Die Pflege im Krankenhaus. Ein unterschätzter Marketingfaktor?


Dossier / Travail, 2015

19 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Musik und Gesellschaft
2.1. Musik als Kommunikationsmedium
2.2 Geschichte der Rockmusik

3. Grunge
3.1 Musik
3.2 Szene
3.3 Medien

4. Grunge als Kommunikationsmedium

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Für jeden Moment gibt es eine Melodie. Die Möglichkeit den Gefühlen freien Lauf zu lassen erstreckt sich über die abwechslungsreiche Plattensammlung. Musik ist ständiger Begleiter in alltagsästhetischen Lebenswelten: Wir grölen das Stadionlied der begehrten Fußballmannschaft, oder tanzen zu unserem Lieblingssong den der DJ in unserem Lieblingsclub spielt, singen unter der Dusche und oft begleiten uns die verfluchten „Ohrwürmer“. Wir hören Musik weil wir die Band live gesehen haben und verbinden mit dem einen oder anderen Song Erlebtes. Musik begegnet uns in Filmen und in der Werbung, erzeugt Emotionen in uns, gibt dem gespielten Bild diese eine bestimmte Atmosphäre. Sie verleiht uns mit Dramatik oder Romantik emotionales Wellenreiten. Musik plakatiert den Moment und schreibt in ihn auf jeder gleichen Art und Weise das richtige Gefühl ein. Wir erinnern uns an Vergangenes, wenn wir diesen einen Song hören: „Gerade weil das Auge in jedem Moment mehr Informationen zu verarbeiten hat, muss das visuelle Gedächtnis effektiver löschen können, um die Kapazitäten des Sehens für neue Informationen freizuhalten; während der Hörsinn, der mit wenigen Neu-Informationen auszukommen hat, umso stärker auf Erinnerung zurückgreifen muss“ (Maeder/ Brosziewski 2011: 64).

Musik ist von allen anderen Darbietungskünsten, diejenige die jedem zugänglich ist. Betrachtet man die Literatur oder Malerei, Bildhauerei oder Street Art, Tanz und Musicals so wird ganz schnell deutlich, dass obgleich Geschmack oder nicht Geschmack die Zugänge unterschiedlich sind und geprägt werden durch den sozialen Hintergrund. Kein anderes Kommunikationsmedium transportiert für alle Menschen dieser Welt ein ähnliches Empfinden wie Musik, unabhängig von Herkunft, sozialer Status oder kulturellen Hintergründen. Jeder Mensch ist fähig die mitteleuropäische harmonische Musik zu verstehen (vgl. Bruhn 2008). Wir können bewusst wahrnehmen, wie Musik beschaffen ist, ob es schnelle oder ruhige Musik ist, ob es harmonisch oder disharmonische Musik ist, die wir hören. Ebenso löst sie gleichzeitig eine spezifische Emotion aus. Auch wenn wir grundlegende Emotionen, wie z.B. Freude, Wut und Traurigkeit im Ausdruck gleichsam verstehen, ist die Entstehung der Emotion durch Umwelteinflüsse nicht für jeden gleich. Im Fall von Musik heißt das, dass wir sie unterschiedlich wahrnehmen, wir verweben sie mit unserer gegenwärtigen Stimmung. Musik ist subjektiv und hat immer den Raum für etwas Unbeschreibliches. Interessanterweise lassen sich Kontrast- und Kongruenzeffekte in der Musikwahrnehmung abbilden (vgl. Bruhn 2008: 61). Kongruent ist Musikwahrnehmung wenn bedrückte und traurige Stimmung verstärkt wird, durch das hören von trauriger Musik. Kontrastierende Effekte entstehen dann, wenn der Hörer trotz fröhlicher Stimmung, traurige Musik als solche wahrnehmen kann (vgl. Bruhn 2008: 61). Bruhn verweist dabei auf amerikanische Studien, die Strukturmerkmale der Musik in direkter Beziehung zu Emotionen herstellen, mit dem Ergebnis, das schnelle Musik als fröhliche Musik wahrgenommen wird und langsame Musik als eher traurige Musik wahrgenommen wird (vgl. Bruhn 2008: 75).

