu koksen, scheint es fur einen Moment, als wurde er ruckfallig werden. Doch Ickarus schuttet das Koks in ein Glas Cola und verlasst dann die Wohnung. Fur Ickarus scheint eine drogenfreie Zukunft moglich. Der Film endet, wie er begonnen hatte, und zeigt Ickarus gemeinsam mit Mathilde am Flughafen.

5.2 Asthetisierung des Alltagslebens - Erlebnisorientiertes Handeln

Wie schon in 3.2 beschrieben, bezeichnet Schulze mit der Asthetisierung des Alltags die Gestaltung des Lebens nach subjektiv „schonen“ Erlebnissen. Die Bedeutungsebene des Genusses hat Vorrang und statt einer aufienorientierten herrscht eine innenorientierte Lebensauffassung vor. Das Axiom lautet „Erlebe dein Leben“:

„Das Subjekt wird sich selbst zum Objekt, indem es Situationen zu Erlebniszwecken instrumentalisiert. Erlebnisrationalitat ist der Versuch, durch Beeinflussung auberer Bedingungen gewunschte subjektive Prozesse auszulosen.“[78]

Erlebnisorientierung entsteht folglich aus der Suche nach dem unmittelbaren Gluck und ist die „situationsubergreifende Tendenz eines Menschen, sein Handeln an dem Ziel auszurichten, vorubergehende psychophysische Prozesse positiver Valenz ('schone Erlebnisse') bei sich selbst herbeizufuhren.“[79]

Das Lebensmodell des erlebnisorientierten Handelns lasst sich in den drei Beispielfilmen identifizieren.

In Tom Tykwer Film Drei beobachten wir die drei Protagonisten Simon, Hanna und Adam in ihrem an kulturellen Ereignissen angereicherten Leben in Berlin. Zunachst ist anzumerken, dass alle drei Protagonisten offensichtlich keine grofieren finanziellen Probleme haben. Simon und Hanna sind beide berufstatig, haben ein Auto, leben gemeinsam in einer sorgfaltig eingerichteten Altbauwohnung und gehen vielseitigen kulturellen Interessen nach. Zwar spricht Simons Partnerin ihn im Buro auf die „Zahlen“ an, jedoch wirkt die Bedrohung durch einen finanziellen Missstand in dem Unternehmen angesichts der grofizugigen Werkstatt und Buros eher unwahrscheinlich.[80] Adam bewegt sich ebenfalls in einem durch hohe Bildung qualifizierten Berufsstand und hat als anerkannter Genforscher keine erkennbaren finanziellen Sorgen.

Hanna und Simon gestalten ihr Leben uber angenehme Erlebnisse wie Theater-, Kino-, Museums-, Kunstausstellungs- und Restaurantbesuche. Die beiden befinden sich in einer Kulturereignisse. Und auch die Tage Adams sind gefullt mit Erlebnissen wie beispielsweise der Chorprobe, dem Kampfsporttraining, Schwimmen oder Segelausflugen. In nur wenigen Momenten im Film, ausgenommen der Schlafenszeit, sehen wir die Protagonisten in Ruhe verharren. Fur Hanna, Simon und Adam werden die Erlebnisse zu einem immanenten Teil ihrer gesamten Personlichkeit und Identifikation. Sie dienen damit nicht nur dem Zeitvertreib, sondern zeigen und bilden deren Sein. Diesen Zusammenhang und die Zugehorigkeit der drei Figuren zum Hochkulturschema soll im nachsten Kapitel naher aufgezeigt werden.

Inwieweit die Erlebnisse zur Auslosung subjektiver Prozesse eingesetzt werden, lasst sich dem Verhalten der Protagonisten entnehmen. Gleich zu Anfang des Filmes werden im Split Screen Verfahren verschiedene Alltagssituationen des Paares aufgezeigt.[81] Wir sehen die beiden im Schwimmbad, mit Freunden im Restaurant, bei der Arbeit und auch im Kino. Immer am Diskutieren, teilweise am Streiten. Im Kino beschwert Hanna sich, dass sie „bei dem Scheifi“ nicht mitkomme, sie ist unzufrieden und schiebt das missgluckte Erlebnis auf ihr Alter.[82] Als Hanna mit Adam segeln geht, ubergibt sie sich und lacht. Das Erlebnis des Segelns wird zum Symbol fur den Ausbruch aus ihrem bisherigen Beziehungsschema mit Simon. Das Aufregende und Neue, dass sie in Adam findet, bewirkt bei ihr zwar Ubelkeit, die sie aber begrufit.

Der Film Herr Lehmann gewahrt einen Einblick in das Leben des 29-jahrigen Protagonisten Frank Lehmann und seiner Freunde, allen voran seinem besten Freund Karl.

