Der öffentliche Personennahverkehr. Warum wird wie reguliert?


Trabajo Escrito, 2015

37 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Warum wird reguliert?
2.1 Organisation des ÖPNV
2.2 Daseinsvorsorge des ÖPNV
2.3 Netzökomische Analyse des ÖPNV
2.4 Zwischenfazit

3 Wie wird reguliert?
3.1 Europäischer Rechtsrahmen
3.2 Nahverkehrspläne als Grundlage
3.3 Regulierung im Straßenpersonennahverkehr
3.4 Regulierung im Schienenpersonennahverkehr
3.5 Europäischer Ländervergleich
3.5.1 Großbritannien
3.5.2 Frankreich
3.5.3 Schweden
3.6 Zwischenfazit

4 Wie sollte reguliert werden?
4.1 Wettbewerbsmodelle
4.2 Verbundangebote und Doppelrolle
4.3 Änderungsvorschläge im ÖPNV
4.4 Sozioökonomische Kritiken
4.5 Zwischenfazit

5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Monopolistische Bottlenecks (Knieps 2005, Tab. 2.1, S. 36)

Abbildung 2: Netzebenen ÖPNV (Weiß 1999, Tab. 2.3, S. 53)

Abbildung 3: Wettbewerbsmodelle (Weiß 2003, S.8)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Gegenstand dieser Arbeit ist der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV).

Schon immer bedeutend für Wirtschaft und Gesellschaft war der Markt für Verkehrsdienstleistungen im ÖPNV, früher sehr stark reguliert und überwiegend von staatlichen Unternehmen besetzt, selbst in Ländern wie den USA. Mit Ende des zwanzigsten bzw. Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts begann ein Umdenken und es wurde damit begonnen, den Markt stärker zu öffnen, eine Phase der Liberalisierung hatte begonnen. Auch wenn andere Netzsektoren meist vorangingen bei der Marktöffnung, so kam jedoch auch der ÖPNV schnell unter Liberalisierungsdruck. Hierfür wurde es nötig, eine ganz neue Form der Regulierung zu etablieren und um genau diese soll es in dieser Arbeit gehen.

Es gibt drei grundlegende Fragestellungen, denen es sich hierbei zu widmen gilt. Als erstes soll geklärt werden, warum im Bereich des ÖPNV reguliert wird, d.h. ökonomische und gesellschaftliche Gründe für einen staatlichen Eingriff werden dargelegt. Im nächsten Abschnitt soll näher beschrieben werden, wie genau der Staat reguliert. In welchem Rechtsrahmen bewegt er sich und wie genau greift er planerisch und organisatorisch in den ÖPNV ein, sind hierbei die wichtigsten Aspekte. Ebenso erfolgt in diesem Abschnitt der Blick über den deutschen Tellerrand hinaus ins EU Ausland, um die eigenen Praktiken mit den europäischen abzugleichen. Schlussendlich ergibt sich dann zwangsläufig die Frage: wie sollte der Staat regulieren. Dieser durchaus nicht ganz trivialen Frage widmet sich der letzte Abschnitt dieser Arbeit, um dann aus einer ganzheitlichen Sicht heraus die Ergebnisse zusammenfassen zu können.

Inwieweit es gelingt, mehr Wettbewerb im Sektor des ÖPNV zu schaffen, aber auch in welchem Maße der öffentliche Personennahverkehr dadurch im intermodalen Wettbewerb zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern gestärkt wird, sind Fragestellungen, die ebenfalls während dieser Arbeit immer wieder mit anklingen und in gewissem Umfang am Ende beantwortet werden können.

2 Warum wird reguliert?

In jeder marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaft bedarf es guter Gründe für Eingriffe des Staates in das Wirtschaftsgeschehen. Im Folgenden werden die verschiedenen Beweggründe erläutert, aufgrund dessen die öffentliche Hand eine Regulierung im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs für notwendig erachten könnte. Hierbei wird insbesondere unterschieden zwischen den normativen Zielen einer staatlichen Intervention, sowie besonderen netzökonomischen Gegebenheiten im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs, die einen staatlichen Eingriff im Sinne der Wohlfahrtsmaximierung rechtfertigen könnten. Vorangestellt wird hierfür eine kurze Begriffserklärung sowie ein Überblick über die Organisation des ÖPNV in Deutschland, bevor abschließend der Frage nachgegangen wird, inwieweit sich die Gründe für Regulierung gewandelt haben bzw. sich gerade wandeln.

2.1 Organisation des ÖPNV

Die genaue Definition des Begriffes „öffentlicher Personennahverkehr“ erfolgte erst Ende 1993 durch das Gesetz zur Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs (RegG), welches in §2 sagt:

Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.

Weiterhin werden auch Taxiverkehre und Anrufbusse zum Bereich des ÖPNV gerechnet, jedoch gelten sie als Gelegenheitsverkehre und ergänzen die Linienverkehre im Allgemeinen nur.

Die Abgrenzung des ÖPNV vom Fernverkehr, motorisierten Individualverkehr (Autos) sowie Güterverkehr spielt eine wichtige Rolle, weil jeder Bereich anderen rechtlichen Rahmenbedingungen unterliegt. Hierbei zerfällt der öffentliche Personennahverkehr selbst nochmal in zwei unterschiedliche Regelungsbereiche. Zum einen in den Bereich des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV), also den Verkehr mit S- und Regional-Bahnen, welcher vor allem durch das Allgemeine Eisenbahngesetz (AEG) geregelt wird. Zum anderen in den Bereich des öffentlichen Straßenpersonennahverkehrs (ÖSPV). Dieser umfasst die Dienste Kreis- bzw. stadteigener Verkehrsunternehmen wie z.B. Busse, U-Bahnen oder Straßenbahnen. Diese unterliegen den Rechtsgrundlagen des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG).

Mit dem oben erwähnten Regionalisierungsgesetz (RegG), welches 1996 in Kraft getreten ist, hat der Bund die Planungskompetenzen insbesondere im Bereich des SPNV an die Länder abgegeben. Diese sorgen für Planung und Organisation von Verkehrslinien und Verkehrsumfang und erhalten hierfür vom Bund einen Anteil aus dem Mineralölsteueraufkommen (2008 ca. 6,7 Mrd. €), welcher jährlich um 1,5% erhöht wird (§5 RegG). Diese sogenannten Regionalisierungsmittel sollen insbesondere den Schienenpersonennahverkehr finanzieren. Der ÖSPV hingegen wird hauptsächlich von den Kommunen organisiert, geplant und finanziert. Die Finanzierungsinstrumente reichen von Investitionsbeihilfen über Ausgleichszahlungen bis hin zur Defizit-Übernahme in kommunalen Querverbünden (IFMO 2006, S.22). Generell gilt der ÖPNV, der nur rund 50% seines Umsatzes über Fahrgeldeinnahmen generiert, als chronisch defizitär (Weiß 2003, S.1). Auf die restliche, komplizierte Form der staatlichen Finanzierung soll hier noch nicht weiter eingegangen werden. Vielmehr sollen die Gründe für ein staatliches Handeln in diesem Sektor aufgezeigt werden.

2.2 Daseinsvorsorge des ÖPNV

Der Begriff Daseinsvorsorge umfasst im Allgemeinen Gemeinwohl sichernde Aufgaben des Staates, häufig auch als Grundversorgung bezeichnet. Zum Beispiel Energieversorgung, Verkehrswesen, Bildungseinrichtungen, Krankenversorgung usw. In §1 Abs. 1 RegG wird auch die „ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr“ als Aufgabe der Daseinsvorsorge definiert. Aufgaben der Daseinsvorsorge spielen eine wichtige Rolle für die Funktionsfähigkeit einer Volkswirtschaft, sodass ein Staat häufig selbst einen Teil dieser Aufgaben bereitstellen muss. Die Produktion der betreffenden Dienstleistungen und Güter fällt allein auf Basis von Marktmechanismen in der Regel geringer aus, als es sozial wünschenswert wäre (IFMO 2006, S.3). Des Weiteren besteht insbesondere in Netzsektoren ein hohes Risiko für Marktversagen (näheres dazu in 2.3).

Bei der konkreten Bedeutung des ÖPNV ist insbesondere hervorzuheben die Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse bei einer gleichzeitigen Entlastung des motorisierten Individualverkehrs (MIV). Ein gut ausgelasteter Bus beispielsweise entlastet den Verkehr durch eine Senkung der Verkehrsdichte um mehrere Autos, von dem Flächenbedarf für den ruhenden Verkehr (Parken) mal ganz abgesehen. Das Stichwort Auslastung führt nun direkt zum nächsten wichtigen Punkt und zwar der umweltentlastenden Funktion des öffentlichen Personennahverkehrs. Ein PKW ist durchschnittlich mit 1,3 Personen besetzt, die durchschnittliche Auslastung im ÖPNV beträgt hingegen ca. 20% (IFMO 2006, S.32). Auf Grundlage dieser Werte ist der ÖPNV eindeutig umweltfreundlicher, wobei Kritiker jedoch gleich anmerken, dass dieser Vorteil bei einer differenzierteren Betrachtung, z.B. zur Nebenverkehrszeit möglicherweise schnell dahin sein kann. Eine Subventionierung des Nahverkehrs allein zur Internalisierung der negativen Umweltexternalitäten wird auch mit der These infrage gestellt, wobei eine Kostenanlastung beim Verursacher womöglich besser sei, als eine Förderung des relativ Besseren (IFMO 2006, S.32).

