Die Teilnahmemöglichkeiten jamaikanischer Kinder an dem Bildungsprojekt 'HELP Jamaica!' in Cassava Piece


Bachelorarbeit, 2013

47 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hintergrundinformation
2.1 Cassava Piece
2.2 Kulturelle Hintergründe

3 Struktur und Ziele des Vereins: HELP Jamaica! e.V.

4 Feldforschung in Cassava Piece
4.1 Ausgangslage d13er Untersuchung
4.2 Entwicklung der These und Forschungsfrage

5 Interpretative Betrachtung gesammelter Daten und daraus resultierende Maßnahmen zur Problembewältigung
5.1 Soziale Faktoren
5.1.1 Differenzen zwischen Gullyside und Centerside
5.1.2 Schutz der Kinder
5.1.3 Bildung und Erziehung
5.1.4 Wirtschaftliche Lage der Community
5.2 Infrastrukturelle Faktoren
5.3 Kulturelle Faktoren
5.3.1 Kulturelle Stigmatisierung
5.3.2 Verletzung religiöser Ansichten
5.4 Politische Faktoren
5.5 Vereinsinterne Faktoren

6 Zusammenfassung der Problembewältigungsstrategien und Spezifizierung durch „Community Organizing“

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

Jamaika ist ein Entwicklungsland und gegenüber vielen positiven Assoziationen besteht eine Diskrepanz zur Realität . Grundsätzlich ist der Unterschied zwischen Arm und Reich unverhältnismäßig groß. Das äußert sich vor allem darin, dass ein Großteil der Bevölkerung unter problematischen Bedingungen lebt. Ein Beispiel für ein wirtschaftlich benachteiligtes Gebiet, stellt die Community [1] Cassava Piece dar. Wie viele jamaikanische Elendsviertel ist auch Cassava Piece von Armut, Kriminalität und einer geringen Chance auf Bildung geprägt. Vor allem der prekäre Zustand der Unterstützung von Kindern auf ihrem Bildungsweg, hat den gemeinnützigen Verein HELP Jamaica! e.V. dazu veranlasst, die Community mit der Errichtung eines Bildungszentrums zu unterstützen.

Die Intention der Einrichtung ist, Kindern der lokalen Bevölkerung vor allem bei Lese-und Schulaufgaben Hilfe zu leisten und anhand eines ausgewählten Nachmittagsprogramms pädagogische und kreative Freizeitangebote anzubieten.

Cassava Piece liegt im Norden von Kingston. Da ein Abwasserkanal die Community geographisch trennt, besteht Cassava Piece aus zwei Seiten, die in meiner Gegenwart von den Bewohnern[2] als Gullyside und Centerside bezeichnet wurden.

Bei einem dreimonatigen Praktikum im HELP Jamaica! Education Center und dem damit verbundenen Aufenthalt in Cassava Piece, Gullyside, konnte ich ein Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit einer Praktikantin realisieren, welches sich mit der Herkunft der Kinder, die das Bildungszentrum regelmäßig besuchen, beschäftigte. In einer ersten Untersuchung war aufgefallen, dass die Kinder die auf der Centerside leben, häufiger das EC[3] besuchten, als die Kinder von der Gullyside. Dies veranlasste uns Umfragen auf der Gullyside durchzuführen, um die Gründe für die geringe Teilnahme der Kinder in Erfahrung zu bringen. Ein halbes Jahr später führte ich eine zweite Analyse durch, welche nach wie vor den Eindruck einer geringen Teilnahme der Kinder von der Gullyside bestätigte.

Ich fragte mich, womit sich die eingeschränkte Anwesenheit der Kinder von der Gullyside begründen lasse und führte wiederholt Gespräche auf der Gullyside und im EC durch. Resultierend aus den Gesprächen und meinen Felderfahrungen generierte ich meine These. Diese lautet wie folgt: Gesellschaftliche Probleme und Konflikte führen in der Community zu einer Spaltung. Zusammen mit sozialen, infrastrukturellen, kulturellen, politischen und vereinsinternen Faktoren, schränken diese die Teilnahmemöglichkeiten der Kinder von der Gullyside am Bildungsprojekt ein .