Herr Lehmann unternimmt nur Dinge, auf die er auch Lust hat. Und Lust hat Frank Lehmann meist auf einen Gang in die nachste Kneipe, um seine Freunde zu treffen. So lebt er in den Tag hinein und trinkt sich von Kneipe zu Kneipe. Frank Lehmann hat sozusagen sein Hobby zum Beruf gemacht, sein Job in der Kneipe Einfall finanziert ihm ein bequemes Leben: Seine Wohnung in Kreuzberg, ausreichend zu essen und vor allem zu trinken. Seine gesamte Identitat beruht auf seiner Existenz in der Kneipenszene. Frank Lehmann bewegt sich in Situationen und Umstanden, die ihm den bekannten Erlebnisgenuss geselliger und alkoholhaltiger Stunden versprechen. Bei der Gestaltung seines Lebens geht er dabei keine Risiken ein und verlasst sich auf die gewohnten Freunde und Kneipen. Im Mikrokosmos Kreuzberg ist er bekannt und kennt sich aus, Frank Lehmann identifiziert sich uber sein Tun ebenso wie uber sein Nichttun. Der Alkohol und das Zusammentreffen mit seiner Freundesclique dienen ihm zur Sicherung seines krisenfreien Gemutszustandes. Herr Lehmanns Vorstellung von einem guten Leben erschopft sich in der Erhaltung des Ist- Zustandes: Solange alles beim Alten bleibt, lassen sich Konflikte und unnotige Aufregung vermeiden. Denkt er zumindest.

In Berlin Calling folgt der Zuschauer dem Leben des Berliner DJs Ickarus. In seiner Kunstlerexistenz als Elektro -DJ ist die Generierung von Erlebnissen seine Profession. Er ist Teil der Szene, gleich zu Anfang des Films sieht man ihn nach seinem Auftritt mit seiner Freundin und Managerin Mathilde bei einem Open Air-Festival tanzen. Erlebnisangebote auberhalb dieses Rahmens spielen im Leben von Ickarus keine Rolle. Was bei Herr Lehmann die Kneipen und bei Drei Kulturangebote sind, sind bei Berlin Calling verschiedene Diskotheken. Der Drogenkonsum dient dem Protagonisten der Steigerung des Erlebnisgrades sowie der Intensivierung des emotionalen Zustandes. Drogen, Musik und Tanz dienen der Auslosung subjektiver Prozesse, der emotionale Idealzustand ist das Gefuhl unmittelbaren Glucks.

5.3 Alltagsasthetische Schemata

Der Begriff Schema dient der theoretischen Analyse sozialer Milieus und ist mit dem Bourdieuschen Begriff des Habitus verwandt, nicht aber deckungsgleich.[83] Die Semantik der Zeichen hat einen innenorientierten Charakter bei dem die Bedeutungsebene des Genusses Vorrang hat. „Auswahl und Gruppierung der Zeichen bestimmt sich nach ihrer Eignung fur kollektiv etablierte Erlebnisroutinen.“[84] Im Gegensatz dazu steht in einer kompetitiven Gesellschaft (wie bei Bourdieu) Distinktion im Vordergrund. Die Oberen versuchen sich symbolisch von den Unteren abzugrenzen, indem Zeichen nach den Moglichkeiten der Distinktion ausgewahlt werden. Neuheit, Seltenheit und Kostspieligkeit, die Absicherung uber Tradition oder die Abwertung der Zeichen[85] der Unteren dienen diesem Anliegen.[86]

Als alltagsasthetische Schemata werden gemeinsame Elemente im Stil vieler Menschen bezeichnet. Routinen also, die es ermoglichen, in der Menge der Moglichkeiten ein kollektives Schema der Erlebnisversprechung auszumachen. Die Schemata dienen der Orientierung innerhalb unzahliger Moglichkeiten. Dabei kodieren die alltagsasthetischen Schemata Zeichengruppen durch Bedeutungsmuster:

[...]


[1] Lindner 2008

[2] Schroder 1012

[3] vgl. Hertie-Studie 2009, Abb. 4.6

[4] vgl. Zeit 2009

[5] Barrie 2009

[6] Schulze 2005

[7] Schulze 2005, S.33 Schulze 2005, S.37

[8] ' vgl. Mikos 2003, S.39

[9] Mikos teilt die Ebene der Kontexte auBerdem in Gattungen und Genres sowie in den Kontext der

[10] Intertextualitat ein.

[11] vgl. Mikos 2003, S.276

[12] Mikos 2001, S.44

[13] vgl. Sutherland/Feltey 2010, S.4

[14] vgl. Horwitz (Hrsg.) 1996, S. 1

[15] Schandlinger 1998, S.15

[16] Schandlinger 1998

[17] vgl. Buchka 1988, S.12

[18] vgl. Kress, In: Horwitz (Hrsg.) 1996, S.54 f.

