Die Balanced Scorecard als Controlling-Instrument in regionalen Zeitungsverlagen

Eine kritische Analyse


Bachelorarbeit, 2014

37 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffliche Grundlagen
2.1 Controlling
2.2 Strategisches Management
2.3 Performance Measurement

3 Das Konzept Balanced Scorecard
3.1 Entstehung und Grundintention
3.2 Die vier Perspektiven
3.2.1 Finanzwirtschaftliche Perspektive
3.2.2 Kundenperspektive
3.2.3 Interne Prozessperspektive
3.2.4 Lern- und Entwicklungsperspektive
3.3 Kritische Würdigung

4 Die Balanced Scorecard als Controlling-Instrument regionaler Zeitungsverlage
4.1 Zur Lage der regionalen Zeitungsverlage in Deutschland
4.2 Implementierung
4.2.1 Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren
4.2.2 Finanzperspektive
4.2.3 Kundenperspektive
4.2.4 Interne Prozessperspektive
4.2.5 Lern- und Entwicklungsperspektive
4.3 Beurteilung

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Eidesstattliche Erklärung

Abbildung sverzeichnis

Abb. 1: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton

Abb. 2: Prozess-Wertkette der internen Perspektive

Abb. 3: Zeitungsverkauf in Deutschland, II. Quartal 2013

Abb. 4: Lösungsansatz zur Finanzperspektive

Abb. 5: Lösungsansatz zur Kundenperspektive (Lesermarkt)

Abb. 6: Lösungsansatz zur Kundenperspektive (Werbemarkt)

Abb. 7: Lösungsansatz zur internen Prozessperspektive

Abb. 8: Lösungsansatz zur Lern- und Entwicklungsperspektive

Abb. 9: Ursache-Wirkungs-Beziehungen der Verlags-BSC

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„ D er Verleger schielt mit einem Auge nach dem Schriftsteller, mit dem anderen nach dem Publikum. Aber das dritte Auge, das Auge der Weisheit, blickt unbeirrt ins Portemonnaie.“ 1

Die deutschen Zeitungen sind tagtäglich sehr erfolgreich in ihrem Bemühen, die Zeit und Aufmerksamkeit ihrer Leser zu gewinnen. Als Wirtschafts- unternehmen müssen sie sich jedoch immer schwierigeren Heraus- forderungen stellen: Das Umfeld ist von zunehmender Digitalisierung und Kostendisziplin geprägt. Die Nachfrage nach gedruckten Zeitungen und auch das Anzeigengeschäft entwickeln sich rückläufig. Das Digitalgeschäft der Verlagshäuser entwickelt sich zwar gut, jedoch schlägt sich dies noch nicht in hohen Umsatzzahlen nieder.2 Die Verlagsbranche befindet sich in einer Konsolidierungsphase, in der selbst große Verlage den (branchen- internen) Besitzer wechseln.3

Vor diesem Hintergrund steigen die Anforderungen an moderne betriebs- wirtschaftliche Instrumentarien und an ein kompetentes Controlling. Rein finanzielle Kennzahlen betrachten lediglich vergangenheitsbezogene Ereignisse und sind alleine nicht dazu geeignet, das Unternehmen auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.

Hier setzt die Balanced Scorecard (BSC) als Management-Konzept zur strategischen Steuerung von Unternehmen an. Die BSC, die ihren Ursprung in den USA hat, wird mittlerweile auch in vielen deutschen Unternehmen angewendet. Die Problematik der Einseitigkeit rein finanzieller Kennzahlen bei der strategischen Unternehmenssteuerung soll durch die BSC gelöst werden. Bei diesem Konzept werden die herkömmlichen finanziellen Kennzahlen um eine Kunden-, eine interne Prozess- sowie eine Lern- und Entwicklungsperspektive ergänzt.4

Ziel dieser Arbeit ist es zu überprüfen, ob es sich bei der BSC um ein geeignetes Controlling-Instrument für regionale Zeitungsverlage oder lediglich um eine „austauschbare Modewelle“ 5 handelt. Beginnend mit der Erklärung grundlegender Begriffe, wird im nächsten Schritt das grund- sätzliche Prinzip der BSC mit seinen Vor- und Nachteilen dargestellt. Im An- schluss daran wird aufgezeigt, ob sich die BSC im Verlagswesen anwenden lässt und welche Faktoren eine erfolgreiche Implementierung ausmachen.