Musik wird in differenten Kategorien kenntlich gemacht, um die Unterschiede von Themen, Harmonien, Rhythmen, Instrumente in einer bestimmten Art von Musik auszumachen. Musik entfacht ein regelrechtes Bündel verschiedener expressiver Handlungen in der Musikwahrnehmung. So schaut man sich ein Rockkonzert live an und bewegt sich dazu nach einer bestimmten Art und Weise. Man bewegt sich wohlmöglich in einer Szene, die bestimmte Musik präferiert. Man hört vielleicht nicht nur die gleichen Bands, man bewegt sich in szenentypischen Räumen, bedient sich der szenentypischen Codes, um ein Teil davon zu sein. Musik ritualisiert und habitualisiert Interaktionsmuster zwischen Musiker und Publikum. Sie wird dadurch ein Stück weit berechenbar und gleichzeitig bricht sie die Regeln, um unterhaltsam für den Hörer zu sein. Rotter bringt den Unterhaltungswert von Musik wie folgt auf den Punkt: „Die Entwicklungen zu einer funktional differenzierten Gesellschaft die Musik von anderen sozialen Verflechtungen und Verpflichtungen befreit und ihre Selbstzwecklichkeit als akustische Spezialisierung etabliert hat“ (Rotter 1985: 76).

Aber Musik ist nicht nur die Verkörperung von Lebensgefühl, Emotion und Gleichgesinnt-Sein, sie hat auch einen Warencharakter. Sie ist Tauschmittel, eine Ressource und somit Objekt von Angebot und Nachfrage. Theodor W. Adorno attestiert der Musik einen spezifischen Fetischcharakter, der darin geschuldet sei, einem paradoxen Gehalt eines Musikobjekts als beziehungslose und gleichzeitig unmittelbar greifbare Illusion zu sein (Adorno 1982: 20). Dieser Funktionswechsel, so Adorno, „rührt an den Grundbeständen des Verhältnisses von Kunst und Gesellschaft“ (Adorno 1982: 20). Insofern ist sie das, dass sie nicht nur über die Bedingung des Codes hässlich oder schön fungiert, sondern auch über die Codes Haben oder nicht Haben kommuniziert.

Um Musik im Verhältnis zur Gesellschaft zu setzen, bedarf es mehrerer Perspektiven: Zum einen ist Musik Gegenstand des Informationssystems der Medien. Sie entscheiden über Hop oder Top auf der Bildfläche. Zum anderen ist Musik Teil eines Kunstsystems und mit Betrachtung des Kunstschaffenden, dem Musiker, in der Interaktion und Bezugnahme zum Publikum, eingebettet in gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Hintergründe, zu verstehen. Darüber hinaus, wie schon angedeutet, ist Musik als Ware im Sinne ihres Tauschwertes zu betrachten, ob es die Eintrittspreise eines Konzerts sind, der mediale Hype der den Musiker zum Star macht und damit zur (Massen)Ware expandiert oder die längst verblichenen Vinylscheiben zur nostalgischen Premiumware gehandelt werden. Musik hat einen Markt und ist Gegenstand des Wirtschaftssystems.

Aufgrund dessen muss Musik immer im Verhältnis transdisziplinärer Augen fokussiert werden. Während sich die Musikwissenschaften im technischem Handwerk versteht, so blickt die Musiksoziologie besonders auf die Akteure, eingebettet in ihr soziales Umfeld und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Prozesse. Codes, Symbole und Mechanismen, die Musik zum Lebensstil und zu Szenen beleben, sind neben, musikpsychologischen und medienwissenschaftlichen Überlegungen zentrale Aspekt dieser Arbeit. Derart werden diese Prozesse anhand der Grunge Szene in Seattle Mitte der achtziger Jahre im zwanzigsten Jahrhundert betrachtet. Dabei ist wesentlich und unverkennbar, dass historische Begebenheiten musikgeschichtlich und gesellschaftlich immer im Zusammenhang stehen mit der Musik Grunge und der Szene Grunge. Ein zentraler Punkt ist in diesem Zusammenhang die Generation X, die Grunge Fans in ihrer sozialen Umgebung und in ihrer medialen Prägung und den damit einhergehenden Lebensumstände und gesellschaftskritischen Verlautbarungen erklärt. In dem Punkt sei noch darauf hinzuweisen, dass Generation in dem Zusammenhang als eine Geburtskohorte begriffen wird. Man spricht hier von der Generation X im direkten Zusammenhang mit dem charakterisierenden musikalischen Einfluss Grunge. Spätestens hier entwachsen mediale Konstruktionen, die enormen Widerhall erfahren. Im Kern wird eine Jugendbewegung betrachtet, die im Zeichen ihrer selbst sich als Gegenbewegung versteht.

