Ziel dieser Arbeit ist die Ausarbeitung eines ersten Profils der tiergestützten Sozialpädagogik,
das theoretische Ansätze aus Nachbardisziplinen mit ersten praktischen Erfahrungen
abgleicht und Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der tiergestützten Sozialpädagogik
darstellt. Dabei soll auch ein erster Umriss einer Methodik des sozialpädagogischen
Einsatzes von Tieren versucht werden.
Diese Zielsetzung erfordert, in dieser Arbeit nicht nur die Theorie, sondern auch die
Praxis tiergestützter Sozialpädagogik zu thematisieren. Diese Notwendigkeit resultiert
aus der Komplexität des Gegenstandes, der über eine Synthese verschiedener disziplinärer
Wissensgebiete hinaus auch die empirische Auswertung von Praxisbeispielen erfordert.
Die Arbeit ist folglich in einen theoretischen und einen praktischen Teil unterteilt.
Der theoretische Teil entstand im Rahmen einer qualitativen Literaturanalyse.
Im ersten Kapitel des theoretischen Teils wird zunächst die historische Entwicklung des
Tiereinsatzes im Sozial- und Gesundheitswesen erläutert. Anschließend werden zentrale
Begriffe der verschiedenen Einsatzformen von Tieren näher bestimmt. Diese Begriffe
bilden den Ausgangspunkt für eine Begriffsbestimmung von tiergestützter Sozialpädagogik,
die dem weiteren Fortgang der Arbeit als Grundlage dient. Anschließend werden
Aspekte der Beziehung zwischen Mensch und Tier dargestellt, die als Basis für ein
weiteres Verständnis für den tiergestützten Ansatz dienen.
Das zweite Kapitel stellt wissenschaftliche Ansätze zur Entstehung und Wirkung der
Mensch – Tier – Beziehung dar, auf deren Grundlage der Einsatz von Tieren zu pädagogischen
und therapeutischen Zwecken legitimiert werden kann.
Das dritte Kapitel des theoretischen Teils konkretisiert schließlich die Wirkungen von
Tieren und ordnet diese anschließend pädagogischen Zielen zu, um die mögliche Funktion
eines tiergestützten Ansatzes innerhalb der Sozialpädagogik zu umreißen. [...] Die Wirkung von Tieren, wie die des Hundes auf meine persönliche Entwicklung, haben
sicherlich viele Heimtierbesitzer ähnlich erlebt. Diese persönlichen Erlebnisse werden
jedoch meines Erachtens in der Literatur tiergestützter Therapie und Pädagogik
manchmal inflationär verwendet. Deshalb sollen in diese Arbeit grundsätzlich keine
romantischen Vorstellungen von Tieren oder auch mystische und sentimentale Anekdoten
oder Geschichten einfließen, wenngleich diese für mich persönlich eine generelle
Berechtigung haben.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Teil I Theorie tiergestützter Arbeit
1. Entwicklung, Formen und Grundlagen tiergestützter Arbeit
1.1 Historische Entwicklung
1.2 Begriffsklärung
1.2.1 Animal - Assisted Activities (AAA)
1.2.2 Animal - Assisted Therapy (AAT)
1.2.3 Animal - Assisted Education (AAE)
1.2.4 Unterscheidungen zwischen AAA, AAT und AAE
1.2.5 Tiergestützte Sozialpädagogik
1.3 Weiteres Begriffsverständnis
1.3.1 Die Mensch - Tier - Beziehung
1.3.2 Die Kind - Tier - Beziehung
1.3.3 Die Mensch - Hund - Beziehung
1.4 Zusammenfassung
2. Die Theorie der Mensch - Tier - Beziehung
2.1 Theoretische Erklärungsansätze für die Entstehung und Wirkung der Mensch - Tier - Beziehung in der Sozialpädagogik
2.1.1 Biophilie - Hypothese
2.1.2 Konzept der Du - Evidenz
2.1.3 Bindungstheoretischer Ansatz
2.1.4 Kommunikationstheorie
2.2 Zusammenfassung
3. Das bio-psycho-soziale Wirkspektrum der Mensch - Tier - Beziehung
3.1 Wirkungspanorama der tiergestützten Arbeit
3.1.1 Physische und physiologische Wirkungen
3.1.2 Psychische und psychologische Wirkungen
3.1.3 Soziale Wirkungen
3.2 Gegenüberstellung von pädagogischen Zielen mit dem Wirkspektrum tiergestützter Arbeit
3.3 Schlussfolgerungen für die tiergestützte Sozialpädagogik
3.4 Zusammenfassung
Teil II Praxis tiergestützter Arbeit
1. Tiergestützte Sozialpädagogik mit Hunden - praktische Umsetzung
1.1 Didaktische Überlegungen
1.2 Qualitäten des Hundes für den Einsatz in der Sozialpädagogik
1.3 Voraussetzungen und Bedingungen für die tiergestützte Sozialpädagogik mit Hunden
1.3.1 Kriterien für die Auswahl von Hunden
1.3.2 Voraussetzungen für eine artgerechte Haltung von Hunden
1.3.3 Eigenschaften von Sozialpädagoge und Klienten
1.3.4 Hygienische Aspekte
1.4 Zusammenfassung
2. Der Einsatz von Hunden in zwei Praxisfeldern der Sozialpädagogik
2.1. Untersuchung des Projekts „Aktiv und fit - wir machen mit“
2.1.1 Methodik der Untersuchung
2.1.2 Auswertung und Ergebnisse
2.1.3 Diskussion und Ausblick
2.2 Untersuchung des Husky - Projekts
2.2.1 Methodik der Untersuchung
2.2.2 Auswertung und Ergebnisse
2.2.3 Diskussion und Ausblick
2.3 Zusammenfassung
3. Konzepte zur Integration des tiergestützten Ansatzes in die Sozialpädagogik
3.1 Konzeptionelle Überlegungen zu einer tiergestützten Sozialpädagogik mit Kindern und Jugendlichen
3.1.1 Hunde AG - Präventionsarbeit im Bereich der Gesundheitsförderung
3.2 Konzeptionelle Überlegungen zu einer tiergestützten Sozialpädagogik mit Familien
3.2.1 Familien - Hundetraining - tiergestützte Arbeit in der Sozialpädagogischen Familienhilfe
3.3 Zusammenfassung
Schlussbetrachtung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Anhang
Einleitung
Zwischen Menschen und Tieren besteht eine oft enge und symbiotische Beziehung und viele Menschen bringen Tieren tiefe Emotionen entgegen.
In einem Brief an Marie Bonaparte schreibt Sigmund Freud 1936 über seine Hündin:
„Es sind wirklich die Gründe, weshalb man ein Tier wie Topsy…mit so merkwürdiger Tiefe lieben kann, die Zuneigung ohne Ambivalenz, die Vereinfachung des Lebens, von dem schwer erträglichen Konflikt mit der Kultur befreit, die Schönheit einer in sich vollendeten Existenz. Und bei aller Fremdartigkeit in der organischen Entwicklung doch das Gefühl einer innigen Verwandtschaft, einer unbestrittenen Zusammengehörigkeit...“.1
Gerade die Ungleichheit von Tieren und Menschen, ermöglicht Letzteren eine intensive Begegnung, die nicht von bisherigen Erfahrungen im sozialen Miteinander geprägt ist. Der Gedanke liegt nahe, die Prozesse, die während der Mensch - Tier - Begegnung entstehen, aufzufangen und zu nutzen, um Adressaten sozialpädagogischer Angebote auf einer Ebene und durch eine Dialogform zu erreichen, die zwischen Menschen oft nur mühsam und über lange Zeit und in einigen Fällen überhaupt nicht erreicht werden kann.
Die vorliegende Arbeit hat diesen Vorüberlegungen folgend die Theorie und Praxis der tiergestützten Sozialpädagogik am Beispiel des Hundes zum Gegenstand. Dabei wird tiergestützte Sozialpädagogik im Kontext dieser Arbeit als methodischer Ansatz ver- standen, bei dem Tiere in die sozialpädagogische Arbeit integriert werden. Damit ist bereits eine erste grundlegende Entscheidung für die nähere Bestimmung des Gegens- tandes gefallen: Tiereinsatz wird als ein möglicher Ansatz innerhalb der Disziplin der Sozialpädagogik verstanden.
Die Auseinandersetzung mit dem professionellen Einsatz von Tieren innerhalb der Sozialpädagogik zielt somit darauf ab, die Bedeutung dieses Ansatzes für den sozialpädagogischen Prozess herauszuarbeiten.
In den USA ist die Arbeit mit Tieren in pädagogischen und therapeutischen Settings bereits anerkannt und erfährt eine starke Verbreitung. Im Gegensatz zu Deutschland wurden dort bereits erste Definitionen eingeführt, die verschiedene Formen von Tierein- satz beschreiben. Daraus folgend haben sich auch verschiedene Forschungsbereiche und Praxisfelder entwickelt. Die tiergestützte Sozialpädagogik kann nicht definitiv in eine der angloamerikanischen Definitionen eingeordnet werden. Ihr fehlt deshalb innerhalb der tiergestützten Arbeit und innerhalb der Anwendungsgebiete der Sozialpädagogik ein eindeutiges Profil.
Diese Profillosigkeit zeigt sich in einer noch unzureichenden wissenschaftlichen Erforschung und daher einem Mangel an Literatur, die tiergestützte Arbeit in auf die Sozialpädagogik begrenzter auf sie zugeschnittener Weise darstellen würde. Die wissenschaftliche Disziplin der Sozialpädagogik setzt sich bislang nicht bedeutend mit den methodischen Möglichkeiten des Tiereinsatzes auseinander.
Ziel dieser Arbeit ist die Ausarbeitung eines ersten Profils der tiergestützten Sozialpädagogik, das theoretische Ansätze aus Nachbardisziplinen mit ersten praktischen Erfahrungen abgleicht und Einsatzmöglichkeiten und Grenzen der tiergestützten Sozialpädagogik darstellt. Dabei soll auch ein erster Umriss einer Methodik des sozialpädagogischen Einsatzes von Tieren versucht werden.
Diese Zielsetzung erfordert, in dieser Arbeit nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis tiergestützter Sozialpädagogik zu thematisieren. Diese Notwendigkeit resultiert aus der Komplexität des Gegenstandes, der über eine Synthese verschiedener disziplinä- rer Wissensgebiete hinaus auch die empirische Auswertung von Praxisbeispielen erfor- dert. Die Arbeit ist folglich in einen theoretischen und einen praktischen Teil unterteilt. Der theoretische Teil entstand im Rahmen einer qualitativen Literaturanalyse.
Im ersten Kapitel des theoretischen Teils wird zunächst die historische Entwicklung des Tiereinsatzes im Sozial- und Gesundheitswesen erläutert. Anschließend werden zentrale Begriffe der verschiedenen Einsatzformen von Tieren näher bestimmt. Diese Begriffe bilden den Ausgangspunkt für eine Begriffsbestimmung von tiergestützter Sozialpädagogik, die dem weiteren Fortgang der Arbeit als Grundlage dient. Anschließend werden Aspekte der Beziehung zwischen Mensch und Tier dargestellt, die als Basis für ein weiteres Verständnis für den tiergestützten Ansatz dienen.