2 Begriffliche Grundlagen

2. 1 Controlling

Das Controlling ist ein „betriebswirtschaftlicher Lotse oder Steuermann“6 im Unternehmen. Es unterstützt das Management mit Hilfe von Zahlen- informationen bei der Zielerreichung, insbesondere bei der Erreichung des Gewinnziels.7 Das englische Verb „to control“ bedeutet primär „steuern“ oder „regeln“. In der Vergangenheit wurde der Begriff Controlling zu stark mit „Kontrolle“ gleichgesetzt. Diese Begriffsauslegung wurde jedoch nach und nach ergänzt.8 Mittlerweile sind die Gestaltung des Planungsprozesses, die Kontrolle der gesetzten Ziele, die Informationsversorgung des führungs- verantwortlichen Managements sowie die betriebswirtschaftliche Unterstützung der Manager kennzeichnende Kernaufgaben des Controllings.9

In der Literatur gibt es viele verschiedene Auslegungen über die genaue Definition des Controllings. Ein einheitliches Controllingverständnis ist dabei nicht vorhanden.

Horváth definiert Controlling als „Subsystem der Führung, das Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung […] ergebniszielorientiert koordiniert […].“10 Damit sieht er die Koordination als zentrale Aufgabe.

Von dieser Definition ausgehend entwickelten Weber und Schäffer den Rationalitätssicherungsansatz: „Controlling steht für die Sicherstellung von Rationalität der Unternehmensführung.“11 Rationalität bedeutet dabei effiziente Mittelverwendung. Aufgabe des Controllings ist es demnach, die Rationalitätsdefizite der Manager (Wollens- und Könnensbeschränkungen) zu minimieren bzw. zu beseitigen.12

Eine aus der Praxis entwickelte Konzeption ist das Controller-Leitbild der International Group of Controlling (IGC): „Controller leisten als Partner des Managements einen wesentlichen Beitrag zum nachhaltigen Erfolg der Organisation.

Controller …

gestalten und begleiten den Management-Prozess der Zielfindung, Planung und Steuerung, sodass jeder Entscheidungsträger zielorientiert handelt.

sorgen für die bewusste Beschäftigung mit der Zukunft und ermöglichen dadurch, Chancen wahrzunehmen und mit Risiken umzugehen.

integrieren die Ziele und Pläne aller Beteiligten zu einem abgestimmten Ganzen. entwickeln und pflegen die Controlling-Systeme. Sie sichern die Datenqualität und sorgen für entscheidungsrelevante Informationen. sind als betriebswirtschaftliches Gewissen dem Wohl der Organisation als Ganzes verpflichtet.“13

Zur Erfüllung dieser Aufgaben sollten sich Controller zukünftig auch verstärkt nicht-monetären Steuerungsgrößen bedienen, da diese für das Management zunehmend an Bedeutung gewinnen.14 Mit Einführung der Balanced Scorecard könnten Controller eine aktive Rolle in der Gestaltung und Koordination von Strategieentwicklung, -umsetzung, und -kontrolle übernehmen.15

2. 2 Strategisches Management

Der Begriff „Strategie“ stammt aus der altgriechischen Sprache und leitet sich von „stratos“ (das Heer) und „agein“ (führen) ab. Es handelt sich damit ursprünglich um einen Begriff der Militärsprache. In der Betriebs- wirtschaftslehre findet sich der Strategiebegriff ab 1944 in den spieltheoretischen Ansätzen von John von Neumann und Oskar Morgenstern. Im betriebswirtschaftlichen Kontext können Strategien „als Maßnahmen verstanden werden, die es dem Unternehmen erlauben, Umweltveränderungen zu antizipieren bzw. flexibel hierauf zu reagieren.“16

Eine Strategie legt die grobe Richtung fest, um langfristig durch Umsetzung einzelner Maßnahmen die gesetzten Unternehmensziele zu erreichen.17

Eine strategische Ausrichtung des Unternehmens ist notwendig, um sich in Zeiten zunehmender Konkurrenz von den Wettbewerbern absetzen zu können. Zentrale Aufgabe des strategischen Managements ist es, die unternehmensinternen Kompetenzen (z.B. Mitarbeiterqualifikation, Forschung und Entwicklung, Produktionsverfahren) mit externen Chancen und Risiken (z.B. Märkte, Kunden, Wettbewerber) abzustimmen. Bestehen beispielweise gute Marktaussichten, das Unternehmen verfügt aber nicht über ausreichend interne Kompetenzen, so ist die Strategie zum Scheitern verurteilt. Ebenfalls sind interne Kompetenzen alleine nicht ausreichend, wenn diese nicht von Kunden geschätzt werden. Die Anforderungen an das strategische Management konzentrieren sich letztlich auf die Kunden- und Mitarbeiterorientierung.18

2. 3 Performance Measurement

Performance Measurement beschäftigt sich mit der Leistungsmessung im Unternehmen. Man versteht darunter den „Aufbau und Einsatz meist mehrerer Kennzahlen verschiedener Dimensionen [...], die zur Beurteilung der Effektivität (die richtigen Dinge tun) und Effizienz (die Dinge richtig tun) der Leistung und Leistungspotentiale unterschiedlicher Objekte im Unternehmen […] herangezogen werden.“19

Die Ansätze des Performance Measurements entwickelten sich Anfang der 1980er Jahre, ausgehend von der Kritik an den existierenden traditionellen Ansätzen (z.B. DuPont-Kennzahlensystem).20 Insbesondere wurde der Vergangenheitsbezug und die Kurzfristigkeit der aus dem Rechnungswesen stammenden Daten kritisiert. Darüber hinaus wurde die ausschließliche Verwendung monetärer Größen, die schwach ausgeprägte Kundenorientierung sowie falsche Anreizbezugspunkte und der fehlende Bezug zur strategischen Planung bemängelt.21 Performance Measurement- Systeme messen die Unternehmensperformance ganzheitlich, bilden die Unternehmensstrategie ab und berücksichtigen interne als auch externe Interessen. Die Kennzahlen lassen sich auch nachgeordneten Ebenen im Unternehmen kommunizieren, schaffen Transparenz und erhöhen die Motivation.22 Als bekanntestes Performance Measurement-System in Deutschland gilt die Balanced Scorecard.

3 Das Konzept Balanced Scorecard

3. 1 Entstehung und Grundintention

Die Balanced Scorecard ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes aus dem Jahr 1990. Die amerikanischen Wissenschaftler Kaplan und Norton führten mit zwölf Unternehmen eine Studie zur Entwicklung eines neuen Performance Measurement-Systems durch. Dieses sollte den gestiegenen Anforderungen der Unternehmen entsprechen. Mit dem Übergang vom Industriezeitalter (1850 – 1975) zum Informationszeitalter änderten sich die Bedingungen für Unternehmen fundamental. Sie waren nun erhöhter Konkurrenz ausgesetzt und erlangten mehr Entscheidungsfreiheiten hinsichtlich neuer Geschäftsmöglichkeiten und der Preisbildung. Die Teilnehmer des Forschungsprojektes hatten erkannt, dass die traditionellen finanziellen Kennzahlensysteme nicht mehr ausreichend waren und die Unternehmen von wertschöpfenden Tätigkeiten abhielten.23

Das entwickelte Konzept der Balanced Scorecard stellt kurz- und langfristige Ziele, monetäre und nicht-monetäre Kennzahlen, Spät- und Frühindikatoren sowie interne und externe Sichten ausgewogen (engl. „balanced“) dar. Die Unternehmensleistung wird aus vier Perspektiven gemessen: Der finanziellen Perspektive, der Kundenperspektive, der internen Perspektive sowie der Lern- und Entwicklungsperspektive.24 Nach der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in der Harvard Business Review 1992 verwendeten sehr viele Unternehmen verschiedenster Branchen das Konzept der BSC.25 Die Erfahrungen zeigten, dass die Balanced Scorecard nicht nur als sinnvolles Kennzahlensystem, sondern auch als Managementsystem fungierte.26 Damit bildet die BSC die Verbindung zwischen der Unternehmensstrategie und der operativen Strategie- umsetzung. Die BSC ermöglicht es, die Strategien für alle Mitarbeiter verständlich zu kommunizieren und das daraus entstehende Feedback wieder in die Strategien einfließen zu lassen („double-loop-Lernen“).27

Laut Horváth ist die Umsetzung der Strategie in operative Pläne eine der gewichtigsten Fähigkeiten, um Vorteile gegenüber Wettbewerbern erzielen und am Markt bestehen zu können.28

Doch gerade hierbei haben Unternehmen – insbesondere mittelständische – noch Defizite. Zu wenige Mitarbeiter kennen die Strategien und können sie in ihrem Bereich umsetzen. Dieses Problem kann mit dem Instrument der Balanced Scorecard behoben werden.