Nun werden Jugendbewegungen oft mit bestimmten musikalischen Präferenzlagen verbunden. Das liegt daran, dass Musik machen und Musik hören eine der wichtigsten Einflüsse auf die Entwicklung Heranwachsender ist. Sie verleiht ihnen Identität, gibt ihnen Halt, drückt ihre Gefühle aus und begegnet ihnen mit Spaß und Erleben, und kann zum Sprachrohr einer ganzen Generation werden. So wird zusammenfassend eine Analyse eines musikalischen Phänomens, Grunge, im direkten Verhältnis von Musikmachenden und Musikhörenden eingeschrieben in mediale Realitäten, um in letzter Instanz zu offenbaren: Inwiefern Grunge als (Kommunikations)-medium generationaler Gesellschaftskritik zu verstehen ist?

Die Autoren Maeder und Brosziewski bemängeln, dass die Soziologie, wie sie schreiben, „sich eine lautlose und soundfreie Sozialwelt“ vorstellt. Sie fordern von der Jugend- und Szeneforschung eine bedeutsame Vergegenständlichung von „Krach, Geräusch und Musik“ aufzudecken (vgl. Maeder/ Brosziewski 2011: 162). Um einer Annäherung zur Gewinnung von Musik als bedeutsamen Gegenstand von Jugendszenen gerecht zu werden, soll in dieser Arbeit durch eine Analyse von Anti-Stars, einer konstruierten Generation X und einer Musik, die so viel mehr ist, als das für was sie verkauft wurde. Im folgenden Kapitel wird das Künstler-Hörer Verhältnis vergegenwärtigt, eingebettet in soziale, gesellschaftliche und musikhistorische Hintergründe der Grungebewegung.

2. Musik und Gesellschaft

Um das Verhältnis von Musik zur Gesellschaft zu analysieren, bedarf es eines umfassenden Wirkungszusammenhang, der primär Musik als Gegenstand von Gesellschaft ausmachen soll. Von diesem Punkt aus soll Musik als Kommunikationsmedium betrachtet werden. Musik als Bindeglied zwischen Individualgruppen. Ob als Protest oder bloßer Unterhaltung, Musik transzendiert als Lebensstil und kann ebenso als politisches Sprachrohr generationaler Empfindungen begriffen werden. Allein die massenhafte Flucht in bloße Berieselung von Populärmusik könnte bedeutend für gesellschaftliches Flüchten aus vermeintlich alltäglicher Trostlosigkeit sein. Damit ist erst eimal gemeint, dass Musik grundsätzlich einen Unterhaltungswert besitzt. Neben vielen anderen Freizeitmöglichkeiten ist Musik die, die am meisten genutzt wird. Tendenziell kann man aber sagen, dass Jugendliche besonders oft angeben, dass sie Musik gerne hören. Im weiteren Verlauf des Lebens nimmt die Wichtigkeit von Musik etwas ab. So ergab sich aus der JIM Studie 2013, dass ca. 90 % der befragten Jugendlichen, im Alter zwischen 12 und 19 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, Musik hören als die wichtigste Mediennutzung angaben (vgl. JIM Studie 2013: 13).

Musik emotionalisiert ihre Message und erwartet keinen Antwort auf ihre Fragen. Sie mahnt an, diskutiert oder schafft Verbindungen, sie vergesellschaftet Individuen und verleiht gesellschaftlichen Themen Brisanz, spätestens seit den Protestsongs der Hippiebewegung. „Rollenmäßig ist das orale Gedächtnis nicht im Schreiber, sondern im Sänger verkörpert“ (Maeder/ Brosziewski 2011: 167). So folgt daraus, dass die Erinnerung geliefert wird, durch Lautassoziationen, die sich wiederum durch Rhythmus, Tempo und Intonationen konstituiert (vgl. Maeder/ Brosziewski 2011: 166). Folgt man den neurowissenschaftlichen Ausführung Herbert Bruhns, dann wird Musik als Dualität von Klang und Handlung wahrgenommen (vgl. Bruhn 2008: 76). Der Rhythmus des Musikstücks zeichnet sich erst in der rhythmischen Bewegung aus. Unabhängig von Kultur, Sprache und Ort nehmen Menschen Emotionen gleich wahr. Für die Musik bedeutet das, dass Individuen unabhängig von äußeren Einflüssen, harmonische und disharmonische Tonalität differenziert wahrnehmen können. Martin Pfeiderer verweist auf den Aspekt der psychischen Beschaffenheit von Individuen hin, die eine große Rolle spielen bei der Präferenz von harmonischer und dissonanter Musik (Pfeiderer 2008: 100). So erwies sich aus den neueren Studien, dass Hörer von Jazz, Folk und Blues eher selbstbewusste Persönlichkeiten sind, während Hörer populärer Musik oder Volksmusik eher labile Persönlichkeiten sind (vgl. Pfeiderer 2008: 100). Dieser Umstand könnte zum einen daran liegen, dass Volksmusik oder Popmusik durch ihre klanglich-verlässlichen Harmonien eine gewisse Sicherheit transportieren. Das wiederum resultiert aus dem Umstand, dass diese einfache Musik begrenzte Möglichkeiten durch Tonalität besitzen und somit verlässliche Klangstrukturen erzeugen.