Das zweite Kapitel stellt wissenschaftliche Ansätze zur Entstehung und Wirkung der Mensch - Tier - Beziehung dar, auf deren Grundlage der Einsatz von Tieren zu pädagogischen und therapeutischen Zwecken legitimiert werden kann.
Das dritte Kapitel des theoretischen Teils konkretisiert schließlich die Wirkungen von Tieren und ordnet diese anschließend pädagogischen Zielen zu, um die mögliche Funktion eines tiergestützten Ansatzes innerhalb der Sozialpädagogik zu umreißen.
Das erste Kapitel des praktischen Teils der Arbeit stellt Informationen aus der Fachliteratur zusammen, die die Voraussetzungen für die praktische Umsetzung von Tiereinsätzen in der Sozialpädagogik darlegen. In diesem Zusammenhang werden didaktische Vorüberlegungen, aber auch die Auswahl von Hunden und möglichen Adressaten in einem sozialpädagogischen Setting angesprochen.
An diese Ausarbeitung der Voraussetzungen und Bedingungen für den praktischen Ein- satz von Tieren schließt sich im zweiten Kapitel eine qualitative empirische Erhebung an. Dazu wurden repräsentativ zwei Projekte ausgewählt, in denen Tiere in Arbeitsfel- dern der Sozialpädagogik eingesetzt werden. In Form von leitfadengeführten Interviews mit Expertinnen und Projektteilnehmern sowie eigenen Beobachtungen wurden Daten erhoben, die als Grundlage der Untersuchung dieser Projekte dienen. Dieser Untersu- chung liegen Fragestellungen und Arbeitshypothesen zugrunde, die auf Grundlage der Ergebnisse des Theorieteils der Arbeit gebildet wurden. Die Methodik der Untersu- chung wird ausführlich erläutert. Anschließend werden die Vorgehensweise bei der Datenauswertung und die daraus resultierenden Ergebnisse vorgestellt. Im letzten Teil des Kapitels werden Mängel, Probleme und Konsequenzen der Untersuchung aufge- zeigt.
Das dritte Kapitel beendet den praktischen Teil der Arbeit mit dem Entwurf zweier Konzepte, die in hypothetischer Form beschreiben, wie Hunde in zwei Praxisfelder der Sozialpädagogik integriert werden können. Diese Konzepte beruhen auf den vorher gewonnenen Erkenntnissen aus der Auswertung der theoretischen Grundlagen und den Ergebnissen der empirisch-qualitativen Untersuchung.
Meine eigenen Erkenntnisinteressen bezogen auf diese Arbeit sind motiviert aus meiner Sozialisation im Hinblick auf Tiere. Meine eigenen Tiere hatten aus heutiger Sicht eine große Bedeutung für meine persönliche Entwicklung. Zum einen konnte ich durch das Zusammenleben mit ihnen geeignete Verarbeitungsstrategien bei Tod, Verlust oder Trauer erlernen, zum anderen haben sie erheblichen Anteil an meinen positiven Selbst- wirksamkeitserwartungen.
Nach Beginn meines Studiums erlebte ich eine besondere Ausprägung der Mensch - Tier - Beziehung, als ich meinen ersten Hund anschaffte. Er stammte aus einer nicht artgerechten Privathaltung und zeigte aufgrund der fehlenden Sozialisation viele uner- wünschte Verhaltensweisen. Hinsichtlich meiner zunächst erfolglosen Erziehungsversu- che, wurde die Beziehung zu dem Hund für mich zu einem Spiegel, durch den mir meine Disziplinierungsversuche und meine damit verbundenen eigenen Verhaltenswei- sen verdeutlicht wurden. Durch seine direkten Reaktionen und seine weitere Entwick- lung löste der Hund in mir Veränderungs- und Reflexionsprozesse aus, die ich nicht erwartet hatte. Ich lernte sehr viel mehr durch das Tier, als ich ihm beibringen konnte. Die Herausforderungen der Hundeerziehung ließen mich vor allem pädagogische Prin- zipien begreifen. Diese Aussage mag Nicht - Hundehaltern und Pädagogen befremdlich erscheinen. Zum näheren Verständnis möchte ich betonen, dass es mir fernliegt, Kinder und Hunde auf eine Ebene zu stellen. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass ähn- liche pädagogische Strategien innerhalb der Kinder- und Hundeerziehung positive Re- sultate erbringen. Ich ziele auf folgende pädagogische Leitgedanken ab: konsequentes Handeln und Grenzziehung, klare, stimmige verbale und nonverbale Kommunikation, Anerkennung der Besonderheiten des zu Erziehenden, Vermeidung von Unter- oder Überforderung, Unsinnigkeit körperlicher Strafen und die Notwendigkeit ausreichender geistiger und körperlicher Beschäftigung.
Die Wirkung von Tieren, wie die des Hundes auf meine persönliche Entwicklung, ha- ben sicherlich viele Heimtierbesitzer ähnlich erlebt. Diese persönlichen Erlebnisse wer- den jedoch meines Erachtens in der Literatur tiergestützter Therapie und Pädagogik manchmal inflationär verwendet. Deshalb sollen in diese Arbeit grundsätzlich keine romantischen Vorstellungen von Tieren oder auch mystische und sentimentale Anek- doten oder Geschichten einfließen, wenngleich diese für mich persönlich eine generelle Berechtigung haben.
Teil I Theorie tiergestützter Arbeit
1. Entwicklung, Formen und Grundlagen tiergestützter Arbeit
In diesem Kapitel sollen basale Begriffe, die sich auf die Thematik tiergestützter Arbeit beziehen, erläutert werden. Tiergestützte Arbeit ist dabei als ein Oberbegriff zu verstehen, der unterschiedliche Vorgehensweisen beschreibt, Tiere im sozialen und medizinischen-therapeutischen Bereich einzusetzen.
Zum einen werden der Ursprung und die vergangenen wichtigsten nationalen und inter- nationalen Entwicklungen tiergestützter Arbeit dargestellt. Zum anderen wird die Ter- minologie, und zwar vorwiegend die englischsprachliche, der tiergestützten Einsatzfor- men vorgestellt und erläutert. Anschließend wird ein dieser Arbeit zugrunde liegendes Begriffsverständnis von tiergestützter Sozialpädagogik näher bestimmt. Ferner werden weitere Begriffe erläutert, auf die tiergestützte Arbeit zurückgreift bzw. die mit profes- sionellem Tiereinsatz zusammenhängen. Darunter fallen Begriffe aus dem Bereich der allgemeinen Beziehungsformen zwischen Mensch und Tier, insbesondere zwischen Kindern und Tieren, und dem Verhältnis zwischen Menschen und Hunden.
1.1 Historische Entwicklung
In den menschlichen Vorstellungen über die Entstehung und Heilung von Krankheiten kamen Tieren schon immer kulturspezifische Aufgaben und Rollen zu.2 Es ist daher nicht eindeutig feststellbar, wann Tiere erstmals als „Co-Therapeuten“ genutzt wurden. Die historische Entwicklung ihrer Mitwirkung im therapeutischen Kontext beginnt wahrscheinlich im 8. Jahrhundert in belgischen Klöstern, wo vor allem Hunde zur Be- handlung geistig behinderter Waisenkinder eingesetzt wurden.3 Im 9. Jahrhundert wurde ebenfalls in Belgien die sogenannte „therapie naturelle“ angewandt, wobei die Lebens- qualität von wirtschaftlich und sozial benachteiligten Menschen durch die Arbeit mit Tieren verbessert werden sollte.4
Im Zeitalter der Aufklärung, beginnend am Ende des 17. Jahrhunderts, veränderte sich die Grundhaltung gegenüber der Natur und auch die Haltung gegenüber Tieren, soweit diese als Repräsentanten einer auch im Menschen wirkenden Natur wahrgenommen wurden. So wurde die soziale Funktion der Mensch - Tier - Beziehung, vor allem für Kinder, von dem englischen Philosophen John Locke bereits 1699 unterstrichen. Er empfahl, dass Kinder Tiere pflegen und versorgen sollten, um Zuneigung und Verant- wortungsgefühl zu erlernen.5
Erstmals historisch dokumentiert wurde der institutionalisierte Einsatz von Tieren 1792 in England in der York Retreat, einer von Quäkern gegründeten und von William Tuke geführten Anstalt für psychisch Kranke.6 Hier wurden die Behandlungsmethoden im Vergleich zu anderen psychiatrischen Einrichtungen unkonventionell gestaltet. Die Pa- tienten trugen ihre eigene Kleidung, wurden ermutigt handwerklich tätig zu sein oder sich mit Literatur und vor allem mit der Natur zu beschäftigen.7 Deshalb legte man in den Außenanlagen Gärten an und hielt Kleintiere wie Kaninchen oder Hühner. Tuke war der Auffassung, dass sich die Betreuung und Pflege von Tieren positiv auf die At- mosphäre in der Anstalt auswirkt sowie Selbstkontrolle und Verantwortungsübernahme der Patienten fördert.8 Die nicht dem Strafgedanken verpflichtete Behandlung psychisch kranker Menschen kann als ein Vorläufer der humanen Therapie unserer heutigen Zeit betrachtet werden.9
Im Jahre 1867 wurde eine Krankenanstalt für Epileptiker in Bethel bei Bielefeld ge- gründet. Diese Institution setzte zuerst in Deutschland Tiere wie Hunde, Katzen, Schafe und Ziegen unterstützend in der Therapie ein. Man erhoffte sich von der Anwesenheit der Tiere positive Effekte auf das Wohlbefinden der Patienten.10 Der Tiereinsatz und seine Auswirkungen auf den Behandlungsverlauf wurden jedoch nicht systematisch dokumentiert.11
Der erste dokumentierte therapeutische Einsatz von Tieren fand von 1942 bis 1945 in den USA statt. Im Army Air Force Convalescent Hospital in Pawling, New York wurde in ländlicher Umgebung ein Programm des amerikanischen Roten Kreuzes zur Rehabi- litation von ehemaligen Piloten durchgeführt. Deren Kriegsverletzungen und psychi- schen Traumata wurden intensiv behandelt. Hunde, Katzen, Pferde oder Nutztiere waren Teil dieser Therapie. Nach dem Krieg wurde das Programm beendet.12 1948 wurde in den USA die Internats- und Ganztagsschule Green Chimneys auf einer Farm in Patterson, New York eröffnet. Dort wird es Kindern mit sozial-emotionalen Defiziten bis heute ermöglicht, mit Tieren aufzuwachsen und Natur und Umwelt zu erleben.13 Green Chimneys ist die weltweit größte Einrichtung, die tiergestützte Arbeit anbietet.14
Auch die bekannten Vertreter der Psychoanalyse Carl Gustav Jung und Sigmund Freud ließen ihre Hunde den Therapiesitzungen beiwohnen, wobei die Tiere keine aktive Rolle einnahmen.15 Der amerikanische Kinderpsychotherapeut Boris M. Levinson wies schließlich in seinen wichtigsten Publikationen „Pet-Oriented Child Psychotherapy“ (1969) und „Pets and human development“ (1972) umfangreich auf das Potential von Tieren in der Psychotherapie hin.16
Er entdeckte 1954 eher zufällig die Funktion von Tieren als „soziale Katalysatoren“, weil sie den zwischenmenschlichen Kontaktaufbau positiv beeinflussen. Er berichtet von einer Mutter, deren Sohn bereits über einen längeren Zeitraum erfolglos behandelt worden war. Sie brachte ihn für eine Therapiesitzung zu zeitig in Levinsons Praxis. Jingles, Levinsons Hund, war noch im Raum und lief zu dem Jungen und leckte ihn ab. Der Junge zeigte großes Interesse an dem Tier und kuschelte mit Jingles. Levinson wurde von dem Jungen gefragt, ob alle Patienten mit dem Hund spielen dürften. Als Levinson diese Frage bejahte, wollte der Junge wieder in die Praxis kommen, um sich mit dem Hund zu beschäftigen. In mehreren Sitzungen beobachtete Levinson das Spiel von Kind und Hund. Mit der Zeit gelang es ihm, mit in das Spiel einbezogen zu werden und eine Beziehung zu dem Jungen aufzubauen, die die Therapie ermöglichen konnte.17 Levinson stellte unter anderem fest, dass Tiere Kindern die Möglichkeit bieten unbe- lastete Beziehungen einzugehen und dieses positive Erlebnis könnten sie auf Beziehungen mit Menschen übertragen.18