Die genannten Faktoren haben sich aus den unterschiedlichen Thematiken, die meine Gesprächspartner angesprochen haben, ergeben. Ich habe somit eine Kodierung dieser Aussagen vorgenommen, welche deren Inhalte kategorisieren. Mit der Untersuchung soll anhand der sozialen, infrastrukturellen, kulturellen, politischen und vereinsinternen Faktoren meine Forschungsfrage bearbeitet werden. Sie lautet folgendermaßen: Worin bestehen die gesellschaftlichen Probleme und Konflikte im Einzelnen, die Einfluss auf die Teilnahmemöglichkeiten der Kinder haben, um resultierend daraus Problembewältigungsstrategien abzuleiten?

Der generelle Aufbau der Arbeit gestaltet sich wie folgt: Zu Beginn wird der Untersuchungsort Cassava Piece illustriert. Anschließend werden anhand von Feldbeobachtungen und individuellen Erfahrungen die Bewohner der Community, insbesondere die der Gullyside, vorgestellt (Kap. 2). In Kapitel 3 wird die Hauptintention des gemeinnützigen Vereins HELP Jamaica! e.V. aufgezeigt, sowie die allgemeinen Organisationsstrukturen und die Mitarbeiter im EC vorgestellt. Anschließend werden die Ergebnisse, die sich aus den Untersuchungen der Herkunftsorte der Kinder ergeben haben, aufgezeigt und anhand von Diagrammen veranschaulicht. Es folgt die konkrete Erläuterung des Entwicklungsprozesses meiner These und Forschungsfrage (Kap. 4).

Im Hauptteil setze ich mich interpretativ mit den Aussagen meiner Gesprächspartner und Feldbeobachtungen auseinander. Resultierend daraus, haben sich Problembewältigungsstrategien für die jeweils beteiligten Gruppen ergeben. Diese schließen die Mitglieder des Vereins und die Bewohner der Gullyside ein.

Um einen direkten Bezug nehmen zu können, sind die Maßnahmen zur Problembewältigung an die jeweiligen Problemdarstellungen angeknüpft. Dadurch bietet die Analyse eine systematische Darstellung der konkreten Probleme und die daraus abgeleiteten Maßnahmen (Kap. 5).

Die Strategien lassen sich mit Hilfe der Methode des „Community Organizing“ spezifizieren und werden in Kapitel 6 zusammengefasst.

Das Fazit enthält einen Überblick der zentralen Aussagen und der Ergebnisse der Analyse (Kap. 7). Dem Anhang sind von mir aufgenommene Bilder beigefügt, welche die Beschreibungen von Cassava Piece zusätzlich untermauern sollen.

In meiner Arbeit durchlaufe ich einen individuellen Verstehensprozess und eröffne unterschiedliche Blickwinkel auf das Thema und das Forschungsfeld.

Schließlich besteht das Ziel dieser Arbeit darin, aufzuzeigen, wodurch die Teilnahmemöglichkeiten der Kinder an dem Bildungsprojekt konkret beeinflusst werden, um dadurch die Herausforderungen, denen der Verein gegenüber steht, zu verdeutlichen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung und die Findung von Maßnahmen zur Problembewältigung, sind nicht nur für das Verständnis der Aussagen der Bewohner und ihrer Kultur relevant, sondern können für den Verein HELP Jamaica! e.V. von essentieller Bedeutung sein.

2 Hintergrundinformation

Um eine konkretere Vorstellung von Cassava Piece und seinen Bewohnern zu erhalten, werden in den folgenden Kapiteln die Lokalität, sowie anschließend kulturelle Hintergründe der ansässigen Bevölkerung, insbesondere die Bewohner der Gullyside, vorgestellt. Die Veranschaulichung basiert überwiegend auf Erkenntnissen meiner Feldforschung, anhand derer die jamaikanische Kultur partiell und exemplarisch, beruhend auf Erfahrungen in einem jamaikanischen Armenviertel, dargestellt werden.

