Bildungssprache als Voraussetzung für Bildungserfolg. Problematik und Sprachförderung


Trabajo, 2015

22 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Gliederung

1) Einleitung

2) Die Problematik der Bildungssprache
2.1) Begriffsbestimmung
2.2) Bildungssprache und die Reproduktion sozialer Ungleichheit im Anschluss an die Theorie Bourdieus

3) Forschungsstand

4) Sprachförderung mittels sprachsensiblen Fachunterrichts
4.1) Prinzipien und Programmatik des sprachsensiblen Fachunterrichts
4.2) Der Beitrag des sprachsensiblen Fachunterrichts zur Bildungs- gerechtigkeit

5) Fazit

6) Bibliographie

1) Einleitung

Im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Artikel 3.3) ist festgehalten, dass kein Mensch aufgrund von Abstammung, Geschlecht, Herkunft, Sprache oder anderem benachteiligt werden darf. Internationale Schulleistungsvergleichsstudien, wie PISA, TIMSS und IGLU haben jedoch in den letzten Jahren gezeigt, dass es sich im Bildungsbe- reich um eine illusionäre Vorstellung von Chancengleichheit handelt (vgl. Gomolla 2011, 181). Sie stellten fest, dass Bildungserfolg unter anderem von der sozialen Herkunft ab- hängig ist (vgl. Gogolin; Lange 2011, 108), was zur vermehrten Aufmerksamkeit an der Reproduktion sozialer Ungleichheit durch die Institution Schule, sowohl in der Öffent- lichkeit und Wissenschaft als auch im politischen Bereich führte (vgl. Maaz; Baumert; Trautwein 2009, 11). Die Mechanismen dieser Problematik wurden seitdem in diversen qualitativen Studien beschrieben und analysiert (vgl. a.a.O., 24). Herausgestellt wurde, dass Schule auf unterschiedliche Weise und an verschiedenen Stellen (vgl. Gomolla 2001, 188) innerhalb und außerhalb des Bildungssystems soziale Ungleichheit reproduziert (vgl. Maaz; Baumert; Trautwein 2009, 13). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll diese Problematik innerhalb der Schule, die spätestens seit den Arbeiten von Bourdieu und Passeron in den Blick der Forschung getreten ist (vgl. a.a.O., 23), aufgrund sprachlicher Kompetenzen genauer betrachtet werden. Zu diesem Zweck eignet sich die Theorie Bourdieus, die im Laufe des letzten Jahrzehnts wie kaum eine andere an die Belange der Bildungssoziologie angepasst wurde (vgl. Hillebrandt 2012, 437), in besonderem Maße (vgl. Fürstenau; Niedrig 2011, 69).

Sprachlichen Fähigkeiten kommt im schulischen Kontext eine Schlüsselfunktion zu (vgl. Berendes; Dragon; Weinert; Heppt; Stanat 2013, 17), wobei Verständnis und Verwen- dung des bildungssprachlichen Registers vorausgesetzt wird, ohne dessen Beherrschung die Erfolgswahrscheinlichkeit im deutschen Bildungssystem abnimmt (vgl. Gomolla 2011, 189). Seit den Erkenntnissen der internationalen Schulleistungsvergleichsstudien und den daraus resultierenden Bemühungen sozialer Ungleichheit entgegenzuwirken, wurden verschiedene Projekte zur Förderung der sprachlichen Kompetenzen entwickelt, von denen eines das Konzept des sprachsensiblen Fachunterrichts ist (vgl. Kruczinna 2010, 188).

Im Folgenden wird zunächst genauer auf die Problematik der Bildungssprache eingegan- gen werden. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich Charakteristika und Implikatio- nen der Bildungssprache zu bestimmen, um anschließend ihren Beitrag zur Bildungsunge- rechtigkeit, anhand der Theorie Bourdieus zu analysieren. Nachdem ein kurzer Überblick über den aktuellen Forschungsstand gegeben wurde, sollen Prinzipen, sowie Programma- tik des sprachsensiblen Fachunterrichts verdeutlicht werden, um abschließend herausstellen zu können, inwiefern der sprachsensible Fachunterricht der Reproduktion sozialer Ungleichheit entgegenwirken kann.

2) Die Problematik der Bildungssprache

2.1) Begriffsbestimmung

Bildungssprache bezeichnet ein formelles Sprachregister1 (vgl. Gogolin; Lange 2011, 111), dass vor allem im Kommunikationsfeld der Schule und Bildung, aber auch im All- tag verwendet wird (vgl. Feilke 2012, 5f). Dass Bildungssprache auch im Alltag Verwen- dung findet, obwohl sie sich von der Alltagssprache unterscheidet, liegt darin begründet, dass sie eine historisch herausgebildete Sprachform darstellt und somit integrativer Be- standteil des Sprachsystems ist (vgl. a.a.O., 6). Eine eindeutige und allgemeingültige Ab- grenzung der Bildungs- von der Alltagssprache ist daher und auch aufgrund der derzeiti- gen, geringen empirischen Befundlage (vgl. Eckhardt 2008, 73) nicht möglich (vgl. Berendes et.al 2013, 24). Im Folgenden soll aber dennoch versucht werden das bildungs- sprachliche Register anhand verschiedener sprachlicher Ebenen zu charakterisieren und von der Alltagssprache abzugrenzen.

