Die Ultras, eine Bewegung der Fankultur, welche Mitte der 1990er Jahre aus Italien nach Deutschland schwappte, sind in der heutigen Zeit nicht mehr aus den Stadien wegzudenken.
Zahlreiche Choreografien, eigene jugendclubähnliche Räumlichkeiten, riesige Schwenkfahnen aber auch gewalttätige Auseinandersetzungen sind ein Teil dieser Bewegung.
Die gängige Literatur ist sich in den meisten Fällen nicht einig ob es sich bei der Ultrabewegung um eine Jugendbewegung, Jugendkultur, oder eine eigenständige Subkultur handelt. Um dies zu klären, habe ich mich in der folgenden Arbeit damit beschäftigt, ob die Ultrabewegung eine eigenständige Subkultur darstellt.
Hierzu habe ich im ersten Teil die geschichtliche Entwicklung der Fankultur in Deutschland, von den Anfängen des Zuschauersports bis hin zur heutigen Ultrabewegung, genauer beleuchtet. Um diese zu verstehen wird auch ein nötiger Exkurs nach Italien, dem Mutterland der Ultrabewegung, durchgeführt.
Im zweiten Teil meiner Arbeit kommen in einer qualitativen Befragung Führungspersonen diverser Ultragruppierungen selbst zu Wort. Dies ist notwendig, um deren Auffassung der Ultrakultur dokumentieren zu können und abschließend den Versuch zu unternehmen, die Frage nach subkulturellen Zügen der Ultrabewegung zu klären.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1.Die Fankultur in Deutschland
1.1. Die Geschichte der Fankultur in Deutschland
1.2. Die Anfänge
1.3. Die Fankultur in Deutschland – Kutten
1.4. Die Fankultur in Deutschland – Hooligans
1.5. Von den Hooligans zu den Ultras
2.Die Ultras
2.1. Die Ultras – Italien
2.2. Die Ultras- Deutschland
2.3. Sozialarbeit durch Ultras
2.4. Politik in der Ultraszene
2.5. Gewalt in der Ultraszene
2.5.1. Steigende Gewalt im Fußball – Realität oder Fiktion?
2.5.2 Der ZIS – Jahresbericht, eine kritische Betrachtung
3.Protestformen.
3.1. ProFans
3.2. Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren
4.Subkultur
4.1. Subkultur vs. Jugendkultur
4.2. Die Ultras – eine Subkultur
5.Befragung
5.1. Stichprobe und Durchführung
5.2. Hypothesen und Ergebnisse
5.2.1 Deutsche Ultragruppierungen unterscheiden sich sowohl in der Entstehung als auch in der Gegenwart von den italienischen Ultras (Hypothese1)
5.2.2 Eine Ultragruppierung ist ein Zusammenschluss aus einer Vielzahl heterogener Individuen, welche ihre individuellen Ansichten der Gruppenmeinung unterordnen (Hypothese 2)
5.2.3 Ultragruppierungen leisten indirekte, kostenlose Jugendarbeit (Hypothese 3)
5.2.4 Zwischen den neuen und den alten Bundesländern gibt es relevante Unterschiede bei der Affinität von Gewalt im Rahmen der Ultragruppierungen (Hypothese 4)
5.2.5 Die Ultrabewegung kann als eigene Subkultur angesehen werden (Hypothese 5)
5.2.6 Ultras fühlen sich durch Repressionen, welche eigentlich als Präventivmaßnahmen vorgesehen sind, bestraft. Diese Vorkehrung verschlechtern die Beziehungen zwischen Ultras und Sicherheitsorganen (Hypothese 6)
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Ultras, eine Bewegung der Fankultur, welche Mitte der 1990er Jahre aus Italien nach Deutschland schwappte, sind in der heutigen Zeit nicht mehr aus den Stadien wegzudenken.
Zahlreiche Choreografien, eigene jugendclubähnliche Räumlichkeiten, riesige Schwenkfahnen aber auch gewalttätige Auseinandersetzungen sind ein Teil dieser Bewegung.
Die gängige Literatur ist sich in den meisten Fällen nicht einig ob es sich bei der Ultrabewegung um eine Jugendbewegung, Jugendkultur, oder eine eigenständige Subkultur handelt. Um dies zu klären, habe ich mich in der folgenden Arbeit damit beschäftigt, ob die Ultrabewegung eine eigenständige Subkultur darstellt.