2.1 Cassava Piece

Cassava Piece liegt im Norden der jamaikanischen Hauptstadt Kingston, in dem Landkreis Kingston & St. Andrew und gehört zu einem der elf Distrikte der Constant Spring Community.[4]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die rote Markierung kennzeichnet die geographische Lage von Cassava Piece

(www.kingston-topo-map.jpg)

Die SDC[5] führte in den Jahren 2008/09 eine Studie über die Bewohner in Cassava Piece durch und zählte dabei knapp über 2000 Einwohner in 600 Unterkünften. Durchschnittlich leben 3,35 Personen in einem Haushalt[6], was dem nationalen Durchschnitt von 3,3 entspricht.[7]

Vom Zentrum Kingstons sind die Grenzen zu Cassava Piece, über öffentliche Verkehrswege gut zu erreichen. Die Gegend der Constant Spring Road mit Einkaufzentrum und Golfclub lässt nicht vermuten, dass sich wenige Meter entfernt ein Elendsviertel befindet. Von den Einheimischen wird Cassava Piece als Uptown Ghetto bezeichnet, was auf seine geographische Lage zurückzuführen ist. Auf den im unmittelbaren Hintergrund befindlichen Stony Hills, sind die Villen und Häuser der Ober- und Mittelschicht zu sehen. Vor allem ist hier die Kluft zwischen Arm und Reich besonders deutlich zu erkennen.[8]

Wenn man die Constant Spring Road verlassen hat, befindet sich auf der rechten Seite das Constant Spring Policeoffice. Wenige Meter davon entfernt steht das HELP Jamaica! Education Center auf der linken Seite der Straße. Auf dem Nachbargrundstück des ECs befindet sich das Gelände der Constant Spring Primary & Junior High, die von zahlreichen Kindern aus Cassava Piece besucht wird.

Die Hauptstraße zwischen EC, Schule und Centerside ist sehr kurvenreich, stark befahren, schmal und von Schlaglöchern gezeichnet. Diese führt bis zum Abwasserkanal, welcher Cassava Piece geographisch trennt.

Die Seite hinter dem Abwasserkanal, bezeichneten die Bewohner in meiner Gegenwart als Gullyside. Die andere Seite von Cassava Piece wurde Centerside genannt, da sich hier in unmittelbarer Nähe das EC befindet. Die beiden Seiten sind durch eine kleine Brücke miteinander verbunden.

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass die verwendeten Begriffe keine offiziellen Bezeichnungen der beiden Seiten von Cassava Piece darstellen. Sie dienen lediglich der konkreten Zuordnung bei der Analyse der Herkunft der Kinder und wurden konkret in diesem Zusammenhang von den Bewohnern verwendet.

Überwiegend lassen sich in Cassava Piece kleine, teilweise aus Holz, aber auch aus Stein gefertigte Häuser finden. Diese sind meist mit einem Wellblechdach abgedeckt und durch Zink- oder Stahlzäune begrenzt. Die Häuser sind eng aneinander gebaut und lassen nicht viel Platz für Privatsphäre.

Der bauliche Zustand der kleinen Gassen und Wege in Cassava Piece ist unzureichend. Sie bestehen meist aus Sand und kleinen Steinen und an einigen Straßenrändern sind ehemals vorhandene Gehwege rudimentär erkennbar. Die Hauptstraßen an den Grenzen von Cassava Piece erscheinen zudem baufällig.

Durch die eng aneinander stehenden, teilweise unfertigen Häuser, Sand- und Schotterwege, bietet das äußere Erscheinungsbild von Cassava Piece eine für mich typische Darstellung eines Ortsteils, den man als Elendsviertel oder Inner-city[9] bezeichnet. Dennoch ist Cassava Piece kein trister Ort. Die zahlreichen farbigen Anstriche von Zäunen, Steinmauern und Häusern, geben dem Ort wiederum ein positives Erscheinungsbild.

Insgesamt weist der Anblick von Cassava Piece auf ein krisengeschütteltes Wesen hin und verdeutlicht die wirtschaftliche Lage der Bewohner.

2.2 Kulturelle Hintergründe

In der Community Cassava Piece sind Kriminalität[10], Arbeitslosigkeit[11], Armut[12] und Hoffnung eng verflochten, was im Verlauf der Arbeit noch deutlicher zum Ausdruck kommen wird.

Auffällig ist, dass das gesellschaftliche Leben größtenteils auf der Straße stattfindet. Die Bewohner kennen sich meist untereinander und in der Regel bestreitet man seinen Tag nicht allein. Es ist üblich, dass sich die Bewohner oft zufällig auf der Straße treffen, sich auf den aktuellen Stand bringen, Domino spielen, Musik hören oder zusammen essen.

Cassava Piece wird von seinen Bewohnern sowie Außenstehenden als Ghettocommunity bezeichnet und hat aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage und der relativ hohen Kriminalitätsrate keinen besonders guten Ruf.

Die Kriminalitätsrate ist unter anderem auf die politische Teilung der beiden Seiten von Cassava Piece zurückzuführen und fördert innere Konflikte in der Community. Wie man später noch erfahren wird, haben unterschiedliche politische Ansichten in Jamaika, großen Einfluss auf die Gemeinschaftsidentität einer Community und fördern Konflikte zwischen den Bewohnern.[13]

In Cassava Piece sind daher Besuche von Touristen selten und lösen zum Teil Irritationen bei der lokalen Bevölkerung aus. Wenn ich mich beispielsweise am Abend von einem Ausflug, außerhalb von Cassava Piece, mit dem Taxi zurück bringen ließ und den Fahrern mein Ziel mitteilte, waren diese des Öfteren erstaunt. Dies verdeutlichten sie mit dem Ausspruch 'A lie', welcher für viele Jamaikaner Ausdruck von Verwunderung oder Erstaunen ist.

Die ersten Gänge durch Cassava Piece habe ich mit einem Einheimischen, bei dem ich lebte und der zudem ein freiwilliger Mitarbeiter im EC ist, unternommen, sodass die Bewohner mich einordnen konnten. Ich ließ mich auf die einfachen Lebensverhältnisse der Menschen ein, was mir zu Respekt und Anerkennung in der Community verhalf. Wie mir später einige Bewohner mitteilten, seien sie glücklich darüber, dass man sich für ihre Community interessiere und das sie die Möglichkeit erhalten, mir und dadurch anderen Menschen zu zeigen, wie Cassava Piece und seine Bewohner wirklich sind.

Des Weiteren beobachtete ich, dass ein Großteil der dort lebenden Menschen jeden Sonntag die Kirche besucht, woraus ich schlussfolgerte, dass die Community sehr christlich ist. Allein in Cassava Piece und im näheren Umfeld habe ich fünf Kirchen lokalisiert, was sehr kennzeichnend für Jamaika ist.[14] Inwieweit schließlich einem christlichen Leben nachgegangen wird, entscheidet jeder Bewohner für sich.

Überdies waren die familiären Verhältnisse auffällig. Wie ich beobachtet habe und die SDC zudem festhielt, ist die Familienstruktur in Cassava Piece davon geprägt, dass die Kinder häufig nur bei der Mutter aufwachsen.[15] Das hat oft zur Folge, dass vor allem die Jungen auf ein männliches Vorbild verzichten müssen und dies wiederum die Identitätsbildung beeinflusst.[16]

Des Weiteren stellt es keine Seltenheit dar, dass die Kinder bei Nachbarn, Bekannten oder Geschwistern, die teilweise selbst noch Kinder sind, aufwachsen. Grund dafür ist zum einen, dass ihre Eltern sie entweder zurückgelassen haben, weil sie im Ausland nach einträglicherer Arbeit suchen oder zum anderen nicht mehr am Leben sind. Dadurch fehlt den betroffenen Kindern meist eine elterliche Führung oder eine Autoritätsperson, die sich für sie verantwortlich fühlt, was dazu führt, dass sie Kinder meist auf sich selbst gestellt und perspektivlos sind.[17]

Durch die bestehenden Familienverhältnisse, die hohe Kriminalitätsrate, die wirtschaftliche Lage und die zum Teil prekäre Wohnsituation in Cassava Piece, wachsen die Kinder an einem Ort auf, der kaum Möglichkeiten und Zukunftsperspektiven bietet.

3 Struktur und Ziele des Vereins: HELP Jamaica! e.V.

Mit der Gründung des HELP Jamaica! Education Centers, sollen die Kinder der Community auf ihrem Bildungsweg unterstützt und ihnen die Möglichkeit einer besseren Zukunft geboten werden. Das Hauptanliegen der Bildungseinrichtung ist:

„[...] to encourage young people to develop alternatives to a life determined by frustration, drugs and violence and thereby help them to find ways to break the vicious circle of poverty, violence and crime in which so many young people grow up in the inner city communities.“ [18]

HELP Jamaica! e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit Hauptsitz in Berlin und einer Partnerorganisation in Kingston. Der Vereinszweck besteht daraus, weltweit Spenden zu sammeln und damit freie Bildungseinrichtungen in sozial und wirtschaftlich benachteiligten Gebieten in Jamaika zu unterstützen oder zu finanzieren.

