Das Lachen. Struktur und Kontext von Lachprodukten


Doktorarbeit / Dissertation, 2001

231 Seiten, Note: Mit Auszeichnung


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Formale Aspekte
1.1 Die Wahl: Warum Lachen?
1.2 Die Fragestellung
1.3 Der Themenkomplex
1.4 Definition: Dramapädagogik
1.5 Definition: Theater und Drama
1.6 Definition: Theater im Unterricht – Drama als Unterricht
1.7 Die Hypothese
1.8 Die Theoriediskussion
1.9 Definition der theoretischen Begriffe
1.10 Das Modell
1.11 Die Bedeutung

2 Lachen als Phänomen
2.1 Allgemeine Betrachtungen
2.2 Lachen, Lust und Spiel
2.3 Gegenstandsbestimmung
2.4 Diskussion der Methode
2.5 Übersicht über den methodischen Aufbau
2.6 Ziel und Zweck der Abhandlung

3 Lachen als Produkt
3.1 Theorien des Komischen
3.2 Strukturelle Modelle des Komischen
3.3 Verbale Strukturen des Komischen
3.4 Das Spannungsgefälle der Lache
3.5 Nichtverbale Strukturen des Komischen
3.6 Komik im semiotischen System der theatralischen Repräsentation

4 Strukturelle Modelle des Lachtheaters
4.1 Begriffsbestimmung des Lachtheaters
4.2 Ziel und Zweck des Lachtheaters
4.3 Das Modell: „Der Raub der Sabinerinnen“ von Franz und Paul von Schönthan
4.4 Dramaturgie des Schwanks
4.5 Dramaturgie des Schwanks als Ballistik
4.6 Die Wirkungsmechanismen der dramaturgischen Ballistik
4.7 Witztechnik als Dramaturgie
4.8 Schwank oder Satire?

5 Lachen als Waffe
5.1 Ziel und Zweck der Satire
5.2 Satire als Modell
5.3 Satire als ritualisierte Aggression
5.4 Der Rezipient als Richter und Sachverständiger
5.5 Die Mission
5.6 Freiheit und Verantwortung

6 Komik im pragmatischen Kontext
6.1 Theater als rituelle Begehung
6.2 Die Potentialdifferenz der kontextuellen Situation
6.3 Der Zuschauer
6.4 Theater und Publikum
6.5 Theater im Unterricht
6.6 Drama als Unterricht
6.7 Theater und Drama in der kontextuellen Situation des Unterrichts

7 Transformationsprozesse
7.1 Der Transformationsprozess vom Schwank zur Satire
7.2 Der Transformationsprozess vom Schwank zur Idylle
7.3 Der Transformationsprozess von der Idylle zur Nicht-Idylle
7.4 Der Transformationsprozess von der Nicht-Idylle zum Schwank
7.5 Der Transformationsprozess von der Satire zum Schwank diskutiert an George Bernhard Shaws „Helden“
7.6 Ironische Tendenzen der Satire
7.7 Karikatur und Parodie
7.8 Mobilität, Unstabilität und Disharmonie
7.9 Das symmetrisch geschlossene System
7.10 Die Schwankdramaturgie in „Helden“

8 Transformationsprozesse von Karikatur, Parodie, Phantastik und Groteske .
8.1 Begriffsbestimmung: Das Zeichen und das Bezeichnete im ästhetisch fiktiven Kontext
8.2 Die syntaktische, semantische und pragmatische Verwen- dung von Karikatur, Parodie, Phantastik und Groteske
8.3 Sprachliche Logik
8.4 Vom ontologischen Eigenwert der Strukturen
8.5 Ikonizität und Symbol
8.6 Transformationsprozesse von sprachlichen, strukturellen und symbolischen Wirklichkeiten
8.7 Transformationsprozesse im Werke von Jansson
8.8 Die bildlich-metaphorische Gestaltung der Werke von Jansson
8.9 Die strukturelle Gestaltung der Werke von Jansson
8.10 Ironie im Werke von Jansson
8.11 Die Ironisierung der Personen
8.12 Die Ironisierung der Handlung
8.13 Die Ironisierung literarischer und dramatischer Gattungen

9 Lachen am Abgrund des Lebens
9.1 Das Absurde – eine Begriffsbestimmung
9.2 „Farlig midtsommer“ als Absurdes Theater
9.3 Die Herkunft des Absurden
9.4 Lachen und Komik im Theater des Absurden
9.5 Das Absurde in der Kunst des Kindes

10 Lachen am Anfang des Lebens
10.1 Kinderliteratur in Deutschland
10.2 Witz und Humor in der Welt des Kindes
10.3 Das Lachen des Bösen in der Kunst
10.4 Lachen und Spiel in der theoretischen Diskussion
10.5 Zusammenfassung

11 Lachen als Methode
11.1 Lachen im Dramaunterricht
11.2 Drama als Arbeit mit Hochspannung
11.3 Lachen als Methode, Spannungsverläufe zu konstruieren, zu strukturieren und zu kontrollieren
11.4 Das Lachen der Ohnmacht – das Lachen der Erkenntnis
11.5 Das Sein der Dinge
11.6 Visuelle Wirklichkeit
11.7 Visuelle Intelligenz
11.8 Lachen außerhalb von Zeit und Kontrolle

12 Rückblick und Ausblick .
12.1 Lachen als kognitiver Bewusstseinsprozess
12.2 Das Paradox des Lachens
12.3 Die Strukturen ästhetisch fiktiver Welten
12.4 Der Lernprozess als interaktiver Handlungsprozess
12.5 Zusammenfassung

Summary

Literaturverzeichnis

Programmhefte

Zeitungen und Zeitschriften

Video

Anhang I
Die Verteilung der ballistischen Effekte im „Raub der Sabinerinnen“

Anhang II
Der dramaturgische Schaltplan vom „Raub der Sabinerinnen“

1 FORMALE ASPEKTE

Das erste Kapitel behandelt die formalen Aspekte der Abhandlung. Hierzu gehören die Grundfragen: Was bezwecke ich mit dieser Untersuchung? Wie versuche ich die zugrunde liegende Fragestellung zu ermitteln? Welches Material steht mir zur Verfügung? Welche Methode kann ich verwenden? Aber auch die Art und Weise des logischen Schließens, der „ wissenschaftlichen Beweismethode“ (Menne, 1992, 11) und die Definition wird diskutiert.

1.1 Die Wahl: Warum Lachen?

Lachen fasziniert mich. Es ist immer ambivalent: Es verbindet und schließt aus. Es schafft Stimmung und verstimmt. Absurditäten, merkwürdige Verdingungen und Assoziationen werden im Bruchteil einer Sekunde erkannt und wieder vergessen. Lachen ist Spannung und löst Spannung auf. Lachen ist nur menschlichen Wesen zu Eigen und entmenschlicht oft bis zur Entstellung. Lachen ist positiv und negativ zugleich. Die Ambivalenz der Lache weckte meine Neugierde. Hieran knüpfte sich die Frage, wie Lachen als positives Erkenntnismittel als Hilfsmittel im Theater und im Erziehungsbereich effektiv genutzt werden kann.

1.2 Die Fragestellung

Die Fragestellung nimmt Bezug auf die Ambivalenz der Lache. Diese Ambivalenz ist existentiell im Menschen verankert und bedingt, nachgewiesen werden kann sie aber nur in den Produkten, die Lachen provozieren und auslösen. Von hierher gesehen heftet sich die Fragestellung an zwei Ausgangspositionen: (1) Die Ursachen des Lachens sollen anhand der Produkte diskutiert werden, die Lachen auslösen. Die erste Fragestellung dieser Abhandlung heftet sich also daran, wie die Bedingungen, die Lachen auslösen, konkret in den Strukturen der Produkte nachgewiesen werden können. Die andere Fragestellung heftet sich an das Phänomen des Lachens selbst, das aber nur in Analogie und vermittels der Wirkung der Produkte ermittelt werden kann.

Produkte sind strukturierte Objekte „mit bestimmten Existenz- und Identitätsbedingungen“ (Blau, Bd. IV, 1997, 356), die in ihrer Beschaffenheit analysiert und hinterfragt werden können. Die formale Struktur unterwirft die Produkte der Komik den Gesetzen der wissenschaftlichen Logik. Demgegenüber vollzieht sich die Logik ihrer Zweckbestimmung außerhalb von messbaren Größen wie Raum und Zeit, und etabliert sich in jeder Rezeptionssituation nur in Korrelation zum Gesamtkomplex aller individuellen Bedingungen des Rezipienten wie zum Beispiel physische, psychische, historische, kulturelle, politische, soziale und intellektuelle Faktoren. Das auslösende Moment, Anlass und Intention muss aber in den Produkten nachweisbar sein. Das ist das erste Paradox des Lachens.

Ein weiteres Paradox liegt in dem Phänomen des Lachens selbst. Denn Lachen entsteht in einem Spannungsfeld. Spannung entsteht im Aufbrechen von Strukturen und in der Verbindung von dem, was nicht zusammenpasst. Das heißt aber, die Produkte müssen in ihrer logisch-mathematischen Struktur die Bedingungen enthalten, Strukturen aufbrechen zu können und sich hiermit selber in Frage zu stellen. Das ist ein Paradox, und auch das müsste in den Produkten des Komischen nachweisbar sein.

Hierzu kommt ferner: Wenn Komik logisch-mathematisch strukturiert ist, ist Komik abhängig vom Intellekt des Menschen. (Vgl. Feibelmann, 1975, 88) Wenn aber diese logisch-mathematischen Strukturen nur dazu dienen, eben diese logisch-mathematischen Strukturen zu zerstören und logische Intelligenz im Augenblick der Lache außer Funktion zu setzen, erhalte ich hiermit ein existentielles Paradox menschlichen Bewusstseins. Diskutiert werden muss darum auch, wie Strukturen überhaupt etabliert werden können mit dem Zweck, Strukturen zu zerstören, um hieraus Lust gewinnen zu können. In letzter Konsequenz weist diese Frage auf das Etablieren von Strukturen allgemein zurück.

Das bedeutet aber, dass eine weitere Fragestellung sich darauf bezieht, wie Bewusstsein von Welt entsteht. Diese Frage ist wiederum damit verbunden, wie ich Umwelt perzipiere und rezipiere. Die Perzeption meint dabei den sinnlichen Bezug auf die Außenwelt und die Rezeption den Bezug auf die strukturelle Etablierung dieser sinnlich empfangenen Eindrücke als Innenwelt. Damit habe ich es mit einer strukturellen Objektbeziehung zu tun, die prozessual verankert ist: Erstens gibt es unabhängig vom Menschen in der Außenwelt existierende Objekte. Diese werden als Begriffsbilder im Menschen etabliert. Diese Begriffsbilder haben immer einen Rückbezug zur Außenwelt, wobei sie gleichzeitig Außenwelt meinen.

1.3 Der Themenkomplex

Die Fragestellung heftet sich von hierher an einen Themenkomplex, wobei die einzelnen Themen unterschiedlichen Bedingungen unterliegen. Ich muss darum mit unterschiedlichen Methoden arbeiten. Denn einerseits diskutiere ich die Produkte des Komischen auf dem Theater und in der dramapädagogischen Arbeit. Andererseits versuche ich, den Effekt dieser Produkte zu ermitteln. Einerseits habe ich es mit konkreten Objekten zu tun, andererseits mit den Resultaten von Emotionen und intellektuellen Prozessen, die nur in Analogie erschlossen werden können.

Als Lachprodukte werden erfasst: (1) Das bürgerliche Lachtheater, (2) die Satire, und (3) Produkte des Phantastischen und Absurden. Das sind konkrete Objekte. Lachen in der pädagogischen Arbeit ist demgegenüber etwas anderes, auch im Theater im Unterricht und im Drama als Unterricht. Der Forschungsgegenstand ist hier kein Produkt, sondern ein Mittel, eine Methode, ein Ingangsetzer, eine Waffe, ein Instrument und ein prozessualer Vorgang.

Der erste Themenkomplex hat einen doppelten Bezug. Hieran heftet sich als logischer Rückschluss ein weiterer Themenkomplex. Denn das Etablieren von Strukturen führt im Menschen zur paradoxen Situationen als Zusammenfügen von dem, was unvereinbar ist. Das erzeugt ein Spannungsgefälle, das sich in Lachen entlädt. Darum muss auch diskutiert werden, wie Spannungsgefälle Lachen auslösen und wodurch. Diese Diskussion hat einen doppelten Rückbezug auf die konkreten Objekte und auf die Bedingungen im Menschen.

1.4 Definition: Dramapädagogik

Dramapädagogik umfasst den Bereich von Drama als Kunsterziehung allgemein und Drama als Unterrichtsform speziell und die Forschung auf diesen Gebieten. Kunst ist als Begriff relativ, abhängig vom kulturellen historischen Kontext, dem ideologischen Anspruch und dem reflexiven Bewusstsein des Menschen von sich und der Welt. Veränderungen in diesem korrelativen Beziehungsgeflecht haben eine Veränderung des Denkens und Fühlens des Menschen zur Folge, seines Wahrnehmungsvermögens, seines Weltbegreifens und seines Eigenverständnisses. Eine Schule, die für die Zukunft erzieht, die die nächste Generation formt, muss diese sich ändernden Weltbedingungen berücksichtigen. Veränderte Umweltbedingungen und eine veränderte Weltauffassung erfordern ein verändertes pädagogisches Curriculum, eine veränderte pädagogische Praxis und Didaktik. (Vgl. Sternudd, 2000, 179ff.)

In diesem Zusammenhang fand Dramapädagogik Einpass in den Unterricht. Hier liegt aber auch ein großes Potential in der pädagogischen Innovation. Hier liegt ein Schwerpunkt der dramapädagogischer Forschung (vgl. Taylor, 1996; Grady, 1996; O’Neill, 1996, b; Neelands, 1996; Bolton, 1996). Welche Relevanz hat Dramapädagogik zu dem anderen Unterrichtsfächern? Von hierher gesehen ist Drama im Unterricht umfassender als andere Unterrichtsfächer. Drama im Unterricht kann als „relevant pædagogisk redskab.“ (Rubin/Bjørn, 2000, 3) in traditionelle Disziplinen wie sprachliche und mathematisch und naturwissenschaftliche Unterrichtseinheiten integriert werden.

Von seinem pragmatischen Anspruch her ist Drama eine ganzheitliche Lernmethode (vgl. Rassmussen, 1994; Östern, 1994 und 1999; Sternudd, 2000, 180). Von seinem wissenschaftlichen Anspruch her werden übergeordnete Betrachtungen hervorgehoben wie die Forschung von kognitiven Prozessen bei Rasmussen (1994), Szatkowski (Braanaas, 1998) und Östern (1999) und die Diskussion des Lernprozesses selbst (vgl. Östern, 1999). Von seinem Anspruch als ästhetische Forschung wird der philosophische Forschungsaspekt betont. (Vgl. Best, 1995, 4-25; Braanaas, 1999, 272ff.)

1.5 Dramapädagogik im historischen Kontext

Drama als Unterricht kann von verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. Alle Versuche einer ganzheitlichen Übersicht bewegen sich zwischen historischer Einteilung und bedeutungsmässiger Zuordnung. Bei Braanaas (1999) steht die historische Einteilung im Vordergrund als Dramapädagogik vor und nach 1970, mit der neueren Entwicklung der Newcastle Schule, Theater im Unterricht und den interdisziplinären Zuordnungen zwischen Drama und Tanz, Drama und Puppenspiel, und Drama und Pädagogik. Psuztai (2000) übernimmt diese historische Zuordnung, jedoch von einem anderen Interpretationswinkel. Danach wird die Zeit von 1930 bis 1972 der „ creative dramatics “ als Stanislawski-Adaptionsphase bezeichnet, und die Zeit von 1972 bis heute als postmoderne Phase mit Boal, Heathcote, Bolton, O’Neill und Östern. Pusztais Analyse konzentriert sich auf die Stanislawski Adaptionsphase, darauf wie Stanislawskis Methode die Arbeit von Spolin, Hodgson und Richards, Way und Lipschütz beeinflusst hat. Sternudd (2000) setzt die didaktische Vermittlung in den Fokus. Sie teilt den historischen Zeitraum in vier Bedeutungsphasen ein: die kunstpädagogische Phase der Persönlichkeitsentwicklung, der kritischen Befreiungsprozesse und des ganzheitlichen Lernens. Die Kunstpädagogik wird in der Nähe des Theaters angesiedelt in der Anwendung von Theatermethoden und Haltung. Sie hat ihre Wurzeln im Amerikanischen „ creative dramatics“ in der Arbeit von Ward, Olenius und Sike. Hauptvertreter der Persönlichkeitsentwicklung sind Slade und Way. Die kritische Befreiungsphase wird interpretiert als Persönlichkeitsentwicklung in politischer, sozialer und therapeutischer Arbeit und als Gruppenprozess. Diese Phase ist durch Boal repräsentiert. Die ganzheitliche Lernperspektive umfasst Gefühle, Phantasie, Metaphern, künstlerische Symbole und Distanzierung von der Arbeit. Als Vertreter dieser Richtung werden genannt: Heathcote, Bolton, Cook und O’Toole.

Von den 80ern und 90ern Jahren an wurde der interdisziplinären Forschung zwischen Drama und Kunst/Ästhetik, Drama und Pädagogik, Drama und dem Lernprozess allgemein eine größere Aufmerksamkeit gewidmet wie unter anderen von Szatkowski, Rasmussen, Östern und Taylor.

1.6 Definition: Theater und Drama

Theater kommt von theasthai „sehen“, im Deutschen „schauen“, der Theaterraum bezeichnet den Zuschauerraum. Das setzt voraus, dass es etwas zu beschauen gibt. Die Rollenverteilung in Schauende und Beschautem ist per Definition vorgegeben. Schauen ist nicht sehen, nicht gucken und auch nicht stieren, Schauen ist registrieren. Es setzt Anwesenheit und Teilnahme als Erfassen des Beschauten voraus. Gucken ist nur Anwesenheit, kein Erfassen. Stieren ist nicht einmal das. Sehen ist auch erkennen. Der Seher ist der Erkennende der Zukunft, der Wahrheit, was auch immer. Zuschauen verlangt dabei sein, aber nicht notwendigerweise erkennen. Zuschauen verlangt erleben, auch emotionales Erleben. Es verlangt keine intellektuelle Distanz. Schauen ist sinnliches Erfassen, Perzeption. Das beinhaltet emotionale Reaktion. Beschaut wird aber nur das, was ästhetische und emotionale Aufmerksamkeit auf sich lenkt und festhält. Beschaut wird, was wert ist, beschaut zu werden.

Verbindende Elemente zwischen dem Zuschauer als Schauendem und dem Handelnden als Beschautem sind Ritus und Magie. Theater ist und war immer Magie. Das gilt für die frühesten Ursprünge im religiösen Ritual bis zum Theater als Kunst. Erst war der Priester der Eingeweihte. Er war der Stellvertreter höherer Mächte als Naturkraft oder Personifikation des Göttlichen. Ihm stand die profane Gemeinde gegenüber. Das waren die Nichteingeweihten, die mit Magie, Musik, Tanz und Weihrauch in den Bann geschlagen wurden. Dann war es das Theater als Kunst. Der Schauspieler war hier der Stellvertreter der höheren Mächte der Kreativität. Er fesselte die profane Theatergemeinde in der Faszination. Ritus bezeichnet ursprünglich einen Einweihungsprozess in eine Gemeinschaft. Es bezeichnet einen Übergang als Transformation von der Kindheit zum Erwachsenwerden, vom Unwissenden zum Wissenden, vom Nichteingeweihten zum Eingeweihten und vom Leben zum Tod. Drama und Theater als Ritual sind Transformationsprozesse in eine andere Welt. Der Ritus ist aber in Drama und Theater anders definiert.

Drama ist Handlung. Das beinhaltet als Grundvoraussetzung zumindest eine Person, die handelt. Handlung selbst vollzieht sich in Zeit und Raum. Sie hat einen Anfang und ein Ende. Handlung handelt von etwas, sie hat einen Inhalt. Dem Begriff Handlung ist damit Figur, Raum, Zeit und Inhalt als Handlung von etwas immanent. Ein Zuschauer ist in dieser Definition nicht inkludiert.

1.7 Definition: Theater im Unterricht – Drama als Unterricht

Theater beinhaltet als Ritual den Vertrag einer Rollenzuteilung zwischen Zuschauenden und Agierenden. Drama ist Handlung und beinhaltet als Ritual einen Vertrag der Akzeptanz des Rollenwechsels vom jeweils Zuschauenden und Agierenden innerhalb des Handlungskontextes. Theater und Drama behalten auch im Erziehungsbereich diese Grundbedeutung bei. Theater und Drama im Unterricht sind zu dieser Grundbedeutung auch noch etwas anderes, sind zweckbestimmt als Mittel und Instrument für den Erziehungsbereich. Erziehung beinhaltet sprachlich das Wort „ziehen“ als einen Prozess. Aber auch die Einseitigkeit der Aktion, etwas oder jemand wird gezogen. Für den Gezogenen wird dies zum passiven Geschehenlassen. (Vgl. O’Farrell, 1996, 125) Erziehung als fremdbestimmte Absicht zur Transformation kann im Drama als Handlung zur gelebten Transformation werden.

Theater im Unterricht bezieht sich auf den Zuschauenden, der durch das Geschaute zu etwas erzogen werden soll. Schauen als Prozess geht hier über in Sehen. Theater im Unterricht meint die Transformation des Zuschauenden vom magischen Einlullen in die intellektuelle Reflexion. Es ist die Transformation von der weihrauchsprengenden Hypnose zur ästhetischen, emotionalen und intellektuellen Provokation.Theater im Unterricht ist die Transformation vom Tranquilizer zum intellektuellen Aufputschmittel. Die Intention ist anders. Damit ist auch das Ritual verändert. Zwar beinhaltet das Ritual immer noch die Bereitschaft des Zuschauers, den Handelnden in der Rolle zu akzeptieren, die Definition dieser Bereitschaft ist aber anders, sie geht vom passiven Geschehenlassen zur aktiven intellektuellen Arbeit und zum Mitspielen.

Drama im Unterricht beinhaltet per Definition Handlung im Unterricht. Gemeint ist Handlung als Transformation von Figur, Zeit, Raum und Inhalt. Drama im Unterricht beinhaltet den Prozess, wobei jede der Grundvoraussetzungen immer wieder aufs Neue zum Ziel und Zweck der pädagogischen Intentionen neu definiert werden müssen. Bei Drama im Unterricht wird Drama zum Attribut, Drama ist das, was dem Unterricht zugefügt wird, eine Methode unter anderem. Bei Drama als Unterricht ist Drama das Hauptwort. Das bezeichnet die Transformation des Unterrichts in Handlung. Darum wird im Folgenden der Ausdruck „Drama als Unterricht“ für das englische Pendant „drama in education“ gewählt.

Demgegenüber wird der Ausdruck „Theater im Unterricht“ beibehalten, denn „Theater als Unterricht“ beinhaltet, dass der Unterricht zum Theater wird, zum Spektakel. „Theater im Unterricht“ meint aber das Entgegengesetzte, nicht der Unterricht wird kein Spektakel und damit implizit passives Zuschauen, sondern der Unterricht wird Sehen als Erkennen. Das beinhaltet Verantwortung und aktives Eingreifen.

1.8 Die Hypothese

Meine Hypothese heftet sich daran, dass Lachprodukte immer auf Disharmonien hinweisen. Lachen erhält den auslösenden Funken in Disharmonien. Allerdings erzeugen nicht alle Disharmonien Lachen, sondern nur bestimmte. Lachen entsteht zum Beispiel im Verletzten von Sprachregeln, von sozialen, politischen, ethischen, moralischen und religiösen Verhaltensnormen und Tabus und von ästhetischen Strukturen. Erst im Aufbrechen von Strukturen kann ein Spannungsgefälle entstehen. Das Spannungsgefälle scheint eine elementare Grundvoraussetzung für Lachen zu sein. Diese Spannung kann den gesamten Erfahrungsbereich menschlichen Bewusstseins umfassen, vom physischen zu allen zwischenmenschlichen Beziehungen, von sozialen und politischen Ordnungen zu ethischen, moralischen und religiösen Normen und existentiellen Fragen.

Wenn aber Lachen strukturell bedingt ist, durch strukturelle Manipulation ausgelöst werden kann und sich in der strukturellen Zerstörung vollziehen kann, so heftet sich hieran die Frage, wie sich Strukturen überhaupt im Menschen etablieren. Eine zweite Hypothese geht von dieser Etablierung von Strukturen im Menschen aus. Denn alle Eindrücke, die der Mensch empfängt, sind strukturiert. Alle perzipierten Strukturen werden vom Menschen nach eigenen Gesetzmäßigkeiten rekonstruiert. Jede der Sinnesorgane folgt einem eigenen Strukturierungsmuster. Diese Strukturierungsmuster sind nur begrenzt konvertible: Visuelle Eindrücke erfassen gleichzeitig und mehrdimensional. Zeit ist hier keine mathematisch messbare Grösse. Auditive Sinneseindrücke sind zeitlich strukturiert und in sich selbst ohne räumliche Dimensionen. Taktile Eindrücke können sowohl eine zeitliche als auch eine räumliche Dimension haben. Diese bezeichnet aber nicht unbedingt dasselbe wie messbare Zeit- und Raumdimensionen. Geschmack- und Geruchsinn scheinen als strukturelle Wirklichkeit unabhängig von Raum- und Zeitdimensionen zu sein.

Die verschiedenen Strukturierungsmuster der Sinne schaffen eine paradoxe Situation im Menschen. Das reflexive Bewusstsein des Menschen kann sich nur auf diese paradox konstruierte Welt beziehen. Jede komische Situation weist auf das Paradox im Menschen hin. Lachen startet in einem emotionalen Erkennen der paradoxen Unzulänglichkeit der Strukturen. Der Rezipient weiß jedoch selten, worüber er lacht.

Zu vermuten ist jedoch, dass Lachen mit Bewusstsein von Welt überhaupt zu tun hat. Selbst wenn der intellektuelle Prozess in einigen Lachsituationen blockiert zu sein scheint, so wird er in anderen herausgefordert. Allemal aber müsste er in einer bewussten Reflexion dem Intellekt zugänglich gemacht werden, um ihn effektiv für die Entwicklung des Menschen nutzen zu können. Doch auch das ist eine Hypothese, die es zu beweisen gilt.

1.9 Theoriediskussion

Die theoretische Methode ist hermeneutisch und deduktiv.

Hermeneutik

Die hermeneutische Annäherung verlangt eine Definition meiner Intention, eine Präzisierung, welche Position ich als Interpret beziehe. Die traditionelle Interpretationsmethode kann ich dabei ausschließen, denn hier stehen weder die so genannte Absicht, Meinung oder Ansicht des Autors zur Diskussion, noch sein intellektuelles Vermögen oder seine psychischen Probleme. (Vgl. Japp, 1995, 583ff.) Die Frage der Bedeutung liegt hier bei der Effektivität des Prozesses als perzeptive Aneignung ästhetischer Welten und als Erkennung und reflexiver Bezug. Die Frage der Bedeutung meint auch die aktive Diskussion und Vermittlung der so erworbenen Aneignung des Kunstwerkes als bewusste Erweiterung der kognitiven Fähigkeit. Ich interpretiere nicht als Besserwisser, verkappter Rolleninhaber (vgl. Barthes, 1998) oder Beitraglieferant zur wissenschaftlichen Diskussion, ich interpretiere, um mir das Werk zu Eigen zu machen. Der Prozess des Verstehens, Begreifens und Welterfassens setzt meine Relation zum Kunstwerk in den Brennpunkt, nach Gadamer das, was mit mir geschieht (vgl. Japp, 1995, 590).

Die deduktive theoretische Methode

Ich gehe von einer Hypothese aus und analysiere verschiedene Modelle, um herauszufinden, wie weit sich diese Hypothese verifizieren oder falsifizieren lässt. (Vgl. Östern, 1999, 260) Die Modelle zur Analyse sind Produkte von Theater, Drama und Literatur. Die theoretische Grundlage ist von der Problemstellung her interdisziplinär. Vom Anspruch der Arbeit her bewege ich mich zwischen ästhetischer Philosophie und transzendentaler Erkenntnistheorie, und zwischen Pragmatik als Wissenschaftstheorie und Handlungstheorie und Theaterwissenschaft als Kunsttheorie.

1.10 Definition der theoretischen Begriffe

Pragmatik

Nach Almeder (1997) ist Pragmatik „a theory of knowledge with distinct views about the origin, nature and limits of human knowledge“. (Almeder, 1997, Bd. II, 100) Methodologisch ist die Pragmatik eine empirische Wissenschaft. (Vgl. Sidorsky,1997,Bd.II,120) Nach Peirce bezieht sie sich auf den logischen Prozess der „abduction, deduction and induction“ (Eisele, 1997, Bd.II, 93) Dabei meint „abduction“ die Tatsachen, beziehungsweise Fakten zu erkennen und in eine Theorie einzubetten, „deduction“ ist die mathematisch logische Ableitung und „induction“ der experimentelle Test der Theorie. Es ist der Rückbezug als Verifizierung auf die Wirklichkeit. Wie oben dargelegt, verhalte ich mich hier vorwiegend im Bereich der deduktiven Erfassung von Wirklichkeit.

Pragmatik als logische Wissenschaft beinhaltet die Formale Logik im Formalisieren und Axiomatisieren, Methodologie in der Unterscheidung, Systematisierung, Begründung und Metalogik in der Diskussion von Syntax, Semantik, Semiotik und der Pragmatik selbst. (Vgl. Menne, 1992)

Die transzendentale Erkenntnistheorie

Die transzendentale Erkenntnistheorie ist keine empirische Wissenschaft wie die Pragmatik, sie ist in ihrem Eigenverständnis eine „ Reflexionswissenschaft“ (Prauss, 1993, 10), eine „nichtempirische Wissenschaft vom Empirischen“ ( ebenda). Sie handelt von der Verifizierung des Empirischen. Perzeption als Sinneseindruck ist noch kein Erkennen, erst der Begriff, den ich von den Dingen habe, erschließt für mich den Sinngehalt. Ich kann mich nur auf das Weltbild reflexiv beziehen, das ich in mir als begriffliche Bedeutung aufgebaut habe. Diesen logischen Wissenschaften steht der ontische Anspruch des Kunstwerkes gegenüber, der Seinsanspruch der fiktiven Welt. Von hierher kann ich das Kunstwerk nicht nur deduktiv logisch erfassen, ich muss diese fiktive Welt in ihrem Sein akzeptieren.

Die philosophische Ästhetik

Die philosophische Ästhetik bezieht sich gleichfalls auf menschliches Erkennen, allerdings in seiner sinnlichen Bedingtheit der kognitiven Bedeutung der Wahrnehmung. Die philosophische Ästhetik versteht sich als disziplinübergreifend und „disziplinsprengende Systematik“ (Scheer, 1997, 2). Sie bewegt sich zwischen der Philosophie des Schönen und der Kunst zur philosophischen Wahrnehmung. „Sie betont den fundamentalen und überaus produktiven Charakter dieser Erfahrungsweise und erforscht deren Gesetzlichkeit und Fortbildung in den Künsten.“ (ebenda) Die philosophische Ästhetik kommt hier in den Bereich der transzendentalen Erkenntnistheorie als Phänomen von Erkenntnis an sich, aber auch in den Bereich der Pragmatik, den der Methodik des Wissenserwerbs. Scheer (1997, 2) bezeichnet die Bedeutung der philosophischen Ästhetik als „aesthetic turn“ als Weltbezug durch die sinnliche Bedingtheit perzeptiver und rezeptiver Prozesse: „unsere Wahrnehmungen sind genauso wenig Abbilder einer an sich seienden Welt, wie es unsere Begriffe sind.“ (Scheer, 1997, 3)

Das ist auch der Kern dieser Arbeit, die individuelle schöpferische Neuschaffung der Welt in jedem Menschen in der Konfrontation mit Kunst, aber auch, wie dieses schöpferische Vermögen des Menschen im Erziehungsbereich effektiv genutzt werden kann.

1.11 Das Modell

Modelle beziehen sich auf Teilaspekte der empirischen Wirklichkeit (vgl. Menne, 1992, 121). Als Teilaspekte werden oft Elemente ausgewählt, die wissenschaftlich nachweisbar sind oder die wissenschaftlich bereits nachgewiesen wurden. Bei ästhetisch fiktiven Welten kann ich mich hierbei auf alle formalen Aspekte beziehen wie die Syntax und Semantik der Sprache, das semiotische Zeichensystem auf dem Theater, auf die dramatischen Strukturen und auf die kontextuelle Situation. Von hierher habe ich der Abhandlung vier Modelle zugrunde gelegt: (1) Das Modell des Lachtheaters vertreten mit dem deutschen Schwank „Der Raub der Sabinerinnen“ von Franz und Paul von Schönthan. (2) Das Modell der Satire diskutiert anhand von George Bernhard Shaws „Arms and the Man“, auf Deutsch „Helden“. (3) Das Modell einer Rezeptionssituation, paradigmatisch dargestellt am theatralischen Ritual im Lachtheater, im Theater im Unterricht und im Drama als Unterricht. (4) Das Phantastische, Groteske und Absurde wird als Modell paradigmatisch am Werk von Tove Jansson diskutiert.

In der Rhetorik ist das Modell ein Objekt. Es interessiert in seiner Repräsentanz für etwas, als Bezug vom Speziellen zum Allgemeinen:

„unter Modell wird hier eine einfache, übersichtliche künstliche Anordnung (materielle oder gedankliche Konstruktion) verstanden, die durch die Art ihrer Konstruktion in einem Analogieverhältnis zu einem komplexen, unübersichtlichen Sachverhalt (Original) steht und per Analogie Aufschluss über Verhaltensweisen und Struktur des Originals geben kann.“ (Breuer, 1990, 98f.)

Wichtig ist in diesem Modellkonzept das Problem der Definition. Das ist die Frage der formalen und strukturellen Repräsentanz (vgl. Suhr, Bd. III, 351), das Problem des methodologisch holistischen Anspruchs und die Modellkompatibilität. Der holistische Anspruch meint das Problem der Ganzheit. Der dargestellte Einzelfall soll Aufschluss auf das Ganze geben. Modellkompatibilität bedeutet, dass Modelle in ihrer Konstitution und Ausstattung derart beschaffen sein sollen, dass sie „ aufwärtskompatible (sind) mit den Modellen, die sich pragmatische Wissenschaftler von sich und den Menschen in ihrer sozialen und übrigen Umwelt überhaupt machen.“ (Suhr, 1997, Bd. III, 345) Die Pragmatik brachte hiermit in die Definition des Modells den Menschen ein, der das Modell definiert und den, der es interpretiert. Ein Modell wird in dieser korrelativen Beziehung von einem Gegenstand zu einem Prozess (vgl. Suhr, 1997, Bd. III, 344ff.; Stachowiak, 1997, Bd. II, 403ff.). Dieser Prozess hat einen Ausgang vom Menschen und einen Rückbezug auf den Menschen, der das Modell setzt in seiner historisch-kulturellen Verankerung und individuellen Wirklichkeitswertung. Der Bezug der Selbstkonstituierung bezieht sich damit wieder auf die philosophische Frage, wie sich Außenwelt im Menschen etabliert, und wie der Mensch sich von dieser etablierten Innenwelt auf Außenwelt zurückbeziehen kann. Hieran knüpft Suhr die Frage der multiplen Repräsentanz als einen Anspruch, Wirklichkeit zu repräsentieren bei dem gleichzeitigen Anspruch der inneren Repräsentanz. (Vgl. Suhr, 1997, Bd. III, 347-364)

Wichtig wird dieser Modellcharakter in dem Moment, wenn ich mit strukturell unterschiedlichen Modellen operiere wie in dieser Abhandlung. Denn hier gibt es nur zwei Modelle, die in eine direkte Beziehung zueinander gesetzt werden können: „Der Raub der Sabinerinnen“ und „Helden“. Beide entstammen dem gleichen Zeitraum und beziehen sich auf das gleiche Publikum. „Der Raub der Sabinerinnen“ ist ein Schwank mit satirischen Tendenzen. „Helden“ hat die Struktur eines Schwanks, aber die Intention einer Satire. Es gibt Gleichheiten zwischen beiden Werken, aber auch Unterschiede. Von hierher gesehen werden die beiden Modelle vom Lachtheater und der Satire zueinander in Relation gesetzt.

Die beiden anderen Modelle wurden ex negativo gewählt. Sie sollen die Gebiete decken, die mit den beiden Modellen von Lachtheater und Satire nicht erfasst werden konnten. In dem Sinne repräsentiert Janssons Werk paradigmatisch die Welt des Phantastischen, der Groteske und des Absurden. Aber auch Transformationsprozesse von der Satire zum Phantastischen, zum Grotesken und Absurden können anhand von Janssons Werk diskutiert werden.

Noch anders ist der Modellcharakter des Rituals. Modell ist hier als korrelativer Prozess definiert, der sich nur auf bestimmte Aspekte des Rituals bezieht. Danach habe ich also den Ritus vom Mythos und vom Kult (vgl. Cassirer, 1969, Bd. II, 51ff.) getrennt und den Ritus als einen formalen Aspekt in seiner pragmatischen Zweckbestimmung definiert. Auch in dieser Beziehung ist der holistische Anspruch wichtig. Denn das Modell soll nicht nur Repräsentanz seiner selbst sein, sondern auf einen größeren Zusammenhang verweisen, es soll als Modell auch dieses Ganze repräsentieren können. Das Ritual verweist zurück auf den Prozess einer kollektiv verbindlichen Vereinbarung. Die Voraussetzungen dieser Vereinbarung müssen immer wieder aufs Neue definiert und präzisiert werden. Ich beziehe mich in der Definition des Rituals primär auf diese Grundvoraussetzung. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Definition von Rapp (1975) vom Theater als festlicher Begehung als auch in der Definition des Rituals im Zusammenhang dramapädagogischer Arbeit.

Das Modell des Lachtheaters verweist demgegenüber auf die Dominanz der Strukturen, aber auch auf die Macht von Strukturen allgemein, menschliche Emotionen, Reaktionen und menschliches Verhalten zu manipulieren. Menschen können durch eine Dominanz der Strukturen in ein Verhaltensraster gepresst werden.

Das Modell der Satire steht repräsentativ für und weist zurück auf Lachen als intellektuelles Gefecht, ritualisiert nach bestimmten Regeln und Gesetzen und nach Absprachen einer bestimmten kontextuellen Situation.

Das Modell von Groteske, dem Phantastischen und dem Absurden weist auf den Bereich der Kreativität als freies Spiel menschlicher Phantasie und darauf, im freien Spiel fiktive ästhetische Welten überhaupt erschaffen zu können.

Jedes Modell verweist von seiner Intention und Struktur her auf einen größeren Zusammenhang. Alle Modelle zusammen verweisen auf eine umfassende Sicht des Menschen in seinem intellektuellen und emotionalen Vermögen, im Geist, in der Imagination und mit seinem Willen, Welten zu schaffen und Welten zerstören zu können.

1.12 Die Bedeutung

Hierin liegt auch die Bedeutung für die wissenschaftliche Forschung. Sie bezieht sich darauf, die Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang von Struktur und Paradox zu lenken. Fokussiert wird darauf, wie sich in diesem Paradox Spannungsgefälle etabliert, das Lachen auslöst und darauf, wie die kognitiven Bewusstseinsprozesse hierdurch gesteuert werden können.

Fokussiert wird immer auf zwei Bedingungen: (1) Auf die Produkte, die Lachen erzeugen und auslösen, und (2) auf die kontextuelle Situation des Lachens selbst als ein komplexer Prozess mit Rückkopplungsschleifen auf die Situation, den Interpretierenden und die auslösenden Effekte. Lachen kann in diesem Prozess reaktive Entladung von Spannung sein, ein emotionales Erkennen, intellektuelles Spiel, intellektuelle Reflexion, kreative Neuschöpfung fiktiver Welten und eine Waffe, die auf die bewusste intellektuelle und emotionale Manipulation des anderen gerichtet ist.

Lachen entsteht in einem Spannungsgefälle von paradoxen Situationen. Lachen erzeugt ein Spannungsgefälle von paradoxen Situationen. Lachen kann aber auch effektiv für eine positive Bewusstseinserweiterung des Menschen genutzt werden.

2 LACHEN ALS PHÄNOMEN

Das zweite Kapitel beinhaltet allgemeine Betrachtungen über das Lachen und über Lachen im Unterricht. Lachen umfasst das gesamte menschliche Leben. Ich behandle nur einen kleinen Aspekt davon. Diesen Aspekt versuche ich hier in der Definition des Gegenstandes, in einer Beschreibung meiner methodologischen Annäherung und in dem Aufbau dieser Arbeit zu präzisieren.

2.1 Allgemeine Betrachtungen

Lachen ist gesund. Es fördert die Durchblutung, es verhindert Herzinfarkt und verlängert das Leben, hofft man, weiß es aber nicht genau. Doch gibt es Resultate und Indikatoren dafür, dass Lachen krankheitsvorbeugend ist, Stress abbaut und die Rekonvaleszenz unterstützt. (Vgl. Svebak, 2000, 100-106) Lachen fördert eine positive Arzt-Patient Beziehung. Lachen ist notwendig für ein positives menschliches Miteinander. (Vgl. Svebak, 2000, 199; Søbstad, 1995, 99) Es kann aber auch das Gegenteil bewirken.

Zunächst einmal ist Lachen ein physischer Reflex. Bestimmte Bereiche im Zentralnervensystem können stimuliert werden, sodass wir lachen, mit oder ohne inhaltlichen Bezugspunkt.

Stimuli können sein: Kitzeln, Streicheln und/oder ihr intellektuelles Pendant: ein Lächeln, ein freundliches Gesicht, ein angenehmer Gedanke, Sonnenschein, Vogelzwitschern, alles, was dem Verstand und der Phantasie Behagen und Freude bereitet. Hier finden wir den ersten kognitiven Prozess. Dieser ist damit verbunden, Überleben zu können. Lachen erzeugt ein befreiendes Gefühl, einen Katharsis-Effekt. Angestaute Verkrampfungen werden kurzfristig in Gelächter aufgelöst. Hormonelle Einwirkung? Adrenalinabbau? Svebak (2000, 148f.) warnt vor zu großem Optimismus. Zwar zeigt sich ein steigendes Interesse am Phänomen Lache, man forscht eifrig, oft ist aber der Forschungsgegenstand unklar definiert. Was versteht man unter „Humor“ oder gar eine Anlage für Humor? Eine Zusammenstellung zu diesem Thema unter verschiedenen Aspekten geht von folgender Definition aus: „Wir sehen Humor als jede durch eine Handlung, durch Sprechen, durch Schreiben, durch Bilder oder durch Musik übertragene Botschaft, die darauf abzielt, ein Lächeln oder ein Lachen hervorzurufen.“ (Bremmer/Roodenburg, 1997, 9)

Die Forschung des Humors befasst sich also mit den Produkten, die Lachen hervorrufen und/oder mit dem, was man als Ausdruck des Humors interpretieren kann. In der Schwierigkeit der präzisen Definition des Gegenstandes liegt jedoch eine der großen Schwächen der Forschung zum Lachen und den Lachprodukten. So äußert sich auch Svebak (2000), wenn er die Resultate der Lachforschung diskutiert. Seine Argumente für ihre Fragwürdigkeit sind: Die ausgewählten Versuchsgruppen seinen nicht repräsentativ. Es gäbe keine Blindteste. Die Problemstellung/Fragestellung wäre nicht präzise definiert. Die verwendeten Begriffe seien unklar angewandt oder der Bedeutungsradius der Begriffe sei nicht ausreichend abgeklärt: „Disse resultatene bør tas med en klype salt ettersom det kan reises tvil om hvor god O’Connels bedømmelse av sans for humor var. Han manglet strengt tatt en teori om hva sans for humor er“. (Svebak, 2000, 72) Die Versuchspersonen starben, bevor das Experiment/die Experimente zu schlüssigen Ergebnissen führten. Svebak (2000) weißt auf statistische und technische Unstimmigkeiten hin wie zum Beispiel das „ GIGO-Prinzip”:“garbage in – garbage out“ (Svebak, 2000, 79). Die Auswertung des statistischen Materials demonstriert mehr die Unwissenheit des Forschers als Fakta über das Sujet. (Ebenda)

Das wesentliche Problem, mit der alle wissenschaftliche Forschung zu kämpfen hat, die sich mit dem Lachen befasst, ist hier genannt: Lachen ist als Begriff niemals isoliert definierbar. Es entzieht sich einer jeden klinisch reinen Analyse. Denn was ist Lachen? Lachen ist gleichzeitig ein physischer Prozess, eine Willensleistung und ein Produkt des reflexiven Verstandes. Lachen ist noch mehr: Lachen ist immer Lachen an sich, Lachen als Spiel und Lachen in der Dialektik von Kultur, Gesellschaft und Politik. Lachen ist gleichzeitig eine menschliche Fähigkeit, ein Produkt, eine Methode und ein Machtmittel. Lachen ist immer das eine und die potenzielle Möglichkeit alles anderen. Lachen als genetische Anlage ist universell. Gleichzeitig ist die Lache, der Lacher, das Gelächter, das Verlachen und alles, was Lachen auslöst, eine Variable von Zeit, Gesellschaft, Kultur, Produktionsverhältnissen und Machtverhältnissen.

Lachen ist als physisches Phänomen immer gleichzeitig totale Entspannung und totale Verkrampfung sowohl der Muskulatur als auch der psychischen Balance. Lachen ist als politisches Phänomen sowohl Machtmittel als auch Ventil der Unterdrückten, Mittel und Methode des politischen Aufmupfens. Lachen als kulturelles Phänomen existiert in Relation zu Zeit und Milieu. Es ist ein Mittel der Sozialisierung und Identifikation, ein Mittel der Definition des Ich und des Anderen. Lachen geschieht hic et nunc. Was zurückbleibt sind die Produkte des Lachenmachens, die Produkte derer, die Lachen strukturieren, diktieren, definieren, kontrollieren und zensurieren. Lachen ist aber auch ein Produkt unseres Willens.

In der Kunst ist Lachen Mittel, Methode, sich selbst genügender Zweck und Waffe. Als Kunstprodukt ist Lachen abhängig vom strukturellen und inhaltlichen Kontext. Doch keines der Kunstprodukte kann auf eindeutige Normen festgelegt werden. Selbst eine Abgrenzung in Zeit und Raum bleibt diffus. Klare Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen sind oft nicht möglich. Das erweist sich bei der Gattungsbestimmung von Komödie, Satire, Posse, Schwank, Vaudeville, Farce usw. Das betrifft genauso gut die Begriffsbestimmung vom Witz. Lachen ist eine Form des Intellekts, ethisch, ästhetisch und logisch determiniert und definiert. Lachen ist die menschliche Entwicklung des Homo eternitatis über sich selbst. Von „Ich lache, also bin ich“ zu „Ich lache über, also steh ich darüber“: Lachen ist Hochmut, Exklusion des Anderen und Waffe. Lachen ist aber auch ein philosophisches Mittel des Überlebens. Lachen ist Chemotherapie des Intellekts und die Zerstörung des Hochmuts. Das eine bedingt das andere, das eine ist die Kehrseite des anderen.

Lachen ist immer das eine und auch etwas anderes, Lachen ist ein Chamäleon. Lachen ist Ausdruck körperlicher Entspanntheit, fröhlicher Gelassenheit und gleichzeitig Statusverlust, Unterordnung unter Gruppennormen, Demonstrationen von Gruppennormen, intellektuelles Spiel und instinktives Reaktionsverhalten. Das eine ist nicht trennbar vom anderen. Das zeigt sich schon in der Sprachvielfalt des Wortes. So gib es Lachen und Verlachen, der Lacher, das Gelächter, Lächeln, Lachsalven.

Auffallend sind alle grammatischen Möglichkeiten, um Lachen zu präzisieren. So gibt es eine Vielzahl von Adjektiven, die Lachen definieren können. Das Motiv des Lachens kann umschrieben werden mit höhnischem, hämischem, neidischem, hinterhältigem, traurigem, fröhlichem, erleichtertem, verzweifeltem, kalkulierendem, politischem und professionellem Lachen. Die Art und Weise des Lachens kann umschrieben werden mit spontanem, verkrampftem und hemmungslosem Lachen. Es gibt präpositionale Bestimmungen, die Lachen definieren. So gibt es Lachen in Tränen, unter Tränen und zu Tränen. Es gibt Genitivkonstruktionen, die Lachen definieren wie das Lächeln der Seeligen, Lachen aus Verzweiflung und das Lachen der Verzweiflung. Es gibt adverbiale Bestimmungen, mit denen Intention und Art und Weise des Lachens beschrieben werden kann. So kann man in Ironie lachen, in Schadenfreude, in Verlegenheit, aus Scham, in Gram, in Hohn und Spott.

Lachen ist auch Ausdruck der Arroganz: der Lacher hebt den Kopf, er fühlt sich über den Verlachten/das Verlachte erhaben. „Der Witz treibt das Gelächter immer auf Kosten anderer hervor.“ (Gamm, 1993, 186) Lachen ist also auch urteilen und verurteilen. Bei Aristoteles ist die Harmlosigkeit ein zentrales Thema: Wir lachen über etwas, das weder Schmerzen, noch Schaden bereitet „ le comique consiste en un défaut ou une laideur qui ne caus ni douleur ni destruction.“ (Aristote. 1980, 49) Für Nietzsche (1990) heißt Lachen „schadenfroh sein, aber mit gutem Gewissen.“ (430) Für Hegel (1055, 139) ist demgegenüber die Ironie das „Böse“ an sich. Das ist ein zweischneidiges Schwert: Lachen und Ironie kann das Böse thematisieren, gestalten und darstellen. Das Böse kann aber auch eine innere Bedingung des Lachens sein. (Vgl. Safranski,1997, 224) Das Lachen ist böse, zeigt das Böse, bewirkt Böses. (Vgl. Nelson, 1990) Auch das harmlose Lachen von Aristoteles kann Schaden verursachen. Denn wenn Nützlichkeit zum obersten Prinzip der Welt wird, ist alles, was nicht nützlich ist, eo ipso schädlich:

„Der Nichtigkeitsverdacht, der Verdacht, dass die Gebilde der Kunst Chimären und deshalb vielleicht sinnlos sind, dieser Verdacht, der auch dem „nihilo“ bei der „creatio ex nihilo“ aufsteigt, ist zweifellos etwas Böses für die Kunst.“ (Safranski, 1997, 229f.)

2.2 Lachen als Lust und Spiel

Auch im Erziehungsbereich ist der „Nichtigkeitsverdacht“ etwas „zweifellos Böses“. Denn Effektivität und Nützlichkeit sind im Erziehungsbereich oberstes Prinzip. Selbst wenn dies von einigen Forschern abgelehnt wird oder wenn dies für einige Gesellschaftsgruppen und Kulturen nicht zutreffen solle. So sieht zum Beispiel Søbstad das Prinzip der Nützlichkeit relativ zum kulturellen Kontext. In französischen Schulen stehe das Effektivitätsprinzip an oberster Stelle, während amerikanische Schulen mehr Wert auf eine unterhaltende Wissensvermittlung legen. (Vgl. Søbstad, 1995, 15ff., 97ff.) Zu vergleichbaren Resultaten kommt Postmann, protestiert aber gegen eine Pädagogik, die als Unterhaltungsbranche ausgerichtet ist: „ Mainly, they will have learned that learning is a form of entertainment, or, more precisely, that anything worth learning can take the form of an entertainment, and ought to.“ (Postmann, 1986, 154)

Lernen muss der Mensch, aber Spass soll es machen. Lachen ist gesund. Darum lachen wir uns tot, im Theater, in der Revue, in der Operette und im Tivoli. Hält heute der Tingel-Tangel Einzug ins Klassenzimmer? Das kann man genauso gut beweisen wie auch das Gegenteil. So interpretieren Lehrer an englischen Grundschulen die Situation ganz anders. Sie klagen über den Leistungszwang. Sie bezeichnen den „ National Curriculum “ als Modul basierend auf Macht und Zwang. (Vgl. Møyles, 1994, 16-25; Smith, 1994, 31; Curtis, 1994, 49; Abbott, 1994, 82) Sie fordern als Grundprinzip zumindest für die Vor- und Grundschule freies Spiel. Was sie jedoch mit Spiel meinen, darüber gibt es so viele Aussagen wie Aussprüche: „ I 1977 spurte Manning og Sharpo 500 lærere om deres definisjon på lek; resultatet var like mange definisjoner på lek som det var lærere med i undersøkelsen“! (Abbott, 1994, 84)

Einig ist die Forschung: Spiel und Lustprinzip sind notwendig für Kreativität. Sie sind notwendig für einen wertvollen Lernprozess. Schwierigkeiten bereitet das „WAS“, was wir mit Spiel, Lust und Kreativität meinen. Die Schule steht hier im Spannungsfeld zwischen Forderung nach Effektivität und Förderung von Kreativität, zwischen Leistungsanspruch und Bildungsanspruch und zwischen Ausbildungsanstalt und Aufbewahrungsanstalt der Gesellschaft. Auf der einen Seite wird Lust, Spiel und Kreativität gefordert, auf der anderen Seite will man konkrete Resultate sehen. Verhält sich die Schule konsequent zur Wissensvermittlung als freiwillige und ungezwungenen Förderung des Einzelnen, die kreativitätsbezogen und nach dem Lustprinzip ausgerichtet ist, so etabliert sie eine Gegenwelt zur Arbeitswelt: Schule kontra Arbeitswelt. Eine Pädagogik, die individuell, kreativitätsbezogen und schülerzentriert ist, etabliert sich gegen eine Arbeitswelt, die resultatbezogen, strukturiert und fremd gesteuert ist.

Doch was geschieht, wenn Anspruch und Forderung der Gesellschaft in der Erziehung der nächsten Generation nicht mehr mit den gegebenen Bedingungen übereinstimmen? Denn wenn das oberste Prinzip des globalen Wirtschaftssystems Effektivität ist, wie sind die Menschen dafür gerüstet, die bis zur Schwelle des Erwachsenwerdens nach dem Spielprinzip erzogen wurden? Spielprinzip ist hier als frei, unstrukturiert und ohne Anspruch auf Resultate definiert. Das Schulsystem in dieser Definition wird als Ghettodasein bezeichnet. Das ist ein Ghettodasein, das einen immer größeren Anteil der nachkommenden Generation immer länger zusammenpfercht. Dies Ghettodasein wird keineswegs als unnütz bezeichnet, aber als desintegriert. (Vgl. Bruce, 1994, 209-219) Versucht die Schule, ihre Ansprüche nach Kreativität und Spiel den Ansprüchen der Gesellschaft anzupassen, so kommt sie in Gefahr, die Lust am Spiel als Wettbewerb und Leistung zu interpretieren. Die Aufhebung von Raum und Zeit im freien Spiel als notwendige Voraussetzung für Kreativität wird im Spiel als Kampf und Leistungssport zum Wettlauf mit der Zeit. Spiel als lustvolle Bestätigung im So-Sein des Nicht-Sein und Anders-Sein wird zur Bestätigung des So-Sein als Best-Sein, als Erster Sein, als Besser-Sein.

Die Paradoxie des Unvereinbaren: Spiel als Lust des Ungeformten, das sich in der Arbeit des Seins zu etwas gestaltet, was es zuvor nicht gab, wird zum Spiel als Messen der Kräfte miteinander, wird zur Konkurrenz, wird zum Machtmittel und zur Methode der Machtpolitik. Die Lehrpläne fordern die Förderung von Kreativität im Spiel und durch Spiel. Im Kampf um Klassenziele, Zensuren, Karrieren und im internationalen Wettbewerb der Globalisierung des Überlebens wird Spiel zum Wettbewerb. In dieser Spanne zwischen geforderter Wirklichkeit der Lehrpläne und gewährleisteter Wirklichkeit der globalen Gesellschaft macht sich eine Grauzone von diffusen Wahrheiten, undefinierten Begriffen und kamoflierten Lügen breit. Hier haben alle recht und alle können widerlegt werden, auch Postmann. Andererseits verlangt Überleben als kreative Neuschöpfung des Universums Menschen, die kreativ sind in der Weise, dass sie leben und überleben können.

Das surfende Zeitalter glänzt mit der Abwesenheit menschlichen Daseins im Hiersein. Darum sucht man nach neuen Wegen, um den Lernbereich mit Kreativität methodisch aufzubereiten. In diesem Rahmen kommt dem Theater eine neue Rolle zu. War es im bürgerlich-kapitalistischen Zeitalter Freizeitbeschäftigung, Amüsement, museale Intelligenzpflege, Repräsentationsraum, sozialer Kontaktspielplatz und Arena des narzistischen sich-selbst-Zurschaustellens, so ahnt man nun im globalen Zeitalter der technisch unbegrenzten Entdeckungsreisen ganz neue Möglichkeiten. In Konfrontation mit dem Kunstwerk soll die kreative Intelligenz herausgefordert werden. Der neue Mensch, der kreative Mensch soll hier geschaffen werden.

Lachen, Witz, Spiel und Kreativität sind eng verschwistert. Das sagte schon Freud (1975, 182 ff.). Das behaupten heute Pädagogen wie Søbstad (1995, 20) oder Lindqvist (1997, 49). Dasselbe sagte schon Best in seiner Forschungsarbeit zum Witz:

„Als geformte Spracht ist Witz nicht zu trennen von Spiel. Die Gabe des sinnreichen Einfalls, des Kombinations- und „Versöhnlichungsvermögens“ ist zugleich die Gabe des Spiels. Im Hin und Her des Pendelschlags zwischen Phantasie und Alltags(sprach)wirklichkeit, der „subjektive Phantasieelemente und objektive ontische Elemente“ verbindet, entsteht Spielwelt.“ (Best, 1989, 4)

2.3 Gegenstandsbestimmung

Forschungsgegenstand sind einerseits die Produkte der Lache. Forschungsgegenstand ist andererseits auch ihre Rezeption. Produkt dieser Rezeption ist aber wieder das Lachen. Lachen setzt als Produkt die Fähigkeit zum Lachen voraus. Ich kann das eine nicht vom anderen trennen, das Produkt nicht von seiner physischen Voraussetzung.

Doch jede Auflösung in die Präzision der Definition exkludiert das eine von allem anderen. In der Abstraktion der reinen Analyse erhalten wir die Negation der Wahrheit der gelebten Wirklichkeit. Jeder Forschungsbericht ist an Sprache gebunden. Sprache ist in Zeit geformter Raum. Das ist das Messbare und wissenschaftlich Nachprüfbare. Lachen ist demgegenüber in seiner Evidenz sowohl die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen und gleichzeitig ist Lachen in der Dialektik des Seins nicht einmal als Ereignis analysierbar, sondern immer nur als Produkt in doppelter Bedeutung. Lachen ist das Produkt der Reaktion der gelebten Erfahrung, also Lachen an sich. Lachen ist das Produkt dessen, was gelebte Erfahrung bedingt, also alles, was Lachen bedingt und bedingen soll. Darüber hinaus ist Sprache, die Lachen thematisieren, analysieren, definieren und axiomatisieren soll, immer gleichzeitig auch Opfer der Lache, denn Sprache als offizielles Kodesystem einer gemeinverbindlichen Logik der Menschen wird zum Mittel und Instrument der Lachproduktion selbst. Mehr noch, eine der Hauptquellen von Lachen entsteht im Paradox der menschlichen Logik. Der Konsensus des Gemeinverbindlichens wird gleichzeitig zum Konsensus seiner bewussten Umkehrung. Lachen ist darin immer auch Gegenwert und Gegenwelt. Die Irrationalität von Lachen entzündet sich im Bruch und in der Umkehrung der Wirklichkeit.

Jeder Versuch einer Begriffsbestimmung muss dieser Irrationalität Rechnung tragen. Jeder Versuch einer Begriffsanalyse kommt in das Gewehrfeuer der Relativität. Es gibt immer die Gleichzeitigkeit des Sowohl-als-auch. Kann aber die ironische Verschiebung von Welten vom menschlichen Logos erfasst werden? Kann das Unaussprechbare der Witzzündung in Worten gefasst werden? Lachen geschieht im Hier und Jetzt. Was zurückbleibt sind die Produkte des Lachenmachens, die Produkte derer, die Lachen strukturieren, methodisieren, diktieren, definieren, kontrollieren und zensurieren. Gattungseinteilungen sind willkürlich. Das angestrebte Ziel bestimmt die Methode.

Die traditionelle Einteilung ist die historische Zuweisung. Rommel bezieht sich auf die Frage der Herkunft, ob die Grundelemente vom Mimus überwiegen oder die romantischen und märchenhaften Züge. Charney (1987) interessiert die Technik. Er teilt das Lachtheater in sechs große Gruppen, „ tragic farce “, (105-115), Burlesque (115) „ comedy of manner “ (122), satirische Komödie (127), die Komödie des Karnevals wie Rabelais Welt, die Komödie als Fest und Farce. Charney vermeidet jedoch weitgehend theoretische Diskussionen und erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Klotz (1980) definiert Lachtheater als „ Theater zum Lachen “ (9). Diese Definition ist keine Tautologie, sondern bezeichnet das gemeinsame Anliegen all dieser Theaterformen: das Lachen des Publikum. Von dieser Sicht her kann Klotz (1980) alle Lachprodukte des Theaters als eine Gattung zusammenfassen wie Posse, Schwank, Musical und Operette, aber auch „ Gogols ‚Revisor’, Synges ‚Playboy of the Western World’ und Fo ‚Zufälliger Tod eines Anarchisten’ “ (ebenda).

Die meisten Analysen spezialisieren sich vom Ansatzpunkt her auf bestimmte Gattungen und/oder auf zeitlich und geographisch begrenzte Bereiche wie Wilms (1969) auf den Schwank als deutsches Trivialtheater von 1880-1930 oder Hein (1997) auf das Wiener Volkstheater. Für Nelson (1990) ist die ethische Fragestellung wichtig. Komödie ist „ never one of unalloyed happines s“ (32). Auch interessieren ihn allgemeine Fragestellungen des Komischen mehr als gattungsmäßige Zuteilungen. Darum bezieht er sich nicht nur auf Produkte des Theaters, sondern zitiert genausogut Film und Literatur. Zielsetzung ist hier die Erforschung von Lachen als Ereignis. Das Ereigniss ist sowohl vom Produkt als auch von der kontextuellen Situation abhängig. Nur im erzählten Witz und im theatralischen Ereignis ist beides gleichzeitig vorhanden. Von hierher gesehen sind die obigen Ansätze problematisch, wenn sie sich in ihrer Diskussion der Gattungszuweisung nur auf die schriftlichen Fassungen beziehen. Hier steht aber das theatralische Ereignis im Fokus. Gattungszuweisungen basierend auf literarischer Analyse haben darum nur eine begrenzte Bedeutung.

Jedes schriftliche Dokument hat eine für alle Zeiten fixierte Form. Genau das gleiche gilt für Medien wie Film, Video usw. Jede technische Aufzeichnung liefert nur eine Interpretation. Die aber ist manifest, unveränderlich und kann hinterfragt werden. Was man hierzu äußert, muss an Tatsachen gemessen werden, die dokumentierbar sind. Das gleiche gilt genauso gut für jedes Kunstwerk, das nicht im hic et nunc entsteht, sei es ein Roman, eine Erzählung oder ein bildlicher Ausdruck. Ein Theaterstück ist eine Interpretation eines Einzelnen oder einer Gruppe, es ist ein Prozess, bei dem sich der Interpretant selbst in diesen Prozess einbringt und ihn kontinuierlich verändert. Hinzu kommt, dass jede Aufführung nur eine Form aller potentiell möglichen Aufführungen ist, die sich aus der Konfrontation von Publikum, Rolle, Ensemble, Umgebung, Atmosphäre usw. ergeben kann. Theater ist ein unaufhörlicher Prozess. Theater ist unaufhörliche Veränderung. Es kann nur als Modell über sekundäre Quellen wie Manuskript, Rezensionen, Beobachtungen, Berichten der Mitwirkenden usw. erschlossen werden. Keine dieser Quellen kann Anspruch auf Vollständigkeit erheben, nicht das Manuskript, aber auch keine der technischen Aufzeichnungen von einer Aufführung. Anlass, Zweck, Zielgruppe, Resultat und Wirkung des theatralischen Ereignisses sind von dieser Analyse ausgeschlossen.

Mit Theater aber meine ich alles, was als fiktive Handlung in einer dramatischen Handlung strukturiert ist und was in einem formativen Rahmen gestaltet und als theatralisches Ritual realisiert ist. Hierzu gehört alles vom Brettel bis zu den Brettern, die die Welt bedeuten, vom Straßentheater bis zum Drama im Klassenzimmer. Alle diese Formen sind Prozesse. Sie stehen immer in der Relation von Intention und Realisation. Sie können darum nur als Modell erschlossen werden. Die holistische Erkenntnis: „ Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ (Rapoport, 1997, Bd. II, 360) ist eine conditio sine qua non im Kontext des Theaters. Dieser Prozess kann als eine Ursache-Wirkungs-Relation beschrieben werden. (Vgl. Rapoport, 1997, Bd. II, 364) Alle Elemente in diesem Prozess haben ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Nach Rapoport (1997) kann dieses Verhältnis bezeichnet werden als komplex, nicht linear, dem „ nicht Ketten, sondern Netzwerke der Kausalität gewöhnlich auch mit Rückkopplungsschleifen den Ereignissen zugrunde liegen. “ (Rapoport, Bd. II, 371)

2.4 Diskussion der Methode

Im Folgenden werde ich versuchen, pragmatische Zeichenrelationen zu beschreiben, um sie operationalisieren zu können. Das heißt, ich versuche, das Zeichensystem des Theaters auf seine Lachwirkung zu katalogisieren und zu systematisieren. Theatralische Zeichen werden daher nach ihrer qualitativen und quantitativen Effektivität definiert, Lachen zu erzeugen. Zeichen ist hier benutzt als „ Zeichenträger “. Der Begriff wurde von der Sprachwissenschaft entwickelt. Sprache wurde in der Linguistik als Zeichenträger aufgefasst, der in verschiedenen Situationen in unterschiedlich funktioneller Beziehung zueinander analysiert werden kann.

Die Syntax beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit der relativen Funktion der Zeichen zueinander als „ adäquate Beschreibung des Strukturaufbaus von Sätzen. “ (Grewendorf, 1995, 150) Traditionell wird das Grammatik genannt. Die Syntax allein macht keine Aussagen über Sinn und Inhaltsbedeutung dieser Zeichen. Mit diesem Gebiet der Linguistik beschäftigt sich die Semantik. Sie setzt das Zeichen und die Aussage in ein relatives Bedeutungssystem. Was jedoch die „ Bedeutung sprachlicher Ausdrücke “ (Grewendorf, 1995, 298) beinhaltet, ist forschungsmässig keineswegs so klar und eindeutig abzugrenzen. Sprachen haben aber auch einen konkreten Bezug zu Objekten. Dies wird in der Sprachwissenschaft Sigmatik genannt. (Vgl. Breuer, 1990, 93) Die Sigmatik spielt eine besondere Rolle auf dem Gebiet der Fehlleistungen und Missverständnisse. Das ist die Hauptquelle für sprachliche Witzeffekte. Kalauer sind oft auf Wortspielereien und Wortverdrehungen aufgebaut. (Vgl. Freud, 1979)

Wird der Begriff des sprachlichen Verstehens auf Denken und Verstehen in Zeichen ausgeweitet, bewegen wir uns auf dem Gebiet der Semiotik. Peirce definiert Zeichen als: „ Anything which determines something else (its interpretans) to refer to an object to which itself refers (its object) in the same way, the interpretant becoming in turn a sign, and so on ad infinitum “ (Nadin, 1997, Bd. II, 151).

Semiotik als methodische Ausgangsposition dramapädagogischer oder theaterwissenschaftlicher Forschung bedeutet hier: Jedes Element des Theaters wird als funktionelles Zeichen in Relation zu allen anderen funktionellen Zeichen erfasst. In diesem Sinne kann ich nach Aston and Savon den Text in Relation zur Inszenierung diskutieren und damit allgemein zu Bühnenform, Schauspielern, Rollenbearbeitungen, Choreographie, zu Requisiten und überhaupt zu allen ästhetischen Effekten von der Musik bis zum Licht. (Vgl. Aston/Elan, 1995)

Auf dem Gebieten von Syntax, Semantik, Sigmatik und Semiotik bewegen wir uns jedoch nur im System von Zeichen und Bezeichnetem. Betrachten wir die Relation zwischen Zeichen und Zeichenbenutzer, bewegen wir uns auf dem Gebiet der Pragmatik. Hier bringe ich mich selbst in den Prozess ein. Wenn ich das Zeichen Z und irgendeinen beliebigen Zeichendeuter ZDx betrachte, werde ich selbst zu dem, der (Z>ZDx) deutet. Damit wir [(Z>ZDs) > ZDF], wobei ZDF der Forscher ist, der die Zeichen deutet. Damit habe ich aber nicht nur einen Forschungsgegenstand, sondern auch eine funktionale Beziehung zwischen Forschung und Forschungsgegenstand, zwischen Untersuchendem und Untersuchungsobjekt. Beides ist ein sich gegenseitig beeinflussender, dynamischer Prozess, der Konsequenzen sowohl für die Erstellung der Methode, den Forschungsprozess und die Resultate hat. Als Forschungsmethode kann die Pragmatik dazu dienen, eine Modelltheorie zur Analyse komplexer Probleme zu entwickeln. Modelltheorie bedeutet hier nach Stachowiak (1997):

„Theorien sind ‚Modelle’, eingebettet in pragmatische Bestimmungen, und sie werden erst zielgerichtet prüfbar, im Sinne des limitierten Holismus ‚justierbar’, kraft der inhaltlichen ‚Belegung’ dieses pragmatischen Rahmens.“ (Bd. II, 403)

Die Überprüfbarkeit ist jedoch von der subjektiven Erkenntniskraft des Forschers abhängig. Zunächst stehe ich immer vor dem Problem der Auswahl, wenn ich auf Tatsachen beruhendes Wissen als wissenschaftliche Daten benutzen will, um hieraus grundlegende Erkenntnisse zu gewinnen. Dieses Problem stellt mich in das Dilemma der Subjektivität. Um subjektive Auswahlkriterien als Forschungsergebnisse allgemeinverbindlich akzeptable zu machen, muss ich die Prämisse ihrer Auswahl begründen. (Vgl. Klotz, 1980; Nelson, 1990) Nach Rapoport kann die Naturwissenschaft ein abstraktes Modell entwerfen. Sie kann sich damit vom Untersuchungsgegenstand loslösen und die Resultate auf ein allgemeines Niveau heben. Die Humanwissenschaft und Erziehungswissenschaft, aber auch die Theaterwissenschaft kann sich niemals von ihrem Gegenstand völlig trennen.

Hinzu kommt, dass alle Menschen in ihrem Handeln von einem Wertsystem bedingt werden. Das Wertsystem des Forschers und das des zu erforschenden Objekts stehen in einem relativen Abhängigkeitsverhältnis. Nach Stachowiak (1997, Bd. II, 428) liefert der „ Systematische Neopragmatismus “ einen forschungsdynamischen Ansatz, dieses Problem zu lösen. Die zu treffenden Entscheidungen als individuelle oder kollektive Erkenntnisse müssen einem „ Geltungs- oder Richtigkeits-Warum “ (Stachowiak, 1997, Bd. II, 429) unterworfen werden, „ einer die Justierungsentscheidung orientierenden Gewichtung“ (ebenda). Diese „ Pragmatologische Ethik “ steht jenseits von „ Kognitivismus und Nonkognitivismus “. (ebenda)

Abgelehnt wird auch ein „ Objektivitätsanspruch ethisch-normativer Urteile, Prinzipien oder Kriterien - … - als auch die metaethische Problemverkürzung auf Bedeutungs- und Funktionsanalyse ethisch – normativer Orientierung.“ (Stachowiak, 1997, Bd. II, 429) Sie ist nicht einfache Beschreibung und auch keine „ motivistische Deutung von Wertäusserungen “. (ebenda) Pragmatologische Ethik ist „ korporatistisch “ (ebenda), und sie operiert nach einem kybernetisch-homöostatisch-ergodischen Modell: „ Die Erkenntnissysteme sind offen gegenüber deskriptiven und normativen Inputs. Das System beeinflusst seine Inputs, umgekehrt beeinflussen die Inputs das System.“ (Stachowiak, 1997, Bd. II, 429f.) Pragmatik bezieht sich hier auf die Forschungsmethode, die Forschungsarbeit als einen dialektisch dynamischen Vierphasenprozess zu erfassen.

Pragmatismus als Wissenschaft bezieht sich aber auch auf den Forschungsgegenstand selbst, der als Handlungswissenschaft oder „ Grammatik des Handelns “ (Pszczolowski, 1997, Bd. II, 33) bezeichnet wird. Nach Stachowiak (1997, Bd. II, 425) war es Peirce, der den Interpretanten in das semantische System einbrachte. Das war der Anfang einer pragmatischen Modelltheorie. Diese pragmatische Theorie von Peirce konstituierte sich aus:

„eine Dreigliederung des ‚Interpretanten’ gemäß dem Frageschema (a’) Theorie (allgemeines Modell) von wem? (b’) Theorie für welche Zeitspanne ihres Geltungsanspruchs (mit Bezug auf ihren Gegenstandsbereich)? Und (c’) Theorie zu welchem Zweck und Ziel? Diese Rekonstruktion ist erweiterbar um pragmatische Variablen, die etwa den Fragen (d’) Theorie für wen?, und (e’) Theorie unter welchen historischen Bedingungen? entsprechen.“ (Stachowiak, 1997, Bd. II, 426)

Diese Modelltheorie ist durchaus imstande, die Beziehung von Aufführung-Zuschauer zu erfassen. Anhand dieses pragmatischen Modells bleiben zwei Fragen offen: (1) die Frage der Effektivität und Wirkung der Lachprodukte, und (2) die Frage der Bedeutung im Zusammenhang eines Wertsystems als ethische und moralische Frage.

Zu (1): Mit der Frage der Effektivität und Wirksamkeit des Handelns beschäftigt sich die Wirkungslehre auch Praxeologie genannt. Effektivität und Wirksamkeit kann sich dabei (a) auf die effektive Zusammenarbeit innerhalb von Gruppen oder Kollektiven beziehen, (b) auf die Wirksamkeit von Beschlüssen und (c) auf die Effektivität, kollektiv gesetzte Ziele zu erreichen. Zu (2): Auf die Frage der Bedeutung im Zusammenhang eines Wertsystems weist auch Stachowiak hin. In dem Systematischen Neopragmatismus erwachsen drei Aufgabenbereiche aus gerade der Systematisierung der Praxis:

„(1) Einbettung wissenschaftlicher Theorien und Technologien in Systemexterne pragmatische Variablen (‚Interpretanten’bezug der Erkenntnisgebilde, (2) Ordnung wissenschaftlicher Aktivitäten nach projektbezogenen Forschungsprogrammen sowie der Einfügung solcher Programme in planmäßige operationalisierte Handlungssysteme,, (3) politisch-ethische Reflexion der epistemischen und epistemologischen Entscheidungsprozesse vor dem Hintergrund langfristiger Prospektiven.“ (Stachowiak, 1997, Bd. II, 424)

Der Erkenntnisprozess soll konstruktiv für den Prozess des gesellschaftlichen Wandels sein. Im Folgenden soll ein Grundmodell entwickelt werden, um Lachtheater überhaupt als Prozess erfassen zu können. Die Sprachwissenschaft hat hierzu bereits viele Beiträge geliefert. Schon oben wurde auf die Grundrelation von Peirce: Zeichen-Objekt-Interpretant-Verhältnis hingewiesen. Zeichen kann auch als „Modell“ bezeichnet werden: „ eine einfache, übersichtliche künstliche Anordnung (materieller oder gedanklicher Konstruktionen.)“ (Breuer, 1990, 98f.)

In der Relation von Modell und Objekt/Original befinde ich mich auf dem Gebiet der Semantik. Übertragen auf das Theater beziehe ich mich auf die Semiotik, denn Zeichen ist hier jedes Element der Aufführung, das zur Bedeutungsrelation in einem funktionalen Zusammenhang steht. Modell ist hier die Summe aller möglichen Zeichen einer theatralischen Darbietung. So wie jede Sprache ein mehr oder weniger großes Inventar an Zeichen, Strukturen und Kombinationsmöglichkeiten hat, so hat jeder, der eine Aufführung auf die Bühne bringen will, ein anderes potentielles Inventar zur Disposition. Dieses Modell wird mit der Inszenierung in ein bestimmtes Bedeutungssystem gebracht, das heißt, jeder der vorhandenen Teilmengen in dieser Inszenierung hat nicht nur eine Bedeutung in sich selbst, sondern erhält seine Bedeutung in Relation zu allen anderen ihn umgebenden Zeichen. Ich kann danach alle Sprachregeln verletzten und bewege mich immer noch in einem Sinngefüge. Dieses Sinngefüge ergibt sich aus dem Erkenntnisprozess des Rezipienten.

Wenn ich also in Analogie zur Sprachwissenschaft für das Theater eine „Grammatik“ aufstellen will, so wäre das erste Axiom der Dominanz: Das angestrebte Resultat ist ausschlaggebend für die Wahl der Mittel, ihre funktionale Zusammensetzung und für die pragmatische Aussagekraft auf der Szene. Ich kann das Prinzip der Effektivität direkt auf das Theater und Drama anwenden. Effektivität wird in diesem Zusammenhang eine funktionale Größe, die nur in Relation zur Zielgruppe und zu dem angestrebten Resultat definiert werden kann. Die Definition des Lachtheaters ist von hierher: Das angestrebte Resultat des Lachtheaters ist das Lachen des Rezipienten. Setze ich die angestrebte Wirkung als Modell für eine Gattungsbestimmung der Theaterprodukte, erhalte ich jeweils einen anderen Realitätsbezug im und auf dem Theater und ein anderes funktionales Beziehungssystem.

Ist zum Beispiel die Zielsetzung des Theaters Empathie als Miterleben und Mitleiden oder Katharsis als stellvertretendes Durchleiden, so wird das Zeichensystem des Theaters funktionell in diesen Bezug gesetzt. Alle strukturellen Mittel des Theaters bekommen von hierher ihre Funktion zugewiesen. Theater als fiktive Darstellung repräsentativ gelebter Wirklichkeit spiegelt Wirklichkeit damit auch nur gefiltert durch dieses Raster. Liegt die Zielsetzung des Theaters im Lachen der Zuschauer, so ist das gesamte Zeichensystem des Theaters ausschließlich auf diesen Blickwinkel ausgerichtet. Ich kann hier weder von fiktiver, noch von repräsentativer Wirklichkeit sprechen. Theater ist nur durch das Filter der Effektivität fassbar.

Gattungszuweisungen lassen sich dabei nur aus der Qualität der Relation zwischen Bühnengeschehen und Zuschauerraum erschließen. Vom Prinzip der Effektivität und Resultatbezogenheit her sind die üblichen Gattungsbezeichnungen der historischen Theaterwissenschaft und der Dramapädagogik unbrauchbar und/oder unwesentlich. Auch kann ich von diesem theoretischen Ausgangspunkt her nicht mehr von einem Theater für Kinder sprechen als Gegensatz zu einem Theater mit Kinder, denn in dieser Definition ist nur die Produktionsform als solche definiert: Erwachsene spielen Theater für Kinder oder Kinder spielen Theater für Kinder usw. Wenn ich die Effektivität als Wirkungslehre vom Theater zum obersten Prinzip erkläre, so kann ich von dieser Definition her das gesamte semiologische Zeichensystem des Theaters in einen funktionalen Zusammenhang setzen, um für die vorgegebene Zielsetzung die besten Resultate zu erzielen, aber auch, um innerhalb einer vorgegebenen Gruppe mit höchster Effektivität arbeiten zu können. Setze ich die Herausbildung eines moralisch und ethisch verantwortungsbewussten Menschen als oberstes Ziel, so muss ich alle funktionellen Mittel des Theaters derart kombinieren, dass ich für dieses Ziel die bestmöglichen Resultate erreiche.

Von dieser Sicht her sollen im Folgenden die Produkte des Theaters strukturell erschlossen werden, das heißt, von ihrer Effektivität her. Das gilt hier in erster Linie für die Produkte des Lachtheaters, das heißt da, wo Ziel und Zweck der Produktion die Lache des Publikums ist. Wo dieser Anspruch relativiert wird durch eine ethische, moralische, ästhetische, pädagogische oder andere Zielsetzung, muss diese Zielsetzung strukturell im Werk nachweisbar sein.

2.5 Übersicht über den methodischen Aufbau

Das erste Kapitel behandelt die formalen Aspekte. Diskutiert wird die Fragestellung, die der Arbeit zugrunde liegt, das Problem, die Hypothese, eine Definition der verwendeten Begriffe und eine allgemeine Diskussion der Methodologie.

Das zweite Kapitel beinhaltet allgemeine Betrachtungen über das Lachen. Ich gebe eine Übersicht über Theorien von Komik, Witz und Lachen. Hieran schliesst sich eine Theoriediskussion an und eine Übersicht über den methodischen Aufbau dieser Abhandlung.

Im dritte Kapitel wird die Forschungslage zum Thema Komik diskutiert und die Theorien über das Lachen, die als repräsentativ gelten können. Hierzu erfasse ich die Theorie der Überlegenheit, die Theorie der Unangemessenheit, die Theorie des zweckfreien Spiels, die Theorie vom Freiwerden der psychischen Kräfte und Hinweise auf die neuere Komikforschung. Anschließend hieran diskutiere ich das Prinzip der Spannung der Lache. Spannung entsteht aus dem Widerspruch, wenn zwei oder mehrere Dinge, Gebiete, Systeme usw. miteinander verbunden werden, wobei jedes Element in sich selbst logisch ist und Gültigkeit besitzt jedoch nicht mit den anderen Elementen (Dingen, Gebieten, Systemen usw.), zu vereinbaren ist.

Ausgangsposition zur Diskussion der Spannung ist die Einteilung in (1) verbale Komik, (2) nichtverbale Komik wie Typenkomik, Mimik, Pantomime, Gestik, Akrobatik, (3) Komik im semiotischen Zeichensystem als dramatischer, narrativer, lyrischer und/oder bildlich-metaphorischer Prozess; und (4) Komik bedingt durch die kontextuelle Situation.

Das vierte Kapitel behandelt das bürgerliche Lachtheater. „Bürgerlich“ bezeichnet die historische Zuordnung nach Klotz (1987, 12). Hiermit wird die Zeit von der Französischen Revolution bis heute erfasst. Eine geographische Begrenzung werde ich nicht vornehmen, da das bürgerliche Lachtheater die kapitalistische Lachkultur so nachhaltig geprägt hat, dass die gleiche Technik im französischen Vaudeville und im deutschen Schwank zu erkennen ist. Genausogut kann sie in den Lachproduktionen der Medienindustrie von Hollywood, Europa und Australien nachgewiesen werden. Von hierher kann bürgerliches Lachtheater mehr im Sinne einer globalen bürgerlich kapitalistischen Lachproduktion verstanden werden. Der Ausdruck „Lachtheater“ bezieht sich auf die Intention, alle Mittel des Theaters in Gebrauch zu nehmen, um das Publikum zum Lachen zu bringen. Das hat diese Kunstform so nachhaltig geprägt, dass man hier von einer Manipulation von Strukturen als mathematisches Puzzelspiel sprechen kann. Das Lachtheater wurde damit zur Kunst der strategischen Berechnung von Lachwirkung, die man als ballistische Logik bezeichnen kann. Das ist eine Berechnung von Schlachtplänen und Angriffskriegen. Es gibt hier nur Sieger und Besiegte, Drahtzieher und Marionetten. Paradigmatisch für Schwank, Farce, Posse und Vaudeville analysierte ich „Der Raub der Sabinerinnen“ von Franz und Paul von Schönthan.

Im fünften Kapitel versuche ich, ein Modell der Satire zu entwickeln. Satire definiert sich als Gattung von ihrer Mission her. Satire ist Intention, Wunsch und Wille zur Weltverbesserung und zur Mission. Satire wird nur als Transformationsprozess erfasst. Sie ist keine unabhängige Größe. Sie kann nicht von einer eigenen Struktur her definiert werden. Sie existiert innerhalb einer kontextuellen Situation als ritualisierte Aggression. Satire ist ein Parcours zwischen Herausforderung/Herausforderer und Herausgefordertem. Sie existiert nur solange der Vertrag zwischen allen Parten aufrechterhalten bleibt. Satire als Stilelement ist bedingt durch Parodie und Ironie.

Im sechsten Kapitel wird die Relation zwischen dem Werk und dem Rezipienten untersucht. Die Rezeptionssituation ist ein Prozess, der auch nur als Modell erfasst werden kann. Zur Diskussion steht nicht der individuelle Rezipient mit seinen intellektuellen, psychischen und physischen Voraussetzungen, zur Diskussion steht das Ritual. Das Ritual wird erstens in der Definition einer kollektiven Vereinbarung über die Rollenzuteilung in Handelnde und Zuschauende erfasst. Zweitens ist das Ritual ein Konsensus aller Teilnehmer, lebende Kunst im Unterricht als intellektuelle, emotionale und soziale Provokation anzuerkennen. Drittens ist das Ritual im Drama als Unterricht ein Konsensus aller Teilnehmer, den jeweils Agierenden in der jeweils aktuellen Rolle anzuerkennen.

Im siebten Kapitel wird analysiert, was geschieht, wenn der Schwank zur Satire wird und die Satire zum Schwank. Paradigmatisch für den Schwank wird auch hier „Der Raub der Sabinerinnen“ diskutiert. Paradigmatisch für den Transformationsprozess von der Satire zum Schwank wird „Arms and the Man“ auf Deutsch „Helden“ von Shaw analysiert. Die Theaterstücke von Shaw enthalten alle Elemente einer perfekten Satire, trotzdem wurden sie als Schwank oder Farce bekannt und berühmt. In dieser Diskussion von den Transformationsprozessen von Schwank und Satire soll nachgewiesen werden, wodurch Rezeptionsprozesse vonstatten gehen. Kann ich in freiem Ermessen bestimmen, welche Wirklichkeit ich für mich akzeptiere, beziehungsweise, welche Begriffe der Außenwelt ich perzeptiv aufnehme und wie ich sie rezipiere? Wodurch wird diese Perzeption gesteuert? Diese Fragen sind entscheidend für die Erkenntnistheorie. Wenn mein perzeptives Vermögen sowohl durch die kontextuelle Situation bedingt ist, als auch durch die Strukturen, ist es nicht nur von meinem freien Willen abhängig, welche Begriffe der Wirklichkeit ich mir zu Eigen machen kann und welche nicht.

Im achten Kapitel wird einerseits darauf fokussiert, wie, womit und wodurch fiktive ästhetische Welten etabliert werden. Andererseits analysiere ich, wie und unter welchen Bedingungen mehrere fiktive ästhetische Welten nebeneinander existieren können. Das wird anhand der Werke von Jansson diskutiert. Jansson, geboren 1914 in Helsinki, ist eine schwedisch-finnische Graphikerin und Schriftstellerin. Sie wurde weltweit als Verfasserin von Kinderbüchern, Comic und Serien berühmt. Das Bemerkenswerte in ihren Werken ist eine ganz spezielle Phantasiewelt. (Vgl. Wilpert, 1997, Bd. 1; Omland, 1975, 1f.; Holländer, 1983, 11f.; Ørjansæter, 1985, 20ff.; Westin, 1988)

Janssons Werk wählte ich, weil die Mumintrollbücher im skandinavischen Sprachraum vielfach in der Dramaarbeit mit Kindern im Kindergarten benutzt werden. Eine wesentliche Inspiration auf diesem Gebiet sind in Schweden die Arbeiten von Lindqvist (1992, 1995, 1997). Diese Bücher sind teilweise auch fachliche Pflichtlektüre an den Hochschulen in Norwegen in der Vorschullehrerausbildung. Das gilt besonders für „Ensam i vida världen“ (Lindqvist, 1992) und „Lekens muligheter“ (Lindqvist, 1997). An der Hochschule für Vorschullehrerausbildung „Dronning Mauds Minne“ in Trondheim wurde ein ganzes Jahr lang nur mit der Vermittlung von „Farlig midtsommer“ von Jansson als Figurtheater gearbeitet. (Vgl. Larsen/Hovik, 2000) Ein weiterer Grund, warum ich das Werk von Jansson zur Analyse wählte, ist die internationale, weltweite Verbreitung der Mumintrollwelt als Kindertheater, Figurtheater, Film, Fernsehen und Video für Kinder.

In Janssons Werk existieren immer mehrere ästhetisch fiktive Welten gleichzeitig neben und miteinander. Hier ist die Idylle neben dem Phantastischen und Grotesken etabliert. Manchmal ist alles ironisch gespiegelt. Dann scheinen satirische Gegenwelten aufgebaut zu sein. Dieses Neben-, Mit- und Gegeneinander verschiedener ästhetischer Welten zwingt den Rezipienten immer wieder aufs Neue, Welten aufzubauen. Keine Situation ist eindeutig in ihrem Sosein. Jede Situation zeigt immer auch andere Welten als Gegenmodelle und neue Auslegungsmöglichkeiten.

Das Ästhetische ist hier niemals ein konkreter Gegenstand, es ist immer nur ein Prozess. Alle Prozesse enthalten Transformationen und Übergänge von einem in etwas anderes. Keine dieser Transformationen ist willkürlich. Alle sind strukturell im Werk vorgegeben. Zum Beispiel führt die ironische Reflexion der Welt des Grotesken das Groteske selbst ad absurdum. Aber auch die Satire kann zum Absurden konvertieren. Denn wenn in die gestörte Idylle alle Raffinessen des Komischen eingebracht werden, so werden sie im Spannungsfeld der zerstörten Idylle noch einmal gebrochen, das heißt, die Zerstörung wird noch einmal komisch verzerrt und reflektiert. Das Zerstörte parodiert sich in der Komik selbst. Auch hier wird die Welt absurd. Das Absurde ist konvertibel mit dem Komischen. Es ist hier weniger existentielle Verzweiflung, sondern intellektuelle Neugierde, intellektuelles Experiment und/oder freies unbefangenes Spiel, Opposition gegen äußeren Zwang und Aufruhr. Auf diesem Niveau operiert das absolut Komische zusammen mit der existentiellen Ironie.

Ironie ist keine literarische Gattung. Sie kann als Stilmittel, als Methode, als Lebenshaltung und/oder Weltanschauung in jede andere literarische und dramatische Gattung eindringen. Wo Ironie thematisiert wird und wo Ironie zum Prinzip erhoben wird, zerstört Ironie sich selbst. Damit zerstört Ironie jede Form, jede Struktur und jede Gattung. Ironie ist immer nur Reflexion. Es ist der absolute sich selbst reflektierende Geist. Ironie ist Bewusstwerden der Intentionen und Bewusstwerden des Willens. Ironie ist damit Dynamik, die zum Handeln treibt. Im Bewusstwerden dieser Dynamik ist Ironie die Reflexion, die sich selber wieder in Frage stellt. Als solche ist Ironie die Kraft, die immer aufs Neue zur Aktion antreibt. Ironie als Prinzip der unendlichen Reflexion ist unendliche Verneinung. In der Negation der Negation ist Ironie aber auch unendliche Bejahung.

Die Affinität zwischen Ironie und Komik ist auffallend, denn Ironie und Komik sind das Grenzensprengende. Sie weisen immer über sich hinaus. Trotzdem ist Ironie nicht das Komische an sich. Das kann vielmehr in der Dynamik der Elemente zueinander gesucht werden. In diesem System ist Ironie ein Teil, um dieser Dynamik neue Kraft zuzuführen. Ironie ist aber auch ein Teil, um für die unendliche Bewegung zu sorgen. Ironie wird damit zur Kraft einer Transformation des unendlichen Bestandes des Seins zum Werdenden. Die Schwierigkeit ist hierbei, dass diese dynamische Kraft der Ironie nicht als Modell erfasst werden kann. Ironie ist nur Reflexion. Als solche wird sie als Prozess und Methode in die Diskussion eingebracht.

Das neunte Kapitel behandelt das Absurde als intellektuelles Spiel und Weltangst in der volkstümlichen Kunst und im Lachen und in der Komik des Kindes. Das Absurde ist einerseits die Auflösung von Strukturen. Die Deformation von nichtverbalen Strukturen führt zur Parodie und zur Groteske. Die Zerstörung von verbalen und nichtverbalen Strukturen und von narrativen und/oder dramatischen Strukturen führt zum Absurden. Das Absurde zielt auf die Zerstörung von Strukturen. Auch das Absurde wird am Werk von Jansson diskutiert.

Die Auseinandersetzung mit dem Werk von Jansson hat weitere Problemstellungen aufgeworfen. Denn einerseits erheben die Werke von Jansson, die ins Deutsche übersetzt wurden, den Anspruch, Kinderliteratur zu sein. Die einzelnen Werke von Jansson können aber sowohl als Satire, Parodie, Groteske oder absurde Kunst interpretiert werden. Andererseits wurde das Werk von Jansson wegen seiner Bedeutung im Bereich von Drama als Unterricht im skandinavischen Sprachraum ausgewählt. Das zehnte Kapitel behandelt darum Kinderliteratur im historischen Kontext und in der wissenschaftlichen Diskussion. Da auch hier der Schwerpunkt auf Lachen und Komik liegt, befasst sich dieses Kapitel im Wesentlichen mit den Relationen zwischen Lachen und Spiel, und Lachen und dem kognitiven Bewusstseinsprozess. Spiel ist immer ambivalent, es ist gleichzeitig abgrenzend und grenzüberschreitend. Spiel ist strukturierter Spielraum und gleichzeitig ein Überschreiten von Raum und Zeit. Hier wird Raum wieder „gelebte Zeit“ (Lippe, 1997, I, 332) und Zeit zu einer Einheit erfahrenen Lebens. (Vgl. Schäfer, 1997, Bd. II, 76)

Was Lachen, Komik, Satire, Groteske, Phantastik und Ironie für den Menschen bedeuten und für seine Lebensqualität, wird im elften Kapitel behandelt. Aber auch wie dies für die Ausbildung des Menschen angewandt werden kann. Im Fokus steht hier erstens Dramapädagogik im historischen Kontext. Zweitens wird Drama als Unterricht in der Persönlichkeitsausbildung diskutiert. Die Dramaausbildung erhält Bedeutung im Erlernen von der Kunst der Spannungsführung. Die Dramaausbildung setzt aber auch einen Bewusstseinsprozess in Gang, wenn Ironie und das Lachen des Obskuren und Magischen im Dramaunterricht bewusst reflektiert werden.

Der kognitive Bewusstseinsprozess entsteht im Konstituieren und im Aufbruch von Strukturen. Das elfte Kapitel behandelt auch die philosophische Frage der transzendentalen Theorie, wie Erkenntnisprozesse entstehen. Was die transzendentale Erkenntnistheorie nicht diskutiert, ist das Problem der Perzeption. Hiermit beschäftigen sich die Pragmatik und die philosophische Ästhetik. Da sich diese Arbeit auf den perzeptiven Prozess von Strukturen konzentriert, wird dieser Prozess als das Etablieren visueller Strukturen hier inkludiert.

Das zwölfte Kapitel ist eine Zusammenfassung und Diskussion der Methode. Es versteht sich als Rückblick auf die diskutierten Probleme, aber auch als Ausblick und Anregung weiterer Forschung der hier berührten Probleme, welche Bedeutung Lachen und die Lachprodukte für den kognitiven Bewusstseinsprozess und damit für den Lernprozess haben.

2.6 Ziel und Zweck der Abhandlung

Der Bewusstseinsprozess in, mit und durch das Lachen soll ermittelt werden. Erkenntnis ist ein reflexiver Prozess. Mit diesem Wechselprozess zwischen Perzeption der Umwelt und Ausformung eines Äquivalentes dieser Umwelt befassen sich sowohl die Philosophie der Ästhetik und die Erkenntnisphilosophie. Wie Erkenntnis durch den Prozess selbst gewonnen wird, daran ist speziell die Pragmatik interessiert. Allerdings ist diese Aufsplitterung in verschiedene Wissenschaftsgebiete problematisch. Historisch entspringen alle diese Fragestellungen der Philosophie. Kunst, Wissenschaft und Handwerk werden bis zur Renaissance als Einheit angesehen. Als die sieben „freien“ Künste wurden gelehrt: „ Grammatik, Rhetorik und Dialektik (…Trivium) und Musik, Astronomie, Arithmetik und Geometrie (…Quatrivium) “ (Scheer, 1997, 22) Auffallend ist hier die Einheit zwischen den sprachlich-logischen Disziplinen und den sinnlich vermittelten und mathematisch basierten Disziplinen. Die Ästhetik bezieht sich auf die sinnlich mathematische Vermittlung, die Erkenntnistheorie auf die logisch sprachliche Reflexion. Weniger erfasst wird der Anlass, warum und wodurch dieser Prozess in Gang besetzt wird.

Was ich in diese Debatte einbringe, ist die Begrenzung und der Zwang, der dem Menschen auferlegt ist durch die Beschaffenheit der Dinge. Nicht nur seine sprachlichen Strukturen sind nach eigenen Gesetzen reguliert, sondern alles, was wir perzeptiv erfassen, ist strukturiert. Diese strukturelle Formung geschieht nach eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Dies betrifft alle Sinneseindrücke, die visuellen, auditiven, taktilen, aber auch die chemischen Prozesse wie Geruchs- und Geschmackssinn. Die Eindrücke, die der Mensch über die Sinne von der Welt erhält, sind strukturell nach jeweils eigenen Normen und Regeln vermittelt. Diese Regeln zur Strukturierung sind dem Menschen angeborene Faktoren. Sie folgen eigenen Gesetzmäßigkeiten. Wie diese im Menschen perzeptiv empfangenen Eindrücke als gestaltete Kunstwerke wiedergegeben werden, ist ebenfalls als Prozess nach Regeln strukturiert. Desgleichen ist das fertige Produkt durch eigene Strukturen definiert.

Das Paradoxe liegt hier in den ästhetischen Strukturen fiktiver Welten. Denn Strukturen sind das Manifeste oder wie Blau (1997) formuliert: „Jede Struktur, von der wir reden, wird zur logisch-mathematischen Struktur.“ (Bd. IV, 354) Fiktive Welten sind in ihrem Sein nur in diesen Strukturen konkret vorhanden. Als gelebtes Sein existieren sie nur im Bewusstsein des Menschen. Das Bewusstsein des Menschen ist logisch reflexiv etabliert. Der Prozess der Etablierung von Innenwelt als Bezugspunkt logischer Reflexion erfolgt nach den Gesetzten der sprachlichen reflexiven Logik. Diese sprachliche Logik folgt eigenen Gesetzmäßigkeiten, die anderen Bedingungen unterliegen als die mathematisch strukturell perzipierte Außenwelt.

Das ist ein doppeltes Paradox, denn einerseits erzeugt die Perzeption als visuelles, auditives und taktiles Erfassen von Umwelt in ihrem strukturell sich konstituierenden Sein ein Paradox im Menschen, andererseits kann sich der Mensch auf dieses paradoxe Konstituieren von Welt nur reflexiv mit seinem logischen Sprachsystem beziehen, das auch wieder eigenen Gesetzen folgt. Das heißt, das eine logisch strukturierte System wird durch das andere diesen autonom gegenüberstehenden logischen System bewusst reflektiert und in seinem Werden zum Sein erklärt, wobei jedes dieser Systeme sich nach eigenen Gesetzen konstituiert, die nicht miteinander in Übereinstimmung gebracht werden können. Darum bewegt sich der Mensch im Erfassen und Bewusstwerden von Welt und in der bewussten Reflexion auf Welt immer nur im Paradoxen.

Das Bewusstwerden des Paradoxen geschieht besonders und speziell im, mit und durch das Lachen. Lachen entsteht in der Spannung des Paradoxen. Lachen führt in Reflexion auf diese paradoxe Situation zur Erkenntnis. Erkenntnis wird im Sinne der Erkenntnistheorie und der philosophischen Ästhetik zum Reflexionsprozess auf den Prozess dieses Kräftespiels in uns. Die Intention dieser Abhandlung ist, das Paradoxe der Strukturen des Komischen aufzudecken und zu analysieren. Wie und wodurch zwingen sie zum Lachen oder auch zum Gegenteil des Lachens? Ziel dieser Analyse ist aber auch der Erkenntnisprozess selbst.

Es gibt eine Grammatik der Strukturen. Das ist leicht nachvollziehbar in der Dramaturgie des Lachtheaters. Schwieriger ist die Frage der Struktur in der Welt des Phantastischen, der Groteske und des Absuden. Struktur manifestiert sich hier anders, Struktur ist hier immer auch ein Prozess, der sich erst in der Begegnung mit dem Rezipienten vollzieht. Anders ist auch die Relation des Rezipienten zu den Strukturen des Phantastischen und Absurden, anders ist der Einfluss der Strukturen des Phantastischen und Absurden auf den Rezeptionsprozess im Menschen, anders ist dabei auch die Vermittlung von Welt und Erkenntnis. In allen Formen, Normen und Strukturen ist aber das Lachen das Moment, das sowohl aus dem Paradoxen der Situation entspringt, das aber auch auf das Paradoxe der Situation hinweist.

Der kognitive Bewusstseinsprozess ist eine aktive Handlung als Reflexion auf dieses Spiel der Strukturen. Es ist ein Etablierungsprozess nach festen Strukturen. Jeder der menschlichen Sinne folgt eigenen Strukturierungsgesetzen. Das Etablieren von Wirklichkeit im Menschen ist notgedrungen immer das Resultat aus der paradoxen Situation, dass der Mensch das logisch zusammenfügt, was offenbar nicht zusammen passt.

3 LACHEN ALS PRODUKT

Dieses Kapitel behandelt Theorien des Komischen und strukturelle Modelle des Komischen. Hierbei werden folgende Gebiete erfasst: (1) Die verbalen Strukturen des Komischen, (2) die nichtverbalen Strukturen des Komischen wie Mimik, Gestik, Pantomime und (3) das Komische im semiotischen Zeichensystem. Zum semiotischen Zeichensystem gehören zum Beispiel das Geschehen auf der Bühne in der szenisch-theatralischen Gestaltung der Wirkungsmittel von Bühnenbild, Kostüme, Masken, Requisiten, Musik, Gesang und Tanz, in der Darstellung von Epochen, Zeitalter, Milieu, in der Kombination aller verbalen und nichtverbalen Elemente und aller bildlichen-metaphorischen und symbolischen Zeichen.

3.1 Theorien des Komischen

Ich versuche kurz, wesentliche Beiträge der Theorien des Komischen zu beschreiben. Zusammenfassend kann zu all diesen Theorien gesagt werden: Jede Theorie des Lachens hat einen Wahrheitsgehalt. Keine der Theorien vermag, Lachen voll und ganz ausschöpfend zu beschreiben. Trotzdem kann vermutet werden, dass es allgemeinverbindliche Strukturen in den Lachprodukten gibt, und dass diese Strukturen mit bestimmten Verhaltensmustern des Menschen übereinstimmen. Seit Aristoteles gib es viele Theorien über das Lachen, das Komische, die Komödie, Humor usw., zu viele als dass sie hier auch nur annähernd vollständig erfasst werden könnten. Ich werde darum die wesentlichsten Theorien zur Lachforschung in nur einigen wenigen Hauptpunkten zusammenfassen.

Die Theorie der Überlegenheit

Das ist die Theorie der Machtausübung, der Dominanz und des agressiven Witzes. (Vgl. Charney, 1987, 3; Nelson, 1990, 3; Palmenfeldt, 1996, 14) Hier hat das Lachen seine Wurzeln im Bösen. Das Lachen ist das Böse an sich: „Laughter is often discordant, malicious, or vindictive“ (Nelson, 1990, 2)

[...]

Ende der Leseprobe aus 231 Seiten

Details

Titel
Das Lachen. Struktur und Kontext von Lachprodukten
Veranstaltung
Dramapädagogik
Note
Mit Auszeichnung
Autor
Jahr
2001
Seiten
231
Katalognummer
V304009
ISBN (eBook)
9783668022898
ISBN (Buch)
9783668022904
Dateigröße
1515 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
«Et av høydepunktene i avhandlingen er analysen av transformasjonsprosesser mellom ulike former for komikk … Avhandlingen har stor teoretisk bredde og dybde og representerer analyser av sjelden skarphet og kompleksitet. Den representerer et dramapedagogisk pionerarbeid gjennom sine studier av latteren og komikkens epistemologiske funksjon.» (Ass. Prof. - Reviewer)
Schlagworte
lachen, struktur, kontext, lachprodukten
Arbeit zitieren
Dr. phil. MA Heide Marie Herstad (Autor:in), 2001, Das Lachen. Struktur und Kontext von Lachprodukten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304009

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