Die Intention der BSC kann in fünf Punkten zusammengefasst werden:29

Die Komplexität des Betriebsgeschehens soll erfasst und für alle

Mitarbeiter in transparente Teilpläne formuliert werden.

Strategische Ziele sollen messbar gemacht werden.

Jedem Mitarbeiter sind diese strategischen Ziele nahezubringen.

Die Strategien sollen im Unternehmensalltag, d.h. im Budget verankert werden.

Die Strategien selbst müssen bei sich ändernden Bedingungen überprüft werden.

Aus den Ausführungen ergibt sich ein weiterer wesentlicher Grundgedanke des Konzepts: Die Balanced Scorecard dient primär der Strategieumsetzung sowie -kommunikation und weniger der Strategieformulierung.30 Die Verwendung bzw. Einführung der BSC setzt somit eine bereits formulierte Unternehmensstrategie voraus.

3. 2 Die vier Perspektiven

Wie bereits im vorherigen Abschnitt angedeutet, schlagen Kaplan und Norton vier Perspektiven (Sichtweisen) vor, von denen aus das Unternehmen betrachtet wird. Es handelt sich dabei um Perspektiven, die für die strategischen Ziele eines Unternehmens von zentraler Bedeutung sind. Dies sind die Sicht der Teilhaber (Finanzperspektive), die Sicht der Kunden, die Sicht auf die internen Geschäftsprozesse sowie die Sicht auf das Lern- und Entwicklungspotential.

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Gestaltung der Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton31

Für jede Perspektive werden strategische Ziele, Kennzahlen, Vorgaben und Maßnahmen bestimmt. Die strategischen Ziele leiten sich von der Unternehmensstrategie ab und umfassen einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren.32 Sie werden in Kennzahlen übersetzt, damit sie anhand konkreter Zahlen messbar sind und einer Erfolgskontrolle unterzogen werden können. Die Kennzahlen sollten sowohl Spätindikatoren (Ergebniskennzahlen), als auch Frühindikatoren (Leistungstreiber) ausweisen. Spätindikatoren informieren über vergangenheitsbezogene Prozesse (z.B. Umsatz und Renditen). Dagegen sind Frühindikatoren zeitlich vorlaufende Kennzahlen und helfen, zukünftige Leistungen anzukündigen (z.B. Mitarbeitermotivation und Fehlerquoten).33 Die Vorgaben beinhalten „Zielwerte“, welche erreicht werden sollen. Zur Zielerreichung werden konkrete Umsetzungs- maßnahmen vorgegeben.34

Die Ziele und Kennzahlen der Kunden-, Geschäftsprozess- sowie der Lern- und Entwicklungsperspektive müssen über Ursache-Wirkungsbeziehungen mit den finanziellen Zielen verbunden sind. Dadurch wird sichergestellt, dass alle Strategien letztlich zum auf Dauer notwendigen finanzwirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beitragen.35

Die Auswahl der Perspektiven kann unternehmensindividuell erfolgen. So können spezielle Wettbewerbssituationen und individuell strategisch wichtige Perspektiven berücksichtigt werden.36 Die von Kaplan und Norton gewählten Perspektiven verstehen sich als „Schablone und nicht als Zwangsjacke“37. Die jeweiligen Perspektiven werden in den nachfolgenden Abschnitten erläutert.

3.2.1 Finanzwirtschaftliche Perspektive

Die Finanzkennzahlen zeigen auf, ob die Implementierung und Umsetzung von Unternehmensstrategien zur Ergebnisverbesserung beitragen. Die Finanzperspektive drückt in der Regel die Interessen der Anteilseigner, Eigentümer bzw. potentiellen Investoren aus und überprüft, inwieweit diese erfüllt wurden. Typische Kennzahlen beziehen sich auf die Rentabilität, das Wachstum und den Unternehmenswert.38

Abhängig von der Entwicklungsphase des Unternehmens können die finanzwirtschaftlichen Ziele sehr verschieden sein. Kaplan und Norton unterscheiden dabei Wachstums-, Reife-, und Erntephase:

Unternehmen in der Wachstumsphase entwickeln und vertreiben Produkte oder Dienstleistungen mit Wachstumspotential. Sie müssen Ressourcen in die Entwicklung und Förderung investieren und werden daher in der Regel einen negativen Cashflow39 und eine negative Kapitalrendite aufweisen. Geeignete Kennzahlen in dieser Phase sind prozentuale Ergebnissteigerungen sowie Umsatzanteile neuer Produkte oder in neuen Zielmärkten. In der Reifephase sind Unternehmen auf Rentabilität ausgelegt. Wichtige Kennzahlen sind z.B. die Eigenkapitalrentabilität, das Betriebsergebnis und Deckungsbeiträge. Unternehmen, die sich in der Erntephase befinden, werden keine wichtigen Investitionen durchführen. Ziel ist hier die Maximierung des Cashflows, kurze Amortisationszeiten sowie die Minimierung des benötigten Nettoumlaufvermögens40 (working capital).41

Die finanzwirtschaftlichen Ziele und Kennzahlen nehmen eine Doppelrolle ein: Zum einen definieren sie die finanzielle Leistung, zum anderen dienen sie als Endziele für die Ziele und Kennzahlen der anderen Perspektiven.42

3.2.2 Kundenperspektive

In der Kundenperspektive werden die Kunden- und Marktsegmente definiert, in denen das Unternehmen konkurrieren möchte. Mittels dieser Perspektive wird der Blickwinkel der Kunden eingenommen und ermittelt, wie weit das Unternehmen den Anforderungen der Kunden entspricht. Kunden sind die essentiellste Einnahmequelle und die Daseinsberechtigung des Unter- nehmens. Daher ist der wirtschaftliche Erfolg von den Kunden und deren Zufriedenheit mit Produkten oder Dienstleistungen abhängig.

Die Kennzahlen der Kundenperspektive lassen in allgemeine und segment- übergreifende sowie segmentspezifische Kennzahlen unterscheiden: Allgemeine, segmentübergreifende Kennzahlen sind bspw. Marktanteile, Kundentreue, Neukundenakquisition, Kundenzufriedenheit und Kunden- rentabilität.

Dagegen stellen Produktqualität, Servicedienstleistungen, Preis-Leistungs- verhältnis und Unternehmensimage segmentspezifische Faktoren dar. Sie entscheiden darüber, ob Kunden dem Unternehmen treu bleiben oder zu Wettbewerbern abwandern.43

3.2.3 Interne Prozessperspektive

Die interne Prozessperspektive informiert über die betriebsinternen Prozesse, die von zentraler Bedeutung sind, um die Ziele der Kunden- und Finanzperspektive zu erreichen. Im Rahmen der BSC werden nicht nur die bestehenden Geschäftsprozesse analysiert. Es werden ebenfalls neue Prozesse identifiziert, die zur Erreichung der Kunden- und Finanzziele geschaffen werden müssen. Kaplan und Norton haben eine Wert- schöpfungskette der internen Prozesse entwickelt.44 Diese ist in der nachfolgenden Abbildung dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Prozess-Wertkette der internen Perspektive45

Die betrieblichen Prozesse lassen sich in drei Teilprozesse unterteilen: Innerhalb des Innovationsprozesses erkennt das Unternehmen aktuelle sowie zukünftige Kundenwünsche und entwickelt diese. Kennzahlen für den Innovationsprozess sind beispielsweise Umsatzanteile neuer Produkte, Entwicklungszeiten und das Verhältnis zwischen Gewinn und Produkt- entwicklungskosten.46

Während des Betriebsprozesses werden Produkte bzw. Dienstleistungen hergestellt und den Kunden angeboten. Verwendete Kennzahlen betreffen Prozesszeiten, -kosten, und -qualität. Beispiele hierfür sind Produktions- zeiten, Bearbeitungszeiten für die Abwicklung eines Kundenauftrags, Produktivität, Materialabfall und Fehlerquoten.47

Der Kundendienst beinhaltet Serviceleistungen nach dem Produktkauf bzw. der Inanspruchnahme der Dienstleistung. Reklamations- und Beschwerde- quoten sowie Kosten für Garantieleistungen sind Beispiele für typische Kennzahlen.48