Musik ist als Kunstform für Menschen in einer gleichen Weise verständlich, aber unterschiedlich beschaffen um unterschiedlichen Geschmäckern zu entsprechen. Unabhängig vom Musikhörenden konstatiert Rotter, dass die „(…) Kunst für Gewaltlosigkeit steht. Dieser Aspekt verdeutlich seinerseits die Schlussfolgerung, dass Kunst schon durch ihr bloßes Dasein Kritik an der Gesellschaft ist“ (vgl. Rotter 1985: 108).

Mit dem Hintergrund gesellschaftlicher Dynamisierungen einer von überlebensorientierten hin zur erlebnisorientierten Gesellschaft (vgl. Schulze 2005) betrachtend, avanciert Musik zum Konsumartikel (post-)moderner Erlebniswelten. Gerhard Schulze greift die Dynamisierung kultureller Imperative im Grenzgang zwischen Erleben und Objektbeziehung auf. Seine attestierte „Erlebnisgesellschaft“ diffundiert in ihrer vermeintlichen Individualität im Kreis alltagsästhetischer Schemata (vgl. Schulze 2005). Diese Erlebnisgesellschaft unterliegt den Veränderungen der Lebensbedingungen, so wie Schulze beschreibt, aus „{dem} Weg von der Pauperismuskrise hin zur Sinnkrise“, sei sie „eine{r} neue{n} Basisorientierung des Erlebens zur Selbstverständlichkeit“ entsprungen (Schulze 2005: 55).

Mit der Diffusität des schier unendlichen Musikangebots wird musikalisches Erleben zu einem Fetisch. Musik avancierte vom unantastbaren Geniekult der ernsten Musik zur künstlerischen und dynamischen Eigenart der Kunst. Die Rockmusik wird durch exzessive und expressive Konnotation zum Charakteristikum des Rockstars, nämlich durch die Verkörperung von Sex, Drug`s and Rock n` Roll und etabliert sich als stereotypische Lebensführung von Rockstars. Musik elaboriert zum Konsumartikel, zur emotionalen Wanderschaft, zur Freizeitgestaltung als Unterhaltungsmusik, zum abdriften in expressives Erleben. Musik wird zum lukrativen Geschäft für Musikproduzenten und Labels, die unerschöpflichen Möglichkeiten Musik als Teil einer Lebenswelt zu gestalten um Bedürfnisse ihrer Konsumenten zu stillen. Es werden Konzertkarten gehandelt, mp3 downgeloadet, Plattenmessen besucht, Autogrammstunden hart umkämpft. Sie ist allgegenwärtig, durchzieht und begleitet Musiktouristen durch Lebenspassagen, lässt sie rebellieren und hilft wohlmöglich über den Trennungsschmerz der ersten großen Liebe hinweg. Sie lässt das Erinnern an bestimmte Zeiten aufkommen. Sie erzeugt und transportiert Emotionen, vermittelt dem Musikbegeisterten ein Lebensgefühl, dass er mit anderen teilt. Sie vergesellschaftet Individuen und gibt ihnen gleichzeitig ein einzigartiges Erlebnis. Wir kommunizieren mit und über Musik.

Das Erleben von Musik wird bei der Vergegenwärtigung von Musik, als „existentielle Notwendigkeit“ eines ungeborenen Kindes, eindrucksvoll beschrieben. Schließlich zeichnen sich die primären Sozialisationserfahrungen von Musik als Fötus im Bauch der Mutter ab (vgl. Rotter 1985). Hier nehmen wir das erste Mal durch den Herzschlag der Mutter Rhythmen wahr und darüber hinaus ist die Stimme der Mutter prägender Stimulus für Sicherheit und Geborgenheit (vgl. Rotter 1985). Wir werden geboren und können anhand der Stimme erkennen wer unsere Mutter ist, diesen Umstand beschreibt Rotter wie folgt: „Nach der Geburt ist es nämlich das mutternahe akustische Erleben, welches die erste existentielle Vertrautheitsbasis des Menschen bildet“ (Rotter 1985: 46). Er verweist in diesem Aspekt darauf, dass der „Klang der Stimme werde von dem Säugling als körperliche Kontaktnähe erlebt oder sogar unmittelbar als körperlicher Kontakt empfunden (…)“ (Rotter 1985: 47). Mit dieser fötalen Erfahrung umklammert diese die weitere Entwicklung der individuellen Hörwelt. Hierbei verweist Rotter im engeren Sinne auf die Symbiose der Mutter-Kind Beziehung als zentralen Ausgangspunkt zur Erklärung von Musikpräferenzen, die darauf beruhen welche Bedürfnisse durch die Mutter befriedigt wurden oder welche nicht. So dass das Hören trauriger und emotionaler Musik einer Kompensation des ersten Verlassenheitserlebnis gleich kommt. Musikpräferenzen können also durch primäre Sozialisationserfahrungen geprägt werden (vgl. Rotter 1985). Dieses identitätsbildende Moment von Musik ist nicht als a priori zu verstehen. Folgende Sozialisationsräume, wie peer groups, das Hörverhalten der Eltern, so wie zeitgebundenen Trends und mediale Prägung erschließen ein olfaktorische Bildnis von der Entstehung musikalischer Präferenzstrukturen.

Ein wesentliches Merkmal für Musik und ihre Wahrnehmung ist der Groove. Der sogenannte „Groove“ von Musikstilen lässt sich anhand stilspezifischer Rhythmus Charakteren feststellen. Genauer lässt sich der Rhythmus anhand der Schlag- und Pausenfolge differenzieren. Jeder musikspezifische Groove unterscheidet sich in der rhythmischen Struktur (vgl. Pfeiderer 2002). Es lassen sich bestimmte Grundstrukturen ausmachen, die die natürliche und klangliche, dynamische Gestaltung prägen (Pfeiderer 2002: 106). Der Rhythmus prägt bestimmte Stilbereiche, wie zum Beispiel Heavy Metal im Vergleich zum Reggae einer anderen rhythmischen Grundstruktur und ruft demnach unterschiedliche physiologische Bewegungscharakteren hervor. Wesentliche Instrumente für den Groove sind das Schlagzeug und der Baß. Schlagzeuge bilden das Rückgrat der Rockmusik (Kneif 1979: 32). Veränderungen von Rhythmen können, wenn sie hörbar sind, zu einer hohen Komplexität eines Musikstücks führen (vgl. Pfeiderer 2002: 106f). So kann Musik als komplexe Darbietungen, die chaotisch klingende Grooves erzeugen, vermutlich eine psychisch starke Persönlichkeit tendenziell leichter erfassen. Was nicht zuletzt damit zu erklären wäre, dass Hörer komplexer, atonaler Musik (vorzugsweise Jazz oder Blues) einer höheren Altersklasse angehören und ebenso über einen höheren Bildungsstand verfügen. Trotzdem sind weitere Faktoren, wie soziodemographische Merkmale und Sozialisationsmuster bedeutsam, um das Musikpublikum zu charakterisieren (vgl. Pfeiderer 2008). Erwartungshaltungen des Publikums, die an eine harmonische und verlässliche Klangfarbe gekoppelt sind, sind vornehmlich in der Populärmusik zu finden.

Allerdings ist der Sound ohne Zweifel, „zum beherrschenden Fetisch der Rockmusik geworden“ und dabei meint „Sound {…} die Totalität aller den Gesamteindruck der Musik bestimmender oder vermeintlich bestimmender Elemente“ (vgl. Sander 1979). Diese bestimmenden Elemente begreift Tibor Kneif (1978: 188f) als Gruppensound, der sich durch die Anordnung von Instrumenten im Zusammenspiel mit der Vokalstimme versteht. Aber ebenso kann auch der Studiosound richtungsweisend für einen Gruppensound sein. Wie sich im späteren Verlauf der Arbeit noch zeigen wird ist der Grunge Sound der Seattle Szene im Gegensatz zum populären Grunge z.B. von Nirvana zu unterscheiden. Gleichzeitig müsste man eben auch die Unterschiede in der Live-Performance zu den gemasterten Studioalben betrachten. Gerade bei Rockmusik übt die Live-Performance eine musikalische Wirkung aus, die zu einem intensiveren Erleben führen kann. Man denke nur an die legendären Eigenarten von Sängern wie Ozzy Osbourn, der einer Fledermaus den Kopf abbiss, oder Iggy Pop, der sich Schnittwunden auf seiner Brust zufügte auf Konzerten. Die Präsenz des Künstlers als nahbares Element erzeugt ein intensives Erleben in Verbindung mit dem Klangereignis. Dies wiederum wird bedeutend in der Kommunikation zwischen Künstler und Publikum.

Aber im Vordergrund steht die Band mit ihrem unvergleichlichen einzigartigen Sound. Jede Band gestaltet unabhängig ihrer Zugehörigkeit zu einem Gruppensound, wie Grunge, Eigenheiten in der Komposition durch z. B. spezifische Spiel- und Gesagstechniken, oder durch den Einsatz von Effektgeräten (vgl. Pfeiderer 2003: 22).

Musikhörer erleben aus ganz unterschiedlichen Gründen ihre präferierte Musik. Der Lebenszyklus und die Milieuzugehörigkeiten müssen eingeschrieben werden, bei der Betrachtung von Musikwirkung, Musikpräferenz und des Musikmachens. Aber nicht nur die einverleibte Geschichte, musikalische Grundelemente, der ökonomische oder psychische Status des Individuums sind wichtige Einflüsse auf das Musikhören. Hierzu müssen die Bedürfnisse des Publikums offenbart werden, um die grundlegenden Motive des Musikhörens zu offenbaren: die Emotionen. Gleichzeitig ist der Faktor Ästhetik ebenso wichtig bei der Betrachtung von Musikpräferenzen. Warum wir Musik schön oder grässlich empfinden können wir meistens nicht objektiv erklären.

Die Medien dienen als ein wichtiger Ästhetisierungsfaktor. Was Medien „hypen“ ist der Trend von Morgen. Allerdings können auch milieuspezifische Erwartungserwartungen eine wesentliche Rolle spielen. Die Schwierigkeit, in Anbetracht der so vielen unterschiedlichen Musikgenres ist demnach, sich aus diesem Angebot das richtige herauszusuchen. Mit 1374 unterschiedlichen Musikgenre (vgl. McDonald 2014), erscheint es wohlmöglich schwer Handlungsmuster und identitätsstrukturelle Aspekte auszumachen. Wir sind fluktuierende Musiktouristen, die sich dem Konsum musikalischer Angebote hingeben.

Zum Aspekt der Ästhetik von Musik gibt es vielerlei Unterschiede, die soziologisch aufgegriffen werden können. Der allgegenwärtige Begriff des Lebensstils erwies sich im ersten Moment als griffig, um Ästhetisierung verstehbar zu machen im Hinblick auf Distinktion und struktureller Dimensionen von Lebenswelten. Der Lebensstilbegriff umfasst beobachtbare Verhaltensroutinen, während der neuere Begriff des sozialen Milieus „psychologisch tief verankerte und vergleichsweise beständige Werthaltungen und Grundeinstellungen von Menschen“ hinzufügt (Kopp 2006: 199). Aus den Wertorientierungen und soziodemografischen Merkmalen, wie zum Beispiel Klassenlage, Bildung, Beruf, Alter und Geschlecht können horizontale wie vertikale Strukturen, Aufschluss über die Musikpräferenzen und Musikwirkung von Individuen ergeben (vgl. Otte 2008). Sie geben einen ersten Hinweis, der Gruppenidentitäten ausfindig macht, und kann auf bestimmte Verhaltensmuster hinweisen. Allerdings lässt sich feststellen, dass die Wahl von Musikpräferenzen von Individuen durch individuelle beobachtbare Merkmale schwer auszumachen sind. Mit dem Begriff der alltagsästhetischen Schemata verwebt Schulze beobachtbare individuelle Merkmale mit kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklungen, die primär tendenzielle Verhaltensmuster in ein Schema hineinschreiben, die für jeden eine bestimmte Vorstellung dessen liefert welcher Alltagswirklichkeit wir angehören. Schulze unterscheidet drei alltagsästhetische Schemata, das Hochkulturschema, Trivialschema und das Spannungsschema. Schulze definiert „den Begriff alltagsästhetischer Schemata {als} eine kollektive Kodierung des Erlebens (…), ein ästhetisches Programm, das die unendliche Menge der Möglichkeiten, die Welt zum Gegenstand des Erlebens zu machen, auf eine übersichtliche Zahl von Routinen reduziert“ (Schulze 2005: 128.).