[19] Osterland 1970, S.4

[20] Der Spiegel 36/1970

[21] Joerges, In: Horwitz (Hrsg.) 1996, S.19

[22] vgl. Joerges, In: Horwitz (Hrsg.) 1996, S.19

[23] vgl. Joerges, In: Horwitz (Hrsg.) 1996, S.18

[24] vgl. Joerges, In: Horwitz (Hrsg.) 1996, S.11

[25] vgl. Hungar 2010, S.6

[26] vgl. Visualsociology 2012

[27] vgl. Hungar 2010, S.27 ff.

[28] vgl. ebd., S.31

[29] Bourdieus Konzept des „sozialen Raumes“ beschreibt die Beziehungsgefuge sozialer Hierarchien und keinen tatsachlich physischen Raum.

[30] Manderscheid, In: Kessl (Hrsg.) 2008, S.161

[31] vgl. Low 2001, S.13

[32] vgl. ebd. S.133 f.

[33] vgl. Manderscheid, In: Kessl (Hrsg.) 2008, S.161 f.

[34] ebd., S.165

[35] Bourdieu, In: Wentz 1991, S. 32

[36] Manderscheid, In: Kessl (Hrsg.) 2008, S.166

[37] vgl. Low 2001, S.183

[38] vgl. Horwitz (Hrsg.) 1996, S. 2

[39] vgl. Hickethier 1996, S.38

[40] vgl. ebd., S.28

[41] vgl. Frohlich/Rehbein (Hrsg.) 2009, S.290

[42] vgl. Schulze 2005, S.15

[43] vgl. Frohlich/Rehbein (Hrsg.) 2009, S.1; Tieben 2003

[44] Tieben 2003

[45] Frohlich/Rehbein (Hrsg.) 2009, S.289

[46] ebd., S.291

[47] vgl. ebd., S.289; vgl. Schilcher 2005, S.6-9

[48] Low 2001, S.181

[49] Bourdieu 1997, S.277

[50] Bourdieu 1998, S.18

[51] Tieben 2003

[52] vgl. Eickelpasch 2002, S.103

[53] vgl. Stein 2006, S.148 f.

[54] Bourdieu 1997, S.279

[55] vgl. Frohlich/Rehbein (Hrsg.) 2009, S.112

[56] vgl. Schulze 2005, S.30

[57] vgl. ebd., S.90

[58] ebd., S.16

[59] Schulze 2005, S.15

[60] Schulze 2005, S.186

[61] vgl. ebd., S.55

[62] ebd., S.61

[63] vgl. ebd., S.402

[64] vgl. ebd., S.167

[65] vgl. Schilcher 2005, S.82

[66] vgl. Stampfli-Marzaroli 2003, S.11

[67] Schulze 2005, S.140

[68] Die Individualisierungstheorie nach Ulrich Beck (1986) beschreibt eine fortschreitende Individualiserung der Menschen auf der Basis einer Differenzierung der Gesellschaft und damit einer Herauslosung der Menschen aus halt gebenden sozialen Beziehungen. Stand und Klasse werden abgelost durch individualisierte Existenzformen und -lagen.

[69] vgl. Horwitz (Hrsg.) 1996, S. 2

[70] vgl. Deutscher Filmpreis 2012

[71] vgl. Europeanfilmacademy 2012

[72] Drei, X Filme

[73] vgl. Herr Lehmann 2012

[74] vgl. Mediabiz 2012

[75] Bis zur Einfuhrung der neuen Postleitzahlen wurden die einzelnen Bezirke Westberlins in Postzustellbezirke unterteilt. In Kreuzberg gab es Kreuzberg 61, vorderes Kreuzberg, und eben SO36, das Gebiet, das dahinter, nah an der Mauer, lag.

[76] vgl. Arte Filmfestival 2012

[77] vgl. Deutscher Filmpreis 2012

[78] Schulze 2005, S.40

[79] ebd., S.560

[80] siehe Drei 2010, 3

[81] siehe Drei 2010, 1

[82] siehe Drei 2010, 2

[83] Schulze 2005, S.130

[84] ebd., S.140

[85] Beispielhaft nennt Schulze das Aufkommen des Begriffs „Kitsch“ in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts, der sich gegen die Asthetik einer unteren Schicht richtete und diese abstufte.

[86] vgl. Schulze 2005, S.139 f.

Final del extracto de 116 páginas

Detalles

Título
Berlin is in Neverland? Erlebnisgesellschaft im Film
Universidad
Film & Television Academy “Konrad Wolf” Potsdam-Babelsberg
Calificación
sehr gut
Autor
Año
2012
Páginas
116
No. de catálogo
V300822
ISBN (Ebook)
9783656970828
ISBN (Libro)
9783656970835
Tamaño de fichero
2215 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Erlebnisgesellschaft, Film, Soziologie, Filmwissenschaft, Berlin Calling, Drei, Herr Lehmann, Berlin, Gerhard Schulze, Milieu
Citar trabajo
Franziska Dillberger (Autor), 2012, Berlin is in Neverland? Erlebnisgesellschaft im Film, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300822

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