Mit der Migrationswelle sogenannter „Gastarbeiter“ aus den Mittelmeerregionen gegen Ende der fünfziger Jahre lies sich ein sprachliches Phänomen beobachten, das sich vor allem in den Großstädten Deutschlands niederschlug. Durch das Aufeinandertreffen verschiedenen Sprachen und Kulturen entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit ein neuer multilingualer Ethnolekt, der im Allgemeinen auch als „Gastarbeiterdeutsch“, „Türkendeutsch“ oder „Kanak Sprak“ bekannt ist. Da diese gängigen Bezeichnungen in der Regel jedoch inkorrekt oder von negativem Beigeschmack sind, möchte ich auf eben jenes sprachliches Phänomen aufmerksam machen, das fortan unter der Bezeichnung „Kiezdeutsch“ geführt wird.
Die deutsche Sprache und Sprache im Allgemeinen befinden sich in einem steten Wandel, der sich sowohl im Grundwortschatz als auch vor allen Dingen in der grammatischen Struktur widerspiegelt. „Lautstrukturen verändern sich, Wörter ändern ihre Bedeutung, es entwickeln sich neue Endungen, andere entfallen, es entstehen neue Möglichkeiten der Wortstellung und der Kombination von Wörtern und Wortgruppen ebenso wie neue Beschränkungen“ (Wiese, 2012, S.30). Eben diese aufgezählten lautlichen Veränderungen und Variationen garantieren die Dynamik und Lebendigkeit der eigenen Sprache und schaffen Raum für neue Strömungen.
Unter genannten Aspekten habe ich mich im Folgenden einer sehr jungen Tendenz sprachlicher Neuerungen genähert, einem Trend, der sich in erster Linie in der Jugendsprache niederschlägt. In meiner Arbeit möchte ich mich unter anderem gegen eine weitverbreitete Meinung stellen, nämlich dass diese sprachliche Neuerung von minderer Intelligenz und einem sozial schwachen Status zeugt. Stattdessen soll diese Art von Jugendsprache als ein sprachliches Phänomen auf einer sprachwissenschaftlichen Basis betrachtet werden. „In der öffentlichen Wahrnehmung tritt der „typische Kiezdeutschsprecher“ oft klischeehaft als männlicher Jugendlicher türkischer Herkunft auf, möglichst in aggressiver Pose“ (Wiese, 2012, S. 14). Dass die Realität sehr viel anders und weitaus spannender geprägt ist, möchte ich in den folgenden Kapiteln unter Beweis stellen.
Germanistische Hausarbeit mit Rückgriff auf selbige Phänomene in der schwedischen Sprache.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
I. Begriffsbestimmung des Ethnolekts Kiezdeutsch
1. Kiezdeutsch als sprachliche Interferenz
1.1 Dialekt, Soziolekt und Ethnolekt
1.2 Kiezdeutsch als Varietät der deutschen Sprache
2. Grammatische und syntaktische Eigenschaften und Neuerungen
2.1 Artikel- und präpositionslose Ortsangaben
2.2 Sprachliche Verkürzungen
2.3 Zusammenzug von „lassma“, „musstu“ und „ischwör“
2.4 Funktionsverbgefüge
2.5 Innovative Wortstellungsoptionen
2.6 Verwendung des Fokusmarkers „so“
II. Mythos Kiezdeutsch als Zeichen mangelnder Integration
1. Situation der Türken in Deutschland
1.1 Migration und sozialer Hintergrund
1.2 Begriffserklärung „Kanak Sprak“
2. Verbreitung des Mythos
2.1 Mediale Verarbeitung und Repräsentation
2.2 Vorurteil „Halbsprachigkeit“
III. Kiezdeutsch als nationenübergreifendes Phänomen
1. Begriffsbestimmung „Code-switching“
2. Sprachliche Tendenzen Ethnolekte anderer Länder
2.1 Beispiel Rinkebysvenska
Zusammenfassung und Ausblick
Quellenverzeichnis
Literaturquellen
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