Gegründet wurde der deutsche Verein im August 2008 und die jamaikanische Partnerorganisation im März 2009. Internationale Spendenaktionen und die finanzielle Förderungen der Deutschen Botschaft in Kingston, machten es im Februar 2011 möglich, dass erste Bildungszentrum, in einem Gebäude einer alten Klinik in Cassava Piece, zu eröffnen.[19]

Das Personal im EC besteht überwiegend aus Bewohnern der Community. Die Assistenten arbeiten freiwillig, erhalten jedoch eine Aufwandsentschädigung.

Diese kommt dem in Jamaika üblichen Mindestlohn, der umgerechnet ungefähr 200 Euro beträgt, gleich.[20] Die Intention dahinter ist jungen Erwachsenen der Community, auch ohne professionelle Ausbildung, eine bezahlte Arbeit zu bieten und die Möglichkeiten beruflicher Perspektiven zu öffnen. Weiterhin besteht das Team aus einer erfahrenen jamaikanischen Geschäftsleitung, freiwilligen Lehrern, die in der benachbarten Schule unterrichten, sowie zeitweise aus internationalen Freiwilligen.

Das EC hat von Dienstag bis Samstag offiziell von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der offizielle Betrieb beginnt um 14 Uhr und in der Realität dauern die Abendklassen meist bis 20 Uhr.

Kindern ab fünf Jahren und Jugendlichen wird es ermöglicht, kostenlose Unterstützung bei Lese- und Schulaufgaben zu erhalten. Es besteht das Angebot sich Computerkenntnisse anzueignen oder zu verbessern. Das Nachmittagsprogramm variiert aus unterschiedlichen Freizeitangeboten, wie beispielsweise Theater- und Musikklassen, Kunst- und Handwerkunterricht, sportlichen Aktivitäten, sowie Buchstabier- und Rätselwettbewerben. Am Abend haben Erwachsene die Möglichkeit, Mathe-, Englisch- und Sozialkundeunterricht zu erhalten. Die zuständigen Lehrer sind ihnen bei der späteren Anmeldung zu den Abschlussprüfungen (CXC - Caribbean Examination Council) behilflich, wodurch sie einen anerkannten Hochschulzugang erreichen können.

Neben den Bildungsangeboten, werden von den Mitarbeitern im EC, in Zusammenarbeit mit anderen engagierten Bewohnern aus Cassava Piece, öffentliche Veranstaltungen organisiert, wie zum Beispiel die Feier zum ersten Jubiläum der Bildungseinrichtung.[21]

Die Mitarbeiter vor Ort sind im stetigem Kontakt mit dem Vorstand in Deutschland. Gegenwärtige Ereignisse sowie aufkommende Probleme im EC, werden von Vertretern des Vorstandes in einer wöchentlich stattfindenden Plenarsitzung für die übrigen Vereinsmitglieder transparent gemacht.

Deutsche Mitglieder des Vereins arbeiten freiwillig und entwickeln unter anderem Konzepte für Spendenaktionen, wirken bei der Gestaltung und Aktualisierung der Internetseite mit, pflegen Kontakte zu Fördermitgliedern und Großspendern, organisieren und planen den Aufenthalt von Freiwilligen in Cassava Piece und kreieren und entwickeln Vereinsartikel, wie beispielsweise Informationsbroschüren, Poster, Aufkleber, Button und T-Shirts.

Durch Spendenaktionen bin ich 2011 auf den Verein aufmerksam geworden und habe einige Vereinsmitglieder bei einer Mitgliederversammlung in Berlin kennengelernt.

Seit 2012 beteilige ich mich als offizielles Mitglied von HELP Jamaica! e.V. an diversen Spendenaktionen, nehme an Plenarsitzungen und Mitgliederversammlungen teil und organisiere den Aufenthalt von internationalen Freiwilligen in Cassava Piece.

Während eines Praktikums im HELP Jamaica! Education Center und einem zweiten Aufenthalt in Cassava Piece, bekam ich die Möglichkeit einen Einblick in den Tagesablauf des ECs zu erhalten und die Arbeitsweise meiner jamaikanischen Kollegen kennenzulernen. Durch meine Zugehörigkeit war es mir möglich, eine empirische Datenerhebung zu realisieren.

4 Feldforschung in Cassava Piece

4.1 Ausgangslage der Untersuchung

Im Rahmen des Praktikums habe ich mit Hilfe einer weiteren Praktikantin, die Herkunftsorte der anwesenden Kinder im EC ermittelt. Zweck dieser Untersuchung war in Erfahrung zu bringen, wie viele Kinder aus Cassava Piece tatsächlich die Angebote im EC wahrnehmen, um die Etablierung des Vereins in der Community zu prüfen.

Insgesamt konnten wir festhalten, dass seit der Eröffnung 417 Kinder im EC registriert wurden. In dem ausgewählten Zeitraum vom 17.01.2012 bis 11.2.2012 waren 158 Kinder anwesend, von denen 55 Kinder während dieser Zeit mindestens dreimal wöchentlich das EC besuchten. Dreimal wöchentlich deklarierten wir als regelmäßiges Erscheinen. Im folgenden Diagramm sind die Kinder, die im besagten Zeitraum häufig das EC besuchten und ihre Herkunftsorte[22] aufgeführt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Ergebnisse der ersten Analyse im Februar 2012

Auffällig war, dass nicht nur Kinder aus Cassava Piece, sondern zahlreiche Kinder anderer Communities registriert wurden. Unseren Einschätzungen zufolge, lässt sich dies damit begründen, dass die Kinder anderer Communities ebenfalls die Schule neben dem EC besuchen und daher die Angebote in der Bildungseinrichtung wahrnehmen können.

Die Herkunftsorte außerhalb von Cassava Piece, werden in dieser Arbeit nicht genauer betrachtet. Obwohl sie für den Verein von Bedeutung sind, haben sie für meinen Forschungsauftrag keine Relevanz.

Schließlich hat uns die Tatsache irritiert, dass mehr als fünfmal so viele Kinder von der Centerside (im Diagramm mit CP1 gekennzeichnet) als von der Gullyside (im Diagramm mit CP2 gekennzeichnet) regelmäßig im EC erschienen. Wie das Diagramm aufschlüsselt, waren im besagten Zeitraum 28 Kinder von der Centerside regelmäßig anwesend, wohingegen nur fünf Kinder von der Gullyside die Angebote im EC regelmäßig nutzten. Dies hat uns dazu veranlasst, die Beweggründe für die geringe Teilnahme der Kinder von der Gullyside, durch Umfragen und Gesprächen mit den Bewohnern, zu eruieren.

Wie sich herausstellte, bestand die Hauptursache darin, dass viele Bewohner nicht ausreichend über das EC informiert zu sein schienen. Demzufolge formulierten wir Maßnahmen zur Problembehebung, die aufgrund von Zeitmangel nur teilweise umgesetzt werden konnten.

Da sich die Umfragen mit Öffentlichkeitsarbeit verbinden ließen, hofften wir die Bewohner informiert und gleichzeitig motiviert zu haben.

Während eines zweiten Aufenthaltes in Cassava Piece, nutzte ich die Möglichkeit die Registrierungen ein weiteres Mal zu betrachten. Die Ergebnisse zeigten, dass bis September 2012 bereits 628 Kinder registriert wurden. Im ausgewählten Zeitraum vom 27.08.2012 bis 30.09.2012 waren 339 Kinder im EC anwesend und in einer dieser Wochen haben 106 Kinder mindestens dreimal wöchentlich das EC besucht.

Wie ich feststellen konnte, hat sich, im Vergleich zur vorherigen Untersuchung, die Anzahl der regelmäßig anwesenden Kinder insgesamt verdoppelt, was als Erfolg für das EC zu verzeichnen ist.

Innerhalb eines halben Jahres konnte ich zudem zahlreiche neue Herkunftsorte[23] vermerken, was das nachstehende Diagramm zum Ausdruck bringt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Ergebnisse der zweiten Untersuchung im September 2012

Weiterhin konnte ich feststellen, dass im Vergleich zur vorherigen Untersuchung, doppelt so viele Kinder von der Gullyside am EC teilnehmen. Die Anzahl der regelmäßig anwesenden Kinder von der Centerside, hat sich im Gegensatz dazu nicht verändert. Dennoch ist die Anwesenheit zwischen den Kinder der Gullyside und Centerside unausgeglichen.

Meine individuellen Erfahrungen in der Community ließen den Schluss zu, dass sich die Ursachen möglicherweise aufgrund gesellschaftlicher Konflikte komplexer gestalten, als in der ersten Untersuchung festgehalten wurde. Durch das wiederholte Führen von Gesprächen, generierte ich meine Vorannahme und entwickelte meine Forschungsfrage. Im anschließenden Kapitel wird der Vorgang konkret erläutert.

4.2 Entwicklung der These und Forschungsfrage

Da ich für einen längeren Zeitraum in Cassava Piece wohnte, wurde der Forschungsprozess nicht nur durch mich, sondern auch durch die dort lebenden Menschen geprägt. Durch die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in der Community entwickelte ich neues Wissen, welches sich auf den Prozess meiner Theoriebildung auswirkte.[24] Während der Feldforschung nahm ich in gewisser Weise eine Doppelrolle ein und konnte Interaktionen einerseits als Forscherin, andererseits als Bewohnerin der Community betrachten .

[...]


[1] Begriffe die kursiv markiert sind, werden als sogenannte in-vivo-codes verwendet. Dabei handelt es sich um Bezeichnungen die von meinen Gesprächspartnern selbst verwendet und demnach übernommen wurden. (Vgl. Strauss 1987: 33f.).

[2] Im Verlauf meiner Arbeit werde ich aus Gründen der Lesbarkeit den männlichen Terminus verwenden. Die weibliche Form ist dennoch in meinem Denken eingeschlossen.

[3] EC ist eine von mir festgelegte Abkürzung für das HELP Jamaica! Education Center und wird im Folgenden dafür verwendet.

[4] Vgl. SDC (2009: 6).

[5] SDC ist die Abkürzung für Social Development Comission. Die SDC führt Gemeinwesenarbeiten durch und setzt sich aktiv für soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung in Communities ein. (Social Developement Commission – Government of Jamaica 2010).

[6] Meinen Erfahrungen zufolge besteht ein Haushalt aus engsten Familienverbänden, wobei dennoch mehrere Haushalte auf einem Grundstück existieren.

[7] Vgl. SDC (2009: 10).

[8] Vgl. Zahl (2002: 14).

[9] „Inner city is a densely populated part of a larger city and a term often applied to the poorer parts of the city. Inner city is often used as a euphemism with the connotation of being an area, perhaps a ghetto, where people are less educated and not as economically secure.“ (Yaffa 2008: 7).

[10] Vgl. SDC (2009: 53).

[11] Vgl. SDC (2009: 41).

[12] Vgl. SDC (2009: 44).

[13] Vgl. Mogensen (2004: 3).

[14] „Jamaika ist das Land mit den meisten Kirchen pro Quadratmeile. Da keine Kirchensteuer existiert, kann jeder, der mit der Sonntagspredigt seines Pfarrers nicht einverstanden ist, seine eigene Kirche gründen oder seine eigene Sekte ins Leben rufen.“ (Zahl 2002: 149).

[15] Vgl. SDC (2009: 13).

[16] Vgl. Zahl (2002: 85f.).

[17] Vgl. UNICEF Jamaica – Homepage (2013).

[18] Vgl. HELP Jamaica! e.V. - Homepage (2011).

[19] Vgl. HELP Jamaica! e.V. - Homepage (2011).

[20] Vgl. Mindestlohn Ressource der Welt (2013).

[21] Vgl. HELP Jamaica! e.V. - Homepage (2011).

[22] CP1 - Centerside, CP 2 - Gullyside, WH - Whitehall, MH - Mannings Hill (Road), GS - Golden Spring, RH - Red Hills, SH - Stony Hill, GP - Grantspen

[23] Auflistung der neu hinzugekommenen Herkunftsorte: MJ - Mt. James, ST - Spanish Town, PM - Portmore, CS - Constant Spring (Road), LT - Lawrence Tawern, DT - Down Town

[24] Vgl. Hale (2006: 108f.).

Ende der Leseprobe aus 47 Seiten

Details

Titel
Die Teilnahmemöglichkeiten jamaikanischer Kinder an dem Bildungsprojekt 'HELP Jamaica!' in Cassava Piece
Hochschule
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Veranstaltung
Vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie
Note
2,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
47
Katalognummer
V302243
ISBN (eBook)
9783668010499
ISBN (Buch)
9783668010505
Dateigröße
5079 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jamaika, Cassava Piece, HELP Jamaica! e.V., jamaikanische Ghettos, Feldforschung, Community Organizing
Arbeit zitieren
Christin Franke (Autor:in), 2013, Die Teilnahmemöglichkeiten jamaikanischer Kinder an dem Bildungsprojekt 'HELP Jamaica!' in Cassava Piece, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302243

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