Auf der einen Seite kämpfte Levinson bezüglich seiner Theorien mit Widerstand aus dem Kreis seiner Kollegen, auf der anderen Seite stellten seine Publikationen den Beginn von weiteren Experimenten und Dokumentationen von Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen dar.19
Angeregt von Levinson untersuchten Samuel und Elisabeth Corson, die in der Psychiat- rieabteilung an der Ohio State University arbeiteten, die Effekte von Tieren auf Patien- ten, die andere Behandlungen nicht akzeptierten.20 Die Arbeit mit den ausgewählten Hunden wurde durch Videoaufnahmen dokumentiert und ausgewertet. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass die Patienten zunächst eine Beziehung zu den Tieren entwi- ckelten und danach Beziehungen mit Menschen (Therapeuten, Patienten, Pflegeperso- nal) eingingen. Das Ehepaar Corson begründete positive Wirkungen von Tieren mit dem Körperkontakt und der vorurteilsfreien Zuwendung, die diese ermöglichten.21 Die Hunde der Station wurden später in ein Pflegeheim versetzt, wo erneut Videoaufnahmen der Interaktion zwischen Tieren und den Bewohnern angefertigt wurden.22 Die Corsons betonten die Bedeutung der Persönlichkeit und der Rasse des Hundes im therapeuti- schen Kontext. Sie setzten Hunde der verschiedenen Temperamente, wie freundlich, aggressiv oder schüchtern, sehr bewusst ein.23
Im Bereich des Strafvollzugs entwickelte David Lee, ein Sozialhelfer und Psychiater am Krankenhaus für psychisch kranke Straftäter in Lima, Ohio, in den 70er Jahren ein Tiertherapieprogramm. In diesem Programm musste der Patient sich das Anrecht auf ein eigenes Tier erarbeiten, indem er sich um Wüstenmäuse und ein Aquarium kümmerte. Die Ergebnisse des Programms bestanden aus einer wachsenden Kooperation der Patienten untereinander und einer verstärkten Zusammenarbeit mit dem Personal. Außerdem sanken die Anzahl der körperlichen Übergriffe und Suizidversuche sowie die Höhe der Medikamentendosen gegenüber anderen Stationen.24
Schließlich wurde 1977 wurde in Portland, Oregon, die amerikanische Stiftung „Delta Foundation“ gegründet, die 1981 in „Delta Society“ umbenannt wurde.25 Sie ist seitdem die Dachorganisation für tiergestützte Arbeit und weitere Tätigkeiten im Bereich der Mensch - Tier - Beziehung.26
Ebenfalls in den USA wurde 1990 die IAHAIO, International Association of HumanAnimal Interaction Organizations, gegründet. Den Mittelpunkt der Arbeit bildet die Mensch - Tier - Beziehung, die erforscht und gefördert wird.27 Diese Organisation bietet interdisziplinäre Tagungen an, auf denen sich Vertreter aus Wissenschaft und Praxis über die Wirkung von Tieren auf die Gesundheit austauschen können.28 Seit 1987 unterstützt der Verein Tiere helfen Menschen e. V. in Deutschland ehrenamtliche Tierbesuchsdienste. Der Verein Leben mit Tieren e. V. initiiert seit 1988 Hundebesuchsdienste und unterhält Mensch-Tier-Begegnungsstätten.29
Gegenwärtig existieren viele Vereine, Verbände, Institute und Akademien sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern, die sich mit Themen der tiergestützten Arbeit auseinandersetzen und mittlerweile zum Teil auch Weiterbildungen anbieten. Ein funktionierendes Netzwerk für die Etablierung von Qualitätsstandards für die neue Disziplin ist bisher aber noch nicht entstanden.30
Grundsätzlich zeigt sich in der gesamten historischen Entwicklung des professionellen Einsatzes von Tieren, dass die sich praktische Anwendung tiergestützter Arbeit schneller entwickelte als deren Erforschung.31 Obwohl vorrangig in den angelsächsischen Staaten verschiedene Institutionen und Angehörige einzelner Disziplinen Tiere zu pädagogischen oder therapeutischen Zwecken einsetzten, wurde deren Wirkung nicht ausreichend und erst verspätet wissenschaftlich belegt.32
1.2 Begriffsklärung
Wie eingehend in der historischen Entwicklung dargestellt, konzentrierten sich Praxis und Forschung tiergestützter Arbeit vor allem auf die USA. Daher wurden dort auch zuerst Begrifflichkeiten für tiergestützte Einsatzformen entwickelt und differenziert.33 Infolgedessen existieren verschiedene englischsprachige Bezeichnungen für tierge- stützte Arbeit, aus denen Pendants für den deutschen Sprachraum hergeleitet wurden. Gegenwärtig sind keine allgemeingültigen und eindeutigen Definitionen oder Qualitäts- standards vorhanden.34
Der älteste Ausdruck für erste Versuche, Tiere zu therapeutischen Zwecken einzusetzen, ist die „Pet Therapy“ (PT).35 Er bezieht sich auch auf die 1954 gemachte Entdeckung von Levinson und findet seine Verwendung mit dem Einsatz von domestizierten Tieren im Sozial- und Gesundheitswesen. Der Begriff wurde bald durch „Pet-Facilitated The- rapy“ (Abk. PFT) ersetzt.36 „Pet-facilitated" wird mit tiergestützt übersetzt, „to facili- tate" bedeutet allerdings wörtlich übersetzt so viel wie „erleichtern" oder „fördern".37 Eine Unterform der Pet-Facilitated Therapy ist die „Pet-Facilitated Psychotherapy“ (Abk. PFP). Diese konzentriert sich auf die psychische Wirkung von Tieren und wurde von dem Ehepaar Corson verwendet.38
Der später eingeführte Begriff „Animal-Facilitated Therapy“ (Abk. AFT) trug der Möglichkeit Rechnung, auch nicht domestizierte Tiere zu therapeutischen Zwecken einzusetzen.39
Dies stellt nur eine Auswahl der Vielzahl von Begriffen dar, die zu einer gewissen Ver- wirrung führt. Die Delta Society unternahm schließlich 2001 den Versuch, diese Aus- drücke zu systematisieren.40 Die geprägten Definitionen umfassen „Animal-Assisted Activities“ (Abk. AAA) und „Animal-Assisted Therapy“ (Abk. AAT).41 Ebenso exis- tiert im Amerikanischen die Bezeichnung „Animal-Assisted Education“ (Abk. AAE).42
Für die Unterscheidung der drei Hauptbegriffe sind in Deutschland verschiedene hete- rogene Übersetzungen bekannt, die ebenfalls im Laufe dieser Arbeit verwandt werden.43 Die amerikanischen Begriffe wurden bewusst gewählt, um die Terminologie tierge- stützter Arbeit zu differenzieren, da im deutschen Sprachraum statt dieser Dreiteilung zu viele andere und zusätzliche Begriffe verwandt werden. Als Oberbegriff im deutschen Sprachraum wird oft von tiergestützter Arbeit oder tiergestützten Intervention gespro- chen.44
1.2.1 Animal - Assisted Activities (AAA)
Animal - Assisted Activities (Abk. AAA) wird im Deutschen als tiergestützte Aktivitäten (Abk. TGA) oder tiergestützte Fördermaßnahmen (Abk. TGF) bezeichnet. Die Delta Society definiert AAA wie folgt:
“AAA provides opportunities for motivational, educational, recreational, and/or therapeutic benefits to enhance quality of life. AAA are delivered in a variety of environments by specially trained professionals, paraprofessionals, and/or volunteers, in association with animals that meet specific criteria.”45
Dies bedeutet, dass Kontakte und Interaktionen zwischen Mensch und Tier stattfinden, die der Verbesserung der Lebensqualität dienen. Die Besuche werden im Voraus nicht besonders vorbereitet, sondern situationsbezogen durchgeführt. Es können sowohl ein- zelne als auch mehrere Personen an tiergestützten Aktivitäten teilnehmen. Diese Treffen müssen nicht unbedingt ein Ziel erreichen oder dokumentiert werden. In Deutschland werden tiergestützte Aktivitäten überwiegend als Besuchsdienste in Senioren- und Be- hinderteneinrichtungen durchgeführt.46 Diese Institutionen werden, auch spontan, von ausgebildeten Fachkräften, angelernten Hilfskräften oder Ehrenamtlichen mit ihren Tie- ren besucht.47 Die Besuche sind jedoch nicht Teil einer Behandlung, sondern dienen lediglich der Steigerung des Wohlbefindens und können somit begleitend einen positi-
ven Effekt auf therapeutische Maßnahmen haben.48 Die gesteigerte Lebensqualität durch tiergestützte Aktivitäten, beispielsweise für Bewohner eines Pflegeheimes, erklärt sich aus der Möglichkeit, soziale Kontakte zu Menschen und Tieren pflegen zu kön- nen.49
Laut Olbrich kann man zwischen aktiven und passiven tiergestützten Aktivitäten unterscheiden. Bei der aktiven Form finden Interaktionen zwischen Mensch und Tier statt. Diese Interaktionen schließen körperlichen Kontakt, Spiel und gemeinsame Aktivitäten mit dem Tier ein. Wenn keine Interaktion stattfindet, sondern Tiere wie Fische im Aquarium oder Meerschweinchen im Stall nur beobachtet werden, spricht man von einer passiven tiergestützten Aktivität.50
1.2.2 Animal - Assisted Therapy (AAT)
Animal - Assisted Therapy (Abk. AAT) wird im Deutschen als tiergestützte Therapie (Abk. TGT) ausgedrückt. Die Delta Society definiert AAT wie folgt:
“AAT is a goal-directed intervention in which an animal that meets specific criteria is an integral part of the treatment process. AAT is directed and/or delivered by a health/human service professional with specialized expertise, and within the scope of practice of his/her profession. AAT is designed to promote improvement in human physical, social, emotional, and/or cognitive functioning [cognitive functioning refers to thinking and intellectual skills]. AAT is provided in a variety of settings and may be group or individual in nature. This process is documented and evaluated.”51
Sinngemäß ist tiergestützte Therapie demnach eine zielgerichtete Intervention, bei der ein Tier, das bestimmte Kriterien erfüllt, integraler Bestandteil des Behandlungsprozes- ses ist. Tiergestützte Therapie wird von Fachkräften aus dem Sozial- und Gesundheits- wesen ausgeführt und soll den physischen, sozialen, emotionalen und / oder kognitiven Bereich fördern. Die therapeutischen Maßnahmen werden individuell und zielgerichtet festgelegt sowie dokumentiert und ausgewertet, damit Fortschritte gemessen werden können.52
Ein Beispiel für tiergestützte Therapie ist die Förderung der Hand - Augen - Koordination bei Schlaganfall - Patienten durch ein Training mit einem Therapiehund oder der Einsatz von Tieren in der Kinderpsychotherapie.53
AAT kann in verschiedenen Therapieformen (Sozialtherapie, Psychotherapie etc.) an- gewandt werden, sofern Tiere zielgerichtet in den therapeutischen Prozess einbezogen werden. Demnach wird tiergestützte Therapie vorrangig von ausgebildeten Therapeuten verwendet, die ebenfalls eine Zusatzausbildung für den tiergestützten Einsatz besitzen sollten.54
Bei der Animal - Assisted Therapy soll nicht nur das Wohlbefinden gesteigert werden, sondern konkrete vorher definierte Ziele durch den methodischen Einsatz des Tieres erreicht werden. Die ausführende Fachkraft hat eine stärkere Bedeutung, indem sie das Tier bewusst im therapeutischen Kontext nutzt und in ihre Methodik integriert.