Auf lexikalisch-semantischer Ebene zeichnet sich die Bildungssprache durch differenzier- te und abstrahierende Ausdrücke, Nominalisierungen und Komposita, sowie die Verwen- dung von Fachbegriffen aus (vgl. Gogolin; Lange 2011, 113). Zudem weist sie komplexe- re syntaktische Strukturen als die Alltagssprache auf (vgl. Berendes et. al. 2013, 25), in- dem unter anderem Passivkonstruktionen und Partizipalattribute (vgl. Feilke 2012, 5), sowie sub- und koordinierende Konjunktionen eingesetzt werden (vgl. Berendes et. al. 2013, 24). Auf diese Weise kann Bildungssprache Inhalte, die weitgehend aus dem Kon- text herausgelöst sind darstellen, während die Alltagssprache kontextgebunden verwendet wird (vgl.Feilke 2012, 6). Aufgrund dieser Merkmale wird sie zwar dem schriftsprachli- chen Gebrauch zugeordnet, medial aber ebenso mündlich eingesetzt (vgl. Gogolin; Lange 2011, 111), wobei es sich vornehmlich um monologische statt dialogische Sprechakte handelt (vgl. Berendes et. al. 2013, 25). Cummins (1984, 139f) prägte in diesem Zusam- menhang den Terminus cognitive academic language proficiency (CALP) und setzte die Reduktion der Kontextgebundenheit mit dem kognitiven Anspruch der sprachlichen Äu- ßerungen in Beziehung. Demnach verlangt das Verständnis, ebenso wie die Verwendung der Bildungssprache ein „[…] kognitiv abstrahierendes Sprachdenken […]“ (Feilke 2012, 6), zumal zahlreiche Komponenten des bildungssprachlichen Registers für das Verstehen bereits ein Verständnis voraussetzen (vgl. a.a.O., 5). Dies gilt sowohl für die bereits ange- führten Merkmale, als auch für spezifische Sprachhandlungen, wie analysieren, beschrei- ben, erklären und anderen, die diesem Register zuzuordnen sind (vgl. Thürmann; Vollmer 2013, 226). Hinter diesen, im Bildungssektor als Operatoren bezeichneten sprachlichen Aktivitäten steht ein Konzept, in dessen Zusammenhang Schülerinnen und Schüler be- stimmte Konventionen kennen und beachten müssen (vgl. Feilke 2012, 12). Dass Bil- dungs- und Alltagssprache signifikante Unterschiede aufweisen, geht deutlich hervor (vgl. Lange 2012, 126). Denn letztere ist vornehmlich durch einen starken Kontextbezug, einen reduzierten Wortschatz und einfache syntaktische Strukturen gekennzeichnet (vgl. Berendes et. al. 2013, 24f). Schule kann daher als sozialer Ort verstanden werden, an dem verschiedene sprachliche Register verwendet und auch beherrscht werden müssen. Dies meint sowohl den Gebrauch von Bildungs- und Alltagssprache, als auch von Schul2 - und Fachsprache3 (vgl. Lange 2012, 128), die Überschneidungen mit dem bildungssprachli- chen Register aufweisen (vgl. Gogolin; Lange 2011, 112).