Unstrittig hingegen ist, dass der ÖPNV ein wichtiger Bestandteil der Wirtschafts- und Stadtentwicklungspolitik ist. Lokale Wirtschaft und Immobilienentwickler profitieren gerade im urbanen Raum von einem gut ausgestalteten ÖPNV (Krummheuer 2014, S.53). Eines der wichtigsten Argumente für den öffentlichen Personennahverkehr ist jedoch vor allem seine sozialpolitische Bedeutung. Er eröffnet auch Menschen ohne Auto sowie der ländlichen Bevölkerung Chancen sozialer Teilhabe durch Bereitstellung möglichst flächendeckender Verkehrsangebote, aber auch durch die Setzung preislicher Obergrenzen. Gerade wenn man für die Zukunft eine Zunahme dieser Gruppen, die sich eventuell kein Auto leisten können, erwartet, rechtfertigt dies unter dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit ein staatliches Eingreifen im ÖPNV.

Zusammenfassend gesagt hat der Staat aufgrund seiner Daseinsvorsorgepflichten und den positiven wirtschaftlichen, sozialen und umweltentlastenden Effekten eines gut organisierten ÖPNV einige gute Gründe, regulierend in den Markt einzugreifen, um eine ausreichende Bedienung mit Verkehrsdienstleistungen sicherzustellen. Der ÖPNV ist in diesem Sinne kein Selbstzweck, sondern dient der Erfüllung übergeordneter Ziele.

2.3 Netzökomische Analyse des ÖPNV

In Abgrenzung zum vorherigen Kapitel, wo die staatlichen Eingriffe vor allem zur Erreichung normativer Ziele dienten, widmet sich dieser Abschnitt vor allem den netzökonomischen Problemen im ÖPNV, die einer Regulierung bedürfen. Das heißt, es geht um Marktmacht, natürliche Monopole, bestreitbare Märkte und sogenannte monopolistische Bottlenecks. Laut Weiß (2006, S.2) sind monopolistische Bottlenecks die wichtigste Quelle von Marktmacht in Netzsektoren. Um das dahinterstehende Konzept zu erläutern, hilft folgende Abbildung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Monopolistische Bottlenecks (Knieps 2005, Tab. 2.1, S. 36)

Als Normalfall wird der aktive Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern angenommen. Sollten wir es nicht mit natürlichen Monopolen zu tun haben, kann man davon ausgehen, dass in der Regel ein aktiver Wettbewerb am Markt stattfindet und sich eine wohlfahrtsmaximale Menge einstellt. Wenn nun allerdings ein natürliches Monopol vorliegt, also der Fall, dass es gesamtwirtschaftlich am kostengünstigsten ist, einen Monopolisten als Anbieter zu haben, so spielt der potentielle Wettbewerb eine wichtige Rolle. Diese Art des Wettbewerbs gibt es im Prinzip bereits auch auf einem Markt mit aktivem Wettbewerb. Neben den Akteuren am Markt gibt es häufig Akteure außerhalb des Marktes, die auf ihre Chance warten, in den Markt einzutreten. Beim natürlichen Monopol wird dies besonders bedeutend, denn da sich der natürliche Monopolist am Markt keinen Wettbewerbern ausgesetzt sieht, ist der potenzielle Wettbewerber außerhalb des Marktes der einzige wettbewerbliche Druck, der den Monopolisten zwingt, trotzdem kosteneffizient zu arbeiten und nachfrageorientiert anzubieten. Damit auf so einem angreifbaren bzw. bestreitbaren Markt tatsächlich allokative Ineffizienzen vermieden werden, ist es jedoch sehr wichtig, dass der ungehinderte Markteintritt für den potentiellen Wettbewerber möglich ist, aber auch der kostenlose Marktaustritt, also keine irreversiblen Kosten entstehen (Kahl 2005, S.130).

Im Bereich des ÖPNV sind zum Teil hohe Investitionen in erdgebundene Verkehrsnetze erforderlich, namentlich in die Schienennetze im Bereich des SPNV. Ein Monopolist in diesem Sektor hat diese irreversiblen Kosten bereits getätigt. Der potentielle Wettbewerber würde aufgrund der Annahme, dass der Monopolist „nichts zu verlieren hat“, von einem Markteintritt absehen, rationales Handeln unterstellt. Er sieht einen womöglichen Preiskampf mit dem Monopolisten voraus und sieht deshalb seinerseits von einer Tätigung derart hoher Investitionen ab. Wie Weiß (2006, S.4) so schön beschreibt:

Es gibt also nicht nur keinen aktiven Wettbewerb im Markt (weil natürliches Monopol) sondern auch keinen potenziellen Wettbewerb um den Markt (wegen Irreversibilität). Diese Konstellation wird monopolistischer Bottleneck genannt.

Die Marktmacht, die aus diesen monopolistischen Bottlenecks erwächst, ist problematisch, jedoch hängt ihr Ausmaß noch einmal vom intermodalen Wettbewerb ab, d.h. dem Wettbewerb zwischen Schiene und Straße, dem Luftverkehr und Individualverkehr. Insbesondere Weiß (2006, S.4-5) mahnt an, trotz dem in Netzsektoren typischen hohen Anteil an irreversiblen Kosten, das Kriterium des natürlichen Monopols nicht zu vernachlässigen. Heutzutage die Marktmacht vom Schienenpersonenverkehr zu hoch einzuschätzen, ist aufgrund der imperfekten Substitute MIV, Luftverkehr und Busverkehr nicht angemessen (Savage 2006, S.10).

Um den ÖPNV Sektor im Folgenden noch einmal genau auf die Eigenschaften des natürlichen Monopols bzw. auf Vorhandensein irreversibler Kosten zu prüfen, ist es notwendig und entscheidend, eine funktionale Abgrenzung der verschiedenen Ebenen im SPNV sowie ÖSPV vorzunehmen (Weiß 2006, S.10). Verkehrsträgerübergreifend lässt sich der ÖPNV in drei verschiedene Ebenen zerlegen. Eine Netz-Ebene, die die Wegeinfrastrukturen sowie Haltepunkte umfasst. Eine Leitsystem-Ebene zur Überwachung aller Verkehrsbewegungen sowie einer Service-Ebene, auf der die eigentliche Dienstleistung für den Kunden stattfindet, also der Transport der Fahrgäste (Vgl. Weiß 2006, S. 7-8).

Folgende Abbildung illustriert diese Ebenen sehr gut und stellt gleichzeitig die Frage nach natürlichen Monopolen und irreversiblen Kosten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Netzebenen ÖPNV (Weiß 1999, Tab. 2.3, S. 53)

Auf der Ebene der Transportdienstleistungen kann man irreversible Kosten im Prinzip ausschließen. Die Bahnen und Busse, die auf Ebene I eingesetzt werden müssen, sind nicht gebunden an bestimmte Linien oder Streckenführungen. Es wird davon ausgegangen, dass diese Fahrzeuge flexibel auch auf anderen Strecken eingesetzt werden können, somit haben die Investitionen hier keinen irreversiblen Charakter. Die Frage, ob in diesem Bereich natürliche Monopole vorliegen, wird empirisch nicht eindeutig beantwortet. Vermutlich hängt dies vor allem mit der Verkehrsdichte auf einer bestimmten Strecke zusammen. Auf viel frequentierten Verbindungen scheint demnach aktiver Wettbewerb durchaus möglich zu sein, während schwach frequentierte Verbindungen als natürliche Monopole zu charakterisieren sind. Somit sind der Service-Ebene sowohl Bereiche mit als auch Bereiche ohne natürliche Monopole zu konstatieren (Weiß 2006, S.12). Letztendlich wird zumindest der potentielle Wettbewerb auf dieser Ebene Kostenineffizienzen sowie Überschussgewinne verhindern, sofern der diskriminierungsfreie Zugang zur komplementären Infrastruktur gesichert ist.

Dies führt uns zur problematischen Ebene der Wegeinfrastrukturen. Mehrere parallele Schienentrassen von unterschiedlichen Anbietern gelten hier als ineffizient, sodass wir hier mit natürlichen Monopolen rechnen müssen. Ebenfalls sind die Investitionen in die Infrastruktur aufgrund der Erdgebundenheit von irreversiblem Charakter und mit hohen Kosten verbunden. Somit sind die weiter oben erläuterten Kriterien eines monopolistischen Bottlenecks erfüllt und ein aktiver sowie potentieller Wettbewerb auf dieser Ebene kann nicht wirksam werden. Das bedeutet für den Anbieter der Bottleneck-Leistung, dass er in Besitz von Marktmacht ist, dessen Ausmaß wie bereits erwähnt vom intermodalen Wettbewerb abhängt. Was jedoch das Ausmaß der Marktmacht in jedem Fall verstärkt, ist die Möglichkeit des Monopolisten, seine Marktmacht über das Bottleneck hinaus auf die komplementären Netzteile auszuweiten, z.B. auf die Service-Ebene, indem er konkurrierenden Firmen einen Zugang zur notwendigen Netzinfrastruktur verweigert (Weiß 2006, S.5).

Diese, auf die Service Ebene übergreifende Marktmacht im Netzsektor des ÖPNV zwingt den Staat in seiner Rolle als Wettbewerbshüter zu einer Intervention. Natürliche Monopole in Verbindung mit irreversiblen Kosten sind ein generelles Problem im Bereich der Wegeinfrastrukturen des öffentlichen Personennahverkehrs, übrigens auch im Straßenpersonennahverkehr. Auch wenn die Straßen in der Hand der Gebietskörperschaften sind, besteht im Grunde ein Marktmachtpotential auch hier, welches in der Regel nicht ausgeübt wird (Weiß 2006, S.13-14).

Hinzuweisen ist in dieser Diskussion auf jeden Fall noch auf die in der Literatur unterschiedliche Handhabung des Begriffes „natürliches Monopol“. Während manche Autoren in der netzökonomischen Analyse lediglich die Frage nach einem natürlichen Monopol untersuchen und hierbei teilweise irreversible Kosten implizit voraussetzen, wurde in dieser Arbeit die differenzierte Sichtweise inklusive des Konzeptes der monopolistischen Bottlenecks vorgestellt. Auf diese Unterschiede sollte man bei der Lektüre Acht geben.

Letztendlich kommen jedoch alle Autoren zum selben Schluss, nämlich, dass die Marktmacht im ÖPNV vor allem vom Netzsektor ausgeht, während die Service-Ebene im Prinzip wettbewerbsfähig ist (Kahl 2005, S.113). Das der Staat aus netzökonomischer Sicht also eingreifen sollte, ist in der Regel Konsens. Die Meinungen darüber, wie er dies tut und tun sollte, gehen auseinander und werden im Weiteren dargestellt.

2.4 Zwischenfazit

Die grundsätzliche Frage, warum der Staat im Bereich des ÖPNV regulierend eingreift, wurde hier unter verschiedenen Aspekten dargestellt und beantwortet. Ökonomisch hat der Staat die Pflicht, ein Marktversagen zu verhindern bzw. korrigierend einzugreifen. Wie erläutert wurde, besteht im Bereich des Netzes des ÖPNV ein erhebliches Marktmachtpotential sowie die Gefahr des Übergriffs dieser auf komplementäre Bereiche. Um die bestmögliche Allokation sicherzustellen, sollte der Staat also gegen diese Marktmacht vorgehen. Während man früher direkt eine Regulierung des gesamten Sektors als begründet sah, weicht diese Sichtweise mittlerweile einer differenzierten Betrachtung der Netzteile (wie in 2.3 vorgenommen).

Sozioökonomisch ist eine staatliche Regulierung allein schon rechtlich durch gesetzlich verankerte Daseinsvorsorgepflichten des Staates begründet. Regulierung ist in diesem Sinne nicht als beschränkende Maßnahme zu verstehen, sondern vielmehr als Sicherstellung eines ausreichenden Angebots zur Erreichung wirtschafts-, sozial- und umweltpolitischer Ziele. Dies bedeutet häufig auch eine durch staatlichen Eingriff erhöhte Angebotsmenge an Transportdienstleistungen im ÖPNV.

Europarechtlich wird Regulierung vor allem begründet mit der Liberalisierung vormals häufig monopolistisch ausgeprägter Wirtschaftsbereiche, wie z.B. auch der ÖPNV es war/ist. Regulierung heißt hier vor allem Schaffung von reguliertem Wettbewerb und geht einher mit der Deregulierung der Monopolbereiche. Regulierung und Deregulierung stehen somit nicht im Gegensatz, sondern bedingen sich vielmehr. Die Regulierung soll hier dienen als Wiege des Wettbewerbs, welcher nicht nur hilft, Haushaltsmittel durch Vermeidung der im Monopol auftretenden Kostenineffizienzen einzusparen (IFMO 2006, S.16-17), sondern welcher vor allem Innovationen in einem lange Zeit von „Stillstand“ geprägten Wirtschaftsbereich fördern soll.

3 Wie wird reguliert?

Wenn der Staat sich entscheidet, regulierend in einen Markt einzugreifen, dann bedeutet dies im nächsten Schritt, dass er sich genau überlegen sollte, wie er dies tut. Die Vorgehensweise wird hierbei vor allem bestimmt durch die Ziele, die der Staat mit der Regulierung verfolgt. Genau wie diese Ziele kann sich auch die Regulierungspraxis durchaus wandeln im Laufe der Zeit. Der Bereich des ÖPNV war Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts sehr monopolistisch ausgestaltet, d.h. es gab so gut wie keinen Wettbewerb in diesem Sektor. Transportunternehmen wurden in staatliche Trägerschaft übernommen und der Markt stark reguliert, selbst in Ländern mit einer traditionell eher ablehnenden Haltung gegenüber Verstaatlichung wie den USA (Savage 2006, S.15). Die konkrete Regulierung bestand hauptsächlich aus der Schaffung von gesetzlichen Marktzutrittsschranken, um die Monopolstellung des häufig staatlichen Unternehmens zu sichern. Erst im Zuge der Liberalisierungsbemühungen der EU wurde das Ziel verfolgt, diese monopolistischen Wirtschaftsbereiche für den Markt zu öffnen und mehr Wettbewerb zu schaffen. Was allerdings nicht bedeutet, einfach die vormalige Regulierung abzuschaffen, sondern es verlangt gleichzeitig eine Etablierung ganz neuer Formen der Regulierung. Um genau diese Art der Regulierung zur Schaffung von mehr Wettbewerb soll es in diesem Kapitel hauptsächlich gehen. Neben den europarechtlichen Rahmenbedingungen werden hierfür vor allem die Nahverkehrspläne als Planungsinstrument sowie die konkrete Regulierung im SPNV und ÖSPV betrachtet. Abschließend kann auch durch den Vergleich mit anderen Ländern und den dortigen Liberalisierungs- bzw. Regulierungserfahrungen ein Fazit gezogen werden, wie sich die Regulierung im deutschen ÖPNV entwickelt hat und wo wir bei der Schaffung von mehr Wettbewerb stehen.

3.1 Europäischer Rechtsrahmen

Der europäische Rechtsrahmen im Bereich öffentlicher Personennahverkehr hat sich während den letzten Jahren sehr gewandelt, weshalb an den Anfang eine kurze historische Zusammenfassung gestellt wird, um zu erläutern, wie es zu den heute vorherrschenden Regelungen kommt.

Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren die in der Regel staatlichen Betreiber des ÖPNV aus Gründen der Daseinsvorsorge gezwungen, auch unrentable Dienste anzubieten. Ihren tariflichen Gestaltungsmöglichkeiten waren hierbei klare Obergrenzen gesetzt, sodass die Betreiber neben der Schließung unrentabler Strecken nur durch den Erhalt staatlicher Ausgleichszahlungen die Möglichkeit hatten, diese weiter zu bedienen.

[...]

Final del extracto de 37 páginas

Detalles

Título
Der öffentliche Personennahverkehr. Warum wird wie reguliert?
Universidad
University of Hamburg  (Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Curso
Fallstudien Regulierung
Calificación
1,3
Autor
Año
2015
Páginas
37
No. de catálogo
V303567
ISBN (Ebook)
9783668020283
ISBN (Libro)
9783668020290
Tamaño de fichero
746 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
ÖPNV, Öffentlicher Personennahverkehr, Regulierung, Netzökonomie, Wettbewerb, Personennahverkehr, Verkehrsträger, Netzsektoren, Straßenpersonennahverkehr, Schienenpersonennahverkehr, Nahverkehrsplan, Verkehrsverbund, Monopolistische Bottlenecks, Verkehrsdienstleistungen, VWL, Wettbewerbstheorie, Ökonomie, Marktliberalisierung
Citar trabajo
Jan Bielig (Autor), 2015, Der öffentliche Personennahverkehr. Warum wird wie reguliert?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/303567

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