1.2.3 Animal - Assisted Education (AAE)
Im Gegensatz zu AAA und AAT wird der Begriff Animal - Assisted Education (Abk. AAE) nicht von der Delta Society aufgeführt und definiert, obwohl er ebenfalls in der Fachwelt tiergestützter Arbeit genutzt wird. Erstmals eingeführt wurde der Begriff im September 2001 in der Generalversammlung der IAHAIO in Rio de Janeiro. „The IAHAIO Rio Declaration on Pets in Schools“ stellt Richtlinien für den Umgang mit Tieren an Schulen dar. Entstanden sind diese aufgrund der Tatsache, dass der Wert von Tieren für Kinder und Jugendliche bezogen auf die moralische, soziale, geistige und persönliche Entwicklung in den vorhergehenden Jahren durch Studien bewiesen wurde.55 Im Oktober 2007 wird der Begriff Animal - Assisted Education explizit in der IAHAIO Tokyo Declaration, bezogen auf den Bedarf an Qualitätssicherung, aufge- führt.56
Elizabeth Teal bietet folgende Definition von Animal - Assisted Education an:
“Animal-Assisted Education is the process of learning, and training, specifically developing skills and knowledge that is being assisted and enhanced by the presence and use of an animal. The Visiting Animal [sic!] in educational settings is either the subject of the lesson plan, to facilitate the learning plan or to enhance the environment for learning to take place…”.57
Im deutschen Sprachraum hat sich die Übersetzung tiergestützte Pädagogik (Abk. TGP) durchgesetzt. Aber auch Bezeichnungen wie tiergestützte Erziehung oder tiergestützter Unterricht werden benutzt. In Deutschland findet sich AAE in Form von Lese- oder Sprachförderungsprogrammen oder als Einsatz von Schulhunden.58 Erzieher, (Heil-oder Sozial-)Pädagogen aber auch Lehrer setzen geeignete Tiere gezielt in Kindergärten, Schulen und anderen pädagogischen Einrichtungen ein.59 In diesem Zusammenhang wird häufig mit Gruppen gearbeitet, wobei ein pädagogisches Ziel vorhanden ist. Die Tiere erweitern die methodisch-pädagogischen Möglichkeiten, indem sie direkt als Lernobjekt eingesetzt werden oder einen Beziehungsaufbau und die pädagogische Pra- xis unterstützen.60 Dieser Prozess soll dokumentiert und evaluiert werden.61 In Deutsch- land findet diese Arbeit vermehrt Beachtung. So versucht seit 1999 die Forschungs- gruppe TiPi („Tiere in Pädagogik integrieren") der Universität Köln positive Wirkungen des pädagogischen Tiereinsatzes durch Forschungen nachzuweisen.62
1.2.4 Unterscheidungen zwischen AAA, AAT und AAE
Die dargestellten Unterscheidungen von AAA, AAT und AAE lassen sich in der Praxis nicht aufrecht erhalten, da die einzelnen Einsatzformen oft ineinander übergehen. Dem- zufolge ist diese Kategorisierung nicht eindeutig. An dieser Stelle werden daher die Unterscheidungsmerkmale der Terminologie tiergestützter Arbeit konkretisiert.
Beck und Katcher konstatierten treffend die Notwendigkeit, die Wirkweise von Tierkontakt entsprechend zu unterscheiden:
"A clear distinction should be made between emotional response to animals, that is, their recreational use, and therapy. It should not be concluded that any event that is enjoyed by the patients is a kind of therapy."63
Zu Beginn erfolgt die Abgrenzung von AAA und AAT, da in der Literatur oft kein Un- terschied zwischen AAA und AAT vorgenommen wird. Daher findet sich auch mehr- fach die Schreibweise „AAA/T"64, wodurch die fließenden Übergänge „sichtbar“ wer- den.65
Es finden sich vier unterschiedliche Möglichkeiten tiergestützte Therapie von tierge- stützten Aktivitäten anhand verschiedener Merkmale abzugrenzen.66 Das erste Merkmal ist die Art der Durchführung von tiergestützter Arbeit. Die tiergestützte Therapie muss eine zielgerichtete Maßnahme sein, die von Fachpersonal (Ärzte, Psychologen, Sozial- pädagogen etc.) durchgeführt und entsprechend dokumentiert wird. Wird eines der ge- nannten Kriterien nicht erfüllt, spricht man von tiergestützter Aktivität. Die zweite Art der Abgrenzung geschieht nur auf Grundlage anerkannter akademischer und / oder be- ruflicher Ausbildung. Demzufolge führen Personen, die einen geeigneten und aner- kannten Abschluss (Heilpädagoge, Ergotherapeut, Arzt etc.) haben, tiergestützte Thera- pie durch, während Personen ohne diese Ausbildung lediglich tiergestützte Aktivitäten anbieten können. Die Arbeit mit Tieren wird weiterhin in Hinblick auf die Rolle und Priorität des Tieres unterschieden. Wenn das Tier für den therapeutischen Kontext glei- chermaßen wichtig ist wie der Therapeut, so spricht man von tiergestützter Therapie. Die letzte Möglichkeit ist, dass alle gezielten Maßnahmen, die positive Wirkungen auf das psychische und körperliche Erleben und Verhalten von Menschen haben, als tierge- stützte Therapie bezeichnet werden.67
Qualitativ betrachtet, hat AAE eine Position zwischen AAA und AAT. AAE kann aber auch als spezielle Form von AAA und AAT verstanden werden, die an die Zielgruppe Kinder und Jugendliche angepasst ist.68
In der Literatur wird oft kein Unterschied zwischen tiergestützter Therapie und Pädago- gik gemacht. Um tiergestützte Therapie und tiergestützte Pädagogik zu differenzieren, braucht es eine grundsätzliche Unterscheidung von Pädagogik und Therapie. Therapie und Erziehung unterscheiden sich in Zielsetzung, Indikation oder Voraussetzungen.69 Während eine pädagogische Zielsetzung sich auf den Menschen in seiner gesamten Entwicklung bezieht, sind therapeutische Ziele auf bestimmte Bereiche des Körpers oder der Psyche begrenzt. Therapie beruht auf einem Bedarf, der durch eine Diagnose entsteht, während der Anspruch auf Erziehung keine konkrete Voraussetzung hat, da die Erziehung eng mit der menschlichen Entwicklung verknüpft ist. Der Mensch benötigt grundsätzlich Erziehung, während ein Therapiebedarf nur unter gewissen Vorausset- zungen gegeben ist. Diese kurze Gegenüberstellung zeigt die deutliche Abgrenzung beider Bereiche und spricht gegen eine synonyme Nutzung.70
Der Tiereinsatz innerhalb von AAA, AAT und AAE gestaltet sich sehr unterschiedlich. Zum einen werden Tiere für bestimmte Aktivitäten zielgerichtet trainiert, zum anderen sind die Interaktionen mit Tieren frei und spontan.71
1.2.5 Tiergestützte Sozialpädagogik
Die Begrifflichkeiten der tiergestützten Einsatzformen sind im deutschen Sprachraum noch nicht einheitlich definiert. Bislang stellt tiergestützte Arbeit eine zusätzliche Methode der ausführenden Berufsgruppen dar.72
Nach dem Kategoriensystem AAA, AAT und AAE kann die tiergestützte Sozialpäda- gogik prinzipiell in allen drei Formen angesiedelt werden, da die therapeutische Ausbil- dung bei AAT nach der Delta Society nicht zwingend vorausgesetzt wird. Um die vielfältigen Einsatzfelder und multiprofessionelle Anwendung tiergestützter Arbeit entsprechend zu erfassen, kann jede Profession bzw. Berufsgruppe ihre Berufs- bezeichnung mit dem Adjektiv „tiergestützt" ergänzen und eigene Definitionen oder Zielsetzungen entwickeln. Diese Vorgehensweise wurde auch für den zentralen Begriff der vorliegenden Arbeit gewählt.73
Die tiergestützte Sozialpädagogik soll im Folgenden näher bestimmt werden.
Zur Entwicklung eines eigenen Begriffsverständnisses von tiergestützter Sozialpädago- gik müssen zunächst Aufgaben und Ziele der Sozialpädagogik erläutert werden. Erstmals eingeführt wurde der Begriff Sozialpädagogik 1851 von A. Diesterweg in dem
9. Kapitel seines Buches „Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer". In dem besagten Kapitel „Schriften über Social-Pädagogik" stellte der Begriff eine Wortbildung dar, die eine neue Dimension der Pädagogik aufzeigen sollte.74
Allerdings bestehen, ähnlich der tiergestützten Arbeit, Probleme in der Gegenstandsbestimmung und Abgrenzung, da Sozialpädagogik verschiedene Erziehungs- und Bildungsbereiche verbindet.75
Sozialpädagogik stellt Erziehung mit und durch die Gesellschaft dar, die gesellschaft- lich anerkanntes Verhalten erzielen soll. Insgesamt verfolgt Sozialpädagogik allgemeine und individuelle Sozialisationsziele. Der Kern der sozialpädagogischen Intervention besteht im Falle nichterreichter Sozialisationsziele in Resozialisierung bzw. tertiärer Sozialisation, indem Lernprozesse initiiert und / oder beeinflusst werden.76 Infolgedes- sen verfolgt die Sozialpädagogik ferner das Ziel, die soziale Lebenssituation und die Lebensführung zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen autonomes Handeln und selbstbestimmte Entscheidungen gefördert werden, sozial und/oder persönlich be- nachteiligte bzw. beeinträchtigte Menschen integriert werden und förderliche Problem- und Konfliktlösungen erarbeitet werden.77
Der spezifische Ansatz der Sozialpädagogik besteht aus dem Blick auf das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft. Dieses Verhältnis wird im Hinblick auf die darin enthaltenen Konflikte betrachtet.78
Inhaltlich und in der Praxis besteht eine Verbindung der Sozialpädagogik mit der So- zialen Arbeit.79 Soziale Arbeit ist „…gesellschaftlich organisierte, professionelle Hilfe zur Bearbeitung psychosozialer Probleme mit dem Ziel der Verbesserung individuellen und gesellschaftlichen Wohlergehens nach Maßgabe sozialer Gerechtigkeit“.80 An diese nähere Bestimmung der Sozialpädagogik schließt sich eine Begriffsbestim- mung tiergestützter Sozialpädagogik an, die der vorliegenden Arbeit als Grundlage die- nen soll.