Die Kommunikation innerhalb der Institution Schule folgt somit eigenen Gesetzmäßigkei- ten (vgl. Eckhardt 2008, 49). Allerdings setzt sie die Verwendung des bildungssprachli- chen Registers voraus, ohne sie zu lehren, wobei der bildungssprachliche Anteil im Bil- dungsverlauf zunimmt, das heißt, desto höher die Schulform, desto stärker wird die Be- herrschung des bildungssprachlichen Registers gefordert (vgl. Gogolin; Lange 2011, 111). So wird sie in Lehrwerken, Unterrichtsgesprächen, Aufgaben und anderen Unter- richtsmaterialien verwendet (vgl. ebd.), was von den Schülerinnen und Schülern die Fä- higkeit verlangt Bildungssprache zu verstehen, um Aufgaben bearbeiten und Vorwissen aktivieren zu können (vgl. Feilke 2012, 7). In diesem Zusammenhang zeigt sich die enge Verbindung von Bildungssprache und Wissenserwerb, sowie dessen Präsentation (vgl. a.a.O., 10). Der Sprache kommt somit in der Schule eine doppelte Funktion zu. Einerseits dient sie als Medium der Vermittlung und Aneignung von Wissen und andererseits zum Nachweis, dass dieses Wissen erfolgreich erworben wurde (vgl. Lange 2012, 126). Die Nichtbeherrschung des bildungssprachlichen Registers wirkt sich daher in zweifacher Weise negativ auf den Bildungserfolg aus. Obwohl sie keinerlei Aussagen über fachliche Kompetenz und Lernfähigkeit der Schülerinnen und Schüler ermöglicht, wird die man- gelnde Beherrschung der Bildungssprache oft als kognitives Defizit und als Indikator für einen gescheiterten Wissenserwerb angesehen (vgl. Gomolla 2011, 188f). Weiterhin be- deutet dies, dass Schülerinnen und Schüler mit geringen bildungssprachlichen Kompeten- zen parallel zum Sachlernen im Unterricht zusätzlich eine neue Sprachform erlernen müs- sen, was ohne angemessene Förderung häufig überfordernd wirkt (vgl. Eckhardt 2008, 74). Studien haben gezeigt, dass in Deutschland vor allem die Schülerinnen und Schüler erfolgreich in der Schule sind, die auch außerhalb der Institution Zugang zu bildungs- sprachlichen Kompetenzen haben (vgl. Gogolin; Lange 2011, 116). Die somit generierte Bildungsungerechtigkeit soll im Folgenden unter Bezugnahme auf die Theorie Bourdieus analysiert werden.

2.2) Bildungssprache und die Reproduktion sozialer Ungleichheit im Anschluss an die Theorie Bourdieus

Die gesellschaftstheoretisch eingebettete4 Theorie Bourdieus eignet sich in besonderem Maße um das Verhältnis von Sprache und der Reproduktion sozialer Ungleichheit durch die Institution Schule zu analysieren (vgl. Fürstenau; Niedrig 2011, 69f). Zentrale Aspek- te seiner Theorie sind die Kapitaltheorie und das Habituskonzept (vgl. Hillebrandt 2012, 441), die im Folgenden im Hinblick auf bildungssprachliche Kompetenzen genauer be- trachtet werden sollen.

Nach Bourdieu lassen sich drei wesentliche Arten von Kapital unterscheiden, die in institutionalisierter, objektivierter und inkorporierter Form existent sind (vgl. Bourdieu 2012, 229f). Zum einen handelt es sich um das ökonomische Kapital, das sich auf den Besitz einer Person bezieht und zum anderen um das soziale Kapital, welches Umfang, sowie Qualität der sozialen Beziehungen meint (vgl. Fürstenau; Niedrig 2011, 71). Da diesen Kapitalarten im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch keine besondere Bedeutung zukommt, soll nicht näher darauf eingegangen und sich im Folgenden auf das kulturelle Kapital und das Habituskonzept beschränkt werden.

[...]


1 Ein Sprachregister bezeichnet eine bestimmte Art und Weise zu sprechen (vgl. Lange 2012, 125), die durch den Kommunikationsort und -erwartungen, sowie den Gesprächspartner bestimmt wird (vgl. Berendes et. al. 2013, 20).

2 Schulsprache meint ein sprachliches Repertoire, das zu didaktischen Zwecken eingesetzt (vgl. Feilke 2012, 5) und ausschließlich in der Schule verwendet wird (vgl. Gogolin; Lange 2011,112).

3 Fachsprache umfasst fachspezifische sprachliche Strukturen und Begriffe, die außerhalb des Faches selten bis nicht gebraucht werden. Auf diese Weise ermöglicht sie eine präzise und effiziente Verständigung (vgl. ebd.).

4 Bourdieus Theorie zur Reproduktion sozialer Ungleichheiten ist insofern gesellschaftstheoretisch, als dass die strukturelle Verteilung der Kapitalarten der gesellschaftlichen Ordnung entspricht (vgl. Bourdieu 2012, 230), die sich wiederum direkt auf den Bildungssektor übertragen lässt (vgl. Bremer 2012, 835). In der Gesellschaft existieren also Machthierarchien, die von der Schule reproduziert werden (vgl. Gellert 2013, 214).

Final del extracto de 22 páginas

Detalles

Título
Bildungssprache als Voraussetzung für Bildungserfolg. Problematik und Sprachförderung
Universidad
University of Göttingen
Calificación
1,0
Autor
Año
2015
Páginas
22
No. de catálogo
V304261
ISBN (Ebook)
9783668025509
ISBN (Libro)
9783668025516
Tamaño de fichero
498 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
bildungssprache, voraussetzung, bildungserfolg, problematik, sprachförderung
Citar trabajo
Janike Kyritz (Autor), 2015, Bildungssprache als Voraussetzung für Bildungserfolg. Problematik und Sprachförderung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304261

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Bildungssprache als Voraussetzung für Bildungserfolg. Problematik und Sprachförderung



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona