Norddeutsche Ratsverfassung vs. Süddeutsche Ratsverfassung. Ein kritischer Vergleich


Seminararbeit, 2004

20 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Historische Betrachtung der verschiedenen Kommunalverfassungen in Deutschland

3 Kritischer Vergleich am Beispiel Niedersachsens und Baden-Württembergs
3.1 Bürgermeister
3.1.1 Wahl des Bürgermeisters
3.1.2 Aufgaben und Befugnisse des Bürgermeisters
3.2 Gemeinderat
3.2.1 Wahl des Gemeinderates
3.2.2 Aufgaben und Befugnisse des Gemeinderates
3.2.3 Ausschüsse des Gemeinderates
3.2.4 Verwaltungsausschuss in Niedersachsen
3.3 Gemeindedirektor
3.3.1 Wahl des Gemeindedirektors
3.3.2 Aufgaben und Befugnisse des Gemeindedirektors

4 Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Jede Gemeinde besitzt nach Art. 28 II Grundgesetz (GG) ihre eigene Gestaltungsmöglichkeit über ihre jeweilige Kommunalverfassung. Diese fast uneingeschränkte Organisationskompetenz steht ihnen jedoch nur begrenzt zur Verfügung, da die Gemeindeordnungen von jedem Bundesland geregelt werden. Dennoch entwickelte sich daraus, aufgrund der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik, bis Mitte der 1990er Jahre eine Vielfalt an Kommunalverfassungen heraus. Da diese unterschiedlichen Systeme eine Reihe von Gemeinsamkeiten aufweisen, können verschiedene Kommunalverfassungen zu ganzen Kommunalverfassungssystemen zusammengefasst werden.

Diese Arbeit soll die beiden ehemals weit verbreitetsten kommunalen Verfassungssysteme Deutschlands vergleichen. Zum einen die norddeutsche Ratsverfassung am Beispiel Niedersachsens vor der Reform im Jahre 1996 und zum anderen die süddeutsche Ratsverfassung am Beispiel Baden-Württembergs.

Zunächst wird in einem kurzen historischen Abriss dargestellt, wie es in Deutschland zu dieser Mannigfaltigkeit an kommunalen Verfassungssystemen kommen konnte.

Anschließend werden die wichtigsten Gemeindeorgane, d.h. der Bürgermeister, der Gemeinderat und speziell für Niedersachsen der Gemeindedirektor anhand ihrer Wahl und der ihnen übertragenden Aufgaben zuzüglich ihrer Rechten und Pflichten dargestellt. Dabei sollen sowohl die wichtigsten Ungleichheiten, wie auch einige Gemeinsamkeiten zwischen beiden Kommunalverfassungen vorgestellt werden.

Abschließend werden beide Systeme einem kritischen Vergleich unterworfen. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf die Effizienz der jeweiligen Gemeindeordnungen gelegt.

Ziel dieser Arbeit ist es, darzulegen, ob eine der beiden Ratsverfassungen im Vergleich zur anderen mehr Vorteile für den einzelnen Bürger und für die Gemeinde als Ganzes besitz und somit eine Effektive Kommunalverfassung darstellt.

2 Historische Betrachtung der verschiedenen Kommunalverfassungen in Deutschland

Der Grundstein zur kommunalen Selbstverwaltung wurde im Jahre 1808 durch den Reformer Freiherr vom Stein mit der preußische Städteordnung gelegt. Im Laufe der nächsten 120 Jahre bildeten sich verschiedenartigen Kommunalverfassungen heraus. Ein Versuch der Vereinheitlichung scheiterte jedoch an den politischen Interessensgegensätzen der einzelnen Staaten im Deutschen Reich.[1]

„Schließlich wurde die Vereinheitlichung im NS-Staat durch die Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 erzwungen, nunmehr aber unter nationalsozialistischen Rahmenbedingungen.“[2]

Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges bildeten sich unterschiedliche Kommunalverfassungssysteme heraus. Diese ungleiche Entwicklung in der Bundesrepublik ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die Bundesländer an ihre jeweiligen Verfassungstraditionen vor der NS-Zeit anknüpften, und andererseits war es Absicht der westlichen Besatzungsmächte ein einheitliches Kommunalverfassungssystem zu verhindern, um den Einfluss einer zukünftigen Zentralgewalt so gering wie möglich zu halten.[3]

Die Entwicklung in der ehemaligen DDR basiert dahingegen hauptsächlich auf den Zentralismusgedanken der sowjetischen Besatzungsmacht. Dies hatte zur Folge, dass es in der gesamten DDR, bis zur Deutschen Einheit, ein einheitliches Kommunalverfassungssystem gab.[4]

Für Westdeutschland konnte man die Kommunalverfassungen grob in zwei Systemgruppen erfassen. Zum einen wurde in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen das monoistisch-britische System, welches meist auch als norddeutsche Ratsverfassung bezeichnet wird, angewandt. In den anderen Ländern Westdeutschlands setzte sich das dualistische System durch. Dieses System unterteilte sich nochmals in die Magistratsverfassung, Bürgermeisterverfassung und in die Rat-Bürgermeister-Verfassung der Länder Bayern und Baden-Württemberg. Diese Rat-Bürgermeister-Verfassung wird meist auch als süddeutsche Ratsverfassung bezeichnet.[5]

3 Kritischer Vergleich am Beispiel Niedersachsens und Baden-Württembergs

Gemäß Art. 70 GG besitzen ausschließlich die Bundesländer Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gewährt den Gemeinden gemäß Art. 28 II die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung. Weiterhin ist in Art. 28 I S. 2 und 3 GG die demokratische Wahl der Gemeindevertreter festgelegt.[6]

In Baden-Württemberg wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das vor der DGO bestehende Kommunalverfassungssystem wieder angewandt und die „... Verabschiedung einer Gemeindeordnung für das ganze Land ...“[7] fand 1955 statt. Das Charakteristikum dieser süddeutschen Ratsverfassung ist die starke Position des direkt vom Volk gewählten Bürgermeisters.[8]

In Niedersachsen wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine von der britischen Besatzungsmacht beeinflusste Kommunalverfassung erlassen. Diese Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO) legte die gesamte Verwaltung der Gemeinde in die Hand des vom Volk gewählten Rates. Sie trat am 01.04.1955 in Kraft und besaß als herausragendes Merkmal eine zweigleisige Struktur mit einem Bürgermeister als Vorsitzender des Rates, aus dessen Mitte gewählt, und einem Gemeinde/Stadtdirektor der die Verwaltung leitete. Als Besonderheit ist in Niedersachsen noch der Verwaltungsausschuss zu nennen.[9] Im Folge der Reformbewegung der 1990er Jahre trat am 01.11.1996 die neue NGO in Kraft die sich in großen Teilen am System der süddeutschen Ratsverfassung orientiert. Die vergleichende Betrachtung beider Systeme bezieht sich jedoch noch auf die NGO vor der Reform 1996.

3.1 Bürgermeister

Der Bürgermeister ist sowohl in der Gemeindeordnung (GemO) Niedersachsens als auch in der GemO Baden-Württembergs (GemO Ba-Wü) der Vorsitzende des Rates. Weiterhin vertritt er die Gemeinde nach außen und er ist prinzipiell für die ordnungsgemäße Erfüllung der Verwaltungsaufgaben seiner Gemeinde verantwortlich. Ebenso ist ihm die Möglichkeit überlassen, in sehr dringenden Angelegenheiten, alleine, ohne Einbeziehung des Gemeinderates, Entscheidungen für die Kommune zu treffen.[10] Er führt in den kreisfreien und großen selbständigen Städten die Bezeichnung Oberbürgermeister.[11] In Baden-Württemberg ist dieser Titel für Bürgermeister vorgesehen, die einen Stadtkreis oder eine große Kreisstadt leiten.[12] Die Aufgaben und die verschiedenartige Machtfülle der Bürgermeister in den beiden Verfassungssystemen wird in den beiden folgenden Punkten dargestellt.

3.1.1 Wahl des Bürgermeisters

In der süddeutschen Ratsverfassung können nur Bürger zum Bürgermeisters gewählt werden, wenn sie Deutscher im Sinne des Art. 116 GG sind und das 25., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben.[13] Der Bürgermeister wird durch eine direkte Volkswahl für acht Jahre gewählt.[14] Durch diese Volkslegitimation resultiert seine, im Vergleich zum Bürgermeister der norddeutschen Ratsverfassung, sehr starke politische Stellung innerhalb der Gemeinde.

Da nach dem Prinzip der Mehrheitswahl gewählt wird, wird derjenige Bewerber Bürgermeister, der die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erhält. Erlangt kein Bewerber im ersten Wahldurchgang diese absolute Mehrheit, dann findet eine Neuwahl statt, bei der jedoch nun die einfache Mehrheit der gültigen Stimmen ausreicht.[15]

In dem §128 GemO Ba-Wü ist festgelegt, dass der Bürgermeister aufgrund des Nichterfüllens der Anforderungen, die an sein Amt gestellt sind, von seinem Posten abgesetzt werden kann. Dies liegt vor, wenn aufgrund seines Handels erhebliche Missstände innerhalb der Verwaltung vorliegen.[16]

Der Bürgermeister in der norddeutschen Ratsverfassung wird vom Rat der Gemeinde, aus dem Kreise der Ratsmitglieder, für die Dauer der fünfjährigen Wahlperiode gewählt und ist damit auch gleichzeitig Ratsvorsitzender.[17] Die Fraktionen oder Gruppen die mindestens einen Sitz im Verwaltungsausschuss haben, sind für die Wahl zum Bürgermeister vorschlagsberechtigt.[18] Auch in Niedersachsen ist die vorzeitige Abwahl des Bürgermeisters möglich. Hierzu ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Ratsmitglieder erforderlich.[19]

[...]


[1] Vgl. Roth, R., Wollmann, H. (Hrsg.), Kommunalpolitik, 1994, S. 2 ff.

[2] Roth, R., Wollmann, H. (Hrsg.), a.a.O., S. 9.

[3] Vgl. ebd. S. 82.

[4] Vgl, ebd. S. 9.

[5] Vgl. Roth, R., Wollmann, H. (Hrsg.), a.a.O., S. 82-85.

[6] Vgl. Schwirzke, W., Allgemeines Niedersächsisches Kommunalwahlrecht, 1994, S. 3.

[7] Wehling, H.-G., Kommunalpolitik in Baden-Württemberg, 2000, S. 37.

[8] Vgl. Grashoff, P., Die Kommunalverfassung des Landes Brandenburg im Rechtsvergleich mit der sog. Süddeutschen Ratsverfassung, 1999, S. 135.

[9] Vgl. Pagenkopf, H., Kommunalrecht, 1975, S. 239.

[10] Vgl. Bellers, J., u.a., (Hrsg.), Einführung in die Kommunalpolitik, 2000, S. 85.

[11] Vgl. §31 I NGO.

[12] Vgl. §42 IV GemO Ba-Wü.

[13] Vgl. §46 I GemO Ba-Wü.

[14] Vgl. §42 III GemO Ba-Wü.

[15] Vgl. Pfizer, T., Wehling, H.-G. (Hrsg.), Kommunalpolitik in Baden-Württemberg, 2000, S. 63.

[16] Vgl. Grashoff, P., a.a.O., S. 135.

[17] Vgl. §43 I NGO.

[18] Vgl. §43 I S. 2 NGO.

[19] Vgl. §43 III NGO.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Norddeutsche Ratsverfassung vs. Süddeutsche Ratsverfassung. Ein kritischer Vergleich
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
Personal und Führung in der öffentlichen Verwaltung
Note
2,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V30394
ISBN (eBook)
9783638316613
ISBN (Buch)
9783656567943
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Norddeutsche, Ratsverfassung, Süddeutsche, Ratsverfassung, Vergleich, Personal, Führung, Verwaltung
Arbeit zitieren
Thomas Hayer (Autor:in), 2004, Norddeutsche Ratsverfassung vs. Süddeutsche Ratsverfassung. Ein kritischer Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30394

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