Hierzu habe ich im ersten Teil die geschichtliche Entwicklung der Fankultur in Deutschland, von den Anfängen des Zuschauersports bis hin zur heutigen Ultrabewegung, genauer beleuchtet. Um diese zu verstehen wird auch ein nötiger Exkurs nach Italien, dem Mutterland der Ultrabewegung, durchgeführt.
Im zweiten Teil meiner Arbeit kommen in einer qualitativen Befragung Führungspersonen diverser Ultragruppierungen selbst zu Wort. Dies ist notwendig, um deren Auffassung der Ultrakultur dokumentieren zu können und abschließend den Versuch zu unternehmen, die Frage nach subkulturellen Zügen der Ultrabewegung zu klären.
Die Kontakte zu diesen Führungspersonen konnte ich durch meine Mitarbeit beim vereinsübergreifenden Ultra-Magazin „Blickfang-Ultra“ herstellen. Durch die enge Bindung zum Untersuchungsgegenstand war ich bemüht, die nötige wissenschaftliche Distanz zu wahren. Ohne die vorhandenen Kontakte wäre eine solche qualitative Befragung nur unter sehr schwierigen Bedingungen möglich gewesen.
1. Die Fankultur in Deutschland
Um das Auftreten der Ultras und ihr Selbstverständnis zu verstehen muss man sich zuerst einmal die Geschichte der Fankultur ansehen. Die unterschiedlichen sozialen Sicherheiten und Gegebenheiten sorgten für eine immer wechselnde Art der Fankultur. Dieser Wechsel führte in den 1990er Jahren dann schließlich auch zu dem Aufkeimen der Ultrakultur, welche von Italien nach Deutschland getragen wurde. Hierzu jedoch später mehr.
1.1 Die Geschichte der Fankultur in Deutschland
Der Fußball wie wir ihn heute kennen hat nur noch sehr wenig mit dem Fußball der Anfangsjahre zu tun. Nicht nur die Regeln, das Gehalt der Spieler und die Stadien haben sich verändert, sondern auch die Art und Weiße wie Zuschauer das Spiel auf den Rängen verfolgen.
Zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert galt Fußball nicht als Zuschauersport, sondern einzig und allein als gespielte Freizeitbeschäftigung. Ebenfalls galt der Fußball zu Beginn auch noch nicht als der Sport der Arbeiterklasse, sondern ausschließlich als ein Sport für die Bevölkerung mit einem höheren Einkommen. Dies liegt darin begründet, dass die Arbeiterschicht in dieser Zeit einfach keine Freizeit besaß, in welcher sie einem Sport hätten nachgehen können. So sagt auch Fanforscher Gabler:
- Die ersten Fußballclubs (wurden) um die Jahrhundertwende gegründet, aber genau wie in Deutschland war der Fußball in Italien zur Anfangszeit ein Sport, der vorwiegend von den oberen Schichten praktiziert (...) wurde. Auch die italienischen Arbeiter hatten schlichtweg keine Zeit, die sie dem Fußball in irgendeiner Form hätten widmen können.“ (Gabler, 2010 S. 29).
Die spätere Bindung an einen Verein oder Stadtteil spielte vor 1914 keine Rolle, die Zuschauer stellten sich damals durch ihren gesellschaftlichen Status dar. Dies endete in den 1920er Jahren als sozialpolitische Reformen es ebenfalls der Arbeiterklasse ermöglichten die Fußballspiele der lokalen Vereine zu besuchen. Durch eine gemeinsame Bindung zu einem Verein konnten die Zuschauer eine gemeinsame Identität entwickeln (Oswald, 2013, S.32).
1.2 Die Anfänge
Nachdem durch die sozialpolitischen Reformen ebenfalls die Arbeiterklasse die Möglichkeit hatte, dem Fußballsport nachzugehen, entwickelte sich langsam der Fußball vom reinen gespielten Sport zu einem Zuschauersport.
Diese Zuschauer benötigten natürlich auch Tribünen auf welchen sie das Spiel verfolgen konnten. So entstanden in ganz Deutschland neben den zahlreichen Sportplätzen, auf welchen überwiegend dem Turnsport nachgegangen wurde, auch die ersten Stadien.
„Mit Hacken und Schaufeln ziehen die Mitglieder auf den Betzen-berg, wo auf dem steinigen Gelände in Eigenarbeit [im Jahre 1920] ein Stadion mit Sandplatz und Zuschauerrängen sowie eine kleine Tribüne auf der Südseite gebaut werden.“ (Bold, 2013, S. 30).
Jetzt, wo auch die breite Masse die Stadien bevölkerte und die sozialen Strukturen aufgebrochen wurden, kam es auch zu den ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Fans. Die Gründe für gewalttätige Auseinandersetzungen werden im späteren Verlauf näher beleuchtet.
Als ein Grund für die ersten Auseinandersetzungen zwischen Fans gilt die Übertragung von alten Konflikten zwischen unterschiedlichen Arbeitervierteln (Oswald, 2013, S.33.). Diese lokalen Aufeinandertreffen erhielten in der folgenden Zeit den Namen Derby. Ein Derby ist laut Duden ein „sportliches Spiel von besonderem Interesse, besonders zwischen Mannschaften aus der gleichen Region.“ (duden.de, „Derby“) was auf die Spiele der naheliegenden Arbeiterviertel sehr gut zutrifft. Betrachtet man diese Definition kritisch so akzeptieren in der heutigen Zeit nicht mehr alle Fans den zweiten Part der Definition. Nicht jedes räumlich nahegelegene Spiel wird demnach zeitgleich von den Fans beider Vereine als Derby verstanden. So schreibt die Generation-Luzifer, eine Ultragruppierung des 1.FC Kaiserslautern, in ihrem Kurvenheft
„Dass die Haltung zum Thema Derby / kein Derby nicht auf Gegenseitigkeit beruht, sollte bekannt sein, denn ein Derby benötigt nun einmal einen respektierten und ernstzunehmenden Gegner. Mainz ist das nicht!“ (Infoblättsche 12, 2011/2012, S.6).
Viel mehr rückt also die auf beiden Seiten respektierte Rivalität der Fanszenen in den Vordergrund. So können demnach auch Spiele mit größerer räumlicher Distanz durchaus den Charakter eines Derbys erlangen.
Durch den aufkommenden zweiten Weltkrieg fiel der Ligabetrieb in Deutschland zum Teil komplett aus, aber nach Gabler erfreute sich dieser Sport gerade an der Front großer Beliebtheit. Dies führte dazu, dass viele Soldaten sich auch nach der Rückkehr in die Heimat für Fußball interessierten, ihn ausübten oder wenigstens als Zuschauer begleiteten. (Gabler, 2013, S. 20).
1.3 Die Fankultur in Deutschland - Kutten
Nach dem zweiten Weltkrieg wuchs die Anzahl an Zuschauern immer mehr bis sie schließlich in den 1970er Jahren eine neue Form an Fans zur Schau brachte. Dies war auch die Zeit als die ersten Fanclubs in Deutschland gegründet wurden. Die Mitglieder dieser lernten sich meist in Kneipen kennen und so trugen auch die ersten Namen von Fanclubs meist den Namen der Stammkneipe der Mitglieder. In Nürnberg bildete sich zum Beispiel Ende der 1960er Jahre nach diesem Muster der Fanclub „Seerose“, welcher im Laufe der Zeit durch diverse Vorfälle weit über die fränkischen Grenzen an Bekanntheit erlangte.
Die Mitglieder dieses Fanclubs bildeten sich zu dieser Zeit aus einer neuen Art von Fankultur – der „Kutten“ (Thein, 2013, S. 44). Die „Kutte“ beschreibt im eigentlichen Sinne ein Kleidungsstück, da diese Jeansjacke – verziert mit Aufnähern und Ansteckern – jedoch von einer Vielzahl an Fans getragen wurde, erhielten selbige sehr schnell auch einen eigenen Namen, welcher sich bis heute im Sprachgebrauch vieler Fans gefestigt hat.
Gabler definiert „Kutten“ als Fans, welche nach englischem Vorbild eine spielbezogene Mannschaftsunterstützung favorisieren und ihre enorme Vereinstreue durch eine Vielzahl an Fahnen und Schals zum Ausdruck bringen. Aus soziologischer Sicht bildet vor allem die Art der Organisation einen großen Unterschied zu den heutigen Ultras. Die „Kuttenfans“ besuchen die Spiele in kleinen Freundeskreisen und diese Zusammenkunft beschränkt sich oftmals auf den Spieltag. “Die Angehörigen dieser Fankultur gehörten vor allem der unteren Mittelschicht und der Unterschicht an.“ (Gabler, 2013, S. 24). Durch die teilweise Unterwanderung von Nazis und der Gewaltaffinität (Gabler, 2013, S. 25) waren die „Kutten“ und der Stadionbesucher an sich zu dieser Zeit gesellschaftlich geächtet. Für die „Kutten“ war, wie bereits geschrieben, der hauptsächliche gemeinsame Nenner nicht die Gewalt oder die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen fußballbezogenen Themen, sondern der Besuch der einzelnen Spieltage. Hierdurch differenzieren sie sich von später entstehenden Fankulturen.
1.4 Die Fankultur in Deutschland - Hooligans
In den 1980er Jahren formierten sich die ersten Gruppen die den bereits in England berühmt berüchtigten Hooligans nacheiferten. Zuerst waren es einzelne Gruppen von Kutten, welche die Gewalt immer faszinierender fanden und schlussendlich nicht mehr den Spieltag als gemeinsamen Nenner hatten, sondern die Suche nach der Auseinandersetzung mit gegnerischen Fans. So erzählt der Nürnberger Kultfan Heino Hassler in einem Interview mit Martin Thein auf die Frage, ob bei seinem Kuttenfanclub „Seerose“ auch gewaltbereite Fans dabei waren mit folgender Aussage:
„Ja, klar. Da waren schon richtig krasse Jungs dabei. Die haben, wenn es geknallt hat, keine großen Unterschiede gemacht. Wenn wir bei Auswärts-fahrten aus dem Bahnhof kamen, wurde sich erst einmal umgeschaut, ob jemand von der gegnerischen Mannschaft da war. Wenn man einen gese-hen hat, gab es oft gleich auf die Mütze.“ (Thein, 2013, S. 47).
Häufige Ausschreitungen und auch das proletenhafte Auftreten eines Großteils der Personen in der Fankurve sorgte für eine Außendarstellung, welche den Großteil der Bevölkerung dazu veranlasste alle Fußballfans als Säufer, Nazis und Hooligans abzustempeln (vgl. Sommerey, M. 2012, S. 30).
Um die Verhaltensweißen der Hooligans, die Entwicklung in Bezug auf politische Unterwanderung und die Suche nach Gewalt besser zu verstehen, ist es notwendig weiter auszuholen. Hierzu wurden bereits einschlägige Forschungen getätigt, welche bei Gunter A. Pilz nachzulesen sind (vgl. Pilz, 2006). Da diese Art der Fankultur jedoch nicht in direktem Zusammenhang mit dieser Arbeit steht und nicht als Subkultur angesehen werden kann, werde ich hier nicht näher ins Detail gehen.
Der Hauptunterschied zu den im weiteren behandelten Ultras ist die Stellung der Gewalt in Bezug auf die Bedeutung für die jeweilige Fankultur. Während Ultras, wie später genauer zu lesen, Gewalt hauptsächlich in Verteidigungssituation anwenden, suchen Hooligans selbige gezielt und wenden diese auch abseits des Spieltages und –ortes bei ausgemachten Auseinandersetzungen an. Ebenfalls beschränken sich – um einen weiteren Unterschied zu nennen – die Aktivitäten der Hooligans auf die Spieltage und aufeinandertreffen, beispielsweise im Wald. Von einer Hooligan-Mentalität, oder Lebenseinstellung wie sie später bei den Ultras vorgestellt wird, ist ebenfalls in keiner Literatur die Rede.
1.5 Von den Hooligans zu den Ultras
Hooligans waren in den 1980er Jahren die prägendste Fangruppierung in den Stadien Deutschlands, Hollands und Großbritanniens. Sie sorgten durch ihr gewalttätiges Auftreten, durch welches sie sich hauptsächlich definieren, regelmäßig für Schlagzeilen.
„Im Jahre 1985 kam es Kurz vor Anpfiff des Europapokal-Finals der Landesmeister zwi-schen Juventus Turin und dem FC Liverpool [zu Auseinandersetzungen]. [Hierbei] stürmten englische Anhänger einen neutralen Sektor im Brüsseler Heysel-Stadion. In der Folge brach Panik aus. 39 Menschen wurden getötet, fast 500 verletzt“ (Gabler, 2013, S.27).
Nicht nur in England wuchs die Anzahl der Auseinandersetzung rivalisierender Hooligans, sondern auch in Deutschland kam es in den 1980er Jahren vermehrt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Dies veranlasste 1993 die ständige Konferenz der Innenminister und –Senatoren der Länder (kurz IMK) dazu, das Nationale Konzept Sport und Sicherheit (NKSS) zu verabschieden, welches hauptsächlich durch folgende Punkte die Sicherheit der Zuschauer bei Fußballspielen verbessern und gewährleisten sollte:
- „Der Bau und Betrieb moderner Stadien, die hohe bauliche Sicherheitsstandards erfüllen.
- Die Professionalisierung im Bereich der Ordnungsdienste und der organisatorisch-betrieblichen Bedingungen in den Stadien
- Die Betreuung von inzwischen 51 Fanszenen durch sozialpädagogische Fanprojekte.
- Die intensive und umfangreiche Präventionsarbeit
- Die Erteilung bundesweiter Stadionverbote für Gewalttäter.
- Der Einsatz einer professionell arbeitenden Polizei und die gewachsene, enge Zusammenarbeit auf lokaler, nationaler und zunehmend auch internationaler Ebene.“
(NKSS, 2011,S.3)
Besonders der Punkt der Professionalisierung (im Bereich „Fußballeinsätze“) der Polizei führte zu einem erhöhten Durchgreifen der Polizei und zu einer härteren Verfolgung von Straftaten. So antwortet „Harry“ ein Althooligan des 1.FC Kaiserslautern in einem Interview mit dem Fanzine „Paranoid“ (Ein Fanzine ist ein Magazin, welches häufig „von Fans für Fans“ herausgegeben wird und im Bereich des Stadions zu erwerben ist) auf die Frage nach dem Vorgehen der Polizei zu Zeiten vor dem NKSS wie folgt:
„[...]Aber wenn die Polizei kam, dann gab’s mal nen Knüppel auf den Kopf und dann war Ruhe, da wurd‘ keiner mitgenommen [verhaftet] oder so. Da hast du dich geboxt und es war Ruhe.“ (Paranoid 3, 2010, S. 128).
Ebenso wurde als Konsequenz des NKSS die „Datei Gewalttäter Sport“ eingeführt. Diese Datei ist in der heutigen Zeit sehr umstritten, führt sie doch nicht nur überführte Gewalttäter, sondern ebenfalls Personen
„gegen die von der Polizei Personalienfeststellungen, Platzverweise und Ingewahrsamnahmen angeordnet wurde.“ (polizei-nrw.de).
Die Angst vor Konsequenzen und die besser überwachten Stadien sorgten also dafür, dass die Gewalt immer mehr aus den Stadien verschwand und durch die „Entproletarisierung“ (Gabriel, 2005, S.62) ein neues Publikum in den Fankurven der Stadien einkehrte.
Elmar Vieregge sieht dies ähnlich, wenn er auch als primären Grund für diese „Entproletarisierung“ ausschließlich die Modernisierung der Stadien ansieht.
„Mit den erhöhten Besucherzahlen in den modernisierten Stadien änder-ten sich zumeist auch die Verhältnisse in ihnen, und die gesellschaftliche Bedeutung des Massensports wurde deutlicher. [es] verringerte sich die Präsenz der zuvor die Kurve optisch prägenden Kutten. [und] Innerhalb der insgesamt vergrößerten Zuschauermenge fielen Hooligans weniger ins Auge.“(Vieregge, 2012,S. 19).
Im Zuge dieser Modernisierung und stärkeren Sanktionierung und Verfolgung von Straftaten verschwand aber auch die vielerorts gelobte Stimmung, welche ebenfalls von den Kutten und teils auch von den Hooligans in die Kurven getragen wurde. In den Kurven gab es jedoch immer noch eine Vielzahl an Menschen, welche sich für eine stimmungsvolle Unterstützung der Mannschaft interessierten. Ein Teil von ihnen, die „Groundhopper“ (aus dem englischen „Ground“=das Spielfeld in einem Stadion und „to hop“=hüpfen) brachten die ersten Eindrücke, unter anderem aus Italien, mit in die deutschen Kurven.
Ein Groundhopper ist ein Mensch welcher sich nicht ausschließlich für den eigenen Verein und dessen Fanszene interessiert, sondern in seiner Freizeit ebenso weitere Stadien und deren Fanszenen bereist. Hierbei gibt es unterschiedliche Arten von „Groundhoppern“, die einen „sammeln“ so viele Besuche von Stadien wie möglich. Dabei ist es egal ob es sich hierbei um ein stimmungsvolles Duell handelt. Die anderen besuchen bestmöglich nur Spiele, welche von zwei fanatischen Kurven begleitet werden.
Italien war in den 1980er und 1990er Jahren das absolute Sinnbild von farbenfroher Unterstützung. Ganz anders als in England und Deutschland zu dieser Zeit waren die italienischen Fankurven komplett befreit von jeglichen Regeln der Politik und der Verbände (vgl. Gabler 2013, S. 51). Auf ihnen herrschten die sogenannten Ultras auf welchen im Weiteren der Fokus liegen wird. Der Teil der Groundhopper, welcher an farbenfrohen Spielen und einer möglichst ausdrucksstarken Atmosphäre interessiert war, reiste in den 1990er Jahren also vornehmlich nach Italien, Frankreich oder den Balkan und brachte aus diesen Regionen Eindrücke und Erfahrungen mit in die deutschen Stadien. Beim Kopieren dieses Stils und den ersten Gruppen welche sich hinter Bannern mit der Aufschrift „Ultras“ versammelten, kann jedoch noch nicht von subkulturellen Zügen oder gar einer neuen Subkultur gesprochen werden.
2. Die Ultras
Die Fankultur der Ultras ist in Deutschland ein Phänomen der späten 1990er Jahre. In dieser Zeit wurden bundesweit zahlreiche Ultragruppen gegründet, welche nach dem italienischen Vorbild, ihre Gruppen oftmals einfach nach dem Stadtname zuzüglich der Bezeichnung „Ultras“ benannten. Einige Beispiele hierfür sind die heute noch präsenten „Ultras Leverkusen“, „Ultras Frankfurt“, „Ultras Nürnberg“ und „Ultras Düsseldorf“. Aber auch möglichst dominant und gefährlich klingende Namen, waren in Kombination mit einem lokalen Anhängsel, sehr beliebt wie die ebenfalls in dieser Zeit gegründeten Gruppen rund um das „Commando Cannstatt“, „Pfalz Inferno, „Inferno Bad Schwalbach“ und „Desperados Dortmund“, belegen. Doch nicht nur im Bezug auf die Namensgebung dauerte es einige Zeit bis sich die Ultragruppen in Deutschland eine eigene Identität aneigneten. Die italienische Ultrabewegung hatte also für die Ultragruppen in Deutschland eine enorme Bedeutung. Aus diesem Grund wird sie im Folgenden näher beleuchtet, auch um die heute großen Unterschiede zwischen den Ultras aus dem Mutterland dieser Bewegung und den deutschen Ultras besser zu verstehen. Die „italienischen Verhältnisse“ (vgl. Hoeneß U. 2007) von welchen Medien, Politik und Verbände oftmals sprechen, haben nach meiner Auffassung mit der Realität der deutschen Kurven in der heutigen Zeit nicht viel gemein. Hierzu jedoch später mehr.
2.1 Die Ultras–Italien
Genau wie in Deutschland und anderen Ländern der Erde, gab es in den 1960er Jahren in Italien eine kritische linke Studentenbewegung. Diese brachten ihren Unmut unter anderem durch, teilweise auch gewalttätige, Demonstrationen zum Ausdruck. Hierfür verwendeten sie die für solche Anlässen üblichen Materialien wie Spruchbänder, Megafone, Trommeln, Fahnen und Doppelstockhalter. Bereits hier ist eine Verknüpfung zu den späteren Ultras zu erkennen (vgl. Gabler 2013, S.32).
So ist es auch nicht verwunderlich, dass das Gründungsjahr der von den meisten Ultras als erste Gruppierung Italiens anerkannten „Fossa dei Leoni“ (dt. Höhle der Löwen) des AC Milan auf das Jahr 1968, dem Höhepunkt der Studentenbewegung, fällt.
Der Ursprung des Namens „Ultra“ ist nicht eindeutig nach zu verfolgen. Die wohl am weitest verbreitete und auch in wissenschaftlichen Kreisen oft genannte Erklärung ist folgende:
- Die Bezeichnung „Ultras“ erhielten sie [die Ultras] einer Legende nach von einem italienischen Fußballreporter. Dieser beschrieb das Verhalten der aufgebrachten Fans vom AC Turin als ultra, da sie dem Schiedsrichter nach einer Niederlage ihres Vereins bis zum weit entfernten Flughafen verfolgt haben sollen (Langer D. 2010, S.40).
In den späten 1960er Jahren und den darauffolgenden 1970er Jahren bildeten sich in ganz Italien unzählige Ultragruppierungen, welche zum überwiegenden Teil abseits der Spieltage politische Ziele verfolgten und die überwiegend rechtsfreien Kurven (wie bereits weiter oben erwähnt), am Wochenende bevölkerten. Nach Gabler ist hierdurch auch ein Großteil der Gruppennamen zu erklären. Viele italienische Gruppen tragen den Beinamen „Brigate“, „Fedayn“ (palästinensische Freiheitskämpfer), „Commando“ oder haben einen direkten Bezug auf politische Organisationen wie z.B. die „Boys S.A.N“ (S.A.N. steht für „Squadre d’Azione Nerazzurre – eine faschistische paramilitäre Einheit zu Beginn der 1920er Jahre) von Inter Milan (vgl. Gabler, 2013, S. 33).
Wie man bereits am Namen der „Boys S.A.N“ erkennen kann, gab es nicht nur linksgerichtete Gruppen, sondern sehr bald auch eine Vielzahl rechter (teils auch -extremer) Gruppen, welche ihre politischen Ansichten mit in die Stadien brachten. Auch wenn politische Ansichten in Italien in der heutigen Zeit mit Sicherheit einen größeren Stellenwert als in Deutschland haben, sind sie mit den Anfängen der 1968er Jahre nicht mehr zu vergleichen. So sagt der italienische Soziologe Antonio Roversi über die Entwicklung der politischen Ziele und die Kurven Italiens:
- Die ganze Last der Enttäuschungen und unerfüll-ten Erwartungen, die sich ab den Jahren 1969-70 anstauten, führte für einen großen Teil der Jugend zu einer Verschiebung der gemeinschaftlichen Akti-vität heraus aus dem Bereich der sozialen Konflik-te hinein in das Feld der symbolischen Ausein-andersetzung [...] An die Stelle des zum Fehlschlag verurteilten politischen Versuchs, das ganze Land zu „befreien“, trat das leichter realisierbare Ziel, kleine Bereiche zu befreien, die man zu Symbolen der eigenen Andersartigkeit erwählt hat“ (Francesio G. 2010, S. 32).
Die einst parteipolitischen Ziele rückten also beim Großteil der italienischen Ultras in den Hintergrund, die Grundhaltung beeinflusst jedoch auch noch in der heutigen Zeit den Großteil der Kurven. So sind zum Beispiel die Kurven des AS Livorno und Atalanta Bergamo klar links, wenn nicht sogar teils kommunistisch einzuordnen, während die Ultras und Anhänger von Hellas Verona und Lazio Rom sich rechte Tendenzen nachsagen lassen. So erklärte der Vereinspräsident von Hellas Verona im Jahre 2001 in einem Zeitungsinterview, den Schwarzafrikaner Mboma nicht zu verpflichten:
„Mboma? Die Tifosi [Anm.: Als Tifosi werden die Anhänger der jeweiligen Vereine bezeichnet] würden mir niemals erlauben, einen farbigen Spieler anzuheuern.“ (FARE).
Die politischen Ansichten waren und sind oftmals auch Beweggründe für Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans und Ultras. Konnten in den 1970er Jahren die Gruppen die Gewalt noch einigermaßen beeinflussen, so gab es in den folgenden Jahren immer öfter Ultras die aufgrund egoistischer Profilierungsversuche einzelner Ultras, ihr Leben lassen mussten. So weißen viele Wissenschaftler und Kenner der italienischen Ultraszene die Schuld dieser Todesfälle, oftmals auf Einzeltäter oder Kleingruppen zurück, welche sich in ihrer Szene einen Namen machen wollten. Diese Einzelpersonen werden im italienischen Sprachgebrauch „cani sciolti“ (dt: unangebundene Hunde) genannt (vgl. Gabler S. 40 ff.).
So kam es nach dem Tode Vincenzo Spagnolos, einem Genueser Ultra im Jahre 1995 zu einem historischen Zusammenschluss einer Großzahl der italienischen Ultragruppen. Da viele der Opfer, wie auch Spagnolo, in Folge von Messerangriffen starben, entschied man sich zu einer Resolution mit dem Namen „basta lame, basta infami“ was ins Deutsche übersetzt „Schluss mit den Klingen, Schluss mit der Schande“ bedeutet. Diese Eindämmung und versuchte Reglementierung der Gewalt scheiterte wie einige Reaktionen (z.B. aus der italienischen Hauptstadt) zeigten. Hier hängten kurz darauf einige Ultras Banner mit der Aufschrift „basta infami, solo lame“ auf (vgl. GdS 2010). Die Bedeutung „Schluss mit der Schande, nur noch Klingen“ lässt darauf schließen, dass diese Ultras eine Zusammenkunft und Resolution mit verfeindeten Ultras ablehnen und weiterhin Waffen verwenden werden. Wie die „Schickeria München“ (eine Ultragruppierung des FC Bayern München) auf ihrem Internetblog „Gegen den Strom“ dokumentieren, wird dieser Schritt für eine Vielzahl an Beobachtern als der Untergang der italienischen Ultrabewegung angesehen (vgl. GdS, 2010).
Da die Ultrabewegung die ausufernde Gewalt nicht eindämmen konnte, begann die Regierung um die Jahrtausendwende sich in Italien erstmals ernsthaft für eine Verfolgung und Beendigung der Gewalt in den italienischen Stadien einzusetzen. Bei der Verfolgung und Bestrafung wurde größtenteils auf Verbote gesetzt. Hiermit verfolgte die italienische Regierung die gleichen Maßstäbe wie ihr englisches Pendant.
In England wurde nach den Tragödien in Heysel und Hillsborough ein 76 Punkte umfassender Report (der sogenannte Taylor Report) beschlossen, welcher den britischen Fußball vor Gewalt und Hooliganismus retten sollte. Kurz um wurde mit diesem Plan alle Freiheiten der Fans beschnitten (z.B. die Abschaffung der Stehplätze), was eine nachhaltige und freie Fankultur unmöglich machten (vgl. Jakob, J. 2013, S.112-118).
Die italienische Regierung erließ zu Beginn zuerst „Daspos“ (divieto di accesso ai luoghi in cui si svolgono manifestazioni sportive), diese Betretungsverbote für Stadien sollten zuerst alle Gewalttäter aus den Stadien verbannen. Da in Italien aber die Stadien weiterhin in einem schlechten Zustand und die Videokameras nur ungenügend vorhanden waren, konnte ein Vergleich mit dem Ergebnis in England zu keinem Zeitpunkt erreicht werden (vgl. Gabler, 2013. S. 43 f.). Die Stadien in Italien wirkten oftmals baufällig, eine Fantrennung konnte durch weitläufige Umzäunungen nicht gewehrleistet werden und somit kam es immer wieder zu Aufeinandertreffen rivalisierender Fans innerhalb der Stadien. Aber nicht nur aus baulichen Gründen kam es in dieser Zeit zu keiner Annäherung an die englischen Ziele, sondern auch aus der soziologischen Zusammensetzung der Fanschichten. Während in England in den 1980er Jahren die Hooligans sich nur zu dem Spiel trafen, bevölkern in Italien Ultragruppen die Kurven, die zum Teil eine Mitgliederstärke haben, welche die 1000er Marke schon lange überschritten haben. Diese Gruppenmitglieder verbindet mehr als der samstägliche Ausflug ins Stadion, sie treffen sich auch unter der Woche um Choreografien vorzubereiten, ihre Lokale zu bewirtschaften oder sich gegenseitig in sozialen Belangen zu unterstützen. Hierzu jedoch im weiteren Verlauf mehr, da sich hierin die deutschen und italienischen Gruppen nur sehr wenig unterscheiden.
Da es die Ultragruppen also auch abseits des Spieltages und des Stadions gibt, zeigten die Stadionverbote keine Wirkung und so war es nicht verwunderlich, dass es im Jahre 2007 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen beim sizilianischen Derby zwischen Palermo und Catania kam, bei welchem der Polizist Filippo Raciati starb. Dem hierbei zu acht Jahren Gefängnis verurteilte Ultra aus Catania, Antonio Speziale, ist nach aktuellen Untersuchungen keine Schuld nachzuweisen. Vielmehr geht man nach aktuellem Kenntnisstand davon aus, dass Raciati von einem Kollegen angefahren wurde und später aufgrund innerer Blutungen verstarb. Dies beweisen unter anderem auch blaue Lackspuren (wie sie italienische Polizeiwagen haben), welche an der Kleidung des Polizisten gefunden wurden (vgl. Lopez, E. 2013 S. 46-49).
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