Das Hochkulturschema umfasst somit den Ursprung einer kulturellen Prägung, die gekennzeichnet ist durch diverse Kunstformen und Strömungen, die wir miteinander verbinden. So wird das Bild der Hochkultur mit einer bestimmten Art von Musik (Klassik, Avantgarde oder im allgemein Sinne der ernsten Musik) verbunden, die wiederum ästhetische Codes „schöngeistiger“ Versiertheit hervorbringen. Der Kunstgenuß steht hier unter dem Zeichen der Kontemplation, des feingeistigen, reflektierten und bildungsbürgerlich geprägten Genießers (vgl. Schulze 2005). Einer näheren Betrachtung von der Evolution der Hochkultur verweist allerdings auch darauf, dass alltagsästhetische Schemata, einem dynamischen Veränderungsprozess unterliegen. Was aber bleibt ist der Aspekt, dass die Zugänge tendenziell bildungsabhängig bleiben. Dabei bezieht sich der Zugang über Bildung mit Bourdieu auf den spezifischen Habitus des Musikhörers. Ob bildungsfern oder hoch gebildet muss man dennoch davon ausgehen, dass Musikpräferenzen nicht zwangsläufig darauf zurückzuführen sind. Der Sohn eines Arztes kann eine Vorliebe zur Punkmusik haben. Das wiederum führt dazu, dass Lebenszyklen ebenso einen wichtigen Faktor bilden.

Der gegensätzliche Pol zum Hochkulturschema lässt sich im Trivialschema wiederfinden. Das ist die Gruppe jener, die sich an der „leichten Unterhaltung“ erfreuen. Hiermit wird eine massentauglichere Wirklichkeit erzeugt, die allem Anschein nach zur Gemütlichkeit einlädt. Der Genuss des Trivialschemas liegt offensichtlicher denn je in der „vergnügungsorientierten Anspruchslosigkeit“ (Schulze 2005: 150. Jede Anpassung an das Trivialschema bedeutet ein klarer Verstoß gegen die Feingeistigkeit des Hochkulturschemas. So wurde empirisch nachgewiesen, dass eine tendenzielle Zuwendung zum Trivialschema etwa den Persönlichkeitsmerkmalen von Rückzug und Resignation, Urmisstrauen gegenüber anderen und sich selbst usw., charakterisieren lässt (vgl. Schulze 2005: 151). Durch die historischen Entwicklungen von Erlebnisangeboten entwickelte sich eine neues alltagsästhetisches Schema, das entgegen der Kultiviertheit und der Einfachheit, Spannungen in durchdringender Art und Weise beschreibt. Mit der Herausbildung musikalischer neuer Strömungen, wie die Rockmusik, entfachte ein stilistisches Grenzgebiet, das es so noch nicht gegeben hat. Mit der Geburt des Rock n` Roll in der Nachkriegszeit spielt Musik in Jugendszenen eine große Rolle (vgl. Pape 1998: 110). Die nun sich herausbildenden Jugendkulturen begreifen sich in einer Dynamik von Gegenkultur und individueller Freiheit in musikalischen Angeboten und ebenso in lebensphilosophischen Konzepten. Die Musik wird vielfältiger und unterliegt einer stetigen Evolution, die bis in die achtziger Jahre hineinreicht. Der Jazz und Blues bestimmen die Wurzel der wuchernden, rhizomatischen Genreentwicklung, auf den zunächst der Rock`n Roll zum Massenphänomen der Nachkriegsjahre in den fünfziger Jahren evoziert. Nach ihm erhält der britische Beat hohen Einfluss musikalischer Präferenzen, ihm folgend ist die weit differenzierte Rockmusik und Popmusik bis heute. Punk, Heavy Metal, Soul, Funk, Reggae und Grunge u.v.m. decken längst nicht mehr die Menge an musikalischen Stile ab. Gerade Heavy Metal erlebt eine ständige Ausdifferenzierung von Subgenres, die bis heute nicht abgeschlossen zu sein scheint, neben Trash Metal, melodical Metal, Speed Metal gibt es folk Metal neo-trad Metal, finnish Metal, Melodie power Metal, Drone Metal uvm. (vgl. McDonald 2014). Der Musikhörer steht vor einem großen Erlebnismarkt aus dem er die für sich beste Alternative auswählen muss.

Rockmusik befriedigt ein Bedürfnis nach intensivem Erleben, der Expression von ausdifferenzierten Erlebensräumen mit der Erwartung ständiger Abwechslung. Die seichten Rhythmen der Volks- und Popmusik langweilen den Action-liebenden Erlebnistouristen des Spannungsschemas. Immer auf der Suche nach neuen, lauten und andersartigen Genussangeboten charakterisieren den reizverwöhnten Wanderer. Das Spannungsschema wird charakterisiert durch die Verachtung der Enklaven des Hochkultur- und des Trivialschemas. Der Spießer, die Etablierten, der Konservative und die Dickwänste, sowie die Reihenhausbesitzer und ihre Hausfrauen, sie trohnen alle auf dem Scheiterhaufen musikalischer Andersartigkeit (Schulze 2005: 155). Im Folgenden befassen wir uns also mit den Erlebniswelten des Spannungsschemas. Das Spannungsschema ist der Rockmusik zuzuordnen, es umschließt die theoretische Analyse sozialer Milieus und, wie sich im späteren Verlauf der Arbeit zeigen wird, dient das Spannungsschema der Identifizierung und Charakterisierung der alltagsästhetischer Schemata der Grunge Szene in Seattle. Alltagsästhetische Schemata erwirken somit eine theoretische Grundlage einer tiefgreifenden Analyse gesellschaftlicher Musikstile.