3.2.4 Lern- und Entwicklungsperspektive

Diese Perspektive beschreibt die Infrastruktur, die notwendig ist, um die Ziele der anderen drei Perspektiven zu erreichen. Sie fördert das Unternehmen zu einer lernenden und sich entwickelnden Organisation. Es gibt drei Hauptkategorien der Lern- und Entwicklungsperspektive: Mitarbeiter- potentiale, Potentiale von Informationssystemen sowie Motivation, Empowerment und Zielausrichtung. Eine Kürzung der Investitionen in diese Potentiale führt zu kurzfristigen Erfolgssteigerungen, da die Ausgaben vom Rechnungswesen als Periodenkosten behandelt werden. Die langfristigen negativen Auswirkungen werden erst später deutlich. Daher sind Investitionen in die Infrastruktur notwendig, um nachhaltige Wachstumsziele erreichen zu können. Indikatoren zur Messung der Ziele sind beispielsweise Mitarbeiterzufriedenheit, -motivation, -produktivität, -loyalität sowie Weiter- bildungsmaßnahmen, Arbeitsklima, Entlohnung, und genutzte Informations- technologien.49

Implementierungserfahrungen zeigen, dass es Unternehmen sehr schwer fällt diese Perspektive auszugestalten.50

3. 3 Kritische Würdigung

Dieses Kapitel erörtert die Vor- und Nachteile des Balanced Scorecard- Konzepts. Der erste Abschnitt betrachtet die Vorzüge und Chancen. Im zweiten Abschnitt werden dann die Nachteile und Risiken durchleuchtet.

Ein unbestrittener Vorteil bei der Verwendung der BSC besteht darin, dass Defizite in der Kommunikation der Unternehmensstrategie beseitigt werden. Die BSC schließt die Lücke zwischen der Strategieformulierung und operativem Handeln.51

Ein weiterer, entscheidender Vorteil ist darin zu sehen, dass die BSC permanente Lernprozesse auslöst. Zum einen werden die operativen Maßnahmen angepasst bzw. verbessert, um die anvisierten Ziele zu erreichen. Zum anderen erfolgen ebenso Rückkopplungen auf die Strategie selbst, die dann ggf. angepasst bzw. neu formuliert wird.52.

Die Leistungsmessung erfolgt aus internen und externen, qualitativen und quantitativen Sichtweisen sowie unter Berücksichtigung von Früh- und Spätindikatoren. Dadurch wird eine einseitige Ausrichtung vermieden und das Unternehmen ganzheitlich betrachtet und analysiert. Ein weiterer entscheidender Vorteil hierbei ist, dass das Konzept die Aufmerksamkeit auf die beeinflussbaren Variablen richtet.53

Unternehmen wird es außerdem ermöglicht, Rückschlüsse auf die zukünftigen Erfolgspotentiale ziehen, da die wertschöpfenden, kompetenzbildenden Faktoren sowie die Kundenwünsche betrachtet werden.54

Darüber hinaus führt die Verwendung der Balanced Scorecard dazu, dass der Fokus auf die langfristige Zielerreichung statt auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet ist.55

Ein implementiertes Balanced Scorecard-System eignet sich sodann auch für neue Projekte und Geschäftsfelder. Auch lassen sich andere Controlling- Instrumente ohne großen Aufwand integrieren.56

Trotz der genannten Vorzüge weist das Konzept auch Schwächen auf:

Ein Hauptproblem im Rahmen der Implementierung ist die Komplexität der Ursache-Wirkungsbeziehungen. Zur Generierung von Wirkungs- beziehungen zwischen den Perspektiven und ihren Zielen liefern Kaplan und Norton wenig konkrete Vorschläge. In der Praxis könnten Unternehmen größere Schwierigkeiten bekommen, die richtigen Kausalzusammenhänge zu den finanzwirtschaftlichen Zielen herzustellen.57

Ähnliche Probleme können bei der Auswahl der relevanten Ziele und Kennzahlen auftreten. Da die Balanced Scorecard sich auf die wesentlichen Ziele und Kennzahlen konzentriert, ist es umso wichtiger, die tatsächlich wichtigen Kerngrößen zu identifizieren.58 Insbesondere fehlerhafte und inkonsequente Umsetzungen können die positive Wirkung der Balanced Scorecard in Frage stellen.59

Des Weiteren sind zur Implementierung oftmals mehr finanzielle und personelle Ressourcen notwendig als anfangs geplant.60

Ebenfalls problematisch ist die rechnerische Messbarkeit von nicht- monetären Kennzahlen, welche nur subjektiv messbar sind.61

Bei inhabergeführten, mittelständischen Unternehmen mit überwiegend patriarchalischem Führungsstil ergibt sich zudem folgende Besonderheit: Die Unternehmensleitung sieht sich durch Controlling-Instrumente wie die BSC in ihrer unternehmerischen Freiheit eingeschränkt und befürchtet einen Machtverlust.62

Eine im Jahr 2003 mit den 200 größten Aktiengesellschaften aus dem deutschsprachigen Raum durchgeführte Studie verdeutlicht die Schwierigkeiten der Implementierung: Lediglich 24 Prozent der teil- nehmenden Unternehmen nutzten die Balanced Scorecard.63 Drei Jahre später bestätigte eine weitere Studie mit börsennotierten Unternehmen in Deutschland diese Zahl. Wesentliche Erkenntnis daraus war zudem, dass der Einsatz der Balanced Scorecard keinen maßgeblichen Einfluss auf die Umsatzrendite hat.64

Werden die genannten Schwächen frühzeitig erkannt und bei der Implementierung beachtet, stellt die BSC ein Managementsystem dar, das die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gewährleistet.65 Die BSC bietet die große Chance, strategisches Denken und Handeln auf allen Organisationsebenen zu etablieren.66 Aufgabe von Controllern ist es, die positiven Effekte des Konzepts mit unternehmensspezifischen Charakteristika zu verbinden und Kritiker von den Vorteilen zu überzeugen.67

4 Die Balanced Scorecard als Controlling-Instrumentr egionaler Zeitungsverlage

In diesem Kapitel werden zunächst die regionalen Zeitungsverlage auf dem deutschen Zeitungsmarkt nach Kategorien eingeordnet und die wirtschaft- liche Situation wird beschrieben. Der zweite Abschnitt setzt sich ausführlich mit dem Einsatz der Balanced Scorecard in regionalen Zeitungsverlagen auseinander.

4. 1 Zur Lage der regionalen Zeitungsverlage in Deutschland

Im Jahr 2013 haben in Deutschland täglich 48,5 Millionen Menschen eine gedruckte Zeitung gelesen. Damit greifen mehr als zwei Drittel der über 14- Jährigen jeden Tag nach diesem Medium. Auch die Internetseiten der Verlage sowie die elektronische Version des Printmediums für Smartphones und Tablets (E-Paper) verzeichnen immer mehr Besucher bzw. Nutzer. Zeitungen erreichen heute so viele Menschen wie nie zuvor.68

Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) unterscheidet Zeitungen in Wochenzeitungen, Sonntagszeitungen und Tageszeitungen.69

Die Tageszeitungen werden aufgrund verschiedener Vertriebsarten in Abonnenten- und Kaufzeitungen unterteilt. In die Kategorie der Kauf- zeitungen entfallen Tageszeitungen, die zu 98 Prozent im Einzelverkauf an der Straße und am Kiosk verkauft werden. Dagegen erfolgt der Vertrieb der Abonnentenzeitungen zu mindestens 70 Prozent im Abonnement. Die Differenzierung nach Verbreitungsgebiet unterscheidet die Abonnenten- zeitungen in lokale, regionale und überregionale Zeitungen.70

[...]


1 Döblin (o.J.).

2 Vgl. Keller/Eggert (2013), S. 21-22.

3 Vgl. ebd., S. 56.

4 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 8.

5 Weber/Schäffer (2000), S. 1.

6 Deyhle/Hauser (2010), S. 10.

7 Vgl. Deyhle/Hauser (2010), S. 10.

8 Vgl. Reichmann (1993), S. 1.

9 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 14.

10 Horváth (2011), S. 129.

11 Weber/Schäffer (2000), S. 126.

12 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 26.

13 o.V. (2013).

