Die heutige Zeit ist gekennzeichnet durch Wachstum, ständigen Fortschritt und – zumindest in weiten Teilen Europas – eine demokratische Staatsordnung. Meinungsfreiheit und nahezu grenzenlose Angebote ermöglichen dem Menschen ein hohes Maß an Selbstentfaltung. Die Anforderungen des christlichen Glaubens scheinen in krassem Widerspruch zu dieser menschlichen Freiheit zu stehen. Vor diesem Hintergrund stellen sich drängende Fragen an die Menschen unserer Zeit:
Wird angesichts so kompromissloser Anforderungen nicht die Freiheit des Menschen verletzt?
Sind Glaube und Freiheit überhaupt miteinander vereinbar?
Kann man – angesichts der Ansprüche des Glaubens – noch von Gnade und von Geschenk Gottes sprechen?
Verringerte Anteilnahme der Christen am Kirchenleben scheinen die Nachdrücklichkeit dieser Fragen zu bestätigen (vgl. LB 1, S.26). Die nachfolgende Arbeit versucht, diese Fragen aus der Sicht christlichen Glaubens zu beantworten.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Hingabe im Glauben und Freiheit des Menschen: Vereinbarkeit oder Widerspruch?
2.1 Begriffsklärung
2.1.1 Freie Tat
2.1.2 Christlicher Glaube
2.1.3 Geschenk Gottes
2.1.4 Gnade
2.2 Auseinandersetzung in der Geschichte der Kirche
2.2.1 Aussagen des Neuen Testamentes
2.2.2 Zeit des Augustinus
2.2.3 Erklärungsversuch des Thomas von Aquin
2.2.4 Martin Luthers Deutung aus reformatorischer Sicht
2.2.5 Wertung der kirchengeschichtlichen Ansätze, mögliche Gemeinsamkeiten
2.3 Erklärungsversuch für die Menschen der heutigen Zeit
2.3.1 Kennzeichnung des heutigen Menschen
2.3.2 Selbstverwirklichung als freie Tat
2.3.3 Glaube als gnadenvolles Angebot Gottes
2.3.4 Bejahung des Glaubens in Freiheit, Konsequenz von Betroffensein und liebender Hingabe
3 Ausblick: Erfüllung menschlichen Lebens, Folge der Gnade Gottes
4 Abkürzungsverzeichnis
5 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die heutige Zeit ist gekennzeichnet durch Wachstum, ständigen Fortschritt und - zumindest in weiten Teilen Europas - einer demokratischen Staatsordnung. Meinungsfreiheit und nahezu grenzenlose Angebote ermöglichen dem Menschen ein hohes Maß an Selbstentfaltung.
Die Anforderungen des christlichen Glaubens scheinen in krassem Widerspruch zu dieser menschlichen Freiheit zu stehen. So fordert Jesus beispielsweise: "Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich." (Mt 5, 3). An anderer Stelle verkündet er: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." (Mk 8, 34). Hinzu kommen Gebote der Kirche wie z. B. die regelmäßige Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst. Vor diesem Hintergrund stellen sich drängende Fragen an die Menschen unserer Zeit:
- Wird angesichts so kompromissloser Anforderungen nicht die Freiheit des Menschen
verletzt?
- Sind Glaube und Freiheit überhaupt miteinander vereinbar?
- Kann man - angesichts der Ansprüche des Glaubens - noch von Gnade, von Geschenk
Gottes sprechen?
Verringerte Anteilnahme der Christen am Kirchenleben scheinen die Nachdrücklichkeit dieser Fragen zu bestätigen (vgl. LB 1, S. 26). Die nachfolgende Arbeit versucht, diese Fragen aus der Sicht christlichen Glaubens zu beantworten.
2 Hingabe im Glauben und Freiheit des Menschen: Vereinbarkeit oder Widerspruch?
2.1 Begriffsklärung
2.1.1 Freie Tat
Freie Tat des Menschen bedeutet die Verfügbarkeit des Menschen über sein Handeln in dieser Welt. Welchen Weg der Mensch auch geht, es ist der von ihm verantwortete und entschiedene Weg.1
2.1.2 Christlicher Glaube
Christlicher Glaube ist: Glaube an die Herrschaft Gottes, Annahme Jesu als Sohn Gottes, Anerkennung der Botschaft Jesu als Richtschnur eigenen Handelns (vgl. LB 10, S. 17-19) Die geforderte Nachfolge Jesu in Wort und Tat ist es, die die Frage nach menschlicher Freiheit aktuell bleiben lässt
2.1.3 Geschenk Gottes
Geschenk des Glaubens setzt ein Geben Gottes und ein Empfangen des Menschen voraus. In der heiligen Schrift hat es ein-druckvolle Offenbarungen Gottes gegeben, die von den angesprochenen Menschen als Geschenk empfunden wurden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Paulus hat das Angebot Gottes angenommen und dabei tiefe Erfüllung erfahren (vgl. 2 Kir 1, 12-14). Wir haben auch heute die Möglichkeit, die Bergpredigt Jesu anzunehmen und zu verwirklichen. Dort erst, wo wir Menschen den Zuruf Gottes annehmen, können wir ihn als eine Berufung erfahren, die uns Sinn und Kraft verleiht. Dann erst empfinden wir Gottes Gabe als Geschenk.
2.1.4 Gnade
Kennzeichen der Gnade ist es, dass Gott sich uns Menschen unverdienter Weise und vorbehaltlos zuwendet. In wunderschöner Weise hat dies Thomas von Kempen ausgedrückt:
"Mir selbst überlassen, bleibt bloß Nichts und Schwäche übrig. Wirfst Du mir jedoch einen Blick zu, erstarke ich unversehens, und neue Freude erfüllt mich. Das bewirkt Deine Liebe. Unverdienter maßen kommt sie mir zuvor, greift mir in zahlreichen Nöten unter die Arme, bewahrt mich vor großer Gefahr, entreißt mich, wortwörtlich, unzähligen Abgründen."2 Gottes Gnade wird uns Menschen, sofern wir uns dafür öffnen, in tiefer Gotteserfahrung sichtbar.3
2.2 Auseinandersetzung in der Geschichte der Kirche
2.2.1 Aussagen des Neuen Testamentes
Die Bedeutung des Glaubens als Gnadengeschenk verbindet Paulus eng mit dem Recht des Schöpfers, einen Menschen anzurufen oder aber bewusst zu "verstocken". "Nun wirst du einwenden: Wie kann er dann noch anklagen, wenn niemand seinem Willen zu widerstehen vermag? Wer bist du denn, dass du als Mensch mit Gott rechten willst? Sagt etwa das Werk zu dem, der es geschaffen hat: Warum hast du mich so gemacht?" (Röm 9, 19-20). Im Gegensatz zu Paulus, der die Befähigung zum Glauben ausschließlich Gott zuspricht, erkennt Johannes die Entscheidungsfreiheit des Menschen an. "Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren." (Joh. 12, 25-26). Aus heutiger Sicht erscheint der Erklärungsversuch des Johannes zum Glauben geeigneter. Wäre nicht alle Mühe unseres Lebens, Liebens und Wirkens sinnlos, wenn wir nicht als Antwort auf Gottes Gnade aus freier Entscheidung glauben und gestalten könnten? (vgl. LB 10, S. 22)
2.2.2 Zeit des Augustinus
Die Zeit des Augustinus war ebenfalls gekennzeichnet von einer Auseinandersetzung über den Anteil der Gnade Gottes einerseits und der Freiheit des Menschen am Glauben andererseits. Während der Mönch Pelagius die Gnade Gottes im Vorbild Jesu und der allgemeinen Vergebung der Sünden sah, setzte Augustinus zusätzlich die Vorherbestimmung des Menschen durch die Gnade Gottes voraus.
[...]
1 vgl. Körner, Johannes, Lucy Körner Verlag, Stuttgart, 20. Auflage 1984, S. 101 f. und LB 3, S. 34
2 Kempen, Nachfolge Christi, Benzinger Verlag, Zürich, 4. Auflage 1979, S. 128
3 vgl. Riehle, Die Wolke des Nichtwissens, Johannes Verlag, Einsiedeln, 2. Auflage 1983, S. 53 f.
- Arbeit zitieren
- Klaus Emmerich (Autor:in), 1992, Der Glaube als Geschenk Gottes und freie Tat des Menschen? Analyse der Fragestellung in der Geschichte der Kirche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301725
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