Identitätenbildung und Charakterisierung von Stilen oder Szenen müssen auch immer im Hinblick auf ihre mediale Wirksamkeit geprüft und gekennzeichnet werden. Inwiefern die Medien Einfluss auf die Musik haben, und wie viel Einfluss Musiker haben eine Szene zu etablieren und ihre Fans Einfluss auf die geliebte Musik haben, lässt sich über systemtheoretischer Überlegungen genauer unter die Lupe nehmen. Rotter ermöglicht eine systemtheoretische Herangehensweise, um Musik als Kommunikationsmedium innerhalb des Kunstsystems zu etablieren. Unter diesen Gesichtspunkten verklärt der Gedanke der strukturellen Kopplung zwischen sozialen Systemen nachhaltigen Eindruck: Nämlich der Betrachtung von Kunstsystem im Gesellschaftssystem. Ähnlich wie der Vorstellung von Parsons, des wertbildenden kulturellen System innerhalb eines Gesellschaftssystems. Aber noch tiefgründiger umfasst der Gedanke, dass Musik oder das Kunstsystem, ganz allgemein betrachtet, an sich als ein Kommunikationsmedium zu betrachten sei. Hierbei gilt Rockmusik als Verlautbarung von zeitgeistlicher Gesellschaftskritik, aber nicht abgestempelt als eine Kunstform die sich schlicht gegen die Etablierten stellt oder einer Utopie folgt. Nein, sie könnte als Medium zur Kommunikation von gesellschaftlicher Wirklichkeiten betrachtet werden. Nur fraglich ist, was bestimmt die gesellschaftliche Wirklichkeit? Wie konstituiert sie sich? Das wiederum schließt die These an, wenn wir die Macht der Medien in dem Kontext bloß nicht ausser Acht lassen: Ob es der medialen Wirksamkeit an Wahrheit fehlt. Das soll so gedacht werden, dass Medien dem Code Information und nicht Information unterliegen mit dem dringenden Tatverdacht eine Massenrealität zu erzeugen, die die Konsumenten als vermeintliche Realität anzunehmen haben. Diese Selektionsleistung der Medien entscheidet darüber was wir gut finden sollen. Medien erzählen uns, was wir morgen tragen und welche Musik wir hören. Luhmann attestiert der Werbung eine durchdringende Macht durch den folgenden Wortlaut: „Zu den wichtigsten latenten (aber als solche dann strategisch genutzten) Funktionen der Werbung gehört es, Leute ohne Geschmack mit Geschmack zu versorgen“ (Luhmann 1996: 89). Dies unterstreicht die Annahme eines Medien induzierten Geistes der in der Gesellschaft herum tobt. Aber wie sich dieser „Geist“ konstituiert hat, kann nur folgerichtig betrachtet werden, indem die medialen Mechanismen aufgearbeitet werden. Die Macht der Medien ist eine zentrale Perspektive, der sich gestellt werden muss, wenn man Musik und Gesellschaft betrachtet. Im Kapitel über Grunge und Medien wird dieser Aspekt medialer Macht beispielhaft aufgegriffen. Dennoch beschreibt dies noch lange nicht, warum Individuen bestimmte Musik hören und andere nicht hören und inwiefern sie Gesellschaftskritik kommunizieren soll. Und unabhängig von medialer Wirklichkeit, muss auch der Blick im Moment der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeiten vielseitig geschehen. Im Rahmen dieser Arbeit ist das nur schwerlich umfassend abzuhandeln.

[...]

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Die Pflege im Krankenhaus. Ein unterschätzter Marketingfaktor?
Université
Protestant University of Applied Sciences Berlin  (Pflegemanagement)
Cours
Marketing-Controlling
Note
1,0
Auteur
Année
2015
Pages
19
N° de catalogue
V304505
ISBN (ebook)
9783668029743
ISBN (Livre)
9783668029750
Taille d'un fichier
440 KB
Langue
allemand
Mots clés
Pflege, Krankenhaus, Dienstleistung, Marketing
Citation du texte
Christian Hener (Auteur), 2015, Die Pflege im Krankenhaus. Ein unterschätzter Marketingfaktor?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/304505

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