14 Vgl. Weber/Schäffer (2011), S. 76-77.

15 Vgl. Weber/Schäffer (2000), S. 111.

16 Baum/Coenenberg/Günther (2007), S. 2.

17 Vgl. zu diesem Abschnitt Baum/Coenenberg/Günther (2007), S. 1-2.

18 Vgl. zu diesem Abschnitt Müller (2000), S. 15.

19 Gleich/Kitzelmann (2002), S. 89.

20 Vgl. Hauber (2002), S. 49.

21 Vgl. Gleich/Kitzelmann (2002), S. 89.

22 Vgl. Klingebiel (2000), S. 34-35.

23 Vgl. zu diesem Abschnitt Kaplan/Norton (1997), S. VII u. S.2; Weber/Schäffer (2000), S. 2.

24 Vgl. Müller (2000), S. 68; Kaplan/Norton (1997), S. 2.

25 Norton gab 1996 an, das Konzept bereits in 100 Unternehmen selbst eingeführt zu haben.

26 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. VII–IX; Weber/Schäffer (2000), S. 1.

27 Vgl. Friedag/Schmidt (1999), S. 21; Weber/Schäffer (2000), S. 14.

28 Vgl. Horváth (2011), S. 232.

29 Vgl. Friedag/Schmidt (1999), S. 23.

30 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 36.

31 Quelle: Kaplan/Norton (1997), S. 9.

32 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 238-239.

33 Vgl. Hannabarger/Buchman/Economy (2008), S. 135-137; Weber/Schäffer (2000), S. 5.

34 Vgl. Möllenbeck/Warkotsch (2010), S. 16.

35 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 28-32; Weber/Schäffer (2000), S. 7.

36 Vgl. Horváth (2011), S. 234.

37 Kaplan/Norton (1997), S. 33.

38 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 24; Horváth (2011), S. 233.

39 Der Cashflow ist definiert als Überschuss der Einzahlungen über die Auszahlungen eines Unternehmens. Bei einem negativen Cashflow übersteigen dementsprechend die Auszahlungen die Einzahlungen.

40 Das Nettoumlaufvermögen ist die Differenz zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten.

41 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 47.

42 Vgl. ebd., S. 46.

43 Vgl. zu diesem Abschnitt Kaplan/Norton (1997), S. 24-25 u. S. 62-66; Müller (2000), S. 79.

44 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 25-26.

45 Quelle: ebd., S. 26.

46 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 92 u. S. 97.

47 Vgl. ebd., S. 112-115.

48 Vgl. ebd., S. 102-103.

49 Vgl. zu diesem Absatz ebd., S. 121-128.

50 Vgl. Weber/Schäffer (2000), S. 12.

51 Vgl. Weber/Schäffer (2000), S. 108.

52 Vgl. Guldin (2000), S. 83.

53 Vgl. Müller (2000), S. 127-128.

54 Vgl. ebd.; Janßen (2009), S. 20.

55 Vgl. Müller (2000), S. 127.

56 Vgl. ebd., S. 127-128.

57 Vgl. Weber/Schäffer (2000), S. 8.

58 Vgl. ebd., S. 22.

59 Vgl. Müller (2000), S. 128.

60 Vgl. Janßen (2009), S. 19.

61 Vgl. Müller (2000), S. 127.

62 Vgl. Janßen (2009), S. 18-19.

63 Vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeiffer (2003), S. 16.

64 Vgl. Henseler/Jonen/Lingnau (2006), S. 30-32.

65 Vgl. Müller (2000), S. 130; Janßen (2000), S. 20.

66 Vgl. Weber/Schäffer (2000), S. 109.

67 Vgl. ebd., Janßen (2009), S. 20.

68 Vgl. Staschöfsky (2013), S. 100.

69 Vgl. Keller/Eggert (2013), S. 48.

70 Vgl. Müller (2001), S. 23-14.

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Die Balanced Scorecard als Controlling-Instrument in regionalen Zeitungsverlagen
Untertitel
Eine kritische Analyse
Hochschule
Fachhochschule Südwestfalen; Abteilung Meschede
Note
1,3
Autor
Jahr
2014
Seiten
37
Katalognummer
V301244
ISBN (eBook)
9783956875809
ISBN (Buch)
9783668004412
Dateigröße
834 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Balanced Scorecard, Controlling, Zeitungen, Verlage, Performance Measurement, Strategie, Management, Kaplan, Norton, Controlling-Instrument, Zeitungsverlage, Performance Management, Unternehmenssteuerung, Unternehmenskommunikation, Printmedien, balanced
Arbeit zitieren
Marcel Güth (Autor:in), 2014, Die Balanced Scorecard als Controlling-Instrument in regionalen Zeitungsverlagen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301244

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