Tiergestützte Sozialpädagogik ist ein präventives, begleitendes oder kompensatorisches Angebot, bei dem ein geeignetes Tier Bestandteil ist. Das Tier unterstützt und fördert durch die reine Präsenz, als Lernobjekt und / oder den gezielten aktiven Einsatz eine gelingende Sozialisation sowie Lern- und Entwicklungsprozesse der individuellen Ziel- gruppe.81 Dieses Angebot wird von einem Sozialpädagogen in schulischen oder außer- schulischen Einzel- aber v. a. Gruppensettings durchgeführt. Die Zielgruppe tierge- stützter Sozialpädagogik besteht im Kontext der Wirkweise von Tieren aus Kindern, Jugendlichen, jungen Menschen und Familien. Dabei sollen Instrumente der Qualitäts- sicherung eingesetzt werden. Tiergestützte Sozialpädagogik kann beispielsweise in ei- ner Schule oder einer sozialen Einrichtung in Form von Gruppenarbeit z. B. als Sucht- oder Gewaltpräventionsprojekt mit Tieren durchgeführt werden.
1.3 Weiteres Begriffsverständnis
Nachdem die Terminologie tiergestützter Arbeit erläutert wurde, soll nun das Begriffsverständnis der Mensch - Tier - Beziehung als Grundlage der tiergestützten Arbeit erläutert werden. Im Folgenden sollen Wesen und Formen der Mensch - Tier - Beziehung, auch in ihrer geschichtlichen Veränderung, betrachtet werden. Das besondere Verhältnis von Kindern zu Tieren und die Beziehung zwischen Menschen und Hunden werden gesondert beschrieben.
1.3.1 Die Mensch - Tier - Beziehung
Die Tatsache, dass Menschen eine Beziehung zu Tieren aufbauen können, ermöglicht den Einsatz von Tieren zu therapeutischen und pädagogischen Zwecken. Die Betrach- tung der Mensch-Tier-Beziehung − im Englischen wird diese Beziehung im Übrigen als „bond“ (dt.: Bindung) bezeichnet − soll eine erste theoretische Grundlage tiergestützter Sozialpädagogik bilden.82
Prinzipiell haben alle Menschen Beziehungen zu Tieren, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind, da es keine persönlichen Beziehungen zu einzelnen Tieren oder zu Tieren in ihrer erkennbaren Form sind. Diese Beziehungen sind existentieller oder kollektiver Art.83 Die Mensch - Tier - Beziehung kann in verschiedenen Formen vorhanden und unterschied- lich motiviert sein. Die Menschen betrachten Tiere, getrieben durch ihren Wissens- und Forschungsdrang, unter wissenschaftlichen und ästhetischen Gesichtspunkten.84 Des Weiteren dienen Tiere als Identifikations- oder Projektionsfläche für Vorstellungen, Gedanken, Eigenschaften und Emotionen von Menschen.85 Wirtschaftlich sind Tiere für den Menschen wahrscheinlich am bedeutendsten. Fast alle Tierarten sind in der Menschheitsgeschichte zur Beute geworden und dienten als Nahrung, während sich mit der Domestikation von Wildtieren auch symbiotische Formen der Mensch − Tier − Beziehung entwickelten, wie im Falle von Mensch und Hund.86 Neben der Macht, Tiere zu töten und deren Erzeugnisse (z. B. Wolle, Honig) zu nutzen, besitzen Menschen noch andere Möglichkeiten, ihre Überlegenheit einzusetzen. Zum einen werden Tiere durch zielgerichtete Züchtung verändert oder deren Fortpflanzung durch Kastration bzw. Ste- rilisation kontrolliert, zum anderen werden sie dressiert oder erzogen.87
Der Mensch hat insofern die Fähigkeit, in Tieren Eigenschaften oder Sinnes- und Lernleistungen zu entfalten, die sich unter natürlichen Bedingungen nicht entwickelt hätten. Der Mensch zähmt, dressiert und domestiziert Tiere und erhebt sie so aus ihrer biologisch festgelegten Stellung.88
Die Stellung des Menschen im Vergleich zum Tier ist ein anderer Aspekt der Mensch- Tier-Beziehung. Religiöse und philosophische Reflexionen gehen meist von einer Son- derstellung des Menschen aus, den Anthropozentrismus, die den Menschen in den Mit- telpunkt stellt und ihn ermächtigt Natur und Tiere zu nutzen.89 Der Mensch war aller- dings nicht immer überlegen. Die Haltung von Tieren hat sich während der menschli- chen Evolution entwickelt und stellt eine menschliche Eigenheit und Eigenschaft dar.90 Die Menschen sonderten sich trotz einer engen Verwandtschaft mit Tieren - zoologisch betrachtet gehören Menschen zu den Primaten - im Laufe der kulturellen Evolution von ihnen ab.91 Die Übergänge der Menschwerdung waren fließend, aber anhand von Fossi- lienfunden von Vormenschen, den Australopithecinen, lässt sich der Beginn auf ca. 4,5 Millionen Jahre eingrenzen.92 Diese Vorfahren hatten sich aus in tropischen Wäldern lebenden Primaten entwickelt, die in die afrikanische Savanne gezogen waren und einen aufrechten Gang entwickelt hatten.93 Da sich die Vormenschen vorwiegend von Pflan- zen und frischem Aas ernährten, ist festzuhalten, dass der Mensch von Natur aus kein Raubtier und den Tieren überlegen war.94 Erst vor mehr als 1,5 Millionen Jahren entwi- ckelte sich die Lebensform der Jäger und Sammler, indem der Homo erectus Waffen entwickelte und begann Tiere aktiv zu jagen.95
Durch das proteinreiche Fleisch der Tiere vergrößerte sich das Gehirn, die Fortpflanzungsleistung erhöhte sich, das Sozialverhalten innerhalb der Gruppe wurde durch die Jagd gestärkt und eine nomadische Lebensweise entstand, da die Gruppe nunmehr ortsungebunden überleben konnte. Somit bedeutete die Hinwendung zu den größeren Säugetieren den Anfang der menschlichen Höherentwicklung.96
Eine weitere Entwicklung von einschneidendem Charakter war die Domestikation der Wildformen von Ziegen, Schafen, Rindern oder Schweinen, die vor ca. 10 000 Jahren begann.97 Im heutigen Libanon hielten und züchteten Menschen zuerst Wildziegen. Diese Tierhaltung begann, weil sich die Ziegen in der kalten Jahreszeit im Tal aufhiel- ten und im Frühjahr in die Berge zogen. Während es im Herbst und Winter möglich war, die Tiere zu fangen und zu essen, stellte es in den warmen Jahreszeiten eine schwierige Aufgabe dar in den Höhen zu jagen.98 Die Konsequenz lag darin, die Tiere in Gefangenschaft zu halten.99
Im Laufe der Domestikation entwickelten sich die Jäger und Sammler in zwei Richtun- gen: sesshafte Ackerbauern / Viehzüchter sowie Hirtennomaden.100 Der Übergang vom Jäger zum Sesshaften wird als neolithische Revolution bezeichnet. Diese legte den Grundstein für den Wandel der Mensch - Tier - Beziehung in ein asym- metrisches Verhältnis.101
Erst im alten Ägypten wurde eine Partnerschaft mit Tieren eingegangen. Die Ägypter glaubten an die gemeinsame Herkunft von Mensch und Tier durch den Schöpfergott. Gestorbene Tiere nahmen eine Mittlerstellung zwischen Göttern und Menschen ein.102 Katzen erhielten größte Wertschätzung, da die Ägypter an deren unsterbliche Seele glaubten und verstorbene Katzen deshalb einbalsamierten und in Gräber legten.103 Auch in der Antike wurden viele Haustiere gehalten und gut versorgt, aber zugleich wurden Tiere als Opfergaben genutzt.104 Den Tieren zugeschriebene Eigenschaften dienten in antiken Fabeln dazu, menschliches Verhalten exemplarisch in Tiergestalt darzustellen, oder spielten in philosophischen Reflexionen eine Rolle. In Platons „Poli- teia“, werden beispielsweise Eigenschaften von Hunden aufgezeigt, um ideale Eigen- schaften von Wächtern eines Staates zu beschreiben.105
Im europäischen Mittelalter gingen Menschen sehr zweckmäßig mit Tieren um. Der Umgang war zuweilen auch herzlos oder sadistisch, was der hierarchischen Gesell- schaftsordnung entsprach. Wenn Tiere die von ihnen erwartete Moralfähigkeit nicht zeigten, wurde ihnen der Prozess gemacht.106 In den Tierprozessen wurden die tieri- schen Angeklagten kaum anders als Menschen behandelt. Ihnen wurde eine Anklage- schrift vorgetragen, sie erhielten ein Urteil und wurden ins Gefängnis geworfen, begna- digt, gefoltert oder getötet.107
Im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit entwickelte der Mensch die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren und andere Perspektiven einzunehmen.108 Der Mensch lernte einerseits die objektive und distanzierte Betrachtung von Natur und anderen Lebewesen, andererseits versuchte er, sich in die inneren Vorgänge von anderen Lebewesen einzu- fühlen.109
Die Überlegenheit des Menschen wuchs schließlich mit den Thesen von Rene Descar- tes. Der Philosoph vertrat im 16. Jhd. die Maschinentheorie der Tiere.110 Tiere seien demnach „res extensa“, ausgedehnte Gegenstände, die keine Seele, Sprache und Be- wusstsein besitzen und nach Gesetzen der Mechanik und Physiologie funktionierten.111 Dieses Tierverständnis hatte zur Folge, dass Tiere zur Sache wurden.112 Mit Beginn der Aufklärung im 17. Jhd. tauchten entgegen dieser Entwicklung erste Tierschutzgedanken auf Philosophen wie Immanuel Kant, John Locke oder Arthur Schopenhauer begründe- ten die Notwendigkeit von Tierliebe und Achtung tierischer Mitgeschöpfe mit morali- scher oder auch sittlicher Verpflichtung.113 Durch die wiederentdeckte Ähnlichkeit von Mensch und Tier entstand eine neue Qualität der Mensch - Tier - Beziehung.114 Metaphorische Ausdrücke wie beispielsweise „gluckenhaft“ stellen eine lebendig ge- bliebene Verknüpfung dar, in der wir die Ähnlichkeit des Menschen mit Tieren und umgekehrt das Menschliche im Tier ausdrücken.115 Mit der zunehmenden Industrialisie- rung wich diese wiederentdeckte Ähnlichkeit einer erneuten Versachlichung von Tie- ren.116
Die Freundschaft zum Tier entwickelte sich im 19. Jhd. mit den Neuerungen hinsichtlich der Tierschutzbewegung und Tierliebhaberei.117 Tierschutzvereine und staatlich erlassene Gesetze gegen Tierquälerei wurden neben den aufklärerischen philosophischen Aufforderungen vor allem mit dem Argument der drohenden Verrohung des menschlichen Charakters legitimiert.118
Doch erst in den letzen Jahrzehnten wurden sich die Menschen bezüglich der Tierliebe bewusst, dass eine Verpflichtung zur Liebe zum Tier um seiner Selbst willen besteht und ein Tier nicht nur dafür zu lieben ist, weil es uns liebt.119
Die verschiedenen Funktionen, die Tiere in der Geschichte besaßen und aktuell besitzen, spiegeln die technologische und innerliche Entwicklung des Menschen wider. Tiere wurden vom Beutetier, Tragtier, Opfertier über das Nutztier, Labortier weiter zum Haustier verstärkt in das Leben des Menschen integriert.120
1.3.2 Die Kind - Tier - Beziehung
Kinder werden mit Tieren auf verschiedene Art und Weise konfrontiert. Sie finden sich naturgetreu aber auch vermenschlicht, in Zeitschriften, Büchern, Märchen, Fabeln, Fernsehsendungen und Filmen, aber auch in Form von Kuscheltieren wieder. Kontakt mit realen Tieren haben Kinder vor allem durch Heimtiere oder Zoobesuche.121 Wenn Kinder keine negativen Erfahrungen mit Tieren gemacht haben, zeigen sie oft eine große Affinität und Neugier.122 Ausschlaggebend für die enge Bindung zwischen Kind und Tier ist die Begegnung auf einer ähnlichen Ebene.123 Menschliche Verhaltenswei- sen und Eigenschaften sind bei Kindern noch nicht manifest bzw. erst ansatzweise aus- gebildet, daher reagieren Tiere anders auf Kinder als auf Erwachsene.124 Das Kind ist sich noch nicht bewusst, dass zwischen ihm und dem Tier erhebliche Unterschiede be- stehen.125 Kind und Tier besitzen überdies ähnliche Bedürfnisse und Neigungen: Beide sind liebesdürftig, haben das Verlangen nach Bewegung und Aktivität, üben spielerisch ihre Kräfte oder wollen ihre Umwelt erkunden. Selbst die Sprache des Kindes, die es den Tieren überlegen macht, ist noch trieb- und gefühlsbetont, so dass die ausgedrück- ten Emotionen Tieren besonders zugänglich bleiben.126 Ebenso zeigen sowohl Kinder als auch Tiere eine starke Gegenwartsbetonung.127 Haustiere konfrontieren Kinder mit existenziellen Erfahrungen wie Sexualität, Geburt oder Tod.128
Die Besonderheit von Kindern ist ihre animistische Sichtweise, die oft, aber nicht zwangsläufig mit anthropomorphem Denken einhergeht.129 Animismus bedeutet, dass Kinder, aber auch noch manche Erwachsene, aufgrund der Wahrnehmung der eigenen Beseeltheit Erscheinungen der Natur und Gegenständen eine Seele zusprechen.130 Anthropomorphes Denken bezeichnet dagegen das Übertragen menschlicher Eigenschaften auf Lebewesen und Gegenstände.131
Piaget stellte anhand einer Untersuchung von Kindern im Alter von 3 bis 13 Jahren fest, dass die animistische Denkweise mit zunehmendem Alter abnimmt. Bis zum Alter von sechs bis sieben Jahren nehmen Kinder alles in ihrer Umwelt als beseelt wahr. Ab sechs bis sieben Jahren und bis zu einem Alter von knapp neun Jahren haben für Kinder alle beweglichen Dinge ein Bewusstsein. Ab ca. neun Jahre bis ungefähr zum 12. Lebensjahr haben Dinge mit Eigenbewegung ein Bewusstsein. Etwa mit elf oder zwölf Jahren wird dieses Bewusstsein nur Tieren zugesprochen.132
Neben der psychischen Entwicklung von Kindern tragen Erziehung und Schule oftmals zum Abbau der animistischen und anthropomorphen Denkweise bei.133 Im Laufe der kindlichen Entwicklung werden Tiere unterschiedlich wahrgenommen und übernehmen verschiedene Funktionen.134
Kleinkinder können erst mit ungefähr einem Jahr ein lebendes Tier und ein Kuscheltier aufgrund natürlicher Bewegungen unterscheiden. In dieser Zeit überwiegt eine körperli- che, einfühlsame Beziehung von Kleinkind und Tier.135 Ab dem zweiten Lebensjahr beginnt sich das Kind kontrolliert zu bewegen und kann diese Fähigkeit auch im Um- gang mit dem Tier nutzen, indem es zum Beispiel das Fell selbstständig anfasst.136 Etwa mit drei Jahren hat das Kind eine Vorstellung von Tieren als Lebewesen, kann aber nicht alle Tiere auch als solche identifizieren. Aufgrund der egozentrischen Denk- weise des Kindes ordnet es Tieren menschliche Fähigkeiten und Eigenschaften zu, da es eigene Verhaltensweisen auf andere projiziert. Auch umgekehrt identifiziert ein Klein- kind sich selbst mit Tieren und stellt beispielsweise auch seine Familie als Tiere dar. Eine Beziehung zu Tieren kann das Kind mit vier Jahren herstellen. In diesem Alter tritt das Kind erstmals in Interaktion mit dem Tier. Infolge der fehlenden Empathie und mangelnden Wahrnehmung von Konsequenzen kommt es zu unabsichtlich groben Be- rührungen des Tieres durch Kleinkinder.137 Im dritten bis fünften Lebensjahr kann das Kind, ermöglicht durch die sprachliche Entwicklung Fragen über das Tier stellen. In dieser Entwicklungsphase steht aber auch das Erkunden dieses Lebewesens im Mittel- punkt.138
Ab sieben Jahren entwickelt sich bei Grundschulkindern die Fähigkeit, andere Perspek- tiven einzunehmen und Mitgefühl zu empfinden. Diese Entwicklung bedeutet für die Kind - Tier - Beziehung, dass Kinder sich auf einer anderen Ebene für Tiere interessie- ren. Im Fokus des Interesses liegen nun die besonderen Eigenschaften und Verhaltens- weisen der verschiedenen Tierarten. Zugleich kann das Kind sich auch in Tiere hinein- versetzen und einfühlen.139
Das Verhalten von Jungen und Mädchen gegenüber Tieren unterscheidet sich bereits bei Sechs- bis Siebenjährigen. Während Jungen sich auf sachlicher Ebene und für Fähig- keiten (z. B. Schnelligkeit) der Tiere interessieren, treffen sich Mädchen und Tiere auf einer emotionalen Ebene. Mädchen versorgen, streicheln und beschützen das Tier. So- mit spiegeln sich im Verhalten zwischen Kind und Tier auch tradierte geschlechtsspezi- fische Rollenmuster wider.140 Mit der Einschulung beginnen verschiedene Herausforde- rungen für das Kind. Es muss sich in den Klassenverband einordnen, lernt neue Autori- täten kennen, erfährt Leistungserwartungen durch Eltern und Lehrer und erlebt nicht zuletzt Prüfungssituationen und Misserfolge. Das Tier fungiert als Ablenkung und Trost. Gleichzeitig kann das Kind dem Tier Aufgaben (bei Hunden die Befehle Sitz, Platz etc.) abfordern und erlebt sich in der überlegenen Position, in der es die Kontrolle hat und das Tier sich in einer leistungsabfordernden Situation befindet.141
Bereits sechs- bis zwölfjährige Kinder erleben Tiere als Lebewesen, die auf das Verhalten des Kindes reagiert. Dabei können Kinder erste Konsequenzen eines verantwortlichen und adäquaten Handelns erfahren. Das Kind kann durch das Tier für dieses Handeln mit dessen Interesse und Bestätigung belohnt werden.142
Eine besondere Rolle spielt ein Tier in der Pubertät, da dann noch höhere Anforderun- gen an den jungen Menschen gestellt werden.143 Die naturwissenschaftliche Sichtweise, die das Tierverständnis Erwachsener prägt, wird in diesem Alter manifest. Die Phase der Vorpubertät und Pubertät ist charakterisiert von Rollenkonfusion und Identitätssuche.144 In dieser Zeit wendet sich der Jugendliche oft an sein eigenes vertrautes Heimtier, hat aber auch die Chance sich sinnvoll mit dem Tier zu beschäftigen und im Sinne des Tieres verantwortlich zu handeln.145 Die Kind - Tier - Beziehung kann Kinder aber auch belasten. Kinder können Ängste gegenüber Tieren entwickeln oder im Falle eines eigenen Heimtieres Stress erleben, weil das Kind mit den übertragenen Aufgaben überfordert ist oder ihm Kontakt zum Tier untersagt wird. Kinder können auch mit der Trauer überfordert sein, wenn das Tier krank ist oder stirbt.146
Es lässt sich dem ungeachtet festhalten, dass (Haus-)Tiere ein alternatives oder zusätzliches Beziehungsangebot für Kinder und Jugendliche darstellen können.147
1.3.3 Die Mensch - Hund - Beziehung
Nachdem die besondere Beziehung zwischen Kindern und Tieren dargestellt wurde, schließt sich nun eine weitere differenzierte Betrachtungsweise der Beziehungsformen zwischen Menschen und Tieren an. Hierbei geht es um die Bindung zwischen Men- schen und Hunden.
Mensch und Hund verbindet eine lange gemeinsame Evolution, die zu der einmaligen Fähigkeit dieser Tierart führte, menschliche Kommunikation zu erfassen, zu deuten und darauf zu reagieren. Der Hund hat wie kein anderes Tier Einzug in die verschiedenen Lebensbereiche des Menschen gefunden.148
Auf die Sonderstellung des Hundes weist Brackert hin. Er sieht Hunde als Vermittler zwischen Natur und Kultur.149 In der bezeichnenden Gegensätzlichkeit der Mensch - Tier - Beziehung zwischen nahestehendem Subjekt und distanziertem Objekt hat der Hund sich seine besondere Stellung meist bewahrt. Hunde repräsentieren eine Zwi- schenstellung, weil sie einen Teil der ungebrochen wilden Natur besitzen und zugleich menschlich scheinen, indem sie selbstverständlich im zivilisierten Leben der Menschen Platz gefunden haben und menschliche kommunikative Signale adäquat deuten und darauf reagieren können.150
In menschlichen Vorstellungen befindet sich der Hund unbestimmt zwischen Besitz und Person. Er kann gekauft und verkauft, über sein Leben kann bestimmt werden und zu- gleich nimmt er eine Stellung als Familienmitglied ein und wird oft vermenschlicht.151 Die besondere Stellung des Hundes im Vergleich zu anderen Tieren resultiert auch aus der besonderen Anhänglichkeit des Hundes, die sich durch eine Mischung aus unter- würfiger Treue und fortwährender kindlicher Abhängigkeit auszeichnet.152 So zeigten Hunde auch in dem von ungarischen Ethologen angewandten „Strange Situation Test“ ähnliche Trennungsreaktionen wie Kleinkinder, wenn die Besitzer den Testraum verlie- ßen. Hunde gehen folglich ihrerseits eine enge Bindung zu Menschen ein.153
Die amerikanische Soziologin Jean E. Veevers entwickelte drei Kategorien der engen Mensch - Tier - Beziehung, wie der Bindung zwischen Mensch und Hund. Diese Kategorien werden nach der Funktion des Tieres für den Menschen bezeichnet: Tiere als Aussagen („pets as statements“), als soziales Schmiermittel („pets as social lubricants“) und als Menschen („pets as people“).154
Der ersten Kategorie folgend, versuchen Hundebesitzer ihr Selbstbild auf den Hund zu übertragen und den Hund durch sein Aussehen und den Umgang mit ihm dafür zu nutzen, ihre gewünschte Fremdwahrnehmung zu verdeutlichen.155 Als soziales Schmiermittel wirken Hunde dagegen wie folgt: Körperliche Nähe und persönliche Gespräche sind unter fremden Menschen eher unüblich, anders ist dies bei Anwesenheit eines kleinen Kindes oder Hundes. Der Hund wird angesprochen oder es werden dem Besitzer Fragen über den Hund gestellt, was einen Kontakt der zwei fremden Menschen ermöglicht. Hunde werden zudem oft Menschen gleichgesetzt, indem sie als sozialer Partner dienen und zunehmend vermenschlicht werden.156
Eine weitere Besonderheit der Mensch - Hund - Beziehung ist, dass sie auf einer freiwilli- gen Verbindung beruht, da der Hund nicht über die Gefangenschaft zum Menschen ge- kommen ist.
Der Weg, den der Wolf zum angeleinten Haushund nahm, ist allerdings sehr umstritten. Es scheint möglich, dass eine für Mensch und Wolf vorteilhafte Symbiose schon vor 100 000 Jahren begann. Erste Ansätze einer Annäherung von Wolf und Mensch soll es bereits in dieser Zeit gegeben haben, da die Zähmung ein entsprechend langer Prozess war, der mehrfach in verschiedenen Regionen der Erde stattfand. Erste domestizierte Wölfe gab es wahrscheinlich vor 12 000 Jahren.157 Zum Zeitpunkt und dem Ablauf der Domestikation des ältesten Haustieres liegen unterschiedliche Theorien vor.
Die These der natürlichen Selektion, bei der Hunde sich gewissermaßen selbst domesti- zierten, geht davon aus, dass Wölfe die menschlichen Siedlungen auf der Suche nach Nahrung umstreiften, vor Raubtieren warnten und diese auch durch die Verwertung der menschlichen Abfälle fernhielten. Die Nützlichkeit dieser Entwicklung wurde von den Menschen erkannt.158 Daraufhin wurden Wölfe mit Resten der eigenen Beute gefüttert, um den zuverlässigen Lagerschutz zu erhalten. Menschen und Wölfe wurden koopera- tive Beutejäger, indem die Wölfe die Menschen auf die Jagd begleiteten und beide vom Jagderfolg des Anderen profitierten.159 Die andere Theorie favorisiert eine künstliche Selektion, indem Frauen verwaiste oder gefundene Welpen gestillt und aufgezogen ha- ben. Diese Aufzucht bedeutete eine zunehmende Bindung an den Menschen.160 Durch die Tatsache, dass die zutraulichsten und friedlichsten Wölfe sich für den Weg der Zähmung besser eigneten, entwickelten sich die heutigen Eigenschaften des Hundes nach dieser Theorie auf natürliche Weise.161
Eine andere, drastischere Herangehensweise an die Domestikation des Hundes zeigt Oeser auf: Der Hund hat demnach Anteil an der Menschwerdung.
„Durch die hunderttausende Jahre andauernde Koevolution von Caniden und Hominiden trat nicht nur der anatomisch moderne Mensch hervor, sondern durch Canisation oder „Verhun- dung" des affenartigen Primaten entstand auch der ethisch moderne Mensch, der auf diese Weise trotz der Erblast seiner machiavellischen Intelligenz zu einem sozialen Wesen umge- formt wurde.“162
Die „machiavellische Intelligenz" ist nach Sozialbiologen charakteristisch für höhere Primaten, da sie Konkurrenten Vorteile einräumen, um daraus persönlichen Gewinn zu erzielen. Hunde zeigen dagegen in ihrem Rudel ein ausgeprägtes Sozialverhalten und Oeser folgend könnten sie die menschliche Fähigkeit zur Kooperation in deren Entwicklung unterstützt haben.163
1.4 Zusammenfassung
Die historische Entwicklung tiergestützter Arbeit zeigt eine starke Anerkennung des Gegenstandes vor allem in Amerika, die in Deutschland noch nicht erreicht ist. Da seit dem 8. Jhd. Tiere im therapeutischen Kontext genutzt werden, ist tiergestützte Arbeit keinesfalls ein neues Phänomen. Trotz dieser langen Tradition werden die fehlenden Standards anhand der heterogenen Terminologie besonders deutlich. Im Ganzen sind die Unterschiede von AAA, AAE und AAT qualitativ zu bewerten, da von der Aktivität zur Therapie hin eine spezifischere Zielsetzung, höhere Qualifikation der Anbietenden, größere Regelmäßigkeit und eine zunehmende Dokumentations- und Kontrollpflicht vorliegt.164 Tiergestützte Sozialpädagogik kann sich in allen drei Formen wiederfinden, ist aber keine eigenständige Disziplin oder anerkannter Begriff, sondern eine ange- wandte Methode.
Die Beziehungsstrukturen zwischen Menschen und Tieren gestalteten sich im Laufe der Geschichte sehr unterschiedlich bzw. ambivalent. Dessen ungeachtet gilt es zu betonen, dass Menschen bis zur heutigen Zeit in jeder epochalen Gesellschaftstruktur Beziehungen zu Tieren eingingen.165
Tiere werden vor allem unter dem Aspekt der Nützlichkeit gehalten. Dazu gehören die Nutztiere aber auch Tiere, wie der Hund, die Menschen als Sozialpartner dienen.166 Kinder haben zu Tieren ein besonderes Verhältnis, das sich in im Laufe der kindlichen Entwicklung verändert. Im Umgang von Kindern mit Tieren ist besonders das ausgeprägte animistische und anthropomorphe Denken hervorzuheben.
Unter allen Haustieren nimmt der Hund eine Sonderstellung für Menschen ein, da Mensch und Wolf eine lange gemeinsame Evolution verbindet, die in einer einzigartigen Symbiose endete. Der Hund entwickelte die Fähigkeit und die Motivation mit dem Menschen zu kooperieren.
2. Die Theorie der Mensch - Tier - Beziehung
Betrachtet man die historische Entwicklung und die Begriffsklärung des zu behandelnden Gegenstandes, zeigt sich die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Grundlage. Deshalb soll im Folgenden unter Zuhilfenahme von Theorien unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen erläutert werden, wie und warum die Beziehung zwischen Mensch und Tier entsteht.
Die Theorie der Mensch - Tier - Beziehung versucht die besondere Beziehung zwischen Menschen und Tieren und deren Wirkungen wissenschaftlich zu begründen, jedoch werden an dieser Stelle keine konkreten Wirkungen von Tieren genannt, diese sind Thema des dritten Kapitels dieses Teils.
Die Erklärungsansätze beziehen sich prinzipiell auf unterschiedlich gearteten Tierkontakt, von der Haustierhaltung bis zu Tieren in der Therapie. Die theoretische Fundierung der Mensch - Tier - Beziehung ist sehr komplex, daher erhebt die folgende Auswahl der Erklärungsansätze keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellt lediglich eine Selektion dar. Die Auswahl orientiert sich an der quantitativen Verteilung der verschiedenen Erklärungsansätze in der Literatur.
2.1 Theoretische Erklärungsansätze für die Entstehung und Wirkung der Mensch - Tier - Beziehung in der Sozialpädagogik
Die Mensch - Tier - Beziehung stellt in der Folge die Basis positiver Wirkungen von Tieren im sozialpädagogischen Setting dar.
Laut Olbrich „…wird angenommen, dass Empathie und in geringerem Masse Sympa- thie die zentralen Prozesse sind, die in Beziehungen zwischen Menschen und Tieren ablaufen“.167 Empathie macht es Menschen möglich, sich den emotionalen Stimmungen anderer Lebewesen zuzuwenden und fremdes Erleben zu verstehen und nachzuvollzie- hen. Nicht zuletzt erlaubt Empathie auch eine angemessene Reaktion auf das Verhalten eines anderen Lebewesens. Diese Fähigkeit entspricht der Vorstellung, dass eigene Emotionen gespürt und Emotionen bei anderen wahrgenommen werden können.168
Verschiedene Wissenschaftszweige ziehen Empathie als Grundlage der positiven Wir- kung von Tierkontakt heran und diskutieren die Entstehung dieser Empathie anhand der jeweiligen Erklärungsansätze.169 Durch die Empathie werden Tiere zu ähnlich fühlen- den Wesen erhoben. Diese Wahrnehmung von Tieren kommt auch im lateinischen Wort für Tiere „animalia“ zum Ausdruck, was wörtlich übersetzt die Beseelten bedeutet.170 Eine wichtige Grundlage für einen Beziehungsaufbau stellt auch das bereits themati- sierte anthropomorphe Denken dar, das darauf basiert, dass Menschen Gemeinsamkei- ten mit Tieren wahrnehmen.171
2.1.1 Biophilie - Hypothese
Die archaische Ebene der Mensch - Tier - Beziehung formulierte zuerst der Psychologe Erich Fromm in den 70er Jahren, indem er den Begriff der Biophilie als die Liebe des Menschen zum Lebendigen prägte.172 Der Sozialbiologe E. O. Wilson konkretisierte den Begriff Biophilie in seinem 1984 erschienen Werk “Biophilia: The Human Bond with Other Species” als ein angeborenes Interesse am Leben und biologisch begründe- ten Prozess, das sich während der menschlichen Evolution entwickelt hatte.173
Biophilie ist demnach „…eine den Menschen inhärente Affinität zu Leben und lebensähnlichen Prozessen“174.
Kellert analysierte die Biophilie als „…eine physische, emotionale und kognitive Hin- wendung zu Leben und zu Natur“175, die eine wichtige Bedeutung für die menschliche Entwicklung hat.176 Gemeinsam belegten Kellert und Wilson anhand von Untersuchun- gen, dass es einem menschlichen Bedürfnis entspricht, eine Verbindung mit anderen Lebensformen einzugehen. Dabei können sowohl Lebewesen als auch Ökosysteme oder Landschaften im Fokus des menschlichen Interesses stehen.177
[...]
1 Zit. n. Panizza, 1977, S. 34.
2 Vgl. Fine, 2000, S. 4.
3 Vgl. Röger-Lakenbrink, 2006, S. 12; Greiffenhagen, 2007, S. 13; McCulloch, 1989, S. 26; Vernooij; Schneider, 2008, S. 26.
4 Vgl. Saumweber, 2009, S. 76.
5 Vgl. Fine, 2000, S. 12.
6 Vgl. Greiffenhagen, 2007, S. 14; Schaumberg, 2001, S. 2; Röger-Lakenbrink, 2006, S. 12; Vernooij; Schneider, 2008, S. 26.
7 Vgl. Fine, 2000, S. 12.
8 Vgl. Saur, 2008, S. 6; Beck; Katcher, 1996; S. 132.
9 Vgl. McCulloch, 1989, S. 26.
10 Vgl. Greiffenhagen, 2007, S. 14.
11 Vgl. Greiffenhagen, 2007, S. 14; Saur, 2008, S. 7, Beck; Katcher, 1996; S. 132.
12 Vgl. Saur, 2008, S. 7; McCulloch, 1989, S. 26.
13 Vgl. http://www.greenchimneys.org/index.php?option=com_flippingbook&book_id=2&Itemid=147, Stand 30.05.2010.
14 Vgl. Saumweber, 2009, S. 76.
15 Vgl. Olbrich; Otterstedt, 2003, S. 133 f.
16 Vgl. Schaumberg , 2001, S. 2; Vernooij; Schneider, 2008, S. 26.
17 Vgl. Levinson, 1962, S. 60 f.
18 Vgl. McCulloch, 1989, S. 26; Fine, 2000, S. 14.
19 Vgl. Greiffenhagen, 2007, S. 14.
20 Vgl. McCulloch, 1989, S. 27.
21 Vgl. McCulloch, 1989, S. 27.
22 Vgl. McCulloch, 1989, S. 27.
23 Vgl. Beck; Katcher, 1996; S. 134.
24 Vgl. McCulloch, 1989, S. 27.
25 Vgl. http://www.deltasociety.org/Page.aspx?pid=386, Stand 30.05.2010.
26 Vgl. Saumweber, 2009, S. 76.
27 Vgl. http://www.iahaio.org/, Stand 30.05.2010.
28 Vgl. Olbrich, 2001, o. S.
29 Vgl. Saumweber, 2009, S. 76.
30 Vgl. Röger-Lakenbrink, 2006, S. 16.
31 Vgl. Saumweber, 2009, S. 77.
32 Vgl. Beck; Katcher, 1996; S. 132.
33 Vgl. Hartmann, 2010, S. 87; Vernooij; Schneider, 2008, S. 29.
34 Vgl. Breitenbach, 2006, S. 2.
35 Vgl. Hartmann, 2010, S. 87.
36 Vgl. Hartmann, 2010, S. 87.
37 Vgl. Vernooij; Schneider, 2008, S. 29.
38 Vgl. Saur, 2008, S. 7.
39 Vgl. Hartmann, 2010, S. 87.
40 Vgl. Fine, 2000, S. 22.
41 Vgl. Frömming, 2006, S. 28; Vernooij; Schneider, 2008, S. 30.
42 Vgl. Saur, 2008, S. 10.
43 Vgl. Saumweber, 2009, S. 71.
44 Vgl. Saumweber, 2009, S. 72 f.
45 www.deltasociety.org/Page.aspx?pid=319 aus: Standards of practice for animal assisted activities and therapy, Stand 30.05.2010.
46 Vgl. Breitenbach, 2006, S. 2.
47 Vgl. Fine, 2000, S. 23.
48 Vgl. Röger-Lakenbrink, 2006, S. 26.
49 Vgl. Hartmann, 2010, S. 89.
50 Vgl. Olbrich, 2001, o. S.
51 www.deltasociety.org/Page.aspx?pid=320 aus: Standards of Practice for Animal-Assisted Activities and Therapy, Stand: 30.05.2010.
52 Vgl. www.deltasociety.org/Page.aspx?pid=320, aus: Standards of Practice for Animal-Assisted Activities and Therapy Stand: 30.05.2010.
53 Vgl. http://www.mensch-heimtier.de/publikation-menschtier/ausgaben-2007.html Mensch&Tier Informationen des Forschungskreises Heimtiere in der Gesellschaft, Ausgabe 03, 2007.
54 Vgl. Rütten, 2007, S. 6.
55 Vgl. www.iahaio.org/html/rio_declaration.htm, Stand: 30.05.2010.
56 Vgl. www.iahaio.org/html/tokyo_declaration.htmIAHAIO, Stand: 30.05.2010.
57 http://barkinghills.com/NCRC/what%20is.html#_ftn1, Stand: 30.05.2010.
58 Vgl. http://www.mensch-heimtier.de/publikation-menschtier/ausgaben-2007.html Mensch&Tier Informationen des Forschungskreises Heimtiere in der Gesellschaft, Ausgabe 03, 2007.
59 Vgl. Röger-Lakenbrink, 2006, S. 28.
60 Vgl. Saumweber, 2009, S. 75.
61 Vgl. http://www.mensch-heimtier.de/publikation-menschtier/ausgaben-2007.html Mensch&Tier Informationen des Forschungskreises Heimtiere in der Gesellschaft, Ausgabe 03, 2007.
62 Vgl. Saumweber, 2009, S. 74, www.tipi-koeln.de/, Stand: 30.05.2010.
63 Zit. n. Fine, 2000, S. 22.
64 Vgl. Fine, 2000, S. 417, S. 442.
65 Vgl. Frömming, 2006, S. 30.
66 Vgl. Tiere als Therapie, 2008, S. 51.
67 Vgl. Tiere als Therapie, 2008, S. 51 f.
68 Vgl. Olbrich, 2001, o. S.
69 Vgl. Breitenbach, 2006, S.2.
70 Vgl. Breitenbach, 2006, S.2.
71 Vgl. Olbrich, 2001, o. S.
72 Vgl. Hartmann, 2010, S. 88.
73 Vgl. Saumweber, 2009, S. 74.
74 Vgl. Mühlum, 1996, S. 17.
75 Vgl. Mühlum, 1996, S. 19.
76 Vgl. Mühlum, 1996, S. 19.
77 Vgl. Brockhaus, 1993, S. 551.
78 Vgl. Hamburger, 2008, S. 14.
79 Vgl. Brockhaus, 1993, S. 551.
80 Vgl. Mühlum, 1996, S. 22.
81 Vgl. Mühlum, 1996, S. 19ff.
82 Vgl. Bustad, 1989, S. 178.
83 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 1.
84 Vgl. Teutsch, 1987, S. 130.
85 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 19f.
86 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 20f.
87 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 13.
88 Vgl. Rheinz, 1994, S. 87.
89 Vgl. Teutsch, 1987, S. 133.
90 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 11 f.; Gernhardt, 2001, S. 19.
91 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 12; Gernhardt, 2001, S. 19.
92 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 13.
93 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 14; Lehne, 2003, S. 27.
94 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 15; Münch, 1999, S. 10.
95 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 18.
96 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 18; Lehne, 2003, S. 27.
97 Vgl. Körner, 1996, S. 20 f.
98 Vgl. Körner, 1996, S. 20.
99 Vgl. Körner, 1996, S. 20.
100 Vgl. Münch, 1999, S. 10; Otterstedt, 2009, S. 19.
101 Vgl. Münch, 1999, S. 10 f.; Otterstedt, 2009, S. 20.
102 Vgl. Teutsch, 1987, S. 131.
103 Vgl. Levinson, 1969, S. 7 f.
104 Vgl. Körner, 1996, S. 20.
105 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 33.
106 Vgl. Böhme, 2004, S. 274.
107 Vgl. Körner, 1996, S. 38 f.
108 Vgl. Körner, 1996, S. 48 f.
109 Vgl. Körner, 1996, S. 49.
110 Vgl. Rütten, 2007, S: 31.
111 Vgl. Gernhardt, 2001, S.30.
112 Vgl. Körner, 1996, S. 44.
113 Vgl. Körner, 1996, S. 44
114 Vgl. Rütten, 2007, S.31.
115 Vgl. Körner, 1996, S. 111.
116 Vgl. Rütten, 2007, S.31.
117 Vgl. Münch, 1999, S.275.
118 Vgl. Münch, 1999, S. 279.
119 Vgl. Böhme, 2004, S. 280.
120 Vgl. Lehne, S. 29.
121 Vgl. Rütten, 2007, S. 40.
122 Vgl. Otterstedt, 2001, S. 46.
123 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 16; Teutsch, 1980, S. 435.
124 Vgl. Pohlheim, 2006, S.1 6; Teutsch, 1980, S. 436.
125 Vgl. Teutsch, 1980, S. 435.
126 Vgl. Teutsch, 1980, S. 426.
127 Vgl. Schluep, 2008. S. 186.
128 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 18.
129 Vgl. Saumweber, 2009, S. 87.
130 Vgl. Saumweber, 2009, S. 87.
131 Vgl. Teutsch, 198, S. 15.
132 Vgl. Gebhard, 2009, S. 52.
133 Vgl. Gebhard, 2009, S. 52.
134 Vgl. Breuer, 2008, S. 22.
135 Vgl. Otterstedt, 2001, S. 46.
136 Vgl. Otterstedt, 2001, S. 46.
137 Vgl. Breuer, 2008, S. 25 f.
138 Vgl. Otterstedt, 2001, S. 49.
139 Vgl. Breuer, 2008, S. 27 f.
140 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 17.
141 Vgl. Breuer, 2008, S. 28.
142 Vgl. Otterstedt, 2001, S.49.
143 Vgl. Rütten, 2007, S.42.
144 Vgl. Breuer, 2008, S. 28 f.
145 Vgl. Otterstedt, 2001, S. 49.
146 Vgl. Saumweber, 2009, S. 107.
147 Vgl. Rütten, 2007, S. 42.
148 Vgl. Prothmann, 2008, S. 24.
149 Vgl. Brackert, 1989, S. 106.
150 Vgl. Brackert, 1989, S. 107.
151 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 24.
152 Vgl. Mugford, 1989, S. 168.
153 Vgl. Prothmann, 2008, S. 23.
154 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 25.
155 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 25.
156 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 26.
157 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 18 f.
158 Vgl. Prothmann, 2008, S. 23.
159 Vgl. Pohlheim, 2006, S. 30.
160 Vgl. Wechsung, 2008, S. 27.
161 Vgl. Otterstedt, 2009, S. 19.
162 Oeser, 2009, S.38f.
163 Vgl. Oeser, 2009, S. 38.
164 Vgl. Hartmann, 2010, S. 88.
165 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 158 f.
166 Vgl. Gernhardt, 2001, S.40 ff.
167 Olbrich, 2008, S. 6.
168 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 114 f.
169 Vgl. Olbrich, 2008, S. 6.
170 Vgl. Otterstedt; Rosenberger, 2009, S. 22.
171 Vgl. Saumweber, 2009, S.87.
172 Vgl. Greiffenhagen, 2007, S.183.
173 Vgl. Fine, 2000, S. 218
174 Vgl. Olbrich; Otterstedt, 2003, S. 69.
175 Vgl. Olbrich; Otterstedt, 2003, S. 69.
176 Vgl. Olbrich; Otterstedt, 2003, S. 70.
177 Vgl. Olbrich; Otterstedt, 2003, S. 69.
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